Anerkennung von Homöopathie als Religion

So ist es. Ich würde den Gedanken nur weiterführen. In dem Denken der klassischen Medizin ist die Trennung „systemimmanent“ im Sinne des Menschen als cartesiantische Maschine. Diese Prämisse hat zu vielen Fortschritten geführt, aber eben auch das Denken der klassischen Medizin segmentiert. Die universitäre Ausbildung ist so segmentiert, und es fehlt ein weiteres wichtiges Element: Empathie. Das fehlt vielen Ärzten. Empathie und das systemische Abklopfen der Lebens- und Leidensumstände der Menschen ist die große Stärke der homöopathischen Ärzte, und ja - so helfen sie.

Woher der messianische Gedanke, diese Frauen aus ihrem „Leid erlösen zu wollen“? Sie bezahlen es selbst. @CB87 ich beziehe mich dabei nicht nur auf dich.
Offensichtlich fühlen sich die Menschen, die sich der Homöopathie zuwenden, nicht verstanden von dem klassischen medizinischen System, das offensichtlich industrielle Züge angenommen hat.
Wenn es diesen Menschen Hoffnung gibt, dann ist das fein. Menschen sind und bleiben irrationale Wesen. Dann sollte man auch Astrologie, das Christentum und (ohoh) den Islam verbieten, weil er die Menschen in eine böse Abhängigkeit führt. Oder ich muss das Rauchen und Trinken verbieten, weil es objektiv mehr schadet und Lebensjahre nimmt als Homöopathie.
Sich darüber zu erheben in einem jakobinischen Eifer, halte ich für eine schlimme Form der Paternalisierung.

Kurz: Jeder Mensch ist doch ein sebstverantwortliches Wesen. Dazu gehört auch die Freiheit, sich selbst zu schaden. Kein Mensch hat von außen das Recht, die Handlungsweise eines anderen zu verurteilen geschweige denn sollte sich aufschwingen, andere „vor sich selbst schützen zu wollen.“ Wenn ich glaube, dass ich besser weiß, was dem anderen Menschen gut tut, gehe ich in ein totalitäres Denken und nehme dem anderen die Selbstverantwortung. Ich halte ihn für dümmer/weniger aufgeklärt/weniger klug als ich.

Insofern soll die Homöopathie da sein. Sie ist ein Systemmelder dafür, dass in dem klassischen System etwas Zentrales fehlt. Offensichtlich wird sie also gebraucht.
Deshalb: Erst mal das klassische System besser machen, so dass die Homöopathie überflüssig wird, statt gleich verbieten zu wollen.

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Da Du mich hier direkt ansprichst: ich hasse sicherlich keine Anhänger irgendwelcher Religionen (eigentlich niemanden), ich bin nur immer wieder sehr erstaunt, was Leute für ein Zeug glauben (teilweise auch Freunde von mir…)

Gerne können sie religiös praktizieren, was sie wollen, aber wenn metaphysische, esoterische oder auch einfach empirische falsche Begründungen in Diskurse eingebracht werden, wenn diese Religionen kriminelles Handeln decken, wenn die direkt schädliche Wirkungen haben, wenn sie vielleicht als Körperschaften öffentlichen Rechts trotzdem noch begünstigt werden, dann darf bzw. muss man das auch kritisieren. (Ganz abgesehen von den Hassreden gegenüber anderen Religionen, Frauen, LGBTQI etc., durch die sich gerade viele Vertreter von Religionen besonders hervortun.)

BTW: ich glaube niemand meinte ernsthaft, dass Homöopathie eine Religion sei, sondern die Forderung diente nur dazu, ihren anti-rationalen Charakter zu verdeutlichen.

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Das ist eine sehr interessante Sicht der Dinge. Die Wirkung müsste ja eigentlich auch nicht widerlegt, sondern nachgewiesen werden, v.a., wenn sie theoretisch völlig abwegig ist.

Ansonsten empfehle ich, die hier verlinkten Studien, die die Wirkungslosigkeit sehr gut belegen: Französische Behörde hält Wirksamkeit von Homöopathie für nicht...

