Anerkennung von Homöopathie als Religion

Das Geld, das für H. ausgegeben wird, auch das ich über den Krankenkassenbeitrag bezahle, stört mich nicht. Mich stört, dass der Glaube an Esotherik dadurch gefördert wird. Es wird Unfug behauptet und das wird durch die Krankenkassen unterstützt. Die Krankenkassen unterstützen eine Therapieform, die parallel zum restlichen Gesundheitssystem existiert. Das erodiert den Glauben an unser zu Recht kritisierbares Gesundheitssystem, fördert damit letztendlich auch so Dinge wie Impfgegner, Coronaleugner und reicht mit Querdenkern oder germanistischer Medizin auch in rechte Strukturen hinein. Die H. ist sozusagen die „harmlose“ Einstiegsdroge in Bewegungen, die bei den Querdenkern oder Rechtsextremen enden können. So etwas möchte ich mit meinen Krankenkassenbeiträgen nicht fördern und auch nicht mit Steuergeldern.

3 „Gefällt mir“

Fairer Punkt. und ich sehe es ebenfalls so dass wir andere große Probleme haben. Aber meiner Meinung nach sollte man dieses Problem nicht verharmlosen.

Das glaube ich eben nicht. Das Thema st ja ein wenig abgeglitten wie @eratosthenes25 und @ChristianF schon bemerkt haben. Für mich war die wichtigste Lernerfahrung hier die Erkenntnis, wie tief verwurzelt die Verhandelbarkeit von Fakten (alternative Fakten und fake news) und die Forderung, dass dies so sein müsse damit die Demokratie funktioniert tatsächlich bereits ist. Ich lese dies berufsbedingt häufiger, aber in meiner direkten Sozialen Blase bin ich davon etwas abgeschirmt.

Da ist Homöopathie vielleicht nur ein Symptom für etwas Grundlegendes, das hier auf dem Vormarsch ist und alle Lebensbereiche überschattet. Im Grunde ist mein Problem lediglich dass Homöopathie Lobbyarbeit, social media und offizielle Quellen wie Versicherungen, Mediziner*innen und Apotheker*innen missbrucht, um gefälschte Pseudowissenschaft zu verbreiten, evidenzbasierte Medizin zu diskreditieren diskreditieren und dies dazu nutzen Homöopathie trotz Wirkungslosigkeit weiter offiziell als Medizin zu verkaufen. Das mag man als isoliertes Problem betrachten, doch in meinen Augen sehen wir dieselben Tendenzen bei: Pandemiebekämpfung, Klimaforschung, Tierwohl, Gleichbehandlung, „sauberen“ Dieseln, … und die Liste geht endlos weiter. Und ja, da zähle ich auch ein Gesundheitssystem mit rein das so profitorientiert ist dass es seiner eigentlichen Aufgabe nicht mehr nach kommen kann.

Wir sehen an den USA was es bedeutet wenn nicht nur Meinungen sondern auch die Fakten manipuliert werden. Dort haben wir Gruppen die gar nicht mehr in einen Diskurs treten können, weil sie eine grundlegend andere Faktenbasis haben. Zu denken dass das der Demokratie förderlich sei finde ich absurd.

1 „Gefällt mir“

Hmm, das wirkt auf mich wenig plausibel. Ich bezweifle, dass der Anteil an Anhängern der Homöopathie unter Rechtsextremen oder Querdenkern höher ist als unter Grünen, Linken oder Hausfrauen. Und dass das eine zum anderen führen soll ebenso. Deine „Einstiegsdrogen-Hypothese“ ist jedenfalls zunächst auch nur ne Behauptung, oder? :wink:

Ich denke, du hast total recht, wenn du schreibst, dass „alternative Fakten“ nicht förderlich für eine Demokratie sind. Aber Homöopathen arbeiten ja schon sehr lange in Deutschland und haben mit dieser aktuellen und sehr bedenklichen Entwicklung meiner Meinung nach erst mal wenig zu tun. Jedenfalls löst man das grundlegende Problem, von dem du schreibst, nicht dadurch, indem man die Homöopathie bekämpft - das macht deren Anhänger wahrscheinlich nur verbissener (und wäre ja dann auch nur Symptom- statt Ursachenbekämpfung).

1 „Gefällt mir“

Nö, dazu gibt es schon einiges an Forschung, es ist aber ein komplexes Feld und es gibt viele „Risikofaktoren“. Falls Interesse an der Fachlektüre besteht, hier ein kurzer Einstieg.

