Hmm … aber was soll dann aus dieser Tabelle folgen? Wenn ich mein Risiko, auf die Intensivstation zu kommen, nur halbiere, dann lohnt sich die Impfung für mich nicht? Es gibt ja eine allgemeine Impf-Empfehlung von der STIKO für (gesunde) Erwachsene. Die Risikoabschätzung ist also qualitativ IMMER pro Impfung. Die Motivation sollte also eigentlich sein:
Die Impfung
Schützt mich persönlich IMMER besser vor schweren Erkrankungen
Verringert IMMER die Ansteckungsgefahr und schützt damit andere (Risikopatienten) um mich herum (die mir ggf. wichtig sind)
führt am schnellsten und effektivsten aus der Pandemie und führt damit zu weniger Maßnahmen (die mich persönlich einschränken)
Damit ist doch die Information, WIE groß der Vorteil von Punkt 1 im individuellen Fall ist, relativ uninteressant – für den solidarischen und den egoistischen Menschen gleichermaßen.
Mein Gedanke: Wenn diese Zahlen vorliegen würden, würden sich hoffentlich etliche Impfzweifler umstimmen lassen. Sie würden ihr ganz persönliches Risiko deutlich vor Augen sehen.
Als Beispiel (leider nicht für Leute ohne Vorerkrankunegn, sondern nur für alle aus der Altersgruppe 60 bis 69 Jahre):
Wahrscheinlichkeit für infizierte Ungeimpfte ins Krankenhaus zu kommen: 7,6 %.
Wahrscheinlichkeit für infizierte Ungeimpfte an Corona zu sterben: 2,2 %.
Wahrscheinlichkeit für doppelt Geimpfte ins Krankenhaus zu kommen: 0,5 %.
Wahrscheinlichkeit für doppelt Geimpfte an Corona zu sterben: 0,2 %.
Das Risiko für Ungeimpfte ist also 15 mal so hoch, ins Krankenhaus zu kommen und 11 mal so hoch zu sterben.
Zudem heißt das. Wenn Ungeimpfte in diesem Alter sich infizieren, sterben mehr als 2 von ihnen.
Bei Menschen ohne Vorerkrankung ist es vielleicht nur einer, aber auch das ist den meisten wohl zu gefährlich.
Wenn ich etwas in zwei Jahren Cisek-Drosten-Podcast gelernt habe, ist, dass sich derartige Dinge leider schlecht pauschalisieren lassen. Die „wahren“ Wahrscheinlichkeiten zu ermitteln ist statistisch enorm aufwändig und die Situation ist wohl immer dyamisch:
das Virus mutiert,
die Immunität ändert sich (Impfkampagnen und teilweise Durchseuchung),
Risikofaktoren spielen eine Rolle,
die Qualität der medizinischen Versorgung ändert sich (sie wird schlechter in Fall von Überlastung der Kranenhäuser und der Wissensstand der behandelnden Ärzt*innen wird besser und es stehen mehr Wirkstoffe zur Verfügung)
Und eine Liste, in der dann ganz viele Aussagen wie: Als Ungeimpfter: Die Wahrscheinlichkeit, als männlicher Ungeimpfter zwischen 54 und 59 Jahren mit einem BMI von 26-28 und keinen sonstigen Vorerkrankungen, der vor drei Jahren mit einem üblichen Erkältungscoronavirus infiziert war, bei Infektion mit der Delta-Variante bei 4000 belegten Intensivbetten nach der Erkenntnis, dass Hydroxichloriquin nicht so viel hilft, aber vor der EU-weiten Zulassung von Paxlovid bei den in Deutschland üblichen Einweisungskriterien ins Krankenhaus zu müssen beträgt W1
stehen, sind dann doch eher was für Nerds. Ich denke, dass in dem von @Marcel54 beschriebenen Kontext die Worte
aus dem Mund von Impfgegner*innen ein Code für
Halt die Klappe! Das geht dich nichts an!