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Provokant: Das stimmt ja auch. Natürlich weiß eine Ärztin mehr über Medizin als der durchschnittliche Bürger. Hat ja nicht direkt was mit dumm/klug zu tun, aber aufgeklärter ist sie definitiv.

Ich finde es spannend, dass dieses Denken vor allem in Bezug auf die Medizin vorkommt. Natürlich liegt das daran, dass es um den eigenen Körper geht, aber bei anderen Fragen des täglichen Lebens, Handwerk, Infrastruktur, Statik, Sraßenverkehr, wird doch auch auf Expert:innen gehört und Konzepte und Regeln werden akzeptiert.

Ad absurdum geführt bräuchte man dann ja gar kein Medizinstudium bzw. zumindest keine Approbation für Ärzte, keine Qualitätskontrolle. (Oh, jetzt habe ich schon wieder Heilpraktiker:innen beschrieben.)

Das ignoriert wieder den zentralen Punkt, dass es auch Schaden kann, echte Therapien verzögert und sich zu viele Homöopath:innen ihrer Grenzen nicht bewusst zu sein scheinen. Und das eben (Dank Lobbyarbeit und veralteter Gesetze) Patient:innen bewusst getäuscht werden, was Wirksamkeit und Nachweis dieser Methoden angeht.
Warum werden wir diesen Ballast nicht los und nutzen dadurch freiwerdene Ressourcen, um das System zu verbessern?

Die wahrgenommene Empathielosigkeit vieler Ärzt:innen (aus eigener Erfahrung habe ich nicht den Eindruck, dass das überhaupt stimmt, aber ok) ist ja auch Folge des wirtschaftlichen Drucks, des Zeitmangels etc… Es ist doch absurd, die Leute, die wirklich was können (auch Pflege etc.) so aufzureiben und gleichzeitig quasi-religiösen Quacksalbern zu hofieren. Geht mir nicht in den Kopf und ich finde auch die hier vorgebrachten Argumente dafür absolut nicht nachvollziehbar.

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Interessant, das „Expertenargument“. Ich weiß, dass das in Deutschland sehr beliebt ist. Ich halte es aber für überstrapaziert. Experten sind gut in der Lösung KOMPLIZIERTER Probleme. Jeder Arzt hat zum Beispiel ein bestimmtes Paradigma, einen Schwerpunkt. Internist oder was immer.
Nur haben wir es bei Gesundheit mit etwas KOMPLEXEM zu tun. In der Regel weiß der Arzt nicht genug von einem Klienten (ich benutze nicht Patient; ein Patient ist nicht auf Augenhöhe mit dem Arzt; als Klient bin ich Kunde, der entscheidet und habe Selbstverantwortung), um die Gesamtheit aus Psychosomatik und Somatik zu verstehen. Deshalb ist weiß der Klient schon am besten, wie es in seinem Leben aussieht.

Ich finde diese Expertengläubigkeit insgesamt bedenklich. Früher war es der Pfarrer und der Lehrer, heute ist die Legitimation halt „Experte für ABC“. Da macht sich für mich ein Obrigkeitsdenken breit, das nur seine Legitimationsbegründung gewechselt hat. Ins Extreme: Mit dieser Begründung kann ich auch gleich die Demokratie sein lassen, denn man muss nur noch die jeweiligen Fachexperten ranlassen. Etwas polemisch, aber ich finde, wenn man einen Gedanken denkt, sollte man ihn auch konsequent zu Ende denken.
Ich sage nicht, dass du so denkst, ich nehme diese Richtung nur seit Corona nur verstärkter war, und auch in Teilen dieser Diskussion. Ich halte das für bedenklich, weil es insgesamt die Rolle des Staatsbürgers untergräbt.

Sorry, diese Behandlungen gibt es bei den IGEL-Leistungen auch zu Hauf. :slight_smile:

Noch mal, ich halte die Begründungen Hanemanns für hanebüchen (kleines Wortspiel). Nur wird ein Verbot nichts an dem von dir beschriebenen System ändern. Welche Ressourcen werden denn frei? Es sind zwei separate Systeme. Und die Menschen stimmen nun mal mit den Füßen ab, das ist ihr gutes demokratisches selbstbestimmtes Recht.

