Begleitetes Trinken - wie groß ist das Problem?

Tatsächlich bin ich einigermaßen verwundert über die Debatte über begleitetes Trinken, also die Abschaffung des derzeit noch erlaubten Alkoholkonsums ab 14 im Beisein der Eltern. Mir wurde in meiner Adoleszenz erzählt, dass es die Regelung u.a. gäbe, damit Konfirmierte bereits am Abendmahl teilnehmen dürfen (das damals noch mit gegorenem Traubensaft stattfand). Ob das eine ernstzunehmende Erklärung war, vermag ich nicht zu sagen. (Dennoch wüsst ich jetzt nicht, ob alkoholhaltige Abendmahle nach der Reform bis 16 verboten sind?)

Zumindest habe ich in meinem bisherigem Leben noch an keiner Stelle gehört, dass das begleitete Trinken ein Problem sei. In allen Debatten über Komasaufen vor ein paar Jahren, wurde die Altersgrenze ab 16 Jahren kritisiert, aber ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern, dass jemand behauptet hätte, dass die Trinkregelung unter Aufsicht der Eltern hier fatal wäre. Einigermaßen gespannt war ich also auf die Einordnungen zum begleiteten Trinken in der aktuellen Diskussion. Doch ich musste feststellen, dass in den Medien das Phänomen eigentlich gar nicht spezifisch betrachtet wird:
Es ist die Rede davon, dass Alkohol schädlich ist, gerade für Jugendliche. Es wird gefordert, die Grenze für Suchtmittel generell auf 18 Jahre zu setzen etc. Aber an keiner Stelle wird über das eigentliche begleitete Trinken geredet, also wie viele Eltern das überhaupt erlauben, in welchem Umfang etc. Wie groß bzw. verbreitet ist das Phänomen eigentlich? Und wie groß die Problematik die sich daraus ergibt? Auch Karl Lauterbach wird immer nur damit zitiert, dass Alkohol auch in Begleitung Erwachsener für Kinder schädlich sei und daher abgeschafft gehöre. (Begleitetes Trinken: Lauterbach für Verbot bei unter-16-Jährigen) Nirgends wird das Phänomen begleitetes Trinken weitergehend verortet, sondern immer nur über die generelle Problematik von Alkohol bei Jugendlichen geredet.
Das finde ich besonders deshalb bemerkenswert, weil ich keinen konkreten Anlass (besonders schwerer Fall, neue Studie) zum Thema begleitetes Thema wahrgenommen habe. Offen bleibt stets die Frage, welches Ausmaß das Phänomen eigentlich konkret hat. (Und so Einordnungen wie „je jünger man anfängt, desto problematischer wird der Alkoholkonsum“ beziehen sich ja auch nur sehr bedingt auf begleitetes Trinken, wenn der allermeiste Alkoholkonsum von Jugendlichen - so steht es ohne weitere Einordnung des begleiteten Trinkens zu vermuten - außerhalb der elterlichen Aufsicht stattfindet).

In meinem persönlichen Umfeld kenne ich die Ausnahme begleitetes Trinken, wie gesagt, nur aus dem Kontext der Konfirmation. Zwar kann man immer das Argument machen, dass es sich beim begleitenden Trinken um ein „völlig falsches gesellschaftpolitisches Signal“ handele (Nds. Gesundheitsminister Andreas Philippi, Bier schon ab 14? „Begleitetes Trinken“ auf dem Prüfstand). Aber das würde ich insofern mit einem kleinen Fragezeichen versehen, als dass ich persönlich (und wie gesagt medial hab ich da nichts zu gefunden) noch nie einen Jugendlichen hab sagen hören „Ich bin 15 und darf seit einem Jahr in Beisein meiner Eltern trinken“, sondern da geht es eher in die Richtung „Ich bin 15 und nächstes Jahr darf ich eh trinken.“. Also ich denke fraglos ist das niedrige Mindestalter für Bier / Wein / Schaumwein mit 16 hier die kritischere Referenzschwelle, wegen der Alkohlkonsum bei Jugendlichen zu harmlos gesehen wird. Von daher ist für mich die Signalwirkung der jetzt geplanten Reform erstmal nicht zwangslogisch, weil sie sich das begleitete Trinken eigentlich nie jemand als Argument zu Eigen macht.

