BSW - Alternative oder Gefahr?

Die Wiederhinwendung zum Russland unter einem faschistischen Diktator, der einen Eroberungs- und Vernichtungskrieg gegen eine Verbündete führt und Kriegsverbrechen in Serie begeht, wäre nichts anderes als sich mit diesem Regime gemein zu machen.

Deine gedrechselte Sophisterei kann diese Tatsache nicht bemänteln.

In einem hat der russische Diktator zweifellos recht: Das heutige Russland ist ein Antagonist westlicher Werte.

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Solche binären Oppositionen halte ich für gefährlich. Sie bedienen das populistische Narrativ der Eliten"kritik".

Nein es gibt nicht das Volk und schon überhaupt keinen einheitlichen Willen dieses sogenannten Volkes, wie es die autoritativen Populisten vorgaukeln wollen.

In einer pluralen Gesellschaft wie unserer gibt es nur Menschen mit ganz unterschiedlichen Vorstellungen, Interessen und Forderungen.

Ebenso wenig gibt es die Medien, sondern seriöse und unseriöse, niveauvolle und boulevardeske, linke, rechte, pro- und regressive usw. usf.

Und seriöse Forschende werden in diesem Lande immer noch mehrheitlich geschätzt. Wissenschaftsfeindlich/-skeptisch ist auch nur eine Minderheit - auch wenn Corona-Schwurbler und Esoteriker etwas anderes zu suggerieren versuchten.

Kurzum, es gibt diese Opposition - hier: das Volk, dort: Medien/Wissenschaft - nicht. Auch nicht in den Werten und Zielvorstellungen.

Ein simples Beispiel sei noch angeführt. Im SDS-Talk, den ich oben eingestellt habe, berichtet Professorin Küpper, dass drei Viertel der Aussage zustimmten, dass der Ukraine-Konflikt deutlich gemacht habe, dass wir den Ausbau erneuerbarer Energie schneller vorantreiben müssten (also genau das, was AfD, BSW und andere nicht wollen). Mir erinnerlich ist auch noch eine Umfrage von Infratest Dimap nach der eine Mehrheit (ich meine es waren fast zwei Drittel) dagegen war, angesichts des Krieges beim Ausbau Erneuerbarer nachzulassen, selbst wenn das Einschränkungen für die Befragten selbst bedeute.

Das ist schon erstaunlich, wenn man Folgendes, was der Psychologe Stephan Heinzel im Zeit-Interview ausführt, bedenkt. Er sagt dort:

Es gibt verschiedene Studien, die sagen, dass nur ein Sechstel der Bevölkerung die Konsequenzen des Klimawandels richtig verstanden hat.

Was dann folgt, ist seine skeptische Interpretation der Folgen dieses Faktums, das der realen, empirisch gemessenen, Bereitschaft mindestens ein Stück weit zuwiderläuft.

Professorin Küpper und ihre Mitforschenden im Rahmen der letzten Mitte-Studie haben übrigens auch ermittelt, was auch im Video angesprochen wird, dass eine, wenn auch knappe, gesellschaftliche Mehrheit (zumindest im Westen, darüber aber dann auch insgesamt) klimapolitisch progressiv ist.

Wie sagt der Kriminalbiologe Benecke immer so schön? Sinngemäß: Das ist gemessen, keine Meinung!

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Aus dem AfD Parteiprogramm zur Europawahl:

Die russische Invasion hat in der Ukraine viel Leid unter den Betroffenen erzeugt. Durch den Krieg wurde die Außenpolitik Deutschlands enorm erschwert. Aus der geostrategischen Lage Russlands, mit den daraus resul- tierenden historischen und wirtschaftlichen Verflechtungen, insbesondere auch mit Deutschland, ergibt sich die Notwendigkeit, mit diplomatischen Mitteln auf eine Beendigung des Krieges hinzuwirken und so auch für friedliche deutsch-russische Beziehungen zu sorgen. Russland war über Jahrzehnte ein zuverlässiger Liefe- rant und Garant einer erschwinglichen Energieversorgung, die aufgrund unserer energieintensiven Industrie die Achillesferse der deutschen Volkswirtschaft darstellt. Zur Wiederherstellung des ungestörten Handels mit Russland gehören die sofortige Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland sowie die Instandset- zung der Nord-Stream-Leitungen. Die Beziehungen Deutschlands zur Eurasischen Wirtschaftsunion sollen ausgebaut werden.

