Aiwanger: Skandal um antisemitisches Flugblatt - Unschuldvermutung

Aiwanger könnte ja sogar FW Chef bleiben, aber ohne Regierungsamt.

Wie zivilisiert. Wenn du mir jetzt noch erklären könntest, inwieweit der Auftritt in Erding antisemitisch war, würde dein Argument vielleicht sogar Sinn ergeben.

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Heute kann man so ein Flugblatt per Copy/Paste am Computer schnell zusammenbasteln und könnte sich bei Kritik sogar glaubwürdig damit rausreden, dass man die Inhalte eben kopiert und nicht viel darüber nachgedacht hat.

Damals hatten nur sehr wenige einen DTP-fähigen Rechner mit Drucker. Laserdrucker waren Luxus. Ein Kopierer war auch nicht selbstverständlich in jedem Büro. Meine eigenen Astronomie-AG-Aushänge habe ich als Schüler in jener Zeit mühsam und zeitaufwändig an der Schreibmaschine auf Matrizenpapier getippt und dann im Sekretariat vervielfältigt.

Das passiert nicht im Affekt ohne Nachdenken. Wenn man so einen Text buchstabenweise in die mechanische Tastatur tippt und bei Tippfehlern mehrmals neu damit anfangen darf, hat man eine Menge Zeit zum Reflektieren über das, was man da gerade tut.

Ein „Flugblatt“ anzufertigen und zu vervielfältigen war ein deutlich höherer Aufwand als heute.

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Ich habe das schon stärker zugespitzt auf dieses Flugblatt erlebt. Z.B. lautet ja die Zwischenüberschrift des SZ Artikels;

Und nach dem, was sich hier so langsam als Konsens etabliert, müsste man einer solche Aussage ja klar eine Absage erteilen.

Das reine Berichten ist das eine, es zu einer Titelstory zu machen eine Andere (zeitweise wurde man beim öffnen der SZ App regelrecht von Aiwanger Artikeln erschlagen).

Öffentliche Aufmerksamkeit ist ein knappes Gut und ich finde wir haben wichtigere Themen als was sich vor 35 Jahren im Schulranzen einen Vize-Ministerpräsidenten befand.

Aber auch das ist noch ok, ich finde es eher schwierig, dass politische Amtsträger (Söder, Scholz, die bayerische Opposition) das zum Thema machen. Wir sind doch in der komfortablen Situation, dass eh bald in Bayern gewählt wird - sollen doch die Wähler entscheiden, ob sie Aiwanger weiterhin ihr Vertrauen schenken, informiert sind sie ja jetzt.

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Danke!

Mir reicht Aiwangers Hetzauftritt vor dem einschlägigen Publikum in Erding, um ihn suspekt zu finden. Dann gibt er noch einem privatem Fernsehsender ein Interview, das Verschwörungstheorien und eindeutig antisemitische Codes verbreitet. Siehe Hundepfeifen-Politik. (Einen Link zu Sender setze ich nicht, um diesem Moloch keine Klickzahlen zu generieren.) Abgerundet wir es von dem Nazi-Flugblatt.

Die Verharmloser werden jetzt kontern, dass er den Sender nicht kannte.

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Ich finde Du solltest Dich entscheiden, ob es dir a) um den aktuellen Fall geht oder b) um Prinzipien. Dein Verweis auf eine „35 Jahre alte Geschichte“ und „journalistische Verjährungsfristen“ legte nahe, dass es Dir um b) ging. Wenn Du Dich nun hauptsächlich daran störst, dass die SZ sich kurz vor einer Wahl mit einer groß rausgebrachten Geschichte klar gegen einen hochrangingen Landespolitiker wendet, geht es Dir offensichtlich eher um a).

Eine Zeitung bringt eine Geschichte, die politische Brisanz hat und über die medial viel berichtet wird, groß raus. Nochmal: Was ist eigentlich das grundsätzliche Problem dabei?