Tl,dr:
Ich finde es verwunderlich, dass das begleitete Trinken im Zentrum von Lauterbachs Reformplänen steht, aber das Phänomen selbst kaum spezifisch behandelt wird (da ja offensichtlich no-brainer, weil Alkohol schlecht. Aber wie groß ist denn das Problem was da gerade gelöst wird?) Sollte der Gesetzgeber nicht erstmal das Problem (und dessen Aumaß?) klar umreißen, bevor er zur Reform bläst?
Daher frage ich mich, was hier jetzt politischen Reformwillen erzeugt hat. Geht es hier im Kern vor allem darum, ein Jugendschutzgesetz zu machen, was nichts kostet? Oder ist das jetzt der Testballon für eine Initiative für „alle Suchtmittel ab 18 Jahre“?

Noergel

PS: Falls jemand was wirklich spezifisches zum begleiteten Trinken gehört / gesehen / gelesen hat, bitte gerne hier teilen, das würde mich sehr interessieren.

Warum? Wenn man der Argumentation folgt, dass für Kinder und Jugendliche in diesem Alter jeder Alkoholkonsum schädlich ist, dann ist es doch nur Konsequent diese Lücke in der Präventionspolitik zu schließen, selbst wenn es nur 5 Kinder in ganz Deutschland betrifft.

Oder um die Frage umzudrehen: wer verliert denn irgendwas schützenwertes, wenn Kinder nicht mehr in Begleitung ihrer Eltern schon mit 14 Jahren trinken dürfen?

Das eine Jugendschutzmaßnahme nichts kostet ist doch an sich nichts negatives, oder? :wink:

Habe dieses Zitat gefunden:

Tobias Neuhof ist Suchtberater beim baden-württembergische Landesverband für Prävention und Rehabilitation (bwlv). Er findet den Lauterbach-Vorstoß deshalb so gut, weil er aus seiner Aufklärungsarbeit an Schulen weiß, dass das Durchschnittsalter für den Erstkonsum bei etwa 14 Jahren liegt. Mannheim: Viel Unterstützung für Verbot von "Begleitetem Trinken" - SWR Aktuell

Das scheint zumindest grob durch Umfragen gedeckt zu sein: Das Alter für ersten Alkoholkonsum sinkt | YouGov

Für meine Begriffe ist es kaum vorstellbar, dass bei so frühem Alkoholkonsum nicht in der Regel die Eltern eine Rolle spielen. Entsprechend scheint es durchaus eine nennenswerte Zahl Kinder zu geben, die von bzw. im Beisein ihrer Eltern schon vor dem 16. Lebensjahr Alkohol zugänglich gemacht bekommen. Und es scheinen sich sämtliche Ärzte einig zu sein: das ist schlecht. Viel mehr braucht man glaube ich nicht für eine Argumentation für diese Gesetzesänderung.

Aber wie gesagt: selbst wenn es nur ein Kind in Deutschland betreffen würde, wäre das schon ein gutes Argument, weil die Abschaffung des begleitenden Trinkens ja keine schützenswerte Rechte beeinträchtigt (es sei denn man betrachtet die Verabreichung von Alkohol an Kinder per se als ein solches Recht),

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Und es kommt noch dazu, dass es gesetzliche Regeln vereinfacht. Das heißt, selbst wenn niemand betroffen wäre, würde e ssich immer noch lohnen.

Ich fände eine Anhebung der Grenze auf 18 Jahre auch besser, aber es wundert mich nicht, dass Lauterbach sich da nicht rantraut.

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Ich bin mir persönlich nicht sicher ob begleitetes trinken nicht eine bessere Art ist mit Alkohol umzugehen als dann später oder sogar zur ähnlichen Zeit alleine / mit Peers drauf zu stoßen.
Jugendliche Trinken nun einmal mit Gleichaltrigen und wenn Eltern sich mit Kindern und deren Konsum aktiv auseinandersetzen scheint mir das nicht unlogisch.