Wenn ich regelmäßig zum Tarotlegen gehen will und darauf meine Lebensentscheidungen basiere, ist es ja auch meine Freiheit. Und wenn ich Krebs habe und glaube, dass mir z.B. chanten oder so was hilft und mich nicht in Chemotherapie begeben will, ist es auch meine Entscheidung. Da hat ja niemand reinzureden. Ich weiß, dass es in Deutschland eine autoritärere Haltung dazu gibt (siehe Suiziddiskussion).

Das ist halt der Preis, wenn ich den Menschen als selbstbestimmtes Wesen definiere, das Entscheidungsfreiheit hat.

Und bitte nicht vergessen: Im 18. und 19. Jh. war die universitäre Medizin auf einem Stand, der heute untragbar war. Da hatten Ärzte, die Theorien zu Bakterien hatten, einen schweren Stand. Deshalb bin ich vorsichtig, die Experten über den Kopf hinweg eintscheiden zu lassen. Jeder Expertenstatus ist bestenfalls temporär.
Aber wie gesagt, es gibt in Deutschland aus meiner Sicht eine „Expertenreligion“. Die gab es schon immer (weshalb hier ja auch der Dr.-Titel so wahnsinnig beliebt ist).

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Stimmt. Freiheit des Individuums heißt, auch Unsinn glauben zu dürfen oder sich selbst zu schaden oder Verschwörungstheorien anzuhängen. Das ist der Preis von Freiheit. Ich nehme nicht nur in dieser Debatte, sondern auch in der Corona-Debatte oder der Klima-Debatte („folgt der Wissenschaft!“) unbewusst autoritäre Grundhaltungen wahr, die halt nur anders begründet werden als früher. Das macht mir Sorgen.

Ohne Zweifel. Deshalb zahlen es ja auch viele Krankenkassen nicht. Und trotzdem liegt es in der Freiheit der Menschen, das zu glauben. Andere Beispiele:

  • Der Bauch-Weg-Trainer
  • Hautcremes gegen Falten
  • Coaching
  • Psychotherapieansätze der Krankenkassen (Psychoanalyse wird noch bezahlt!)
  • Vegane Produkte (der Fettanteil ist unfassbar hoch)

Mein Punkt: Jeder Mensch nutzt die Produkte, die er will. Das ist so und wird immer so sein. Weil der Mensch Hoffnung will. Er ist nun mal ein irrationales Wesen. Und zu allen Zeiten wurde Hoffnung verkauft. Wo ist das Problem, wenn jeder selbst dafür bezahlt?
Das ändern zu wollen haben wir doch schon gehabt. Von der Französischen Revolution bis hin zu den totalitären Systemen des Faschismus und Kommunismus.
Wenn jemand Globuli nimmt, lass ihn Globuli nehmen. Leben und leben lassen.

Damit meinte ich: Bei Patienten, die ernsthaft an die Wirkung des Placebos glauben und denken sie bekommen einen Wirkstoff, können, wie empirisch erforscht wurde, bessere Therapieerfolge erzielen als solche, die von dem Placebo wissen. (siehe Deutschlandfunkbeitrag oben). Der Arzt aber sollte wissenschaftlich aufgeklärt sein und bestenfalls nicht ernsthaft daran glauben, um früh genug andere Maßnahmen ein zu leiten. Wobei ich glaube, dass nur der Bruchteil der ausgebildeten Ärtzte H. aus fanatischem Glaube einsetzen. Die meisten machen das wohl einfach, weil es die Kunden wünschen. Das auch als Antwort auf:

Daher bin ich generell für die Aufwertung von Placeboeffekten in der Medizin, als teil eines integralen Gesundheitsverständnisses, was nicht erst beim Arzt beginnt, sondern schon bei Ernährung, Lebensführung und vielleicht sogar im Glauben. Etwas Hokuspokus der H. kann da sicherlich ein Stück weit die Effektivität erhöhen, weil die Leute dann einfach noch eher an eine Wirkung glauben.

