DB / Erfahrungen mit dem Neun-Euro-Ticket

Philosophische Gedanken zum Bahnfahren mit dem 9-Euro-Ticket

Beim Autofahren ist die primär verbrauchte Ressource Kraftstoff, dieser muss entsprechend gekauft werden. Die Kosten für eine Autofahrt (ohne „Besitzkosten“ wie Reparaturen oder Versicherung) errechnen sich demnach aus der Entfernung plus den etwaigen Parkkosten.

Die Bahnpreise vor dem 9-Euro-Ticket entsprachen dem: je weiter die Fahrt desto höher die Kosten.

Beim 9-Euro-Ticket ist die primär verbrauchte Ressource Zeit. Wie weit ein Ort entfernt ist, wird nicht durch die Entfernung bestimmt, sondern wie lange es braucht, um dorthin zu gelangen. Da die öffentlichen Verkehrsmittel unabhängig vom einzelnen Reisenden fahren, müsste die Zeit in Rechnung gestellt werden, welche die Person dort verbringt.

Die Ticketkosten sollten künftig in Zeiteinheiten berechnet werden. Möglich wäre ein Echtzeitsystem: eine App erkennt wenn ich das Verkehrsmittel benutze und rechnet am Monatsende ab. Oder die Preise sind gestaffelt, z. B. 1-, 6-, 12-Stundenticket, Wochenticket, Monatsticket, Jahresticket.

Je mehr verschiedene öffentliche Verkehrsmittel im Ticketpreis inbegriffen sind, desto kürzer wird die Fahrzeit; beim 9-Euro-Ticket beispielsweise muss der Fernverkehr aus den Verbindungsvorschlägen der Bahn-App ausgeblendet werden: die Fahrzeit wird also länger. Die Ticketpreise sollten künftig also auch berücksichtigen, welche Verkehrsmittel benutzt werden (z. B. Busse/U-Bahnen/S-Bahnen, Nahverkehrszüge, Fernverkehrszüge) und nicht, welchem Verbund sie angehören.

Das ist wirtschaftlich betrachtet einfach schon absolut unhaltbar. Die Fixkosten sind nun einmal da und auch nicht zu leugnen. Die Fixkosten bei den Kosten des Autofahrens nicht zu berücksichtigen ist einfach ein so typischer, aber ebenso massiver, Fehler, denn in der Preiskalkulation des ÖPNV sind natürlich auch die Fixkosten des ÖPNV inbegriffen (und machen dort auch einen Großteil des Preises aus, ebenso wie beim Auto).

Also soll eine Busfahrt teurer sein als eine Zugfahrt zwischen den gleichen Orten und der ICE ist günstiger als Regionalexpress? Aktuell ist es tatsächlich umgekehrt, das schnellere Verkehrsmittel ist in der Regel das teurere.

Also abgesehen davon, dass diese App partielle Bewegungsprofile erstellen würde und damit hochgradig problematisch im Hinblick auf den Datenschutz wäre, wäre das System auch unnötig komplex.

Welchen Vorteil hätte dieses System gegenüber einem vollständig aus Steuermitteln finanzierten ÖPNV? Bei letzterem kann man massiv sparen (keine Kontrolleure mehr (wenn man die Arbeitsplätze erhalten will können die Leute ja für Sicherheit und Sauberkeit im ÖPNV sorgen), keine Ticketautomaten, die gewartet und von Bargeld geleert werden müssen, keine Verwaltung der Schwarzfahrer-Gebührenerhebung usw.).

Du willst quasi das Gegenteil: Eine möglichst genaue Abrechnung, wer wie viel ÖPNV nutzt, um die Leute entsprechend ihrer Nutzung an den Kosten zu beteiligen. Dieser Weg wird aber immer dazu führen, dass Menschen, die ein Auto haben, sagen werden: „Also die Fixkosten für’s Auto habe ich ohnehin - und die variablen Kosten sind günstiger als der ÖPNV“. Das hast du ja auch erkannt - und daran wird sich nichts ändern, es sei denn, man lässt auch den Steuerzahler zumindest die Fixkosten des ÖPNV vollständig tragen, damit auch hier nur noch die variablen Kosten anfallen - nur so kann der ÖPNV für KFZ-Besitzer vergleichbar günstig werden.

Und wenn man so weit geht, kann man auch direkt die gesamten ÖPNV-Kosten vom Steuerzahler übernehmen lassen, weil der Verwaltungsaufwand, die variablen Kosten zu erheben, einfach den potentiellen Gewinn übersteigt (oder zumindest zum größten Teil aufzehrt).

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> Welchen Vorteil hätte dieses System gegenüber einem vollständig aus Steuermitteln finanzierten ÖPNV?
Keinen würde ich sagen.