Das ist eine Plattitüde gefolgt von der klaren Positionierung, dass man im Gegenzug für „ungestörten Handel“ jede Form russischer Aggression und diktatorischer Regierung akzeptieren sollte.

Das Parteiprogramm von BSW ist gerade mal vier Seiten lang. Mehr als Allgemeinplätze, denen irgendwie schon jeder zustimmen würde, finden sich darin nicht, z.B.

Europa benötigt eine stabile Sicherheitsarchitektur, die längerfristig auch Russland einschließen sollte.

Ja klar, aber die Frage ist doch, wie genau diese Sicherheitsarchitektur aussehen sollte und wie wir zu dem Punkt kommen, dass Russland Teil dieser werden kann. Ist ja nicht so, als ob nicht genau das zwischen 1990 und 2014 versucht worden wäre.

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Nun, es ist natürlich, dass sich intellektuelle Eliten dem Wissenschafts- und Medienbereich hingezogen fühlen, nicht? Das ist auch logisch und erst einmal wertfrei.
Und natürlich gibt es eine Tendenz, was ja auch per se kein Problem ist, wenn z.B. journalistische Standards und Qualität eingehalten wird:

Ich warne jedoch davor, das Wort Elitenkritik mit dem aufgeheizten Argument der jetzigen Zeitumstände zu diskreditieren. Zu den westlichen Errungenschaften der Demokratie in den letzten 400 Jahren zählt zentral die Kritik an Eliten - seien es religiöse Eliten, politische Eliten oder sonstwie geartete.
Das ist wahrscheinlich die zentralste Errungenschaft - das Hinterfragen, die Satire und ja - auch die Polemik. Überall da, wo Kritik an Eliten als „gefährlich“ tituliert wurde, haben wir gesehen, was passiert.

Elitenkritik ist eine Errungenschaft der Freiheit. Wer sich das von destruktiven Mächten nehmen lässt, hat schon verloren.

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Die AfD macht keinen Hehl aus ihrer Haltung:

Lauten Beifall erntete Weidel, als sie sagte, zu den Interessen Deutschlands und Europas gehöre, „dass die Ukraine nicht zur Europäischen Union gehört und zu Europa“.

Und im BSW-Europawahlprogramm wird das Thema Russlands Krieg gegen die Ukraine folgendermaßen eingeleitet:

Seit zwei Jahren wütet in der Ukraine der größte und gefährlichste Krieg auf europäischem Boden seit dem II. Weltkrieg. In einer Welt der Gewalt und einer drohenden neuen Blockkonfrontation wird Europa aufgrund seiner geographischen Lage und seiner Abhängigkeit von Rohstoffen, Energieträgern und Exportmärkten zum Verlierer werden.

Der Aggressor wird nicht benannt. Später wird dann noch ein Verschwörungsnarrativ gesetzt, zusammen mit einer Täter-Opfer-Umkehr:

Der Krieg in der Ukraine ist ein blutiger Stellvertreterkrieg zwischen den USA und Russland. Bis heute gibt es keine ernsthaften Bemühungen des Westens, ihn auf dem Verhandlungsweg zu beenden.

Victim-Blaming und Gegeneinander-Ausspielen dürfen natürlich auch nicht fehlen:

Finanziell wäre ein Beitritt der Ukraine ein Fass ohne Boden, politisch wäre er ein Aufgeben aller Ansprüche an Rechtsstaatlichkeit, zu denen sich die EU einmal verpflichtet hat.