Man kann aber den Placeboeffekt, der durch H. provoziert wird, wissenschaftlich untersuchen und dadurch die Verwendung von H. wissenschaftlich begründen. (Sofern man Psychologie als Wissenschaft betrachtet) Klar, dass H. dann immer noch etwas teurer ist als Wasser oder Zucker, aber die Frage ist doch um wie viel, ob das so gravierend ist, dass man es verbieten muss. Dazu fehlen einfach Studien, besonders die Vergleichen, was Leute statt H. kaufen würden, in der Hoffnung schneller gesund zu werden. Würden sie sich dann gleich ein paar Schmerztabletten oder Antibiotika einwerfen, die auf Dauer mit Nebenwirkungen einher gehen und letztere sogar inzwischen eine reale Gefahr für alle Menschen geworden sind?

Hier prallt einfach Glaube und Wissenschaft ungünstig aufeinander. Wenn ich in die Kirche gehe, beschwert sich auch keiner, dass mir dort unbewiesene Dinge erzählt werden. Jemand der zu einem Homöopathen geht, erwartet ja eine homöopathische Behandlung. Da ist erstmal gar keine Täuschung. Betrogen wäre er, wenn ihm der Artzt dann normale Medizin verschreibt. Und so lange der Placeboeffekt von H. den Heilungsprozess unterstützt, sehe ich da überhaupt keinen Betrug. Kritisch wäre es erst, wenn dem Artzt von vorn herein klar ist, dass mit h. Mitteln nur eine Verschlechterung des Zustandes erreicht wird. Deswegen eingangs mein dringender Appell, dass H. unbedingt von richtigen Ärtzten und nicht nur von Heilpraktikern angewendet werden darf.

Grundsätzlich finde ich dieses Kommentar von @eratosthenes25 sehr treffen:

Die Argumentation hat in der Medizin eine besondere Berechtigung, weil es nicht nur um den eigenen Körper geht, sondern auch um die eigene Lebenseinstellung, wo auch der Artzt oft nicht alles durchschaut. Ein Mensch ist viel Komplexer, als Häuser, Straßen etc. wo tatsächlich ExpertInnen alles einschätzen können @Jan42

Vielen Dank euch allen für diesen interessanten und konzentrierten Austausch!

Tatsächlich wäre aber hier zumindest mein Anspruch eine ehrliche und fundierte Einschätzung vom Fachmann zu bekommen ob es überhaupt etwas gibt, die Lage zu verbessern. Nun vermutlich kann man es hier nicht immer allen recht machen. Es gibt vermutlich viele Menschen die gerne ein wenig betütelt und belogen werden, wenn sie das nur beruhigt. Es mag auch sein, dass ich da etwas komisch bin. Aber ich bin sicher nicht der Einzige der sich lieber weniger Behandlung wünscht als mehr, vor allem wenn diese keinen wirklichen Nutzen hat.

Du hast vollkommen recht, das ich mich da auch an der eigenen Nase packen muss. Da war ich unkritisch und naiv. Absolut keinen Widersruch! Aber nicht ganz umsonst sind viele Vorschriften im Verbraucherrecht auf die Naiven optimiert. Der Normalbürger ist eben gerne mal naiv. Und mein Arzt hat mir immer versichert, dass das Zeuch hilft, was ich da nehmen soll. Das er es im Grunde nicht beweisen kann, weil das die Wissenschaft nicht beweisen kann, war dabei nie ein Thema.

Und das Problem ist halt auch, dass ich bei einem zugelassenen Arzt erstmal nicht davon ausgehe, dass ich hier auf Hokus Pokus treffe. Übrigens eine Frage die mir schon immer mal im Kopf rum gegangen ist und auf eine im Rückblick naive Art dadurch betäubt wurde das ich es hier mit einem richtigen Mediziner zu tun habe. Ich empfinde es sehr kritisch, dass zugelassene Ärzt ohne klare Trennung Para-/Pseudo-Medizin (gerne irrerführend als „Alternativ“ bezeichnet) praktizieren dürfen. Vor allem weil ich mich von Heilpraktikern, etc. trotz manchen Drängen mir nahestehender Personen konsequent fern gehalten habe, weil ich mir da keinen Nutzen versprochen habe. Kurzum ich habe der Person vertraut und deshalb nicht notwendig hinterfragt.

