Bezahlkarte für Migrant:innen

Vielleicht sollten wir die Diskussion hier abschließen. Vermutlich sind erstmal alle Argumente ausgetauscht.

Sehe ich auch so. Wenn Details klar sind, können wir darauf aufbauend weiter diskutieren.

Bayern-Söder macht direkt mal wieder Politik… immer schade, wenn Politik an sich gute Dinge durch politische, sinnfreie Umwidmung torpediert…

„Unsere Bezahlkarte kommt schneller und ist härter“ – Bayern startet Pilotprojekt (msn.com)

Weil es technisch nicht geht, jedenfalls mit keiner Lösung auf Basis der bestehenden Zahlungsschemes in Deutschland (girocard, Visa/MC Debit).

Das Kartenterminal, das die Zahlung abwickelt, weiß in Deutschland nichts von den bezahlten Artikeln. Weder dieses noch ein in die Zahlung involvierter Dienstleister kann also erkennen, dass auf dem Band im Supermarkt neben Lebensmitteln noch eine Guthabenkarte und eine Flasche Schnaps liegen. Und das Kassensystem kann das auch nicht, denn es weiß nicht viel mehr über die Zahlungskarte als dass das Ding z.B. ne Visa-Karte ist. Schon die vollständige Kartennummer hat das Kassensystem nicht mehr.

Ein Ausschluss kann höchstens auf Ebene bestimmter Händler geschehen, also z.B. Spielotheken - die „verkaufen“ außer Glücksspiel nix, die kann man daher schon sperren, denn bei jeder Transaktion ist der Empfänger bekannt und kann für die Autorisierung herangezogen werden. Aber wie gesagt, Supermärkte fallen da durchs Raster, die kannst du schlecht pauschal alle sperren, ebenso wohl die kleinen Buden, die Schreibwaren, Zeitschriften, Snacks, aber eben auch Alkohol und Rubbellose anbieten.

Die einzige Möglichkeit, wie warenkorbgenaue Sperren eingeführt werden könnten, wäre die gesetzliche Einführung einer völlig neuen Bezahlart abseits der schon existenten bargeldlosen Verfahren, die dann jeder Kassenhersteller gesondert implementieren müsste. Das würde enorm aufwendig, sehr lange dauern und die Einsetzbarkeit der Karte für lange Zeit sehr stark einschränken (weil es eine solch riesige Zahl kleiner Krauter im POS-Bereich gibt und recht lange Lebenszeiten der Systeme, dass es viele Jahre dauern würde, bis eine neue Anforderung nicht nur von den wenigen großen Supermärkten, sondern auch kleinen Bäckern etc. umgesetzt wurde). In den USA gibt es ein solches System tatsächlich, und auch Ausschlüsse bestimmter Warengruppen, aber es hat eine jahrzehntelange Historie und wurde früher mit Papiergutscheinen betrieben und irgendwann digitalisiert. Ein Jahrzehnt wäre auch ungefähr der Zeithorizont, den ich ansetzen würde, bis in Deutschland ein solches System flächendeckend verbreitet wäre.

Deswegen halte ich diese Lösung für praktisch ausgeschlossen und nehme an, dass jede realistisch denkbare Lösung auf girocard/Visa/MC-Debit-Karten fußen würde. Und mit denen sind halt nur sehr begrenzt Einschränkungen denkbar. Die empörte Diskussion über diese Einschränkung halte ich daher für vornehmlich heiße Luft.

Quelle: ich baue beruflich seit 15 Jahren Kassensysteme.

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Es ist einfach unglaublich, dass man eine Bezahlkarte einführt, ohne dass ein Nutzen erwiesen ist, und sich gleichzeitig 100 Milliarden Euro durch Steuervermeidung durch die Lappen gehen lässt.
In Erding gab es 2016 - 2020 bereits eine Bezahlkarte. Diese war laut der ehrenamtlichen Asylberaterin Maria Brand schrecklich unangenehm und unpraktisch für die Betroffenen https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/asylberaterin-ueber-die-geplante-bezahlkarte-fuer-asylbewerber-unendlich-unangenehm-a-548fb83f-aa3e-47f7-97dc-0e13d4c9f7ea

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Die Beschränkungen scheinen eher geografischer Natur zu sein. Der MDR berichtet:

Die Bezahlfunktion der Karte bleibe zudem auf den Landkreis beschränkt.