> Die Fixkosten bei den Kosten des Autofahrens nicht zu berücksichtigen ist einfach ein so typischer, aber ebenso massiver, Fehler,...
Kein Fehler, Absicht! :slight_smile: Für die Fixkosten entscheide ich mich ja dann, wenn ich mir ein Auto kaufe. Das hindert mich aber nicht daran, mich bei der einzelnen Fahrt trotzdem für öffentliche Verkehrsmittel zu entscheiden; dabei wäge ich ab zwischen Dauer, Kosten, Transportsportkapazität, Komfort usw. Meine These ist aber, dass beim 9-Euro-Ticket der Hauptfaktor die Zeit ist die ich gegen die Benzinkosten bei der Autofahrt abwäge. Im Moment ist fast jede Fahrt mit Nahverkehrsmitteln billiger als mit dem Auto.

> Also soll eine Busfahrt teurer sein als eine Zugfahrt zwischen den gleichen Orten und der ICE ist günstiger als Regionalexpress? Aktuell ist es tatsächlich umgekehrt, das schnellere Verkehrsmittel ist in der Regel das teurere.
Das war kompliziert von mir ausgedrückt. Mein Vorschlag beinhaltet ja Zeiteinheiten (statt den üblichen Entfernungen) - die können aber unterschiedlich teuer sein. Eine Stunde Busfahren ist billiger als eine Stunde Regionalexpressfahren als eine Stunde ICEfahren. Weil der ICE schneller ist, entscheide ich mich vielleicht trotzdem für ihn, auch wenn er teurer ist.

> partielle Bewegungsprofile
Natürlich nur optional, nicht obligatorisch.

> Du willst quasi das Gegenteil: Eine möglichst genaue Abrechnung, wer wie viel ÖPNV nutzt, um die Leute entsprechend ihrer Nutzung an den Kosten zu beteiligen. Dieser Weg wird aber immer dazu führen, dass Menschen, die ein Auto haben, sagen werden: „Also die Fixkosten für’s Auto habe ich ohnehin - und die variablen Kosten sind günstiger als der ÖPNV“.
Puh - was will ich? Ich wollte einen neuen Denkansatz anstoßen, Entfernungen nicht mehr unbedingt in Kilomentern sondern vielleicht eher in Stunden zu messen. Wenn öffentliche Verkehrsmittel sehr günstig sind (wie gerade jetzt) ist für mich im Moment vor allem die Frage, wie lang eine Fahrt dauert, bis ich ans Ziel komme (siehe Beispiel von HansHans). Ich brauche mit öffentlichen Verkehrsmitteln zwei Stunden bis ich bei der Oma bin die 120km entfernt wohnt und eine dreiviertel Stunde bis ich im Nachbarort bin, der 4km weg ist. Oder anders ausgedrückt: Die Oma wohnt nicht 120 oder 4 Kilometer weg, sondern 120 oder 45 Minuten.
Müsste sich - solange öffentliche Verkehrsmittel etwas kosten - die benötigte Zeit nicht in den Kosten wiederfinden, weil das doch die Hauptressource ist, die ich beanspruche?

Vielleicht sollte ich meine philosophischen Überlegungen als Frage formulieren:
Wie können Reisekosten sinnvoll und logisch gestaltet werden, wenn Entfernungen nicht mehr in Kilomentern, sondern in Stunden berechnet werden?

Ich versuche meine Gedanken nochmal klarer und kürzer auszudrücken:

Wenn die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmittel in der Zeit nach dem 9-Euro-Ticket nicht kostenlos ist, bleibt die Frage, wie man Autofahrer trotzdem zum Umsteigen bringt. Hilft bei der Beantwortung dieser Frage ein Blickrichtungswechsel, Reiseentfernungen (und damit auch Reisekosten) nicht mehr in Reiselänge sondern in Reisedauer unter Berücksichtigung von Reisegeschwindigkeit zu berechnen?

Petition zum Thema: Petition · Bahn und Bus für 1 Euro – jetzt in ganz Deutschland! · Change.org

Das kann ich nicht bestätigen. Meine Erfahrungen sind zwar sehr gering, ich bin in meinem Leben vielleicht ein Dutzend Mal ICE gefahren, aber immer wenn ich die Zeit zum Arbeiten nutzen wollte bin ich an dem beknacktesten Internet der Welt gescheitert. Vielleicht gibt es mittlerweile stabiles Netz in der Bahn, aber aber bis 2018 war das nicht der Fall.

Ein sehr origineller Gedanke, aber würde das nicht den falschen Anreiz bei der Bahn setzten die Bahnfahrten möglichst lang zu gestalten?

Gar nicht. Vielleicht indem man per Gesetz den Komfort von Autos auf Pferdekutschenniveau absenkt, oder alle Autobahnen abreisst.

Es ist besser geworden, aber natürlich nicht perfekt. Es kommt immer auf den Streckenabschnitt an. Ich persönllich plane stabiles Internet eher nicht ein, ich kann aber meist gut ohne Internet arbeiten für eine Zeit. Für’s E-Mail lesen und beantworten reicht es meist aber. Videokonferenzen würde ich aber natürlich eher nicht einplanen.

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