Ein Beitritt der fünf Länder des Westbalkans, des Kosovo, der Ukraine, Georgiens und Moldau würde den EU-Haushalt jährlich um weitere 36,7 Milliarden Euro belasten. Davon entfielen allein 26,6 Milliarden auf die Ukraine. Der deutsche Steuerzahler müsste zur Finanzierung jährliche Mehrkosten von 9 Mrd. Euro aufbringen, ein Betrag, der in unseren Pflegeeinrichtungen oder Schulen dringend gebraucht würde!

Da wird wirklich die komplette Klaviatur der Schäbigkeit durchgespielt.

Und diese Truppe bekam 6,2 % bei der Europawahl, im Westen 4,6 %, im Osten 14,1 %.

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Diese Umfrage, die du hier teilst, ist alles andere als repräsentativ, siehe hier:

Oder kurz:
Die Umfrage wurde nur unter Volontären durchgeführt. Es gab zum Zeitpunkt der Umfrage 183 Volontäre, von diesen haben sich nur 86 zurückgemeldet, d.h. lediglich 47%.
Somit ist diese Umfrage in keiner Weise geeignet hier eine Tendez des ÖRR abzuleiten!

Und noch eine Sache zu BSW und Medien:
Ich finde, dass der doch erstaunliche Aufstieg vom BSW maßgeblich durch allerlei Medien (Spiegel Cover, mdr Podcast mit 5 Teilen, mehrere Talkshow Auftritte, usw.), vorangetrieben wurde. Die Berichterstattung, alleine von der Anzahl her, ist wirklich erstaunlich für eine (jedenfalls am Anfang) Splittergruppierung der Linken.
Warum z.B. eine Sarah Wagenknecht bei Maybrit Illner zum Thema Nato in der Krise – stark genug gegen Putin?
sitzt, wohlwissend, dass sie in diesem Zusammenhang nur populistische und pro-russische (Fake-)Argumente vertritt, erschließt sich mir nicht.

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Menschen, die bei der ARD ihr Volontariat machen, sind genau inwieweit repräsentativ für unsere vielfältige Medienlandschaft?

Und alle von denen machen später politischen Journalismus?

Auch hier sollte man im Übrigen keine Äpfel mit Birnen vergleichen. Wir hatten ja bereits festgestellt, dass seinerzeit zum einen die jüngeren von den Altersgruppen am häufigsten die Grünen wählten, hier wäre die damals fürs Volontariatsalter anzusetzende Alterskohorte auszuwählen, und dass zum anderen Menschen mit hohem Bildungsabschluss weit überproportional die Grünen wählen, das wäre hier vom Bildungsstand die passende Bezugsgruppe, da die meisten Volontärinnen und Volontäre zuvor sicherlich ein Studium absolviert haben. Auch die Geschlechterverteilung müsste noch zusätzlich einfließen.

Die Vergleichsgruppe, um zu ermessen, ob der Anteil an Grünen-Sympathisanten unter ARD-Volontärinnen und -Volontären deutlich überdurchschnittlich ist, müsste eine wahrscheinlich mehrheitlich weibliche Gruppe von Akademikerinnen und Akademikern im Twenalter sein - und zwar im Jahr 2020, als die Grünen in Erhebungen ein halbes Jahr in gemittelten Erhebungen bei über 20 % in der Gesamtbevölkerung lagen. Denn man kann nur zeitlich gleiche Daten miteinander vergleichen.

Mir erscheinen da 57 % für eine akademisch gebildete, wahrscheinlich überwiegend weibliche (also immer schon grünenaffinere) Gruppe von Twens in einem Zeitraum, als die Grünen in der Bevölkerung ihren höchsten Zuspruch erlebten, nicht sonderlich viel zu sein. Ich würde vielmehr davon ausgehen, dass das in etwa dem Durchschnitt dieser Vergleichsgruppe zum Erhebungszeitpunkt entsprach.

