Europawahl - junge Wähler

Zum Thema Volt und anderen Kleinstparteien.
Die haben ihre Stimmen zu großen Teilen bei den jüngsten Wählern geholt:

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Die Grünen sind für die jungen Menschen von einer Hoffungspartei zu einer reinen Enttäuschung geworden.
TikTok wirkt bei der Altersgruppe und die AfD ist die präsentestes Partei dort.

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Was die Jugend angeht… als Lehrer der auch Politik unterrichtet, muss ich zugeben, dass ich sowohl die extrem starke Wirkung von sozialen Medien, als auch die Möglichkeiten, frühzeitig Aufklärung zu betreiben, gleichermaßen erlebt habe.

Mit unseren 11. Klassen hatten wir als Semester-Thema die EU und zwei Veranstaltungen zur Europawahl, wo wir uns eingehend mit den Wahlprogrammen und den anstehenden Herausforderungen beschäftigt hatten. Mit meiner Klasse hatte ich zum Beispiel auch die Fragen vom Wahl-o-mat zerlegt und besprochen, warum ausgerechnet diese Fragen wohl ausgewählt worden sind.
Am Ende der ersten Veranstaltung gab es bereits eine Abstimmung, bei der SPD und AfD vorne lagen. Wobei ich hier anhand des Gegackeres sehr unsicher war, ob die AfD-Wähler das nicht eher nur gemacht haben, um edgy zu sein.

Kurz vor der Juniorwahl wurde ich dann ganz plötzlich auch informiert, dass mein 12. Klasse Geschichtskurs ebenfalls dran teilnehmen sollte. Relativ ad-hoc hatte ich dann noch die Stunde mit der Reflexion des Wahl-o-maten adaptiert und dort gehalten… und wurde mit einer Wand der Polemik und Feindseligkeit konfrontiert. Die meisten Schüler wandten sich physisch von mir ab und weigerten sich mit Händen und Füßen, sich mit der EU zu beschäftigen und störten stattdessen nur mit aggressiven Zwischenrufen, dass „die EU ja eh nutzlos ist“, dass „die da nur rumsitzen und Geld einstreichen“ und „ich wähle eh nicht, also warum soll ich mich damit beschäftigen?“. Das war wirklich verfestigte, feindselige „brennt doch das System nieder!“ Apathie und eine Weigerung, das in irgendeiner Weise zu hinterfragen. Ob jetzt aus dem Elternhaus oder sozialen Medien… ist schwer zu sagen, allerdings hatte ich mich bei einigen der Jungs immer wieder über Andrew Tate abgearbeitet, den sie vergöttern und alle Anklagen als diffuse Verschwörung von „denen da oben, denen nicht gefällt, was er sagt“ abtun. Auch die politischen Debatten mit meiner 13. Klasse, die jetzt ja wegen Abitur schon weg ist, liefen eigentlich immer darauf heraus, dass diejenigen mit den extremsten und festgefahrensten Meinungen mir auch gerne „Hoss & Hopf“ Podcasts empfahlen.

Passend dazu, Schüler meiner 11. Klasse hatten auch immer wieder pro-palästinensische Tiktok-Videos über israelische Kriegsverbrechen als Anstöße eingeworfen, als wir uns mit dem Gaza-Krieg und den Hintergründen beschäftigte. Interessanterweise schnell mit dem Einwurf, dass sie selbst nicht wissen, was wahr ist, und sich an mir orientieren wollen. Was… denke ich auch damit zu tun hat, dass ich offen sowohl Hamas als auch Netanyahu kritisiere und eine sehr weit ausholende historische Herangehensweise an das Thema habe. Bei 95% Migrationshintergrund, vorwiegend muslimisch, haben sie mich wohl schnell als neutralen Schlichter, der beide Positionen sehen kann, akzeptiert und dann schnell eine ähnliche Vogel-Perspektive eingenommen. Wohlgemerkt die oben erwähnte 13. Klasse bereitete da mehr Probleme, als ich das Thema ansprach und hatten sich geweigert, die israelische Perspektive auf den Konflikt betrachten zu wollen… und luden mich ein, zu propalästinischen Kundgebungen zu gehen, was ich höflichst ablehnte und offen erwiderte, dass mir unwohl ist, dass niemand verhindern kann, dass dort offen antisemitische Parolen von Teilen skandiert werden. Letzte Woche hatte ich dann auch von Kollegen erfahren, dass einige von diesen Schülern wohl auch wegen dem Gesagten in Polizeigewahrsam endeten… -.-

