Ist Denkfaulheit der Grund, warum die BSW eine Alternative für 10% der Bevölkerung (je nach Umfrage) ist? Mir erscheint das zu einfach. Wenn ich dem folgen würde, kann ich 35% bis 40% der Bevölkerung abschreiben (AfD+BSW-Wähler).
Wie kommst du auf bis zu 40 % der Wählenden (gar der Bevölkerung)?
Bei der Europawahl bekam die AfD 15,9 % der Stimmen, das BSW 6,2 %. Das sind dann zusammengenommen 22,1 %.
In der Politischen Vierteljahresschrift wurden Befragungsdaten zur Bundestagswahl 2021 ausgewertet (Huber et al. 2022). Hier findest du die Populismus-Affinität nach Parteivotum:
Die Flächen im Bereich > 0 zeigen die Anteile mit populistischen Einstellungen.
Bei den Wählenden der Grünen war der Anteil besonders niedrig, bei Wählenden der Linken (damals noch mit Wagenknecht) und der AfD erwartungsgemäß besonders hoch.
Beim Grad politischer Unzufriedenheit kamen jedoch die Wählenden der Grünen nach denen von AfD und Die Linke auf Platz 3:
Dieser Positionswechsel zeigt schon an, dass Unzufriedenheit alleine - auch wenn das von den Studienautoren anders interpretiert wird - nicht der wesentliche Treiber für Populismus sein kann.
Die 2022/23 durchgeführte Rechtsextremismus-Studie von Zick et al. stellt fest, dass unter Grünen-Wählenden die Zustimmung zu Rechtsextremismus-Dimensionen am geringsten sei, wohingegen sie unter Linke-Wählenden, als Wagenknecht noch nicht ausgestiegen war, in einigen Dimensionen (Verharmlosung des Nationalsozialismus, Antisemitismus und erstaunlicherweise auch Sozialdarwinismus) höher war als bei CDU/CSU- und SPD-Wählenden, bei der Dimension Fremdenfeindlichkeit war das bei Wählenden der Linken gegenüber denen der SPD der Fall. (Vgl. S. 75)
Dort gibt es ein ganz interessantes Kapitel unter dem Titel „Mittendrin: In der »Querfront«“ (S. 137).
Die letzte Leipziger Autoritarismus-Studie von Decker et al. 2022 bestätigt diese Tendenz innerhalb der Wählenden der Linken, wobei insbesondere deutlich erhöhte Antisemitismus-Werte und stark erhöhte Werte bei Chauvinismus (hiermit ist Nationalchauvinismus gemeint) und Ausländerfeindlichkeit hervorstechen (vgl. S. 59).
Die Partei Die Linke wurde bei der Bundestagswahl prozentual fast drei Mal so häufig im Osten gewählt:
Bei Kategorien wie „autoritäre Unterwürfigkeit“ u. dgl. findet die Leipziger Studie signifikante Ost-West-Unterschiede (vgl. S. 80).
Solche Einstellungsdifferenzen spielten sicher auch bei den damaligen Wählenden der Linken (inkl. Wagenknecht) eine Rolle und pausten sich gewissermaßen stärker durch.
Dass nach Wagenknechts Weggang nicht die Linksliberalen gegangen sind, sollte klar sein.
Bei der Europawahl sind neben vielen vorherigen Linke-Wählenden auch erstaunlich viele SPD- und mindestens dem ökonomisch rechten Spektrum zuzuordnenden Partei-Wählende zum BSW gewechselt:
Von CDU/CSU, FDP und AfD kamen insgesamt ca. 650.000 Stimmen, von der SPS 580.000 und von Die Linke 470.000, von den Grünen 150.000.
Man kann wohl davon ausgehen, dass das jene Wählenden waren, die auch schon früher populistischen Einstellungen zuneigten (vgl. Abb. 1).