sind. Wir Menschen sind notorisch schlecht darin, mathematisch sauber persönliche Risiken abzuschätzen. Das gehört einfach nicht zu unserem Betriebssystem. Sonst würde ja auch niemand rauchen, Lotto spielen, auf Werbung hereinfallen, Zucker essen, trinken, exzessiv feiern oder Mitternachts im Internet Kommentare schreiben. In den meisten Fällen kann man das als Gesellschaft auch ganz gut verkraften aber ich glaube, dass das Gefühl, unbequem und so ein bisschen unvernünftig zu sein, sich auch ziemlich ermächtigend anfühlen kann. Vielleicht muss man sich Impfgegner*innen manchmal ein bisschen wie Möchtegern-Rockstars vorstellen, die aus Prinzip das Hotelzimmer verwüsten und Boomer verschrecken
Klar setzen sie dabei nicht nur ihr eigenes, sondern auch das Leben von vielen anderen Menschen aufs Spiel, aber ich fürchte, dass diese Gedanke in den entsprechenden Blasen sehr fern ist.
Nur um mal ein Beispiel zu geben, wieso solche Zahlen bei Impfgegnern überhaupt nichts bringen, folgender paraphrasierte Ausspruch, den ich vor kurzem hören durfte:
„Diese Zahlen, die du mir hier nennst, sind doch ohnehin alle gefälscht, die wollen ihre Impfungen durchbringen damit die Politiker weiterhin fett Kohle bekommen von den Phama-Firmen, besonders wenn sie aus der Politik ausscheiden.“
An der Stelle kann man all die Statistiken einpacken und die Segel streichen.
Was passiert eigentlich, wenn man mit noch krasseren Verschwörungsgeschichten antwortet?
So wie
„Dir ist schon klar, dass Corona dazu da ist, renitente Bürger zu beseitigen? Ziemlich bald, wenn eben genügend Menschen geimpft sind, damit die Wirtschaft nicht völlig zusammenbricht, werden die Ungeimpften an dieser künstlichen Seuche sterben, die dann scharf gestellt wird. Wer sich impfen lässt, beweist, dass er bereit ist, den Anweisungen zu folgen und kann so sein Leben retten. Und wem hilft es schon, wenn man renitent, aber tot ist. Besser ist es doch, zum Schein ein braves Schaf zu spielen, damit man danach wieder rebellieren kann.“
Ja, das stimmt, gegen diese Aussage kommt man nicht an. Aber von denen und mit denen rede ich auch nicht. Keine Ahnung, wie viele noch durch Argumente erreichbar sind, aber ich denke, bei einigen herrscht einfach Unwissenheit und möglichst einfache Zahlen sollten sie erreichen können: Von hundert deiner Sorte, die sich infizieren, stirbt einer. Bei geimpften ist es nur einer von 1000.
Aber ich sehe hier schon, große Erwartungen hat wohl keiner mehr.
Als meines Wissens nach erster Region will Québec eine Zusatzsteuer für nichtgeimpfte aber impfbare einführen. Quasi als Ausgleich für die Mehrbelastung des Gesundheitssystems.
Da ging wohl noch jemandem die Hutschnur hoch- bin gespannt ob das wirklich durch das EthicsComittee kommt. Definitiv spannend dass eine als seriös anzunehmende Demokratie so etwas ernsthaft in Erwägung zieht.
Sehe ich auch so. In diese Kategorie würde auch passen:
Man kann der Impfpflicht entgehen, indem man unterschreibt:
Ich trage im Falle einer Infektion mit Corona alle Kosten der Behandlung selbst.
oder
Ich verzichte im Falle einer Infektion mit Corona auf jegliche Behandlung.
Geht in einer Demokratie und einem Sozialstaat aber doch eher nicht.
Ich sehe bei der „Steuer“ für Ungeimpfte eigentlich im Ergebnis kaum einen Unterschied zu einer allgemeinen Impfpflicht mit entsprechenden Strafen. Ich wüsste also nicht, warum es schlechter mit Demokratie und Sozialstaat vereinbar sein sollte. Das heißt nicht, dass die Impfflicht unbedenklich ist. Aber wenn ich dafür bin, dürfte mich die „Steuer“ auch nicht stören.
