Ich glaube es hat wenig Sinn, wenn wir jetzt beide nochmal alles wiederholen, daher nur wenige Punkte, die mir extrem wichtig sind.
Das stimmt so nicht. Ich habe geschrieben, dass die Korellation statistisch nachweisbar ist. Aus dieser lässt sich aber nicht ohne Weiteres eine einseitige Kausalität ableiten. Genau das tust du aber immer wieder. Dieser Unterschied ist zentral, nicht nur für diese Debatte. Ein einfaches hypothetisches Beispiel:
Nur weil das Einkommen von Menschen, die Lacoste-Poloshirts tragen, statistisch höher ist als das von Menschen, die sie nicht tragen, kann man daraus nicht ableiten, dass diese Hemden reich machen.
Kern des linken Antisemitismus sind - wie bei jeden anderen Antisemitismus - bestimmte Stereotype und Vorstellungen, die kollektiv „den Juden“ oder allem (vermeintlich) Jüdischen unterstellt werden. Das Spezifische am linken Antisemitismus ist (sehr verkürzt) eher, dass er Juden häufiger als „Zionisten“ bezeichnet und sie tendenziell eher für Kapitalismus, Nationalismus, Kolonialismus etc. verantwortlich macht, also für die Dinge, die Linke ohnehin tendenziell ablehnen. Das hindert rechte und islamistische Antisemiten natürlich nicht daran, Juden zum Teil genau das Gegenteil vorzuwerfen (Kommunismus, Internationalismus, Ungläubigkeit etc.) Antisemitismus kann sehr viele unterschiedliche Ausprägungen und Facetten haben, aber die Grundlage sind immer Stereotype von Juden und vom Jüdischen. Antisemitismus ist, wie Adorno es einmal formulierte „Das Gerücht über die Juden“. Diese Stereotype können aber nicht dadurch erklärt werden, wie sich bestimmte Juden in bestimmten Situationen verhalten (haben), zum einen weil diese Stereotype gar nicht an konkretem Verhalten interessiert sind, sondern dieses höchstens zum Anlass nehmen für eine pauschale, eben stereotype Wahrnehmung und zum anderen weil sie zum großen Teil einfach projektiv bis wahnhaft sind - wie etwa die Ritualmordlegende oder der Vorwurf „die Juden“ hätten Jesus ermordet.
Wie linker und anderer Antisemitismus entsteht, ist eine komplexe Frage, die nicht einfach zu beantworten ist und über die sich schon Generationen von Wissenschaftlern doe Köpfe heiß diskutiert haben. Ich habe dazu in unterschiedlichen Threads ja auch schon verschiedene Artikel gepostet. Einen ersten Überblick bietet etwa dieser Artikel:
Um es nochmal klar zu sagen: Selbst die Unterzeichner der „Jerusalem Declaration“, die sehr viel Kritik an der IHRA-Definition haben und bei denen es viele gibt, die Israel scharf kritisieren und auch die Notwendigkeit dieser Kritik betonen und die Grenze zum Antisemitismus in diesem Punkt deutlich anders ziehen als die IHRA-Definition, sind in einem Punkt ganz klar: Menschen irgendwo auf der Welt allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit für das Handeln eines Staates verantwortlich zu machen ist, wenn es um Juden und Israel geht - klar antisemitisch. Wenn du nun sagst, dass eine Abneigung gegen Israel sei „der ideale Nährboden für Antisemitismus“, setzt du damit ohne Begründung genau das voraus, was es eigentlich zu erklären gilt: nämlich wie kommt jemand darauf, wegen der Ablehnung eines Staates (bzw. dessen Handelns) darauf, dafür irgendwelche Leute irgendwo in der Welt verantwortlich zu machen, antisemitische Stereotype zu pflegen etc. - denn das bedeutet Antisemitismus im Konkreten.