Bezahlkarte für Migrant:innen

Finde die strukturellen Fragen immer wichtig zu stellen, aber für Pull-Faktoren bei der Entscheidung, seine Heimat zu verlassen, gibt es auch einfach wenig Evidenz. Es geht eher darum, wie Menschen dann innerhalb Europas ihr Zielland aussuchen. Und da fände ich es viel interessanter, zu diskutieren, wie man es gemeinsam löst und einen schädlichen Wettbewerb um die schlechtesten Bedingungen für Asylsuchende und andere Migrant:innen vermeidet, in dem - überspitzt - der größte Rassist den Ton angibt (ja derzeit heißt er wohl Orban).

Was die ökonomischen Effekte der Überweisungen aus Deutschland angeht, lassen sich vielleicht auch strukturelle Gründe dafür finden, dass die nicht sonderlich hilfreich oder sogar kontraproduktiv sein könnten, nur hat das auch noch niemand plausibel dargelegt oder mit Empirie, bestenfalls wissenschaftlich abgesicherter, unterlegt.

Und @Margaretes Hinweis, dass das ohnehin eher Menschen mit Bleiberecht, nicht Asylbewerber:innen sein werden, sie überweisen, ist auch wichtig.

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Ich fände wirklich schön, wenn da mal jemand darlegen würde, wie der Staat diese „linke Propaganda“ auflösen würde.

Und dies. Den Druck gibt es. Kenne sogar Leute aus ehemaligen Sowjetstaaten die jedesmal eine Liste mit Wünschen bekommen, wenn sie ihren Besuch in der Heimat ankündigen. Aber die verdienen Geld, viel im Vergleich zu ihren Verwandten. Dass hier auch die Lebenshaltungskosten höher sind, interessiert da nicht wirklich. Und so weckt das auch bei den Eltern von Flüchtlingen Begehrlichkeiten, wenn der Sohn nun im reichen Europa ist, dass er nun auch die Familie unterstützt (darauf baut auch das Rentensystem in Afrika auf, die Kinder finanzieren die Eltern im Alter. Wer keine Kinder zeugt ist später arm dran. Auch wenn Hilfsorganisationen das Stück für Stück nun angehen). Und so wird er sie auch unterstützen, wenn er erst mal seinen ersten Job hat, auch wenn der gehaltsmäßig am Existenzminimum kratzt.

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Was willst du da auflösen? Die Behauptung der Stigmatisierung ist frei erfunden, denn die Karte muss ja wahrscheinlich nich einmal aus dem Portemonnaie genommen werden, um zu bezahlen. Es gibt Anbieter, die mit Google und Apple Pay verknüpft werden könnten…

Und dein zweites Zitat: 1. Habe ich nirgendwo gelesen, dass der Kauf von Guthabenkarten unterbunden werden soll und 2. warum sollten die nicht technisch ausgeschlossen werden, wie laut Pressemitteilungen z.B Glücksspiel und Alkohol. Ich sehe hier lediglich Mutmaßungen.

Ja, @Margarete erwähnte das auch schon mehrfach. Was mir fehlt ist die Erklärung, warum das Relevant ist. Selbst verdientes Geld = freie Verwendung. Zweckgebundenes Geld = eingeschränkte Verwendung.

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Ist es nicht, wenn das Ziel dieser strengen Zweckbindung eng formuliert wird und ist, Asylbewerber:innen davor zu schützen, sich für Auslandsüberweisungen noch ärmer zu sparen oder solche Überweisungen der Integration und Teilhabe im Weg stehen. Dann find ich es trotzdem fragwürdig, als Antwort die freie Verfügung über das bisschen Geld einzuschränken.

Ist es, wenn das Phänomen als breites Problem oder „Pull-Faktor“ dargestellt wird, auf das man mit Einschränkungen für Asylbewerber:innen reagieren müsste, um Einwanderung zu begrenzen. Dann verfehlt die Maßnahme auch ihren behaupteten Zweck. So scheint’s mir in den oben verlinkten Artikeln in großen Teilen suggeriert zu werden.