Noch kurz zur „Elitenkritik“: An sich ist gegen eine solche erst einmal nichts einzuwenden. Klar gab es die schon immer.

Man kann aber natürlich schon die Frage stellen, welche Art von Elitenkritik sinnvoll ist. Anders gefragt: Wie tumb soll’s denn sein?

Eine Elitenkritik nach dem Motto „Wir hier unten gegen die dort oben“, die mit pauschalierend stereotypen Zuspitzungen arbeitet und einen angeblich einheitlichen Volkswillen gegen eine diffus unterstellte Abgehobenheit in Stellung zu bringen versucht, ganz gleich ob von links oder rechts, ist mir, ehrlich gesagt, zu doof.

Obwohl ich beruflich mit dem Feld der Politik rein gar nichts zu tun habe, bin ich der Auffassung, dass gegen Populismus in jedweder Form jede Menge spricht.

Die belgische Politologin Chantal Mouffe meint ja, man müsse mehr linken Populismus wagen. Ich würde dagegenhalten und behaupten, dass selbiger aufgrund der Stereotypisierung schnell in rechte Ressentiments kippen kann.

Und in diesem Sinne ist eine schablonenhafte Elitenkritik meines Erachtens nicht nur nicht hilfreich, sondern nachgerade gefährlich.

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Ein Update, welches erschauern lässt:

Klar ist von Dohnanyi nicht erst jetzt wunderlich, auch schon früher vertrat er häufig Positionen, die eines Sozialdemokraten unwürdig waren. Aber das setzt wirklich allen vorherigen Fauxpas die Krone auf.

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Nicht repräsentativ, aber ich hatte keine andere Statistik zur Hand. Ich muss noch mal recherchieren, da ich auf die Schnelle die eigentliche, die ich im Hinterkopf hatte, nicht finden konnte. Unsauber von meiner Seite!

Ich habe deine Posts beobachtet und mit großem intellektuellem Vergnügen gelesen. Chapeau für die immense Detail- und Analysetiefe und der Wunsch nach einer deutlich herleitbaren Positionierung. Das kann ich gut schätzen und verstehen. Ich würde vermuten, dass du aus einem universitären Kontext kommst, wenn ich einmal die Annahme wagen darf.

Leider habe ich auf der anderen Seite einen kleinen „Downer“: Ich glaube, dass der Großteil des politischen Diskurses (und vielleicht jeden Diskurses) sich seit Jahrhunderten eher auf einem niedrigen Niveau befindet, seitdem wir die Massendemokratie mit universellem Wahlrecht haben. Das ist der Preis. Populismus existiert schon seit Jahrhunderten - und es ist auch ein Kampfbegriff, um zum Beispiel Argumente zu entkräften. Das ist Teil des Diskurses, denke ich.

Auf dem politischen Feld gewinnen nie die besten Fakten oder die fähigsten KanditatInnen. Der Mensch ist nun mal ein instinktiv-emotionales Wesen mit einem kleinen „Intelligenzupgrade“, das aber eher noch im Betastadium ist.

Insofern müssen wir auch Doofheit einfach aushalten und als Teil des Spieles betrachten/als Variable mit einbeziehen.

Gefährlich immer dann, wenn ein politisches System nicht mehr funktional ist. Also von einer immer größeren Gruppe im Staat als ungerecht/nicht lösungsfähig oder unzureichend wahrgenommen wird.

Zum Beispiel Frankreich im 18. Jahrhundert, als die Elitenkritik durchaus polemisch vorgetragen wurde bis 1789 dann. Oder England vor Oliver Cromwell. Oder Italien vor Garibaldi.