Aber mir mangelt es auch an Studien und es scheint hier eher ein Thema des Menschenbildes zu sein.

Das man die Altersgrenze anhebt schließt ja nicht aus, dass sich Eltern mit ihren Kindern bewusst mit dem Thema Drogen auseinandersetzen. Ich denke, das sollte auch schon weit früher als der Konsum beginnen. Und auch ab 16 unterstehen Kinder ja theoretisch der Erziehungsberechtigung der Eltern, die ja weiterhin den Rahmen, in dem sie legal Alkohol trinken dürfen, mitgestalten können.

Ich glaube, dass nicht etwas das „begleitete Trinken“ das Problem ist sondern das Vorbild Eltern beim Alkoholkonsum in Verbindung mit dem Verbot von Alkoholkonsum für Jugendliche. Die Eltern machen es (oft mehr, als vernünftig) und die Kinder dürfen es nicht. Das schafft einen starken Reiz.

Ich wüsste allerdings nicht, was die Politik dagegen realistischer Weise tun kann. Alkoholkonsumverbot in der Gegenwart von Kindern und Jugendlichen? Der Politiker, der das vorschlägt, kann sich gleich erschießen.

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s. das Argument zu Süßigkeiten oben (unten, edit Mod. In falscher Reihenfolgefreigeschaltet). Dem wäre hier noch hinzuzufügen: Warum sollte der Konsum von Rauschmitteln von Alkohol-, Tabak und Gras denn für Erwachsene schützenswerter sein? Weil sie als Erwachsene verantwortungsvoller sind bzw. das Folgen ihres Handelns besser abschätzen können? Wir gestehen doch Jugendlichen derzeit immer mehr zu, genau dies ebenfalls zu tun: Von jüngerem Wahlalter über begleitetes Auto fahren vor dem 18. Lebensjahr. Laut Internet sind die begleiteten Fahranfänger mit 17 in 20% weniger Unfälle verwickelt, als alleinige Fahranfänger mit 18. Das impliziert ja, dass das Heranführen an den verantwortungsvollen Umgang an neue Lebensbereiche im Beisein Erwachsener viel besser funktioniert. Warum soll das denn bei Alkohol nicht funktionieren? Dein Argument mit der Suchtprävention ohne Alkohol hab ich gelesen, aber die Fahranfänger brauchen für ihre Entwicklung auch ein Auto.

Die Argumente aus dem letzten Absatz sind nur halb ernst gemeint. Sie sollen nur illustrieren, dass man mit dem Verweis auf die generelle Schädlichkeit erstmal alles verbieten und ohne spezifische Informationen zum begleiteten Trinken, auch alle möglichen Annahmen über dessen Auswirkungen treffen kann.

Doch es braucht mehr für eine Argumentation für diese Gesetzesänderung, als dass es für dich kaum vorstellbar ist, dass Eltern beim frühen Alkoholkonsum keine Rolle spielen oder das Ärzte sagen, dass Alkohol schädlich für Jugendliche ist. Das ist genau der Kern des Problems: Letzteres ist ein wissenschaftlicher Fakt, der jetzt vor das Argument gespannt wird, um über alle anderen Faktoren in der Gleichung begleitetes Trinken nicht mehr reden zu müssen. Insbesondere bei dem Argument des von dir zitierten Experten ist doch zu fragen: Warum soll für das derzeitige Sinken des Alters beim Erstkonsum eine seit Jahrzehnten existierende Gesetzesgrundlage verantwortlich sein? Sind die Gründe dafür nicht eher in der Jugendkultur, steigende (gefühlte) Perspektivlosigkeit, Coronanachwehen, dem Trinkverhalten der Jugendlichen unter sich etc. zu suchen? Inwiefern – und das ist mein Punkt – das begleitete Trinken hierfür verantwortlich ist, wissen wir nicht, weil darüber gar nicht geredet wird. Das wird alles unter „Alkohol ist schlecht für Jugendliche“ begraben.