Sagen wir es mal so - so sehr ich mit einigen Anschauungen der Grünen durchaus sympathisiere, sind sie doch zu erstaunlicher Gehirnakrobatik in der Lage, z.B.:

  • Klimawandel oder Umweltschutz - glaubt den Wissenschaftlern
  • Tierversuche oder Gentechnik - glaubt nicht den Wissenschaftlern, die sind alle böse (außer es geht um gentechnisch hergestellte Medikamente - wenn die erstmal da sind möchte man die auch haben)
  • Alles in der Natur ist gut für den Körper, weil wir ja daran angepasst sind sämtliche exotischen Pflanzen zu fressen, während dasselbe Zeug schlecht ist wenn es aus dem Labor kommt

Ich sag mal so… so unplausibel ist Homöopathie in diesem Gewusel kognitiver Resonanz jetzt nicht… :wink:

Das glaube ich auch. Ich deute die Hinwendung zur Homöopathie auch eher als eine Abwendung vom Gesundheitssystem aufgrund von Enttäuschung unter anderem über Fehlsteuerungen. Interessant wäre eher zu fragen, warum sich Menschen dahin wenden und was ihnen in der klassischen Medizin fehlt (beispielsweise eine vernünftige Anamnese?).

2 „Gefällt mir“

Guter Punkt, dem kann ich nur zustimmen, den Patient*innen kann man keinen Vorwurf machen. Das bringt nichts.

Aber Verbraucher*innen aufzuklären und zu verhindern, dass sie von Homöopath*innen betrogen werden sehe ich nicht als ein Schaffung eines Feindbildes sondern als eine normale Regulierung wie im restlichen Gesundheitssystem. Wenn es nicht funktioniert wird es nicht unterstützt und klar als unwirksam gekennzeichnet. Wer es dann trotzdem nutzen möchte - gerne. Damit wären wir wieder zurück bei der Religionsfreiheit. :slight_smile:

1 „Gefällt mir“

Hmm, das ist jetzt ein großer Vergleich unterschiedlicher Felder. Abseits von QAnons und „Freidenkern“ gibt es in Zeiten des Wandels doch wohl noch unterschiedliche Abwägungen und Gewichtungen bestimmter Faktoren? So kann ich die Kosten der Lockdown-Maßnahmen in sozialer und ökonomischer Hinsicht ebenso einberechnen und gegen die Pandemieeffekte inklusive der Sterberaten setzen. Das ist noch keine Leugnung der wissenschaftlichen Pandemiefakten. Ich gewichte dann nur anders.
Gerade Corona ist ein gutes Beispiel: Anhänger eines harten Lockdowns bringen eine moralische Bewertung hinein, die sie dann als wissenschaftlich bezeichnen. Diese moralische Wertung sollte man ehrlich machen, denn Wissenschaft an sich ist als Faktum amoralisch.
Das hat dann auch nichts mit „alternativen Fakten oder fake news“ zu tun. Ohnehin kann ich mit diesen Begriffen nichts mehr anfangen, sie sind nur noch Kampfbegriffe geworden, die gegenseitig zur Diskreditierung benutzt werden.

Ich kann das Unwohlsein schon verstehen, durch soziale Medien entsteht ein Diskurs, der wie ein Verstärker zunehmend extreme Meinungen befördert. Dazu stehen wir vor tektonischen Verschiebungen in politischer, gesellschaftlicher und technologischer Hinsicht (Abstieg des Westens, Aufstieg Chinas, Deindustrialisierung und massiver Wohlstandsverlust in Deutschland, soziale Ungleichheit, technologische Revolution). Außerdem segmentiert sich die Gesellschaft in kleinere einzelne Blasen, die kaum mehr Berührung haben. Insofern versuchen wir vielleicht, diesem chaotischen Diskurs mit Labeln wie „Fake News“ etc beizukommen, aber ich glaube, das greift bei weitem zu kurz.

In solchen Umbruchzeiten haben sich Menschen immer irrationalen Lehren zugewandt, um Sicherheit zu bekommen. Ich gehe auch von einer Zunahme neo-religiöser Bewegungen aus, und Fundamentalismus und Wissenschaft/Technologieanhänger werden parallel leben mit völlig unterschiedlichen Gesellschaftsbildern.

Aber so sehr es mir auch nicht gefallen mag - solange wir eine Demokratie haben, die auf Selbstverantwortung beruht, darf ein Mensch nun mal auch an Kreationismus glauben oder was auch immer. Oder Homöopathie benutzen. Oder eben an „fake news“ glauben. Das ist Teil von Freiheit. Wo ich mit dir übereinstimme ist die Gefahr, dass es den Basiskonsens innerhalb der Gesellschaft untergräbt und damit politische Systeme zum Wanken bringen kann - Beispiel USA. Das ist besonders im Westen sehr real.