Diese Darstellung des Themas ist arg entpolitisierend und ignoriert völlig, worum es im Kern geht (siehe meine vorherigen Posts dazu). Es geht schließlich nicht um eine abgeschriebene Mathearbeit. Und selbst die zu thematisieren wäre völlig egal, würde aber vermutlich nicht so hohe Wellen schlagen.
Es mag ja sein, dass Du persönlich das Thema nicht für relevant hältst. Aber dein Verweis auf das „knappe Gut“ Aufmerksamkeit suggeriert, dass es objektive Maßstäbe dafür gäbe, was wie stark berichtet werden darf/kann/soll. Die gibt es aber nicht. Zudem ist die SZ ein privates Unternehmen, sie kann also im Rahmen ihrer unternehmerischen Freiheit und der geltenden Gesetze Theman fahren wie sie will. Wenn Du persönlich ein Thema nicht wichtig findest, ist das daher noch lange kein Argument dafür, dass es nicht legitim wäre. Auch hier sehe ich also grundsätzlich kein Problem.

Nochmal die Frage: Was genau ist daran problematisch? Dass politische Gegner:innen (Grüne, SPD), aber auch Konkurrent:innen und Partner:innen (Söder/CSU) bei einem „heißen“ Thema in den Medien mitmischen wollen und versuchen, ihre Vorteile daraus zu ziehen, ist doch Alltag - erst recht wenn gerade eine Wahl ansteht. Auch hier verstehe ich nicht genau, was Du eigentlich wem vorwirfst und an welchen Kriterien du Deine Bewertung festmachst.

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Das ist erstmal deine Einschätzung. Was waren denn diese „eindeutig antisemitische codes“, von denen du redest? Am besten im Wortlaut und mit Kontext.

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Darüber bin ich vorhin auch gestolpert. Im Tweet, den @MartinH zitiert, bezieht sich das mit den „Verschwörungstheorien“ und „antisemitischen Erzählungen“ ja auf das Medium, dem Aiwanger sein Interview gibt (also „AUF1“) und nicht auf die Aussagen Aiwangers. Wenn das mehr als ein Flüchtigkeitsfehler ist - in dem Satz von Martin müsste es m. E. „der“ (Fernsehsender) statt „das“ (Interview) - müsste in der Tat dargelegt werden, wie sich Aiwanger in dem Interview antisemitisch geäußert hat.

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Ich gebe dir Recht, ich habe mich hier teilweise ein bisschen mitreißen lassen. Im Kern mache ich keinem der Akteure einen konkreten Vorwurf, ich würde mir einfach wünschen, dass solche Themen weniger Raum einnehmen und man insgesamt gelassener auf so etwas reagiert. Nicht weil es komplett egal wäre, sondern weil wir im öffentlichen Diskurs priorisieren sollten.

Meine konkrete Kritik wäre also wenn überhaupt, dass die SZ mit ihrer Berichterstattung ein wenig übers Ziel hinausgeschossen ist und damit eine Diskussion gestartet hat, die im Großen und Ganzen kontraproduktiv ist.
Wieder geht es eine Woche um einen Nebenschauplatz. Ich wünschte unsere Leitmedien würden mit derselben Hingabe eine Diskussion über die Neuordnung des Renten- oder Steuersystems starten - aber es ist vermutlich einfacher, alte Schulgeschichten von Politikern auszugraben.

Ok, den Punkt im Sinne von „würde ich mir wünschen“ kann ich gut so stehen lassen. Wie schon gesagt, ob das Ganze strategisch so geschickt war, wird sich zeigen, ich bin da auch eher skeptisch.
Generell finde ich es allerdings keineswegs unwichtiger als Renten- oder Steuerpolitik, die Kontinuität menschenverachtender, verfassungswidriger und demokratiefeindlicher Denkweisen zu skandalisieren.

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Ich sehe nur das Bild: Sieht so aus, als hätte ein Journalist dieses Senders Aiwanger ein Mikro ins Gesicht gehalten. Ist das „einem Sender ein Interview geben“ im Sinne von: Fragwürdiger Sender fragt an, bittet um Interview, Aiwanger sagt zu? Sieht mir nicht danach aus.

Leute, bitte bleibt bei den Fakten! Es reicht, wenn Aiwanger alternative Fakten produziert. Wir müssen uns hier nicht auf dieses Niveau begeben.