Achtung ein illustrativer, polemischer whataboutism:

Ärzte sind sich auch einig, dass der Zuckerkonsum in jungen Jahren ein Leben lang prägt und damit ggf. ein leben Lang vorschädigt. Es ist kaum vorstellbar, dass nicht in der Regel das Konsumverhalten der Eltern eine Rolle spielt. Also wenn es danach geht dann Gummibärchen auch erst ab 16? (Und ja, Zucker ist nicht Alkohol. Aber immerhin sind beides potenziell süchtig machende Substanzen, die den Organismus nur an unterschiedlichen Stellen unterschiedlich stark schädigen)

Jugendliche verlieren Freiheitsrechte und Eltern verlieren Erziehungsrechte über ihre Kinder. Kann einem selbstverständlich egal sein, weil es ja um Jugendschutz geht, aber imho sollte grundsätzlich gelten: Wenn der Staat seinen Bürgern etwas wegnimmt oder zumutet, muss er ganz spezifisch erläutern, warum er das tut. Was genau ist das Problem und wie helfen seine Lösungsvorschläge das Problem zu lösen - bestenfalls alles wissenschaftlich fundiert. Und wenigstens ersteres passiert in diesem Fall völlig unzureichend, weil über das Problem selbst überhaupt nichts Spezifisches gesagt wird.

Langfristig verliere ich auch mein Vertrauen in Politik, wenn sie bei ihren Vorhaben/Maßnahmen Ursache und Wirkung nicht sauber erklärt. Deshalb haben wir nach einem Messerangriff im Zug jetzt anlasslose Durchsuchung in Messerverbotszonen, nach dem Hops nehmen der Reichsbürger ein verschärftes Waffenrecht. (In beiden Fällen wurden Ursache und Wirkung bestenfalls dürftig von der Politik erläutert. Selbstverständlich kann man sich hier auf den Standpunkt stellen: Wenn dadurch nur eine Attacke verhindert wird, wenigstens eine Waffe aus dem Verkehr gezogen wird, hat sich die Sache schon gelohnt - ich tue das nicht. Drum hab ich Nancy Faesers geplante Waffenrechtsverschärfung aus den gleichen Gründen kritisiert: LdN318 Waffenrechtsverschärfung: Zerstörung der Jagd- und Schützenvereine? - #8 von Noergel)

Auch bei der vorliegenden Thematik stell ich mich auf den Standpunkt, dass der Staat sein Vorgehen gut und spezifisch begründen muss. Nur wenn der Staat das Problem sauber umreißt, lässt sich plausibel prüfen, ob seine Lösung auch hilft / angemessen ist etc. Nur dann lässt sich einschätzen, ob das Problem, was wir hier lösen überhaupt existiert. Oder ob der Gesetzgeber hier auf Grund des immer jüngeren Erstkonsums nur ein politisches Feigenblatt schafft, um vorzugeben etwas getan zu haben, aber damit letztlich vermeidet, an entscheidenden Stellen etwas zu tun. Bloße Feststellungen a la „der gesunde Menschenverstand diktiert das“ – im vorliegenden Fall in der Lauterbachvariante – „Aus gesundheitspolitischer Sicht kann es zu diesem Thema keine zwei Meinungen geben“, sollen durch framing eine Diskussion unterbinden. Dabei spannt Lauterbach aber auch bloß wieder die generelle Problematik „Jugendliche und Alkohol“ vor den Karren und erklärt mir eben nicht, warum das Thema begleitetes Trinken so gesundheitspolitisch offensichtlich so eindeutig ist.

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Dazu passend gibt es hier eine schöne Diskussion über die Erfahrungen mit der Zuckersteuer in UK und deren eventuelle Übertragbarkeit nach Deutschland: Zuckersteuer halbiert Zuckerkonsum bei Kindern

Entsprechend: ja, auch eine stärkere Regulierung von Zucker wäre meiner Meinung nach total wünschenswert. Aufgrund der anders gelagerten Sachlage wäre das aber eher über Steuern regelbar als über Verbote, wie bei Alkohol.