Kosten im Falle einer Infektion bei Ungeimpften nicht zu übernehmen ist für mich eine völlig andere Kategorie, die ich definitiv ablehne – siehe diese Diskussion.
Ich sehe dies als weiteren und konsequenten Schritt zu einer monetären Belastung auf Basis eines (Social)creditscores- oder auch als Besteuerung von für die Gesellschaft schädlichem Verhalten.
Im Grunde zahlen Raucher durch die Tabaksteuer mehr in den Sozialstaat ein. Alkohol ist ähnlich besteuert. Nun auch nicht-Geimpfte.
Ich bin nur nicht überzeugt, dass eine höhere Besteuerung wirklich zu einem gesellschaftskompatiblerem Verhalten führt- es wird einfach als „cost of living“ eingepreist. Die Biersteuer hat nicht vom alkoholismus abgebracht.
ich möchte mich zu der Kritik an den Gesundheitsämtern äußern.
Ich selbst arbeite in einem in der Mitte Deutschlands: Wir Mitarbeitenden tun oder teilweise nur noch taten was wir können- zum Anfang des Jahres wurden bei uns die Hälfte der Stellen gekürzt und es gab auch schon im Herbst Kürzungen. Es ist nicht so, dass hier das Gesundheitsamt die Schuld trägt, sondern diese Entscheidung ist politisch. Für das entscheidende Organ (Oberbürgermeister) seien, nach eigenen Angaben, die aktuellen Entwicklungen „überraschend“ gewesen, sodass nun sehr kurzfristig (für mich persönlich zu kurzfristig und zu spät) viele Abteilungen ihre Arbeit wieder einschränken müssen, um bei der Coronaarbeit zu unterstützen.
Wir Mitarbeitenden erfahren somit keinerlei Unterstützung, Solidarität und Anerkennung von Seiten der Politik. Wir geben unser Bestes, aber so ist es nicht ansatzweise schaffbar.
Ich finde diese Sichtweise kam in der Darstellung zu kurz. Vielleicht kann sie ja nachträglich aufgenommen werden.
Besteuerung von gesellschaftsschädlichem Verhalten ausgehend von einem liberalen Standpunkt zu kritisieren finde ich zunächst mal fair. Auch wenn ich es nicht unbedingt teile. Social credit score ist für mich allerdings das chinesische System, was eine völlig andere Hausnummer ist und aus meiner Sicht deshalb klar abzugrenzen.
Da bin ich nicht sicher, woran du das festmachst. Die WHO sieht die Wirkung solcher Steuern zumindest anders [1] und es gibt durchaus auch nachgewiesene Erfolge [2] (was nicht heißt, dass es deswegen überall funktionieren muss).
Wo siehst du da den großen Unterschied? Im chinesischen System wird aufgrund von gesellschaftlichem Fehlverhalten Rechte entzogen. Im „westlichen“ System wird aufgrund von gesellschaftlichem Fehlverhalten Rechte und Geld entzogen.
Bitte nicht falsch verstehen- ich bin ja dafür dass alkoholisierte nicht Auto fahren dürfen und ungeimpfte nicht mitfliegen. Aber sich da moralisch so dem chinesischen System überlegen zu fühlen sehe ich (noch) nicht.
Alkoholismus ist auch eine extrem heftige Sucht und wie bei allen Süchten kann man diese nicht monetär betrachten. Man kann prinzipiell sagen, dass höhere Steuern den Normalverbrauch senken und wer das nicht will zahlt zumindest dafür. Ich sehe keine Argumente dagegen.
Da sind wir genau auf der wichtigen Frage:
Haben wir es im gros eher mit Lifestyle Impfverweigerern zu tuen oder mit Hardlinern.
Ich gehe von eher Süchtigen aus - daher auch der Vergleich mit den Rauchern oder Alkoholikern, sprich mit Menschen die nicht anders können und daher nicht auf Preissteigerungen reagieren würden.
Vielleicht sehen @MarkusS und du das anders, aber dann würde mich interessieren warum.
