Schönes Beispiel, allerdings wieder ein Beispiel aus der Kategorie „Grundsätzlich besteht Bedarf an einer Form von Bürokratie, aber die Vorgaben passen einfach nicht zur Realität“.
Also da Überdüngung grundsätzlich ein massives Problem für die Gewässer ist und wir nicht darauf vertrauen wollen, dass „die Bauern schon angemessen Düngen werden“, besteht ja relativ zweifellos ein Bürokratiebedarf. Denn der Bauer als rationaler wirtschaftlicher Akteur würde sonst im Zweifel lieber zu viel als zu wenig düngen, um seinen Profit auf Kosten der Umwelt zu sichern (u.a. deshalb gab es ja in der Vergangenheit Probleme mit Überdüngung). Grundsätzlich liegt also ein Bedarf an Bürokratie vor.
Die Umsetzung hingegen ist bei solchen komplexen Themen immer tricky. Warum genau der Nährstoffvergleich nicht mehr ausreicht habe ich jetzt auf die Schnelle nicht herausfinden können, aber in dem Bereich scheint gerade eine Menge EU-weitere Vereinheitlichung zu passieren, siehe z.B. die Düngegesetznovelle vom 06.06.2024, die größtenteils der Umsetzung von EU-Recht dient:
Das Problem ist hier möglicherweise tatsächlich, dass wir Probleme auf immer höheren Ebenen (also nicht in der Kommune, sondern landesweit, bundesweit, europaweit…) regeln wollen, es dort aber schwer ist, Regelungen zu erlassen, die auf den unteren Ebenen auch praktikabel sind. Hier haben wir also einfach erhebliche Interessenkonflikte, z.B. zwischen Kleinbauern in der Kommune (die sich wünschen würden, solche Dinge kommunal nach gesundem Menschenverstand klären zu können) und Großbauern (die sich europaweit einheitliche Regeln wünschen, weil das ihr Geschäft vereinfacht), zwischen Bauern (die eher laxe, einfache Regeln wollen) und Umweltschützern (die möglichst strenge, genaue Regeln wollen).
In solchen Fällen gilt mMn wieder, dass man nicht die Bürokratie als Solche verdammen sollte, sondern die konkreten Probleme, bei denen deutlich wird, dass die Bürokratie ihre zulässigen Ziele nicht erreichen kann und deshalb „in’s leere läuft“.
(okay, ihr merkt schon: Ich bin grundsätzlich eher pro-Bürokratie, weil Bürokratie grundsätzlich für einen egalitären Rechtsstaat zwingend notwendig ist. Je weniger ein Beamter aus dem Bauch entscheiden darf und je mehr durch feste, bürokratische Regelungen geklärt ist, desto weniger Willkür ist möglich… das gilt natürlich nur wenn die Bürokratie funktioniert, was nicht immer der Fall ist!)
Absolut, als ehemaliger gesetzlicher Betreuer waren über 80% meiner Arbeitszeit Bürokratie, die Menschen zu sehen war eher die Ausnahme. Gut, das ist auch ein besonders bürokratischer Job. Im Idealfall ist die Bürokratie so auszugestalten, dass sie entweder automatisch erledigt wird (z.B. automatisierte Dokumentationssysteme) oder für die Bürokratie gibt es Verwaltungskräfte, die sie übernehmen, damit nicht die wichtige Arbeitszeit der knappen Fachkräfte darunter leidet. Diesen Grad der Arbeitsteilung und Modernisierung haben wir leider in kaum einem Bereich erreicht.