Find ich n bisschen schematisch. Wir geben ja aus Gründen der Freiheit (und vermutlich Einfachheit) Studierenden auch nicht vor, wofür sie ihr Bafög verwenden können. Oder Bürgergeldempfänger:innen, was sie mit dem Geld machen.

Ja, und ich hätte gern mal eine Quelle dafür, ob überhaupt Rücküberweisungen von Migranten kommen, die Hilfen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen.
Wie gesagt, finde ich nicht, dass man diese verbieten sollte, aber kann es nicht sein, dass die Diskussion an den Haaren herbeigezogen ist, weil aus diesem Personenkreis gar keine oder nicht viele Rücküberweisungen erfolgen?

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Dann sollte es aber doch auch kein Problem sein, wenn diese Unterbunden werden. Dann würde sich ja für diesen Kreis einfach nichts ändern.

Wie gesagt, da kommen wir keinesfalls auf einen gemeinsamen Nenner. Diese Denkweise führt meiner Meinung nach direkt in eine kapitalistische Diktatur und ist ein krasser Verstoß gegen die Menschenwürde, indem sich der Gesetzgeber das Recht nimmt, stark in sämtliche Lebensentscheidungen des Individuums einzugreifen, indem er vorgibt, was das Individuum mit dem Geld, welches ihm zur Deckung seines Existenzminimums zur Verfügung gestellt wird, tun darf. Das geht einfach absolut gar nicht, aber mir ist klar, dass „FDP-liberale“ oder „konservative“ Menschen das ganz anders deuten.

Aber wir können hier wirklich nur „agree to disagree“, weil ein Kompromiss in dieser hoch-ideologischen Frage (ja, die Frage ist auf beiden Seiten maximal ideologisch) unmöglich sein wird.

Wie gesagt, ich finde, jeder darf mit seinem Geld machen, was er will.
Wir geben ja auch nicht Bafög-Empfängern Bezahlkarten.
Ich halte solche Verbote fur engstirnig, egoistisch, missgünstig und in Einzelfällen sicher auch rassistisch.

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Nun, das ist ja gerade nicht die Philosophie, der der liberale Staat folgt. Einschränkungen brauchen einen legitimen Zweck. Klar, rechtlich, gibt’s hier eine recht weite sog. Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, solange er plausible Gründe vorbringt (dann muss das gewählte Mittel immer noch geeignet, erforderlich und angemessen sein, bei der Geeignetheit könnte ein Eingriff zur Adressierung eines völlig an den Haaren herbeigezogenen Problems auch scheitern - Verbot eines perpetuum mobile ist nicht geeignet, da es kein p.m. gibt, aber die Rspr. ist auch hier recht großzügig).
Aber mindestens politisch sollte man sich fragen, ob es die aufgebrachte politische Energie wert ist, wenn es ein Randphänomen ist. Zumal bei realen Fragen häufig weitere Menschen betroffen sein können. Kann ja grundsätzlich jedenfalls auch andere Gründe geben, um ins Ausland zu überweisen. Ähnlich wie bei Eingriffen in wirtschaftliche Tätigkeit hat man potenziell immer diese Effekte, die man jedenfalls vorher sorgfältig abschätzen muss.

Wenn eine Bezahlkarte richtig ausgestaltet ist, dann kann sie auch für andere Empfänger:innen von Leistungen genutzt werden, die kein eigenes Bankkonto haben, das sorgt sogar dafür, dass diese Leistungsempfänger:innen noch flexibler mit ihrem Geld umgehen können und auch eine gewissen Schutz vor Diebstahl oder Verlust haben.
Als Bonus gibt es noch vereinfachte und schnellere Prozesse für die Verwaltung und kürzeren Schlange am Tag der Leistungsauszahlungen. Dazu kommt noch, dass der Umgang mit großen Mengen Bargeld sehr teuer ist für die Verwaltungen, was durch den Einsatz von Bezahlbaren diese Kosten erheblich senken würde.
Wer mehr dazu hören möchte → SocialCard | eGovernment Podcast

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Absolut, also gerade für Obdachlose wäre so eine Bezahlkarte auch eine wesentliche Erleichterung.