Warum? Vorausgesetzt man ist der Meinung, dass Kinder unter 16 Jahren wenn möglich überhaupt keinen Alkohol konsumieren sollten, dann ist es doch nur konsequent das aktuelle Schlupfloch des begleiteten Trinkens zu schließen. Man kann natürlich in der Grundfrage eine andere Meinung vertreten (z.B. das begleitendes Trinken eine sinnvolle Hilfe bei der Heranführung an verantwortungsvollen Drogenkonsum ist), aber die Argumentation für ein Verbot ist in sich schlüssig.

Nochmal: wird doch getan. Alkohol unter 16 = schlecht, also verbieten wir es. Dem kann man zustimmen oder auch nicht, aber ich finde die Argumentation ziemlich spezifisch.

Insgesamt finde ich es schon auffällig, dass alle Fachmeinungen und auch diverse Politiker sehr unterschiedlicher Ausrichtungen die ich zu dem Thema gelesen habe für diese Gesetzesänderung sind:

Lauterbach ist mit seiner Kritik an dieser Regelung nicht alleine. Auch die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) und die Berliner Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD) sind für eine Abschaffung des begleiteten Trinkens.

Von der DAK-Gesundheit wird die Debatte begrüßt: Begleitetes Trinken gehöre auf den Prüfstand, sagte Kassenchef Andreas Storm. „Durch den Zugang von Alkohol durch die Eltern verringert sich die Hemm­schwelle, mit dem Trinken anzufangen.“ https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/152865/Begleitetes-Trinken-auf-dem-Pruefstand

Die CDU im Landtag ist ebenfalls für eine Einschränkung der Alkoholkonsums bei Jugendlichen. Die parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion, Carina Hermann, sagte auf Anfrage des NDR Niedersachsen, das begleitete Trinken ab 14 Jahren zu verbieten sei „im Hinblick auf die erheblichen Gefahren von Alkoholkonsum richtig“. Niedersachsen will "begleitetes Trinken" ab 14 verbieten | NDR.de - Nachrichten - Niedersachsen

Und ich würde nochmal betonen: das Verbot der Abgabe von Alkohol vor dem 16. Lebensjahr steht einem aufklärendem Umgang mit Drogen innerhalb der Familie nicht entgegen. Ich muss auch nicht mit meinem Sohn mal eine Linie Koks gezogen haben um (hoffentlich erfolgreich) zu vermitteln, dass das keine gute Idee ist.

Also ich erlebe das manchmal, dass am Nebentisch ein offensichtlich noch nicht 16-jähriger ein Bier bestellt und der Erwachsene am Tisch, das mit einem „ist schon OK“ frei gibt und bei mir erzeugt das immer ein Störgefühl mit welcher Selbstverständlichkeit das dann passiert.
Der Vergleich mit dem begleiteten Fahren hinkt aus dem Grund, da 17-jährige ja herangeführt werden, damit sie später verantwortungsvoll Auto fahren. Beim Alkohol sehe ich diese Notwendigkeit nicht. Man kann also durchaus argumentieren, dass hier etwas normalisiert wird, was nicht normalisiert werden sollte.
Dennoch zeigt das Beispiel ein Problem, das ich mit Karl Lauterbach verbinde: er ist mehr Arzt als Politiker.
Aus der Sicht eines Arztes macht das Streichen der Regel aus jedem Blickwinkel Sinn.
Aus der Sicht eines Politikers muss ich immer abwägen.
Und hier sehe ich dann doch, dass wir Eltern hier die Verantwortung zugestehen sollten. Was zu Hause passiert, kann der Staat sowieso nicht kontrollieren.