Mein Punkt: Elitenkritik gibt es eigentlich immer. Wenn sie als bedrohlich wahrgenommen wird, ist es ein Anzeichen, dass ein System offensichtlich einer Reform bedarf. Da, wo sich Systeme verschlossen haben, kam es zu Explosionen, da sich Systeme als reformfähig erwiesen haben, haben wir die Zeiten davor vergessen und nur die Historiker sind noch Experten.

Es führt zu weit. @Schnackerio , ich schätze die Diskussion und kann deine Argumente gut verstehen. Vielleicht bin ich einfach nur ernüchterter über die Möglichkeiten und Grenzen von Menschen.

Ich glaube, wir sollten das Thema in einem anderen Thread fortführen zum Thema Elitenkritik und Systemtheorie politischer Systeme, bevor hier ein Moderator noch einen (vielleicht berechtigten) Punkt setzt. :sweat_smile: :vulcan_salute:

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Wenn das Thema für euch relevant ist, macht gerne ein eigenes Thema auf.
Führt hier tatsächlich etwas vom eigentlichen Thema weg.

Nun ja, das BSW mit ihrer Frontrunnerin Wagenknecht ist ein Paradebeispiel für populistische Elitenkritik. Ihr Buch „Die Selbstgerechten“ ist nur ein Beispiel von vielen.

Daher ist bei der Diskussion, ob das BSW eine Gefahr darstellt, schon ein wesentlicher Bestandteil die populistische Elitenkritik, die Wagenknecht und viele ihrer Mitstreitenden äußern.

Deshalb sehe ich keine thematische Abschweifung.

Vielen Dank für die freundliche Rückmeldung.

Dazu noch ein paar Anmerkungen - bewusst mit Bezügen zum Thema des Threads:

Der Soziologe Steffen Mau hat in seinem neuen Buch vorgeschlagen, Bürgerräte in Ostdeutschland, also dort, wo das BSW sehr viel stärker ist als anderswo, zu installieren.

Wenn man deiner Zivilisationsskepsis folgt - und so weit sind wir diesbezüglich, denke ich, gar nicht auseinander -, dann wäre dieses Systemupgrade u. U. von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Im sehr dürftigen BSW-Programm findet man dazu nur Floskelhaftes:

Wir wollen die demokratische Willensbildung wiederbeleben, demokratische Mitbestimmung ausweiten und persönliche Freiheit schützen.

Wiederbeleben enthält den Vorwurf, dass etwas tot sei.

Wie und auf welchem Wege dieses vage Ziel erreicht werden soll, bleibt völlig offen.

Dafür findet man Falschbehauptungen wie diese:

Die Energieversorgung Deutschlands lässt sich im Rahmen der heutigen Technologien nicht allein durch erneuerbare Energien sichern.

Das Informieren von Wahl-/Stimmberechtigten durch Expertinnen und Experten im Rahmen eines Bürgerrats hätte solchen „alternativen Fakten“ wohl sehr schnell den Wind aus den Segeln genommen.

Daran lässt sich schon erkennen, dass das BSW nicht an einer informierten demokratischen Willensbildung interessiert ist, sondern allenfalls an einer populistischen Meinungs- und Stimmungsdemokratie, womit wir dann wieder bei deinem Punkt, dass der Mensch

sei, wären.

Da du ja bereits auf eine Bielefelder Soziologietradition (Stichwort: Systemtheorie) anspieltest und auch Geschichtswissenschaft erwähntest, ist mir noch die Emotionshistorikerin Ute Frevert, die lange in Bielefeld gelehrt hat und inzwischen MPI-Direktorin mit dem Forschungsschwerpunkt „Geschichte der Gefühle“ ist, eingefallen.