3 „Gefällt mir“

Absolut, das wäre der saubere Weg. Da gibt es nur einen kleinen Haken: Die Krankenkassen versprechen sich ja etwas davon, zumindest auf dem Papier auch homöopathische Leistungen anzubieten, um einen Selling Point zu haben. Also scheinen sie einen Marketingsinn in diesem Angebot zu sehen. Die Krankenkassen werden also die letzten sein, die da was tun werden.
Und diejenigen, die zu Heilpraktiker gehen, die Homöopathie anbieten, entlasten die Arztpraxen und damit die engen Quartalsbudgets. Böse gesagt, letztlich ja ein Win-Win, bei dem alle profitieren, oder?

Sehe ich auch so. Ich glaube auch, dass ich mir mal die Zeit nehmen muss und mal ein bisschen was zur Theorie der Verdünnung aus heutiger Sicht der Wissenschaft schreiben muss. Werde ich bei Gelegenheit (Homeoffice mit Kind) machen, dann aber in einem neuen Thema.

1 „Gefällt mir“

Ich sehe beim Lesen der Abstracts jetzt nicht direkt den Zusammenhang zwischen den von dir verlinkten Papers und der „Einstiegsdrogen-Hypothese“. Nimm’s mir nicht übel, wenn ich mir dazu jetzt nicht zwei komplette Artikel durchlese. Aber selbst wenn - ob gerade die Homöopathie als eine solche Einstiegsdroge in Deutschland dient, wäre weiter zu belegen. Die Grünen sind in der Frage der Homöopathie sehr gespalten und ich finde, es ist sehr vernünftig, wenn sie sich an diesem praktisch gesehen relativ unwichtigen Thema nicht aufreiben, da es eben wirklich wichtige Probleme gibt. Und überhaupt sind die Grünen wie jede Partei kein homogener Haufen, der Gehirnakrobatik vollbringt (wie es eine einzelne Person mit sich widersprechenden Meinungen tun müsste), sondern eine bunte Partei mit vielen verschiedenen Meinungen, die sich in Teilen auch widersprechen können. Aber ich glaube, wir kommen vom Thema ab :wink: Ich wollte eigentlich nur sagen, dass der Anteil an Homöopathie-Anhängern unter Rechtsextremen und Querdenkern nicht höher ist als unter vielen anderen Gruppen, die fest auf dem Boden der Verfassung stehen.

Stimmt, das ist auch ein wichtiger Punkt. Die Krankenkassen müssen Homöopathie ja nicht übernehmen. Sie tun es freiweillig, weil sie so beliebt ist. Spannend wäre, warum sie so beliebt ist. Wenn man Leute befragen würden, was sie an der Homöopathie und den Homöopathen mögen, könnte man bestimmt wichtige Faktoren identifizieren und überlegen, ob man die nicht in das Gesundheitssystem integrieren könnte. Ds wäre in meinen Augen konstruktiv.

1 „Gefällt mir“

Hast du da denn eine Quelle für? Am besten eine, bei der man das gleich im Abstract lesen kann? :wink:

Meine Wahrnehmung ist, dass das zumindest für die sogenannten Querdenker nicht stimmt, weil diese Art von Unwissenschaftlichkeit da ja einfach sehr anschlussfähig ist. Man könnte sogar die Hypothese aufstellen, dass Homöopathie und eine latente Wissenschaftsfeindlichkeit da eine Art Einstieg dargestellt haben, hin zu ja doch recht harten Verschwörungsideologien rund um das Coronavirus. Aber ist alles cool, Meinungsfreiheit.
Der ganze Sumpf aus Homöopathie, Esotherik, Anthroposophie ist nach „links“ und „rechts“ offen (soll kein Hufeisen sein, eher eine Querfront), das stimmt schon, ob die Anteile überhaupt sinnvoll auszuweisen sind und es entsprechende Statistiken gibt wage ich aber zu bezweifeln.

Viele hier schreiben ja, es gebe größere Probleme und das sei ja kein wirkliches Problem und so. Das Argument „es gibt größere Probleme“ finde ich persönlich selten sinnvoll, im Prinzip müssten wir dann nur noch über’s Klima reden. Dass es ein echtes Problem ist oder sein kann ist meines Erachtens in sehr vielen der mittlerweile über 90 Kommentare herausgekommen, aber es ist halt auch leider ein Thema, bei dem sich erfahrungsgemäß kaum jemand wirklich bewegt.
Gibt es denn eigentlich andere Lebensbereiche, in denen wir uns so ein Parallelsystem erlauben? Ich darf ja auch nicht mit meinem Bobbycar rückwärts auf der Autobahn fahren.

@Kenny Der Nature-Podcast ist super interessant und lehrreich, vielen Dank für den Tipp. Eine sehr gut investierte Stunde.