Ich finde ehrlich gesagt beides untragbar. Aber in dem Punkt das die Zuckerkügelchen letztlich weniger Schaden anrichten, da gebe ich Dir recht.

Gruß
Kite

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Von Verbot hat m.E. niemand gesprochen - und die Prohibition von Drogen (Alkohol und andere) hat auch nicht gezeigt, dass das eine sinnvolle Maßnahme wäre.

Trotzdem sollte man folgende Fragen sehr ernsthaft stellen:

  1. wie kann etwas nachweislich unwirksames als Arzneimittel zugelassen werden? Das gibt es auch für andere Mittel als H. nicht.
  2. wie kann es sein, dass mit nachweislich falschen Wirksamkeitsversprechen bzw. -Suggestionen geworben werden darf? (Bei Tabak und Alkohol ist die Werbung übrigens auch inzwischen eingeschränkt worden.)
  3. Wieso kann h. an wissenschaftlichen Hochschulen gelehrt werden, obwohl nichts daran auch nur im Ansatz wissenschaftlich ist?
  4. Wieso dürfen Krankenkassen H. als Satzungs- bzw. Ermessensleistung bezahlen, obwohl ihnen eigentlich verboten ist, unwirksame Therapien zu vergüten?
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Um Gottes Willen, ich hoffe hier hat niemand einen Hass auf andere Religionen. Falls du auch in meinen Beiträgen abwertende Eindrücke gegenüber anderen Religionen wahrgenommen hast, möchte ich mich davon ausdrücklich distanzieren.

Ich nehme auch ein gewisse überhebliche Haltung einer materialistisch-wissenschaftlich geprägten Perspektive gegenüber jeglichen gläubigen Menschen wahr, die schon in der Überschrift deutlich wird, wobei ich hoffe, dass diese eher sarkastisch gemeint ist. Hass habe ich bisher nirgendwo wahrgenommenen.

Ich persönlich achte jede gefasste Religion und freie spirituelle Weltanschauung gleichermaßen und bin insbesondere froh in einer Gesellschaft zu leben, die dies tief in ihrer Kultur und Gesetzgebung verankert hat.
Homöopathie ist in meinen Augen natürlich keine Religion, aber sie mag für den ein oder anderen Teil seiner persönlichen spirituellen Weltanschauung sein. Die anthroposophische Medizin baut in teilen darauf auf und sicherlich einige weitere Richtungen.

Ich finde daher den Vergleich zum Halal-Schlachten der Muslime angemessen: Man hat versucht aus Tierschutzgründen die religiösen Bedürfnisse nur zu einem Mindestmaß einzuschränken und daher die Betäubung der Tiere vorgeschrieben. Viele Muslime essen dennoch nur importiertes Fleisch von lebend geschächteten Tieren, aber viele geistliche Führer haben diesen Kompromiss anerkannt, sodass Muslime nicht marginalisiert wurden und nicht z.B. auf illegale Hinterhof-Schlachtungen ohne Aufsicht des Gesundheitsamt ausweichen mussten.

Bei Homöopathie sollte man ähnlich vorgehen und mit Vertretern der jeweiligen Auffassungen notwendige Schritte diskutieren, die jegliche Gefahr für die Allgemeinheit, Tiere und Umwelt abwenden. Auch Kindeswohl muss da natürlich eine Rolle spielen. Und dann durch die fachgerechte Ausbildung und Kontrolle Missbrauch verhindern. Und erhebliche Mehrkosten sollten die Leute natürlich privat tragen, wobei ich hier ernsthaft Zweifel, ob diese so sehr ins Gewicht fallen.

Was in deinen Augen der wesentliche Unterschied zwischen Religion, Spiritualtität und Esotherik ist, würde mich auch interessieren, aber vielleicht in einem anderen Thread?