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@TilRq Ich versteh nicht, wieso du Aiwanger hier mit so viel Aufwand beispringst.

Die Unschuldsvermutung gilt vielleicht für Gerichte, Medien und andere öffentliche Organe. Für mich persönlich aber nicht. Ich kann mir das denken, wie ich will und kein Gesetz schreibt mir persönlich vor, dass ich mir keine andere Meinung bilden kann und dann beschliessen das ich den Eierwanger für das halte, was er in meinen Augen ist.

Als jemand der im Bayern der Spätachtziger und 90er aufgewachsen ist: Gar nicht so unüblich würde ich sagen. Strauss galt ‚als ein bisserl Rechts‘ … das Umfeld sollte doch eigentlich logisch sein!

Dem wirklich nicht sehr gut belichtetem Vorsitzenden der FW noch mal mehr Aufmerksamkeit zu schenken, nur damit der seinen Gang nach Canossa auch wirklich allen Leuten zeigen kann das es der Bruder war … sorry. Warum? Können das bitte Andere machen.

Aber die Unschuldsvermutung darf gerne auf öffentliches beschränkt sein. Was ich denke und als Meinung äussere ist davon unbenommen. Lebenslange, persönliche, Erfahrung täuscht halt nicht. Da wo der Eiwanger herkommt, ist heute noch eine Mehrheit in Bayern immer noch nicht so weit, aufzustehen und bei wirklich grundlegendem den Mund aufzumachen. Darum fühlen sich Nazis in Bayern auch so wohl und das Bundesland ist immer vorne dabei bei Rassismus und Antisemitismus Statistiken. Ob der Ähiwanger jetzt dazugehört, oder zum weiteren Umfeld was es tolieriert und durchaus nicht unabsichtlich fördert - Was macht das für einen Unterschied für mich?

Er macht sich da schon länger zum Sprachrohr der Rechten und ihrer Themen (Bsp. Messer)… Ein gang ins Aida Archiv in München wäre mal interessant, was man da so findet. Aber das macht immer keiner - warum eigentlich?.

Zumindest liefert die SZ sehr viele tiefgründige und gute recherchierte Berichte zur Klimaproblematik. Interessiert nur genausowenig wie die paar guten tiefgründigen und gut recherchierten Berichte zur Rentenproblematik.

Einen Wulff hat eine ähnliche Drohung gegen eine Veröffentlichung auf dem Anrufbeantworter eines Bild-Redakteurs den Job gekostet.

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Ich würde ja die These wagen, dass ein Politiker, der sich glaubhaft von seiner schulischen Hitlergruß- und KZ-Vernichtungsphantasie-Vergangenheit distanziert und dieselbe aufgearbeitet hat, auch 35 Jahre später keine rechtsradikalen Hetzreden hält und sich danach auch nicht dazu hinreißen oder „überlisten“ lässt, dem bekanntesten und reichweitenstärksten sowie weithin für die Verbreitung von Antisemitismus bekannten Coronaleugnersender einen O-Ton zu spendieren.

Man muss aber vermutlich anerkennen, dass das eine umstrittene These ist.

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Ja, sorry, habe ich schief ausgedrückt. Er gibt dem Fernsehsender, der Verschwörungstheorien und Antisemitismus verbreitet, ein Interview.

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ME ist deine strikte Trennung zwischen Antisemitismus und „üblem Populismus“, wie du richtig sagst, etwas weltfern. Eine explizit antisemitische Äusserung eines Politikers in DE ist - richtigerweise - dessen politischer Tod. Das weiss und wusste auch Aiwanger. Also ist die Tatsache, dass er in seinem Politikerleben nie dabei erwischt wurde, überhaupt kein Hinweis auf seine diesbezüglich reine Seele. Hingegen ist seine Hetze (naturgemäss mit Lügen) bei öffentlichen Auftritten dessen wesentlicher Bestandteil - und wird von seinem Publikum erwartet und gefeiert, was ihn noch mehr antreibt, typisch selbstgefühlter Volkstribun im Höhenrausch. Darin liegt seine „Gefährlichkeit“, und ich denke, der Lehrer von damals und die SZ erachten es als ihre Pflicht, namentlich nach der Rede in Erding, seinen teilweise naiven Anhängern das vor Augen zu führen.

