Systemwissen für Politiker
Systeme jeglicher Art sollten nicht darauf abzielen, anekdotische Ungerechtigkeiten zu vermeiden. Solche überfrachteten Systeme erzeugen systemische Ungerechtigkeiten, von denen nur diejenigen profitieren, die sich professionelle Hilfe leisten können. Die Steuergesetze sind ein gutes Beispiel dafür. Ein gut gestaltetes System sollte keine anekdotischen, sondern systemische Ungerechtigkeiten verhindern.
Negative Rückkopplung
Systeme müssen mit negativer Rückkopplung geplant und gebaut werden. Ein Paradebeispiel ist die Heizung: Sobald sie den Zielwert erreicht, hört sie auf zu heizen. Unbeschränkt positiv rückgekoppelte Systeme riskieren Überhitzung, auch wenn es manchmal schwierig ist, einen Schwellwert zu definieren.
Agilität in der Politik
Die Welt ändert sich ständig, doch Parteiprogramme, Wahlversprechen und Koalitionsverträge bleiben jahrelang unverändert. Diese vermeintliche Stabilität in einem sich wandelnden Umfeld ist eine Illusion. Wollen wir wirklich Wahlversprechen einlösen, die nicht mehr zur aktuellen Situation passen? Wir brauchen stattdessen ein agiles Vorgehen mit einer gesunden Lern- und Fehlerkultur, unterstützt durch gute Kommunikation mit den Wählern.
Bündelung der Wahltermine
Europa-Parlament, Bundestag, 16 Länderparlamente – irgendwo ist immer Wahlkampf. Das führt zu ständiger Rücksichtnahme oder lautem Wahlkampfgetöse. Wer kann da noch ernsthafte Argumente und Wahlkampfgetöse auseinander halten? Wie kann so informiertes Vertrauen aufgebaut werden. Eine Bündelung der Wahltermine wäre hilfreich und würde für Ruhe bringen.
Repräsentation im Bundestag
Die gewählten Vertreter spiegeln nicht die Gesellschaft wider. Beamte, Angestellte des öffentlichen Dienstes, Mitarbeiter politischer Organisationen und Juristen stellten im letzten Bundestag mehr als 50 % der Abgeordneten. Gesetze sind wichtig, aber noch wichtiger ist es zu wissen, was wünschenswert und machbar ist. Die Parteien sollten gezielte Nachwuchsarbeit leisten und ihre Ausleseprozesse überarbeiten.
Begrenzung der Amtszeit
Berufspolitikern wird oft vorgeworfen, dass sie wenig Bezug zum Alltagsleben haben. Ich schlage vor, die Amtszeiten im Parlament und in der Regierung zu begrenzen. So hätte jeder Politiker die Möglichkeit, entweder vor seiner politischen Karriere praktische Erfahrungen zu sammeln oder nach seiner Amtszeit diese Erfahrungen in die Gesellschaft oder Partei einzubringen. Die Parteien sollten gezielte Nachwuchsarbeit leisten.
Unabhängigkeit der Abgeordneten
Ein Abgeordneter ist nur seinem Gewissen verpflichtet. Doch wer sich nicht an die Parteidisziplin hält, wird bei der nächsten Wahl um einige Listenplätze zurückgestuft. Wie unabhängig sind Abgeordnete, wenn es heißt, die Reihen zu schließen? Wir brauchen keinen verordneten Konsens, sondern konstruktiven Diskurs auf allen Ebenen, auch wenn es mühsam ist.
Politische Rhetorik
Die politische Rhetorik zielt immer noch darauf ab, eine Schlacht nach der anderen zu gewinnen. Doch Politiker müssen nicht den politischen Gegner schlagen, sondern den Bürger gewinnen. Ein Pyrrhussieg schreckt den Bürger ab, statt ihn mitzunehmen. Aussagen wie »erst das Land, dann die Partei« wirken unglaubwürdig. Eine Modernisierung der Rhetorikprogramme wäre eine gute erste Maßnahme.
Wahlalter 16
Ich habe mich „systemisch“ dazu durchgerungen, das Wahlalter 16 gut zu finden. Nur wer eine Stimme hat, wird gehört. Die Politik sollte sich frühzeitig mit den Sorgen, Nöten und Interessen der Jugendlichen auseinandersetzen. Sollten die Parteien dafür zusätzliche Investitionen in Bildung als notwendig erachten, umso besser.
Ministerien und Zusammenarbeit
Auch Ministerien könnten mit vertrauensvoller Zusammenarbeit bessere Ergebnisse erzielen. Beispiel Einwanderung: Wir haben es mit Push- und Pull-Faktoren zu tun. Krieg oder Armut drängen Menschen aus ihrem Land, dann kommt die Frage, wohin. Die Steuerung der wirtschaftlichen Push-Faktoren – Hunger, Armut, fehlende Perspektive – liegt zum Teil in den Händen von Entwicklungshilfe-, Wirtschafts-, Landwirtschafts- und Außenministerium. Die Steuerung der Pull-Faktoren – die Anziehungskraft von Ländern oder Regionen – liegt bei Arbeit & Soziales und dem Innenministerium. Die Durchführung liegt dann beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BaMF), den Städten, Landkreisen und Gemeinden. Wie sagt man so schön: »Vorne gerührt, brennt hinten nicht an«.