Aber auch da würde ich sagen, dass die Bezahlkarte nicht willkürlich eingeschränkt werden darf. Da gelten letztlich die gleichen Argumente. Zum Beispiel könnte man argumentieren, dass Obdachlose von der Bezahlkarte keinen Alkohol kaufen dürften, das Resultat wäre aber eben nur, dass sich eine Parallel-Wirtschaft mit Ausweichgütern entwickeln würde. Eben weil das eigentliche Problem („Alkoholsucht“) nicht angegangen wird, sondern Symptome bekämpft werden.

Exakt die gleiche Situation haben wir eben bei Geldzahlungen in’s Ausland. Das eigentliche Problem ist die Sorge der Menschen, die in Deutschland ankommen, um ihre Familien im Ausland, bzw. die schlimme Situation in den Herkunftsländern. Statt hier an vermeintlichen Pullfaktoren als Symptome herumzubasteln, wäre eine verstärkte Entwicklungshilfe zur Bekämpfung der Fluchtursachen sinnvoll. Aber das kostet halt Geld - und damit kann man keinen populistischen Wahlkampf gegen Flüchtlinge machen… dass Union und AfD (ja, ich nenne die beiden da in einem Atemzug!) daher mit migrationsfeindlichen Framings eine eingeschränkte Bezahlkarte wollen, ist nachvollziehbar, dass SPD und GRÜNE auf den Zug aufspringen ist hingegen eine Tragödie…

Damit wird aber die Mittelverwendung der demokratischen Kontrolle entzogen. Wenn Entwicklungshilfe über das entsprechende Bundesministerium verwaltet und ausgereicht wird, dann unterliegt sie der parlamentarischen und damit demokratischen Kontrolle. Wenn wir Entwicklungshilfe in „private Hände“ legen, entzieht sie sich der demokratischen Kontrolle und ist komplett intransparent. Ich sag mal so, die Idee könnte auch von der FDP kommen.

Bevor weiter so argumentiert wird, möchte ich erst belastbare Zahlen sehen. Man kann nicht immer Behauptungen in den Raum stellen, ohne nachweisen zu können, dass diese stimmen und ob die Höhe überhaupt relevant ist.
Wenn eine Bezahlkarte so gestrickt ist, dass sie wie in Hannover Vereinfachung bringt, dann meinetwegen. Ansonsten ist das einfach nicht in Ordnung.

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Vielleicht sollten wir die Diskussion hier abschließen. Vermutlich sind erstmal alle Argumente ausgetauscht.

Sehe ich auch so. Wenn Details klar sind, können wir darauf aufbauend weiter diskutieren.

Bayern-Söder macht direkt mal wieder Politik… immer schade, wenn Politik an sich gute Dinge durch politische, sinnfreie Umwidmung torpediert…

„Unsere Bezahlkarte kommt schneller und ist härter“ – Bayern startet Pilotprojekt (msn.com)

Weil es technisch nicht geht, jedenfalls mit keiner Lösung auf Basis der bestehenden Zahlungsschemes in Deutschland (girocard, Visa/MC Debit).

Das Kartenterminal, das die Zahlung abwickelt, weiß in Deutschland nichts von den bezahlten Artikeln. Weder dieses noch ein in die Zahlung involvierter Dienstleister kann also erkennen, dass auf dem Band im Supermarkt neben Lebensmitteln noch eine Guthabenkarte und eine Flasche Schnaps liegen. Und das Kassensystem kann das auch nicht, denn es weiß nicht viel mehr über die Zahlungskarte als dass das Ding z.B. ne Visa-Karte ist. Schon die vollständige Kartennummer hat das Kassensystem nicht mehr.

Ein Ausschluss kann höchstens auf Ebene bestimmter Händler geschehen, also z.B. Spielotheken - die „verkaufen“ außer Glücksspiel nix, die kann man daher schon sperren, denn bei jeder Transaktion ist der Empfänger bekannt und kann für die Autorisierung herangezogen werden. Aber wie gesagt, Supermärkte fallen da durchs Raster, die kannst du schlecht pauschal alle sperren, ebenso wohl die kleinen Buden, die Schreibwaren, Zeitschriften, Snacks, aber eben auch Alkohol und Rubbellose anbieten.