2 „Gefällt mir“

Für alle, die glauben, Homöopathen seien kein Problem:

Ist nicht mein Forschungsfeld aber mal grob zusammen gefasst: Es gibt die Theorie dass solche Dinge z.B. vom Charakter abhängen, von der Fähigkeit analytisch zu denken und vom sozialen Umfeld, aber es ist auch klar dass Menschen, die eine Verschwörungstheorie glauben eher noch anderen Verschwörungstheorien anhängen. Was davon Ursache und Wirkung ist lässt sich nicht in einem Abstract zusammenfassen und ist nicht entgültig geklärt. :wink:

Tatsache ist, dass Menschen umso mehr an Irrglauben festhalten, je mehr Energie sie bereits in den Glauben investiert haben und damit ihre eigenen Entscheidungen rechtfertigen. Deshalb ist eine Verschwörungstheorie tatsächlich ein gefährlicher Präzedenzfall denn man benötigt unter Umständen immer abstrusere Ideen wenn man de Probleme mit dieser Ansicht wegdiskutieren muss. Aber um ohne mittelschweren Aufwand die entsprechende Literatur zutage zu fördern fehlt mir die Übersicht. Vielleicht liest das ja jemand und weiß mehr… :slight_smile:

Schöner Kommentar, aber bei einer Sache widerspreche ich immer wieder. Wissenschaft ist Moral. Wir machen keine unkontrollierten Menschenversuche mehr, es ist selbst dann nicht möglich wenn dadurch Leben gerettet würden. Wir beginnen Versuchstieren wie Fischen Schmerzmittel zu geben und dafür zu sorgen, dass sie nicht einsam sind. Das sind unsere Wertvorstellungen. Auf der anderen Seite haben fast alle wissenschaftlichen Felder ein massives Rassismus und Sexismusproblem. Deutschland hat einen extrem niedrigen Anteil an ausländischen Professor*innen im internationalen Vergleich (und die meisten internationalen Professor*innen kommen aus Östereich).

Wissenschaft kann nicht frei von Moral sein. Sie ist immer jemandem verpflichtet und liefert das was politisch gewollt ist. Es ist wirklich wichtig das im Gedächtnis zu behalten. Man bedenke welche Wissenschaftlichen Ergebnisse während der Kolonialzeit, im dritten Reich oder im kalten Krieg geliefert wurden. Gruselig aus unserer Perspektive aber vollkommen legitim zum derzeitigen Zeitpunkt. Wissenschaftlicher Fortschritt ist immer ein Spiegel unserer Gesellschaft und Prioritäten.

2 „Gefällt mir“

Auch schon drüber nachgedacht - scheint fast noch ein interessanteres Thema zu sein aber auch ätzend komplex… Ich freue mich aber auf das Thema!

Naja, ich muss ja keinen wissenschaftlichen Artikel anführen, um eine Behauptung zu widerlegen. Erst mal sollte man vielleicht die Behauptung untermauern. Unsere Wahrnehmungen sind auch stark von den Medien und unserern persönlichen Präferenzen/Aversionen beeinflusst. Und zumindest ich nehme auch in anderen (harmlosen) Bevölkerungsteilen starke Tendenzen in Richtung Homöopathie war. Und ich sehe einfach nicht die Kausalkette von Homöopathie zu demokratiegefährdend.

Also eine Verschwörungstheorie ist Homöopathie nun bestimmt nicht - da fehlen ja wohl ein paar entscheidende Elemente. Und gerade wenn es vom Charakter und von Fähigkeiten abhängt, in welche Richtung man sich bewegt, ist ja eher da das Problem und die Lösung zu suchen. Und das soziale Umfeld ist meiner Meinung nach eben auch nicht zwangsläufig ein demokratiefeindliches, eher wenn es dumm läuft. Ich kenne einige Leute, die Homöopathie benutzen, die bestimmt keine Gefahr, sondern eher eine Bereicherung für die Gesellschaft darstellen. Ich verstehe zwar auch nicht, was sie an der Homöopathie finden (vermutlich haben sie das Gefühl, sie hat ihnen in der Vergangenheit geholfen), aber das ist deren Privatsache. Deshalb bin ich der Meinung, dass der Kampf gegen die Homöopathie nichts bringt und vielleicht sogar kontraproduktiv ist. Wenn Homöopathie ab jetzt zwangsläufig mit rechtsextrem oder querdenken verknüpft ist, läuft jedenfalls etwas grundlegend schief.

… Ist legitim sich mit dem Thema nicht auseinander setzen zu wollen, aber es widerlegt keine Aussage. Wieso muss ich eine Argumentation liefern die man aus dem Titel ablesen kann, kann aber ohne Quelle widerlegt werden? Soweit ich weiß war der Ausgangspukt die folgende Behauptung:

Versteh mich micht falsch, das ist eine valide Meinung und man kann darüber diskutieren aber dann müssen die gleichen Regeln auf beiden Seiten gelten.

Und ja, Verschwörungstheorie ist vielleicht eine Zerrung dieses Terminus’, sagen wir „Pseudowssenschaft“.