Die Statistik wie wenige bisher ungeimpfte sich auf keinen Fall impfen lassen würden spricht für mich eher für eine Gruppe festgefahrener.
Ich sehe den großen Unterschied darin, dass die Feststellung, die Definition und die Bestrafung von Fehlverhalten in funktionierenden Demokratien in der Regel auf Basis von Rechtsstaatlichkeit und unter Einhaltung der UN Menschenrechtskonvention passiert (hier kann man kritisieren, dass z.B. die USA nicht offiziell unterschrieben hat).
Bei der social credit score ist sowohl die Definition (z.B. Regimekritik untersagt) als auch die Feststellung (Totalüberwachung, Gerichtsverfahren) und die Bestrafung (totale soziale Isolation bis hin zu einem Menschenunwürdigen Leben) von „Fehlverhalten“ nicht gegeben. Details würden einen eigenen Thread füllen.
An unseren Regeln und Gesetzen gibt es viel zu kritisieren. Es gibt gerade bei Corona sogar Dinge, die das Verfassungsgericht kippt – aber gerade das ist ja ein Zeichen für einen funktionierenden Rechtsstaat. Ich finde den Unterschied zum social credit score hier so gravierend, dass der Vergleich für mich etwas an die oft benutzte „Nazikeule“ erinnert. Es ist durchaus ein erlaubter Vergleich, aber ich finde er verharmlost auf unpassende Weise das grausame System der chinesischen Regierung.
Ich kann mir gut vorstellen, dass unter den Ungeimpften eine große Gruppe von festgefahrenen ist. Ich denke allerdings, dass niemand seriös sagen kann, wer die verbleibenden Ungeimpften sind. Daher wundere ich mich immer darüber, wenn Menschen das so genau wissen. Sehr interessant dazu ein Zeit Artikel, den ich hier schon mal diskutiert habe.
Bezogen auf die Impfplicht folgt daraus kurz: man kann sowas machen, aber der Glaube, dass das dann ausreicht, ist relativ gewagt. Impfpflicht hin oder her. Man muss dringend in die „Parallelgesellschaften“ vordringen, die durch die übliche Systemlogik nicht erreicht werden. Ich persönlich sehe schon das Szenario kommen, dass wir uns nach zähen Verhandlungen zu einer Impfpflicht durchringen, die dann so spät kommt, so schleppend anläuft und so schlecht kontrolliert wird, dass sie im nächsten Herbst keine signifikante Wirkung zeigt. Zur größten Schadenfreude der Impfgegner.
…sagt ja auch der Ethikrat.
Es wird real aber keine Politik gemacht für Menschen in Deutschland,
sondern für deutsche Wahlberechtigte mit der Kernzielgruppe Ü50.
Vermutlich ist das die von dir angesprochene Systemlogik.
Die Politik wird immer alles versuchen so dargestellt zu werden als ob sie alles versucht hat.
Die von dir gestellte Prognose ‚Stell dir vor die Impfpflicht kommt, aber niemand geht hin um sie zu kontrollieren‘ ist also leider weniger realistisch weil dann wieder „der Staat“ Schuld wäre.
Realistisch ist eher 2Little2Late.
Was lernen wir daraus ist eher für mich folgendes: Wenn man etwas erledigt haben will, sollte man sich nicht auf die Akzeptanz der Gesellschaft der staatliche Maßnahmen alleine verlassen sondern auch die Umsetzbarkeit miteinbeziehen. Sprich wer CoVid Angst in extremem Maße hat ist aktuell in Sydney besser aufgehoben als in Salzgitter.
Was von den Menschen zu halten ist, erkennt man daran, dass die gleichen Leute, die dir erklärten, wie gefährlich die Impfnebenwirkungen seien, jetzt in Omikron das Ende der Pandemie und den Beginn der epidemischen Lage feiern.
Eine Impfpflicht wird nicht kommen. Der Bundestag wird das frühestens im April entscheiden und dann sind die Zahlen wieder so, dass man entspannt in den Sommer gehen kann.