Die einzige Möglichkeit, wie warenkorbgenaue Sperren eingeführt werden könnten, wäre die gesetzliche Einführung einer völlig neuen Bezahlart abseits der schon existenten bargeldlosen Verfahren, die dann jeder Kassenhersteller gesondert implementieren müsste. Das würde enorm aufwendig, sehr lange dauern und die Einsetzbarkeit der Karte für lange Zeit sehr stark einschränken (weil es eine solch riesige Zahl kleiner Krauter im POS-Bereich gibt und recht lange Lebenszeiten der Systeme, dass es viele Jahre dauern würde, bis eine neue Anforderung nicht nur von den wenigen großen Supermärkten, sondern auch kleinen Bäckern etc. umgesetzt wurde). In den USA gibt es ein solches System tatsächlich, und auch Ausschlüsse bestimmter Warengruppen, aber es hat eine jahrzehntelange Historie und wurde früher mit Papiergutscheinen betrieben und irgendwann digitalisiert. Ein Jahrzehnt wäre auch ungefähr der Zeithorizont, den ich ansetzen würde, bis in Deutschland ein solches System flächendeckend verbreitet wäre.

Deswegen halte ich diese Lösung für praktisch ausgeschlossen und nehme an, dass jede realistisch denkbare Lösung auf girocard/Visa/MC-Debit-Karten fußen würde. Und mit denen sind halt nur sehr begrenzt Einschränkungen denkbar. Die empörte Diskussion über diese Einschränkung halte ich daher für vornehmlich heiße Luft.

Quelle: ich baue beruflich seit 15 Jahren Kassensysteme.

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Es ist einfach unglaublich, dass man eine Bezahlkarte einführt, ohne dass ein Nutzen erwiesen ist, und sich gleichzeitig 100 Milliarden Euro durch Steuervermeidung durch die Lappen gehen lässt.
In Erding gab es 2016 - 2020 bereits eine Bezahlkarte. Diese war laut der ehrenamtlichen Asylberaterin Maria Brand schrecklich unangenehm und unpraktisch für die Betroffenen https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/asylberaterin-ueber-die-geplante-bezahlkarte-fuer-asylbewerber-unendlich-unangenehm-a-548fb83f-aa3e-47f7-97dc-0e13d4c9f7ea

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Die Beschränkungen scheinen eher geografischer Natur zu sein. Der MDR berichtet:

Die Bezahlfunktion der Karte bleibe zudem auf den Landkreis beschränkt.

Die Einkaufstour zum Kaufland o.ä. in der benachbarten kreisfreien Stadt fällt also aus.
Wenn ich mich recht entsinne, sind bisherige Versuche unter Anderem daran gescheitert, dass diese Bezahlkarten auch nicht von allen Geschäften akzeptiert wurden, z.B. nicht von den großen Discounterketten.

Danke, dann bleibt ja nur noch, dass es niemand fordert. Wieso kann denn aber Alkohol ausgeschlossen werden? Das wird sich ja nicht darauf beschränken, dass man nicht in Bars bezahlen kann.

So wie ich das rekonstruieren konnte, kommt die Kritik ehwr aus der Anfangszeit 2016 und es lag eher an der deutschen Furcht vorm elektronischen Bezahlen…

Für Bus und Bahn kann man inzwischen hoffentlich bargeldlos bezahlen und der Metzger hat es auch inzwischen. (Halte es persönlich aber für sinnvoll, wenn ein gewisser Betrag ausgezahlt werden kann.)

Die Flüchtlinge müssen beim Einkauf ständig mitrechnen, um das Guthaben auf der Karte nicht zu überziehen. Wenn sie sich verrechnen oder das Bezahlen nicht klappt, outen sie sich an der Kasse als Asylbewerber.

Das müssen sie auch bei Bargeld und warum outet sie das? Karte geht nicht und kein Bargeld dabei ist mir auch schon passiert.