Das ist völlig richtig, aber das ist auch die Sicht der H.-Gläubigen. Ist es sinnvoll an einer Theorie festzuhalten, die seit zwei Jahrhunderten trotz vieler Versuche bisher nicht belegt werden konnte? Es wird aber nie gefordert, dass die Theorie bewiesen werden muss, sondern immer nur, dass sie bisher nicht widerlegt werden konnte und, dass sie deshalb ja richtig sein muss…

Ich wollte und will auch niemandem vorschreiben, was er glauben soll. Das bleibt jedem selbst überlassen. Ich habe aber von der Theorie gesprochen, auf der die H. beruht. Und diese kann man - im Gegensatz zur Wirkung - relativ einfach verifizieren. Und die Theorie ist falsch! In einem H.-Produkt ist nicht nur Zucker oder nur Wasser, sondern alles mögliche drin. Das hat nichts mit glauben zu tun, das sind Fakten. Und diese Fakten fehlen mir in dieser Diskussion, wie in so vielen anderen Diskussionen.

Unabhängig davon gibt es natürlich Menschen, die gegenüber Fakten sehr resistent sind. Jeder darf die Produkte nutzten, die er möchte. Aber dann darf ich mich auch hinstellen und ihm ein paar Fakten dazu sagen (nicht, dass es viel nützen würde, aber trotzdem).

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Die nehme ich auch wahr. Das schlägt häufig um in einer „Wissenschaftsgläubigkeit“. Das schlägt sich für mich darin nieder, dass ich eine Mehrheitsmeinung in der Wissenschaft als Wahrheit konsumiere (wie bei Corona) und Minderheitenmeinungen innerhalb einer Wissenschaftsgemeinde diskretitiere. Wissenschaft hat nichts mit Mehrheit oder Minderheit zu tun. Oft ist der Common sense von heute der Unsinn von morgen. Davon lebt ja die Wissenschaft eben und erzeugt Fortschritt durch Falsifikation.
Jede wissenschaftliche Aussage gilt immer so lange wie sie als falsch nachgewiesen ist, und sie muss Falschnachweise auch akzeptieren. Das fehlt mir besonders bei den von dir beschriebenen „materialistisch-wissenschaftlichen“ Intellektuellen.

Ja, das wäre spannend! Ich schmeiße noch den Begriff „Glaubenssysteme“ ein! :- :smiley:

Danke für die gute Diskussion!

Ich habe das Expertenargument etwas zu sehr verkürzt. Weil es um den eigenen Körper geht, ist das Ziel eine informierte, selbstbestimmte Entscheidung der Patient:in und das ist selbstverständlich auch richtig so. Das ist das formulierte Idealbild und dem würdest du doch wahrscheinlich auch als sinnvoll zustimmen, oder?

Es geht mir überhaupt nicht darum Leute zu einer Chemotherapie zu zwingen. Ich habe aber ein Problem damit, wenn wegen Fehlinformationen kranke Menschen davon überzeugt sind, dass Chemo eine schädliche Erfindung von Big Pharma ist und der nette Heilpraktiker von nebenan das wegpendeln kann. Das hat für mich nichts mit Freiheit zu tun. Und die Realität in der Onkologie ist - ähnlich wie bei chronischem Schmerz - das viele Expert:innen zusammen mit der Patient:in versuchen die individuell beste Therapie mit vielen unterstützenden Modalitäten zu erreichen. Das ist kompliziert UND komplex, ein einzelner Mensch wird aber seinen Krebs alleine niemals loswerden, egal wie gut er sich mit seinem Körper auszukennen meint.

Oder halt auch gerade das Thema Impfungen. Ich halte es für objektiv dumm und falsch sich nicht nach z. B. Stiko-Empfehlung impfen zu lassen. Deren Arbeit und Expertise ist ja nicht aus der Luft gegriffen. Mir sind Probleme einer Pflicht bewusst, es ist aber einfach sehr ärgerlich, dass einige Menschen sich nicht rational davon überzeugen lassen. Und in bestimmten Situationen würde uns faktenbasiertes, schnelles Handeln weiterbringen, siehe Corona.

IGEL sehe ich übrigens genauso kritisch, das ist aber eine andere Diskussion.

Im 18. und 19. Jahrhundert stand die Medizin nicht auf den wissenschaftlichen Beinen wie heute, das finde ich überhaupt nicht vergleichbar. Das war ja Hahnemanns Erfolgsgrundlage: Nichts tun war besser als das, was getan wurde.