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Zitat aus der Süddeutschen Ztg. Hat mir sehr gefallen:
Dieser Ausschank von Alkohol an 14-Jährige im Beisein ihrer Eltern ist für nichts gut. Während beim „begleiteten Fahren“ das Unfallrisiko durch die Anwesenheit eines vernunftbegabten Erwachsenen gemindert werden mag, gilt das beim Alkohol nicht. Erstens können Erwachsene nicht vernunftbegabt sein, wenn sie ihrem 14-jährigen Kind ein Bier geben. Und zweitens ist die Droge nicht weniger gefährlich, wenn die Eltern dabei sind.

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Wenn über sowas aktuell als Thema diskutiert wird weiß man wieso die Leute sich von der Politik zurzeit nicht ernst genommen fühlt. Wirklich? Das ist aktuell ein Problem? Das 14-16 jährige im Beisein der Eltern Bier trinken? Sorry aber wer sich darüber aufregt hat scheinbar echt keine anderen Probleme.

Politik kann immer auch mehr als eine Sache gleichzeitig machen. Lauterbach ist Gesundheitsminister. Der muss nicht täglich den letzten Migrations-Aufreger kommentieren. Und Pflege- und Krankenhausreform hat er ja schon auf den Weg gebracht. Drogenprävention gehört eben auch genau in sein Portfolio und es gibt jede Menge „Leute“ die das als sehr wichtiges Thema empfinden.

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Richtig, der MEINUNG kann man sein, aber gute Politik (und Medien) sollten ja nicht meinungs-, sondern faktenbasiert sein. Ihre Meinung dürfen Politiker selbstverständlich haben, aber wenn sie Menschen überzeugen wollen, dann sollten sie auch zum Thema passende Fakten kommunizieren.
Und da kann ich nur nochmal betonen: Wird in diesem Fall nicht getan. Noch an keiner Stelle wurde gesagt, welchen Einfluss das begleitete Trinken auf den jugendlichen Alkoholkonsum überhaupt hat bzw. wie weit verbreitet es ist. SInd das aber nicht die Grundlagen einer jeden Problembeschreibung? Jeder darf dazu seine Meinung oder sein Gefühl haben, aber vom Gesundheitsministerium erwarte ich eine detaillierte Darstellung des Problems, die konkurrierende Interperatitonsangebote ausräumt. („Das Heranführen an verantwortungsvolles Trinken erfolgt durch die Eltern“ - so sinngemäß der in den verlinkten Artikeln zitierte gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU, Tino Sorge). Auch die Medien übernehmen bloß die talkingpoints des Ministeriums und in allen Links, werden die Aussagen der Leute über die Gefahren von Alkohol für Jugendliche einfach im Kreis zitiert und überall steht das gleiche drin. Hat die Gesundheitsministerkonferenz denn keinen Experten gehört, der sich mal mit dem Phänomen begleitetes Trinken ab 14 beschäftigt hat? Jemand der die direkten und indirekten Folgen einordnen kann oder das Phänomen mal im Gesamtkontext „Alkohol und Jugendliche“ verorten kann? Ist denn eigentlich begleitetes Trinken für die Trinkgewohnheiten der Jugendlichen prägend oder lediglich die Trinkgewohnheiten der Eltern?

Und das ist eben keine spezifische Argumentation, sonder eine total willkürliche. Denn die Realität ist ja nciht „Alkohol unter 16 = schlecht“, sondern Alkohol unter „21 bzw. sogar 25 = ganz schlecht“ und „Alkohol danach = schlecht“. Auch die neue Norm ist vollkommen willkürlich und verläuft überhaupt nicht entlang irgendwelcher wissenschaftlichen Erkenntnisse. Außerdem sagt sie gar nicht spezifisch darüber aus, ob bspw. begleitetes Trinken jetzt eigentlich zu verantwortungsvollerem oder verantwortungloserem Alkoholkonsum beiträgt. Das wäre aber mal eine wirklich interessante Information im Kontext von Gesetzesvorhaben. Wenn nämlich bspw. begleitetes Trinken für positive Impulse sorgen würde, dann könnte man vielleicht viel besser einen generellen Konsum von Rauschmitteln ab 18 durchsetzen und ggf. ab 16 nur noch in der Form begleiteten Trinkens. Ist das eine gute Idee? Ich weiß es nicht, weil ich zu begleitetem Trinken als Phänomen noch überhaupt nichts spezifisches erfahren habe.