Die Einkaufstour zum Kaufland o.ä. in der benachbarten kreisfreien Stadt fällt also aus.
Wenn ich mich recht entsinne, sind bisherige Versuche unter Anderem daran gescheitert, dass diese Bezahlkarten auch nicht von allen Geschäften akzeptiert wurden, z.B. nicht von den großen Discounterketten.

Danke, dann bleibt ja nur noch, dass es niemand fordert. Wieso kann denn aber Alkohol ausgeschlossen werden? Das wird sich ja nicht darauf beschränken, dass man nicht in Bars bezahlen kann.

So wie ich das rekonstruieren konnte, kommt die Kritik ehwr aus der Anfangszeit 2016 und es lag eher an der deutschen Furcht vorm elektronischen Bezahlen…

Für Bus und Bahn kann man inzwischen hoffentlich bargeldlos bezahlen und der Metzger hat es auch inzwischen. (Halte es persönlich aber für sinnvoll, wenn ein gewisser Betrag ausgezahlt werden kann.)

Die Flüchtlinge müssen beim Einkauf ständig mitrechnen, um das Guthaben auf der Karte nicht zu überziehen. Wenn sie sich verrechnen oder das Bezahlen nicht klappt, outen sie sich an der Kasse als Asylbewerber.

Das müssen sie auch bei Bargeld und warum outet sie das? Karte geht nicht und kein Bargeld dabei ist mir auch schon passiert.

Wer behauptet das?

Mein Bäcker und Metzger hier akzeptieren übrigens weiterhin nur Barzahlung, genauso wie der Bioladen. Ansonsten hat sich da in Corona einiges getan, ist also eine gute Zeit für so eine Einführung.

Denkt einfach mal daran, wie oft Kartenzahlung nicht funktioniert und dass es auch Bargeschäfte gibt, bei denen sie sowieso ausgeschlossen ist.
Ich stell mir z.B. ein Kind vor, das in der Schulpause eine Kleinigkeit kaufen möchte.

Also gar kein Bargeld wäre wirklich Quatsch und würde nicht mal einfachste Teilhabe ermöglichen. Kein Besuch von irgendwelchen Festen im Ort etc.

Sowas wäre überhaupt nur denkbar, wenn wir es Zeitlich auf einen minimalen (1-2 Monate) Zeitraum begrenzen würden. Alles was darüber hinaus geht muss so gestaltet sein, dass mindestens ein Teilbetrag in Bar verfügbar ist, eben für Bäcker, Kiosk, Feste etc.

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Man sollte immer seine Grundannahmen hinterfragen. Danke. Ich dachte natürlich, dass SZ.de („Denkbar wäre beispielsweise, dass Geflüchtete damit kein Geld für Alkohol, Zigaretten oder Glücksspiel ausgeben können.“) oder taz.de („tatsächlich gibt es in diese Richtung schon Vorschläge: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) etwa will den Kauf von Alkohol mit der Karte nicht zulassen.“) recherchieren, bevor sie sowas reproduzieren. Aber da es im Endeffekt auf Söder zurückgeht, hätte mir klar sein müssen, dass es Quatsch ist.

netzpolitik.org geht die Extrameile und schaut, was wirklich möglich ist.

Das bedeutet im Endeffekt ja nur, dass das Schreckgespenst der Diskriminierung durch Einschränkung auch technisch nicht möglich ist. Das sind doch gute Nachrichten.

Ich fürchte aber, dass die Bezahlkarte floppt, weil sie mit den falschesten Erwartungen eingeführt wird. Sie wird, wenn überhaupt, nur minimal Anreize vermindern. Am Ende sind also die Rechten enttäuscht weil sie nicht abschreckend wirkt und die Linken, weil sie als „Diskriminierungswerkzeug“ verstanden wird.
Schade, dass man sich nicht auf das konzentriert, was die Karte kann: Zeit sparen, für Verwaltung und Geflüchtete. Ein moderner Staat, statt Schlange stehen, um einen Papierwechsel zu bekommen, mit dem man bei der Sparkasse Schlange stehen kann um Bargeld zu bekommen. Die Regionalität der Hilfe für Geflüchtete unterstreichen und damit Akzeptanz schaffen…

Dann sollten die vielleicht man diskriminierungsfrei Bezahlung per Karte erlauben, wäre mein Vorschlag.

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Da bin ich noch nicht sicher.
Wenn es so ŵäre, hätte es sie längst gegeben.
Habe noch keine positiven Erfahrungen dazu gelesen/gehört. Vielleicht, wenn ein Geflüchteter noch kein Bankkonto hat. Modell Hannover.
Aber das ist ja nicht das, was nun beabsichtigt ist.