Der Auszug aus folgendem APuZ-Artikel spannt beide Perspektiven gewissermaßen zusammen:

Politische Kommunikation ist […] bei Weitem nicht das einzige Medium einer kollektiven Beeinflussung von Gefühlen. Vielmehr bieten in einer funktional ausdifferenzierten Gesellschaft verschiedene Systeme zugleich die Option, Gefühle zu beeinflussen, zu erziehen oder überhaupt hervorzubringen. […] Demokratische Politik muss diese Vielfalt an Angeboten einerseits zulassen, andererseits jedoch die Rolle eines souveränen Schiedsrichters einnehmen, sollte eines der Systeme hegemonial werden. Politik managt nicht nur selbst Gefühle, sondern verspricht den Bürgerinnen und Bürgern beispielsweise unter der Überschrift „Sicherheit“ zugleich die Abwesenheit von Angst. […]
Politik als demokratisch legimitiertes kollektives Emotionsmanagement hätte aus dieser Perspektive auch die Aufgabe, die Bürgerinnen und Bürger vor einer überbordenden Beeinflussung durch ökonomische Akteure zu schützen.

Den Gedanken, dass Politik auch Emotionsmanagement sei (und zwar in vielfältiger Hinsicht), finde ich gerade mit Blick auf Populismus als Gegenmodell spannend.

So heizt die vom BSW betriebene populistische Elitenkritik Gefühle wie Wut und Unzufriedenheit (s. auch die Studienergebnisse zur AfD oben) an.

Dabei wäre es Aufgabe eines ggf. reformierten bzw. ergänzten politischen Systems, Gefühlsmanagement auch im Sinne der Regulierung von Emotionen zu betreiben.

Insofern finde ich Maus Vorschlag, den ich auch als eine Art Gegenentwurf zur Ausbeutung und Anheizung von Emotionen durch Akteure wie das BSW begreife, gar nicht so schlecht. Denn Bürgerräte zwingen auch die eigene Gefühlsbubble, die Leute wie Wagenknecht ja gerne weiter aufblasen, zu verlassen. Sie schaffen ferner durch die einfließende Expertise auch ein Gegengewicht zu solchen oft unreflektierten Empfindungen.

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Es stehen unendlich viele Sätze nicht drin. Falls man die Beantwortung einer spezielle Frage für seine Meinungsbildung benötigt, dann wäre die Folgerung, dem Autor genau diese Frage zu stellen. Was mir hingegen nicht zielführend erscheint, ist es sich selbst eine Antwort auszudenken und das dann dem Autor in den Mund zu legen.

Ich bin nicht so optimistisch, dass jeder diesen Allgemeinplätzen zustimmen würde. Aber das ist eine andere Debatte, die ich hier gar nicht anstoßen möchte (wobei sie direkt auf die Titelfrage dieses Threads einzahlen würde).

Bin ich absolut bei Dir.

Gewisse Dinge ausdrücklich nicht zu erwähnen, sagt aber schon einiges aus, ohne etwas interpretieren zu müssen. :wink:

Aber letztlich muss sich die BSW an ihrem finalen Parteiprogramm messen lassen

Auch interessant:

Eine interessante Lektüre, vielen Dank. Da habe ich etwas für den heutigen Sonntag.

Nun ja, ich kann zumindest sagen, dass im Change Management und Projektmanagement in unterschiedlichen Unternehmen diese empirische Grundannahme immer als zielführend herausgestellt hat. Und das in einem Umfeld, von dem man ja ausgeht, dass Entscheidungen zahlenbasiert und rational erfolgen. Fakten müssen dort meiner Erfahrung nach immer in einer schönen emotionalen Verpackung aus Zuversicht, Sicherheit und Eigennutz der Entscheidenden verpackt werden. Zu viele Fakten verwirren da meist. Simple, einfache, klare Botschaften sind es, das habe ich schmerzhaft gelernt. Auf das öffentliche Leben ist das übertragbar, weil da die Komplexität der Akteure noch viel größer ist, denke ich.

Jetzt habe ich das akzeptiert und das macht das Leben so viel entspannter und einfacher.