Naja die erzählen alle das gleiche: Alkohol sei für Jugendliche schlecht, aber das hat glaube ich auch keiner in Frage gestellt. Zum Phänomen des begleiteten Trinken sagen aber alle nichts. Da werden schockierende Zahlen präsentiert, etwa von 6000 jugendlichen Einlieferungen wegen Alkoholmissbrauchs im Jahr. Wie viele davon die direkt oder indirekte Folge von begleitetem Trinken sind, hat aber keiner gesagt. (Und wie der Anstieg von solchen Zahlen mit der jahrzehntelangen Gesetzesgrundlage zusammenhängt im Übrigen auch nicht. Nutzen die Eltern das begleitete Trinken nun verantwortungsloser als früher oder hat das eine mit dem anderen gar nichts zu tun?)
Neu war die Aussage des Herrn Storm von der DAK, die für mich aber kryptisch (und unbelegt) bleibt (DAK-Chef Andreas Storm: „Begleitetes Trinken gehört auf den Prüfstand!“): „Durch den Zugang von [sic! zu?] Alkohol durch die Eltern verringert sich die Hemmschwelle, mit dem Trinken anzufangen. Es gilt häufig als normal, ein Bier oder Sekt zum Anstoßen zu trinken, doch junge Menschen können den Konsum von Alkohol schnell unterschätzen." Wer trinkt denn jetzt hier? Die jungen Menschen mit den Eltern oder nur die Eltern? Was sorgt denn hier für Normalisierung, dass die jungen Menschen selbst trinken, oder das Trinkverhalten ihrer Eltern? Die Aussage ist zudem eingebettet in einen Paragraphen übers Rauschtrinken (aka Komasaufen), was für mich wieder die Frage aufwirft, inwiefern das eine mit dem andern zu tun hat. Mehr als ein vages Gefühl über die Gefahren der Verharmlosung von Alkohol mag ich da nicht rauslesen. Zumal die DAK - als führenden Krankenkasse im Bereich der Kinder- und Jugendgesundheit - als interessierter Akteur zu gelten hat. Gerade deshalb hätte ich einen fundierten Datenzusammenhang für ihren „case“ erwartet.

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Also es bleibt dabei: Wie sich die bestehende Gesetzeslage des begleiteten Trinkens auf den Alkoholkonsum bzw. die Trinkgewohnheiten junger Menschen auswirkt, wird eigentlich nirgends thematisiert. Einen eindeutigen Zusammenhang der Praxis begleitetes Trinken mit dem problematischen Trinkgewohnheiten herzustellen, wäre mehr als wünschenswert. Einfach nur darauf zu verweisen: „Die Anwesenheit von Erwachsenen ändert nichts an der Schäd­lichkeit von Alkohol für Kinder" (Lauterbach) ist reichlich unspezifisch und man muss sich fragen, ob - wenn dies die Diagnose ist - hier vom Gesundheitsminister die passende Behandlung vorgeschlagen wurde. (Interessant, dass der Gesundheitsminister im Zusammenhang von 14-16 Jährigen noch von Kindern spricht, obwohl der Gesetzgeber und auch das BMFSFJ hier normalerweise von Jugendlichen redet. Der alte Framer ^^)

Jo das stimmt, aber ebenso wie du darauf hingewiesen hast, dass die Sachlage von Zucker nicht 1:1 auf Alkohol übertragbar ist, ist sie es bei Koks halt auch nicht. Koks wird ihm nämlich im Leben vermutlich deutlich seltener begegnen als Alkohol und ist auch gesellschaftlich deutlich weniger akzeptiert. Deshalb führen bei Koks vielleicht auch schon einmalig mündliche Präventionsmaßnahmen zum Erfolg. Inwiefern sich erfolgreiche Präventionsmaßnahmen von legalen und illegalen Drogen unterscheiden müssen, kann ich nicht sagen, werde das aber mit Spannung an Hand von Cannabis beobachten, weil hier ja mal eine Massendroge die Spur gewechselt hat.