Im Video des NDR oben berichtet eine Verwaltungsmitarbeiterin ganz konkret von der Ersparnis von Zeit und Aufwand (Schecks siegeln und falten :smiley: ). Kann aber sein, dass sich das auf Menschen bezieht, die (noch) kein deutsches Bankkonto hatten.

Dafür - und den Netzpolitik-Link - danke.

Zusammenfassend: Keine Überweisungen, keine Nutzung im Ausland, geographische Einschränkungen und Brancheneinschränkungen (wenn auch mit unterschiedlicher Granularität) möglich. Was Bayern und Mecklenburg-Vorpommern machen, ist noch offen.

Geo- und Brancheneinschränkungen: Ob es dafür sinnvolle Nutzungsmöglichkeiten gibt, weiß nicht (sicher sehr einzelfallabhängig, zB auf eigenen Wunsch eines Betroffenen denkbar). Ob Länder/Kommunen das in negativer Weise nutzen werden - wird sich zeigen (Potenzial besteht, auch mit Blick auf LT-Wahlen).
Bargeld: Ich denke weiterhin, dass - solange wir im Allgemeinen Bargeld für sinnvoll erachten - die dauerhafte Möglichkeit des Bargeldbezugs sichergestellt sein sollte, für so wichtige Alltagsgeschäfte wie Gebrauchtkäufe oder Gastro (in dem geringen Umfang, in dem die Menschen sich das überhaupt leisten können). Derzeit scheint Bargeld bei der Socialcard laut Angaben des Anbieters gut verfügbar zu sein (dm, Netto, weiter Partner) davon abhängig zu sein, dass private Vertragsunternehmen des Kartenanbieters die Möglichkeit des Bargeldbezugs anbieten. Wird man im Blick behalten müssen, auch in ländlichen Gebieten.

„Schreckgespenst“ ist mir in Summe wegen dieser bleibenden Punkte eine etwas starke Formulierung, denn es geht um grundrechtssensible Technikgestaltung. Da man bei solchen technischen Lösungen Pfadabhängigkeiten schafft und ganze Architekturen festlegt, ist es wichtig, früh zu intervenieren.

Meine eigene Kritik bezog sich jedenfalls am stärksten aber auf den Kontext, in den das ganze eingebettet wurde. Da schien es (Belege sind in einem Beitrag oben zu finden) zum Einen darum zu gehen, Einschränkungen anzukündigen, die auf einem Generalverdacht gegenüber Asylbewerber:innen fußen (Auslandsüberweisungen, Glücksspiel,…), zum Anderen, vollkommen überzogene Erwartungen bezüglich Anreizen zu wecken, die zudem auf einem Abwehrparadigma beruhen.

Das denke ich nicht, das Interesse wird abflauen, im Guten wie im Schlechten und die Karten werden nach und nach flächendeckend eingeführt, wo sie tatsächlich Vorteile für die Verwaltung bieten.

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Es wird auch zu Klagen gegen die als Diskriminierungsmittel eingeführten Bezahlkarten kommen
[Asylbewerber-Bezahlkarte: Warum Klagen drohen Bezahlkarte für Asylbewerber: Warum jetzt Klagen drohen - ZDFheute](Asylbewerber-Bezahlkarte: Warum Klagen drohen Bezahlkarte für Asylbewerber: Warum jetzt Klagen drohen - ZDFheute)

Wofür ich sehr dankbar bin. Ich habe auch keinerlei Verständnis für diesen Rechtsruck in allen Parteien. Außer der AfD wird keiner profitieren. Man liest ja jetzt schon immer wieder Kommentare von offenkundigen AfD WählerInnen, welche sich zum einen bestätigt sehen zum anderen legitimiert man die AfD so weiter.
Ich sehe keinen Vorteil in den Bezuahlkarten, mal abgesehen von der Diskriminierung, wird außer bürokratischen Aufwand auch ein wirtschaftlicher Schaden entstehen, gerade in ländlichen Regionen ist EC Zahlung nicht umbedingt verbreitet, kleinere Anbieter werden es so also noch schwieriger haben, aber das wurde ja hier schon alles mehrfach thematisiert.

Ich hab hier noch einen recht interessanten Artikel aus der FAZ zu praktischen Erfahrungen in einem Landkreis, der eine Art Sachleistungskarte für einen Anteil des ausgezahlten Geldes eingeführt hat. Der Artikel ist hinter paywall, aber ich hab ihn hier für euch als PDF gezogen und bereitgestellt:

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