Da kenne ich mich gar nicht aus, aber auch dort wird sicherlich irgendeine Form von Abwägung getroffen. Bei einem Betrieb ist der Unterschied, dass die zuständige Handwerkskammer die „Baseline“ zieht und der Betrieb dann privat nach eigenem Ermessen Unfallverhütungsmaßnahmen „oben drauf sattelt“.
Es ist zwar abwegig, weil wir ja alle vom Einkommen abhängen, aber sollte ich mich als Angestellter von den Unfallverhütungsmaßnahmen behindert fühlen, dann könnte ich mir ja einen neuen Arbeitgeber suchen.
Eine alternative Autobahn gibt es aber nicht. Wenn der Staat ein Tempolimit einführt, dann gilt es überall.
Es folgen drei Anekdoten, die nur grob passen. Kann man gerne überspringen:
- Eine Bekannte musste nach der Elternzeit zum Betriebsarzt, damit er ihre Arbeitsfähigkeit feststellt. Sie empfand das als übergriffig, hätte nicht ein Attest vom Hausarzt gereicht?
- Der Hausmeisterservice in unserem Neubau-Mehrfamilienhaus hatte für zwei schlecht erreichbare Fenster im Treppenhaus eine Hebebühne (500€ pro Einsatz, zweimal im Jahr) gemietet, um die Fenster von außen zu putzen. Begründung: Leiter im Treppenhaus ist zu unsicher.
Ergebnis: Jetzt haben wir einen neuen Hausmeisterservice, der über eine für Treppen geeignete Leiter verfügt.
- Bei meinem Arbeitgeber, einem internationalen Großkonzernen hat sich vor vielen Jahren folgende Tragödie zugetragen:
Ein Mensch lehnt sich während einer Besprechung auf einem Stuhl sitzend zur Laptoptasche, der Stuhl rollt unter ihm weg und der Mensch stürzt leider so unglücklich, dass er an den Folgen verstirbt.
Was war die Unfallursache? Das Besprechungszimmer war gefliest, aber der benutzte Stuhl hatte „Beine“ mit Hartplastikrollen. Diese sind nicht für glatte Böden geeignet, sonder für Teppichböden. Bürostühle für glatte Böden haben gummierte Rollen.
Ergebnis: Alle Führungskräfte im Konzern haben alle Stühle überprüft um sicherzustellen, dass sich Stühle mit gummierten Rollen in Räumen mit glatten Böden und Stühle mit Hartplastikrollen entsprechend in Räumen mit Teppichen befinden. Zudem wird nun darauf geachtet, dass es keine gemischten Böden gibt. Der Unfallstuhl wurde nämlich irgendwann mal aus einem Büro mit Teppich in das Besprechungszimmer gerollt.
Schlussendlich wurden wir noch in einer Abteilungsbesprechung über korrekte Stuhlrollen und über korrektes Bücken informiert. Korrektes Bücken geht so: es falsch ist sich zu seiner Tasche hin zu neigen. Richtiges Verhalten bedeutet aufstehen, zur Tasche laufen und vor der Tasche mit geradem Rücken in die Hocke gehen.
Zum Glück handelte es sich beim letzten Punkt nur über eine Information, das heißt jene, die nicht da waren konnten es im Protokoll nachlesen oder in der Kaffeeküche nachhören.
Wenn mein Arbeitgeber aber tatsächlich so weit gegangen wäre, dass mein Chef mich regelmäßig ermahnt mich nicht zu meiner Tasche zu neigen, sondern korrekt um meinen Stuhl herumzulaufen um vor meiner Tasche in die Hocke zu gehen, dann würde ich tatsächlich darüber nachdenken mir einen anderen Arbeitgeber zu suchen…
Wer es soweit geschafft hat, zum Schluss noch eine ganz wilde und bestimmt leicht zu falsifizierende Rechnerei. Ziel ist es zu bestimmen, wie viele Stunden es durchschnittlich dauert, bis es zu einem tödlichen Unfall kommt:
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Auto: 755 Mrd. Personenkilometer pro Jahr, 328 tödliche Unfälle in 2019, Durchschnittstempo 125 km/h: alle 18,4 Millionen Personenstunden ein tödlicher Unfall.
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Arbeit: 42 Mil. Beschäftigte, 8h pro Tag, 220 Tage im Jahr, 497 tödliche Unfälle in 2019: alle 148,7 Millionen Personenstunden ein tödlicher Unfall.
Das heißt der freie Mensch bringt sich mit etwa 8-fach höherer Wahrscheinlichkeit versehentlich ums Leben, als ein bewusster Profi in seiner Arbeitsumgebung.
Ich bin immer noch der Ansicht das es hier keinen Handlungsbedarf aus Sicherheitsgründen gibt. Wie gesagt, für die Ukraine, für die Umwelt sehe ich das anders.
- Tempo 80 überall bis Dezember 2022? Hätte ich kein Problem mit.
- Tempolimit für Verbrenner (leicht zu kontrollieren wegen E-Kennzeichen, darf in Zukunft nicht mehr an PHEV vergeben werden)? Kein Problem.