Insgesamt bin ich mir nicht ganz sicher, ob wir überhaupt über das gleiche reden. Zu einigen Sachen passt in meinen Augen so ein fühliges muss jeder selber wissen bzw. eher fühlen einfach nicht.

Da bin ich voll bei dir. Viele gesetzliche Krankenkassen zahlen diese Leistungen ja auch nicht - meines Wissens. Private hingegen schon. Insofern würde ich erst dann anfangen auf die Palme zu gehen, wenn die gesetzlichen Krankenkassen durch die Bank weg Globuli bezahlen würden und damit die Allgemeinheit belasten.
Hier ist für mich die Grenze.

Bis dahin - Gesundheit ist aus meiner Sicht Selbstverantwortung. Das geht von Arztwahl über Therapieansätze bis hin zum Lesen der Packungsbeilagen (oft habe ich verschriebene Medikamente gar nicht genommen, nachdem ich mir die krassen Nebenwirkungen angesehen habe).
Insofern - lieber akzeptiere ich Auswüchse als dass ich Beschränkungen der Freiheit hinnehme.

Bei „nachweislich unwirksam“ bin ich gar nicht so sicher. Was, wenn der Klient zufrieden ist und sich besser/gesünder fühlt? Ist das dann Placebo?

Diese Frage lässt sich übrigens auch für psychotherapeutische Verfahren stellen. Diese müssen sich in der Praxis so gut wie gar keiner Nachweispflicht stellen. Insbesondere Psychoanalyse ist veraltet, während körpertherapeutische bzw. systemische Ansätze nicht gezahlt werden.
Das ist in der Tat absurd und nur mit den etablierten Lobbygruppen zu begründen.

Tja, und Lehren an der Uni; es gibt Menschen, die sagen, dass Psychologie oder Gender Studies mit Wissenschaft nichts zu tun haben. Da reiht sich Homöopathie gut ein. Aber das würde jetzt zu weit führen, glaube ich. :slight_smile:

Nebenbei, nicht alle Heilpraktiker nutzen Homöopathie. Da würde ich genau hinschauen. Viele nutzen auch klassische Verfahren und einen Mix, der mit Homöopathie nichts zu tun hat. Das ist sicher auch nicht unwichtig. Die Gleichung Heilpraktiker = Homöopathie ist falsch. Ebenso Homöopathen = Heilpraktiker - wie du erfahren hast.

Ja, absolut. Ich billige einem Arzt ja auch erst einmal ein höheres Fachwissen zu, wenn ich ihn besuche. Ich nehme seine Information auf und bewerte sie dann für mich. Das ist, was ich mit Augenhöhe meine, und da sind wir ja auf einer Linie. Ich bin immer etwas skeptisch mit dem Expertenargument, weil viele halt wirklich so denken. :slight_smile:

So formuliert, stimme ich dir zu. Wie siehst du denn das andere Szenario: Jemand informiert sich über Chemo, hört sich die Vor- und Nachteile an (und Nachteile gibt es bei dieser Behandlung) und trifft dann trotzdem die Entscheidung, einen alternativen Weg zu gehen, auch auf das Risiko hin, dass er stirbt. In deinem Szenario legitim oder nicht?

Stimme ich zu. In deinem Beispiel ist ja zusätzlich noch die Komponente, dass das eigene Handeln Auswirkungen auf andere Menschen hat. Ich habe mich erst letztens noch gegen Masern impfen lassen, nachdem ich über die sinkenden Impfquoten bei Kindern gehört habe - und in meiner Umgebung sind viele Eltern mit Kindern, die hier kritischere Ansichten haben. Nervig, aber ist halt auch ein Teil von Selbstverantwortung bei mir.

Der Nachteil eines Forums, glaube ich. Manchmal überspitzen wir dann Argumente. Zum Beispiel glaube ich schon, dass viele Menschen durchaus nicht nur fühlen, sondern auch abwägen und eine Entscheidung treffen. Diese Entscheidung muss dann nicht immer mit dem Konsens übereinstimmen. Das ist auch OK.