Übertragen auf den BSW heißt das für mich:

Der BSW greift eine Stimmung auf, dass das politische System erstarrt sei. Offensichtlich sehen das nach Umfragen nicht wenige Bürger so.
Also ist der BSW ein Symptomträger für eine kollektive Stimmung in bestimmten Bevölkerungsteilen. Diese kann ich nun als irrational/unaufgeklärt/falsch kategorisieren. Allerdings haben wir noch kein Zensuswahlrecht, dass auf Bildungsniveau basiert, und es ist sicher klug, sich unvoreingenommen von eigenen Überzeugungen damit auseinanderzusetzen.

Beispielsweise kann ich diese Stimmung nicht einfach von der Hand weisen. Seit Jahren beobachte dich die Dysfunktionalitäten des föderalen Systems ohne brauchbare Lösungsansätze. Das Bildungssystem ist seit Jahrzehnten ein Brennpunktthema. Ebenso Digitalisierung und Zukunftsfähigkeit. Finanzierungsfragen sind strukturell so vermischt (Bahn o.ä.), dass Verantwortung nur schwer auszumachen ist. Wer kann also sagen, dass alles gut läuft und die Wahrnehmung falsch ist?

Ich selber muss mit Zweifel kämpfen, ob dieses politische System mit seinen Akteuren noch reformfähig ist und ob die Parteien der Mitte, die schon seit, sagen wir, 1990 in wechselnden Koalitionen in Verantwortung waren, die Fähigkeit haben, diese Probleme anzugehen.

Meist entsteht so eine kollektive Stimmung über mehrere Jahre, was sie auch so gefährlich macht, da viele politische Ereignisse und Eindrücke sich wie Sedimente absetzen und zu einem unbewussten Gesamtbild werden. Da ist dann schwer dagegen anzukommen.

Aber ich bin erst mal raus und werde mir heute den spannenden Beitrag aus APuZ zu Gemüte führen.

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Greift die AfD nicht die gleichen Stimmungen auf?

Ist die Ursache für das Erstarken politischer Ränder dann weniger die Radikalisierung von Teilen der Bevölkerung, sondern eher die Unfähigkeit etablierter Parteien, Lösungen anzubieten? Und somit ein Vertrauensverlust in die bisherige politische Mitte?

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Das wäre meine Hypothese. Sicherlich nicht zu 100%, aber da @Schnackerio ja schön hergeleitet hat, dass grundsätzliche Haltungen recht stabil sind, stellt sich ja die Frage, warum sich Teile seit 2015 aus dem Nichts radikalisieren sollten, wenn sie vorher SPD, CDU oder Linke gewählt haben.

Die eigentliche Gefahr wäre, dass die abwandernden WählerInnen dauerhaft frustriert werden und die Entfremdung dann chronisch wäre. Bei Teilen der AfD-WählerInnen ist das schon zu sehen, bei den BSW-WählerInnen gibt es noch Hoffnung, denke ich.

[Es stellt sich] die Frage, warum sich Teile seit 2015 aus dem Nichts radikalisieren sollten, wenn sie vorher SPD, CDU oder Linke gewählt haben.

Schon zuvor gab es unter den Anhängerinnen und Anhängern aller demokratischen Parteien Leute mit rechtsextremem bzw. gruppenbezogen menschenfeindlichem Weltbild. Das lässt sich an den Daten der Mitte-Studien, aber auch an anderen sich wiederholenden Studien, die die Wahlpräferenz abgefragt haben, nachvollziehen.

Genau genommen müsste man umgekehrt fragen: Warum haben diese Leute mit extremistischen Einstellungen früher demokratische Parteien gewählt?

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Das sagen die zitierten Studien ja gar nicht. Ich finde es schon etwas widersprüchlich, nicht zwischen den Aussagen „Partei X hat im Osten aus den und den Gründen ein höheres Wählerpotenzial“ und „Partei X ist ein rein ostdeutsches Problem“ unterscheiden zu können, aber im selben Atemzug anderen Oberflächlichkeit zu unterstellen.

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