Im Übrigen stand doch auch im Volksverpetzer, dass Aiwanger in 2008 (zum Beginn seiner politischen Karriere) eine Parteifreundin zum ehem. Lehrer schickte, um sich dessen Stillhaltens zu versichern, und die selbe Parteifreundin habe er nach der Konfrontation der SZ nocheinmal dorthin geschickt, was man dann auch als Einschüchterungsversuch verstehen könnte.

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Ich finde dass es Sascha Lobo im Spiegel sehr gut auf den Punkt bringt:

Herr Aiwanger hätte die Chance gehabt, dies früher und auch proaktiv aufzuklären. Hätte er zum Beispiel gleich gesagt, dass die Abscheulichkeiten von seinem Bruder sind und diese auch glaubhaft! bereut hätte und diese glaubhaft! abgelehnt hätte, wäre zumindest menschlicher gewesen.
So war aber der erste Tweet ein Angriff auf die SZ. Von Reue keine Spur. Leider - und dass muss man sagen - scheint dies heutzutage bei den Wählern gut anzukommen. Angriff ist besser als Entschuldigung. Diffamierung besser als Reue. Traurig…

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Also, man kann ja schon darüber berichten, wenn Spitzenpolitiker eine Hardcore-Antisemitische Vergangenheit haben. Aber bitte nur so, dass es niemanden stört, keiner drüber diskutiert und es auch auf gar keinen Fall Konsequenzen hat.

Was mich stört, ist dieser Reflex „Das ist Wahlbeeinflussung!“
Wenn der Vorwurf klar konstruiert wäre oder sogar erfunden wäre, dann würde ich sagen: jo, da versucht jemand unredlich die Wahl zu beeinflussen („bitte macht die FDP stark“). Aber dass Recherchen zu Spitzenpolitiker vor einer Wahl veröffentlich werden, ist einfach ein logisches Timing. Dann sind sie auch am wichtigsten.

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Der Typ ist als Jugendlicher in seiner Schule bekannt dafür, Hitlerreden zu üben und Hitlergrüße zu machen - kann sich daran aber angeblich „nicht dran erinnern“. Das lässt nur zwei Schlüsse zu: Entweder war es in seinem Umfeld damals so normal, dass er nicht weiß, ob er selber es auch gemacht hat oder er weiß es haargenau und lügt, um sich zu schützen. Aber dass er stattdessen von einer „Schmutzkampagne“ redet, spricht Bände. Er scheint immer noch nicht kapiert zu haben, dass der braune Dreck von ihm selber kommt, nicht von denen, die darauf hinweisen.
Während Aiwanger noch hitlernd durch die Gegend blökte, haben haben Menschen in seinem Alter sich schon bemüht, Verbrechen des Nationalsozialismus auch auf lokaler Ebene aufzudecken und an die Opfer zu erinnern. In den 1980er Jahren bedeutete das (nicht nur) in Bayern auch, sich massivem Druck von NS-Tätern, Mitläufern und ihrem Nachwuchs auszusetzen. Es gab eben nicht nur die „68er“-Lehrer:innen, die das toll fanden. Dass es auch heute noch Pädagog:innen gibt, die meinen, dass man den Aiwangers dieser Welt ihre rechte Gesinnung mit einem zwangsweisen Verfassen eines Aufsatzes oder mit dem verordneten Besuch einer KZ-Gedenkstätte austreibt, gehört leider auch zur traurigen Wahrheit. Eine Aufarbeitung der NS-Vergangenheit, die ihren Namen verdient, ist ein individueller, aktiver und vor allem schmerzhafter Prozess. Dass viele Menschen in Deutschland dazu nie bereit waren - und es auch nie sein mussten - auch dafür steht Hubert Aiwanger beispielhaft. Dass es hierzulande nicht wenige sind, die die offizielle Erinnerungskultur eigentlich komplett ablehnen, dürfte auch ein Grund für das Umfragehoch von AfD & Co sein.

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