War ja wie gesagt auch nicht ganz ernst gemeint. Und ja: Man kann hier argumentiren, dass es normalisiert wird, man kann auch argumentieren, dass hier verantwortungsbewusster Umgang gelehrt wird. Drum fände ich es ja hilfreich, wenn ein Experte da mal seine Expertise zu ausbreitet und Klarheit schafft bzw. mich wundert, warum das nicht passiert.

Und gerade deshalb fände ich es ja mal wichtig, über das Phänomen begleitetes Trinken was zu hören, damit man den Eltern sagen kann: Pass auf, dass schaffen wir jetzt ab, weil die Experten die die GMK dazu gehört hat unisono gesagt haben, dass es auch bei den wohlmeinensten Eltern einen schädlichen Zusammenhang zwischen dieser Praxis und den Trinkgewohnheiten der Kinder gibt. Das wäre für mich völlig ok, weil der Staat dann ja aufgezeigt hat, dass die spezifische Praxis des begleiteten Trinkens ein Problem ist, weil sie nachweislich falsche Gewohnheiten festigt.

Bin nun glücklicher Besitzer eines Zeit-Testabos

Zwei Studien, die ohne Download auskommen habe ich mal herausgepickt:
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/acer.14224
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0306460324000339

Die Studien zeigen eindeutig, dass durch die Erlaubnis der Eltern die Gefahr durch Alkohol eher kleiner als größer wahrgenommen wird.
Vor allem dass diese Kinder eher dazu neigen betrunken Auto zu fahren, macht dann doch Sorgen.
Insofern bin ich geneigt, hier Lauterbach doch Recht zu geben.

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Den begleiteten Alkoholgenusses zw. 14 und 16 kann man durchaus mit dem begleiteten Autofahren vergleichen:
Autofahren ist erst ab 18 erlaubt. Dann kam die Idee mit dem begleiteten Fahren mit 17. Es gab Feldversuche, bei denen der Nachweis einer Sinnhaftigkeit erbracht wurde und das begleitete Fahren wurde ermöglicht.
Analog jetzt der Alkohol: erst ab 16 erlaubt. Die Ausnahme zwischen 14 und 16 wurde eingeführt, allerdings ohne Studien, Versuche o.ä. Daher ist das höchst irrational. Das Suchtrisiko ist unumstritten, umso höher, je jünger ein Kind beim ersten Rausch ist. Daher ist es korrekt, das Trinken von Alkohol unter 16 zu verbieten. Den Befürwortern steht frei, Studien zu initiieren, die belegen, dass begleitetes Trinken Vorteile hat - aber nicht anders herum. Dann kann man über eine Wiedereinführung diskutieren.
Was als Widerspruch zu dieser Argumentation vorgebracht werden kann ist „Haben wir immer so gemacht“ oder „haben wir noch nie so gemacht“ OK, aber wir haben 2024 …

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Grundsätzlich bin ich bei Alkohol eher dafür durch Aufklärung ein langfristiges Ziel zu erreichen, denn meine Beobachtungen wenn ich bei Sport oder Beruf Kontakt insbesondere zu skandinavischen Kollegen habe ist nicht, dass dort Alkohol und dessen Gefahren realistischer gesehen werden, sondern ganz im Gegenteil, dass Gelegenheiten für einen bezahlbaren Vollrausch stets wahrgenommen werden.

Beim begleiteten Trinken sehe ich aber dennoch keinen Nutzen. Das Alter ist einfach zu gering und ich sehe es dann doch als Problem, wenn Jugendliche die dann mit 16 legal Bier kaufen dürfen bereits an den Geschmack gewöhnt sind und mit größeren Mengen anfangen.

Danke für die links! werde ich mir gleich zu Hause mal durchlesen. Für den Handybildschirm ist die Lektüre doch ein bisschen sperrig ^^