Na ja, es gab halt einen universitären Konsens, der gelehrt wurde. Heute sind wir weiter, stimmt. Das dachten die damals aber auch von sich, oder? :- :smile:

Ich kann mir schon vorstellen, was du mit dem fühligen „Muss jeder selber wissen“ meinst. Das, was ich mit Selbstverantwortung meine, geht auch über dem „alles ist gleichwertig“ hinaus. Es gibt einen Trend zu ökologisch-verschwurbelten und antiaufklärerischen Denkweisen, die sich dann zum Beispiel in Impfgegnerschaft äußert und ein ganzes „System“ ablehnt. Das halte ich auch für gefährlich. Vielleicht meinst du das.

Insgesamt glaube ich ohnehin, dass wir als Menschen viel weniger rational sind als wir von uns denken. Ich sehe den Menschen als emotionsgetriebenes Wesen, und in meiner Arbeit u.a. in IT-Projekten habe ich bei sich für sehr rational haltenden Menschen so viel unbewusste Emotionalität in Entscheidungen erlebt, dass ich da skeptisch bin, dass sich das ändert. Und das war ein Kontext, der objektivierbar erscheint! Das hat mich früher aufgeregt, heute sehe ich das gelassener als etwas, mit dem ich fest rechne. Damit fahre ich ganz gut. :slight_smile:

Danke für die gute Diskussion, es macht mir immer Spaß, die eigene Position zu überprüfen!

In der Tat ein wichtiger Punkt! Forschung und Evidenz gibt es eigentlich genug, aber in der Vergütung der GKV ist das m.W. bisher nicht alles angekommen.

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Das subjektive Befinden kann schon ein relevanter medizinischer „Endpunkt“ einer Studie sein. Allerdings muss man den methodisch einwandfrei messen. Bei den meisten Krankheiten kommt es nach einiger Zeit auch ohne jede Behandlung zu einer Verbesserung. Wirksam ist eine Behandlung nur, wenn sie das Befinden schneller, stärker oder nachhaltiger… verbessert, als es sich sowieso gebessert hätte. Daher braucht es eine Vergleichsgruppe.

D.h.: wenn es jemandem nach h. Mitteln besser geht, ist es entweder die Placebowirkung oder nur eine falsche Zuschreibung der Ursache für die Verbesserung.

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Definitiv! Ich behaupte sogar, dass das auch heute schon und in unserem teiweise schwachen System Realität ist. Man wird ja durch eine Therapieablehnung nicht aus der Klinik oder Praxis verwiesen und Palliativmedizin ist sogar eine eigene Fachrichtung mit vielen guten Methoden und Ansätzen, die echt-medizinisch Menschen das Lebensende erleichtern können. Wenn die Situation aus ärztlicher Sicht eigentlich nicht palliativ ist, kann das sehr schwer auszuhalten und nicht schön sein, „legitim“ ist es allemal.

Diesem kombinierten Punkt würde ich halt schon die wissenschaftliche Methode entgegenhalten. Die soll ja diese von Natur aus schwache Ratio des Menschen auffangen und ausgleichen. Und es gibt natürlich leider trotzdem schlechte Ärzt:innen (und bestimmt auch gute Heilpraktiker:innen), ich bin dennoch überzeugt, dass das eine System dem anderen klar überlegen ist.

Glaube schon, ja. Mir ist auch klar, dass mein Standpunkt da nicht 100%ig konsistent ist. Im Prinzip wünsche ich mir ja, dass „alle“ auf dem „richtigen“ Weg die „richtige“ Entscheidung treffen. Das ist natürlich unmöglich und die Einschränkungen sind auch ok. Ein Großteil der Leute ist ja auch relativ vernünftig, wenn auch nicht rational. :stuck_out_tongue:

Danke ebenfalls!

@eratosthenes25
„Die meisten Krankenkassen bieten die Erstattung pseudomedizinischer Leistungen an. Nur vier Krankenkassen bieten die Erstattung homöopathischer Leistungen explizit nicht an oder erwähnen sie auf ihren Webseiten nicht (Stand Januar 2021).“

"90 der rund 130 Kassen"

„84 Kassen zahlen […] Von den größten vier Krankenkassen - Techniker Krankenkasse (TK), Barmer, DAK und AOK Bayern - übernehmen alle zumindest einen Teil der Kosten“

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