Was mich allerdings doch sehr irritiert hat, auch insbesondere im Bezug auf die EU-Wahlen, waren die Perspektiven auf den Ukraine-Krieg. Durch die Bank weg, auch in meiner sonst so lobenswerten 11. Klasse, scheint die Perspektive doch eher zu sein, dass die Ukraine sich endlich ergeben soll, damit wir endlich wieder billiges Gas von Russland kriegen. Weil aus ihrer Perspektive ist nur unsere Unterstützung bei deren Widerstand daran Schuld, dass alles so teuer ist und deshalb wäre für sie alles wieder gut, wenn der Krieg einfach weg wäre, so schnell wie möglich. Aufgrund des EU und Israel-Fokus kam ich leider nicht dazu, mich tiefergehend mit der Ukraine zu beschäftigen, was ich auf meine Kappe nehme. Vielleicht würde sich die Perspektive durchaus ändern, wenn die außenpolitischen Konsequenzen mitbedacht werden, mehr als nur durch verbale Anstöße von meiner Seite.

Oh… und was auffällt, ist dass alle eine sehr diffuse Abneigung gegen die Grünen haben, die kaum einer so wirklich begründen kann, wenn ich nachfrage. Dann kam zuletzt noch ein „Ja, ihre Wahlversprechen brechen die ja auch ständig.“ Wenn ich nachfrage, welche konkret, kommt ein Schulterzucken oder „Sollten die nicht für Frieden sein?“ und der Verweis auf die Unterstützung für die Ukraine. Bin mir ziemlich sicher, gerade diese diffuse Abneigung kommt eher durch mediales Hintergrundrauschen und dass immer irgendwas hängen bleibt, gerade bei politisch wenig interessierten, wenn konstant Dreck geworfen wird.

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Ich befürchte, diese Sichtweise teilen mehr oder weniger offen aktuell weite Teile der Bevölkerung.

Aktuell ist der eigene Wohlstand subjektiv bedroht, durch Migration, Krieg, Preissteigerungen, Klimapolitik.
Daher sind die Leute erstmal dagegen und wählen Parteien, die auch dagegen sind.
Ohne wirklich zu hinterfragen….

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Was macht man als Partei mit einem alternden Wahlvolk, das keine Veränderungen mehr will und mitträgt, und wo auch die Jüngeren immer konservativer werden?

Wo setzt man/Frau da an?

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Die Jüngeren werden nicht per se konservativer, sondern sind vor allem desillusioniert.

Der „Hype“ der Grünen (und FDP) bei den Erstwählern der letzten Europawahl und der letzten Bundestagswahl war mMn ein Zeichen für den Wunsch nach Veränderung. Diese Wünsche wurden nach der Wahl nicht erfüllt, deshalb wenden sich jetzt viele ab. Die Union steht noch weniger für Veränderung und profitiert deshalb nur bedingt, kann sich aber als Opposition gegen die unbeliebte Ampel positionieren. Die AfD fordert einen radikalen Kurswechsel in den meisten Bereichen und kann sich damit profilieren.

Das macht es nicht besser, versteht mich nicht falsch. Ich glaube nur, dass die Auslegung „die Jungen werden konservativ“ zu kurz greift.

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„Die Jugend“ verteilt sich auf Fridays for Future und „mir alles egal“.

Fefe merkt an:

Europawahl:
CDU + CSU + AfD sind 45,9%.
Grüne + SPD + Linke + BSW sind 34,7%

Bundestagswahl 1961:
Union 45,3%
SPD 36,2%

Da hat sich ja in 60 Jahren nicht viel getan außer Zersplitterung.

Also sind wir wieder bei der (politischen) Bildung?

Oder vielleicht doch das zusammenwirken von mangelnder Bildung, fehlendem Interesse und unzureichender Kommunikation?

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Schön wäre es. Natürlich auch von meinem eigenen Beruf gefärbt, aber eine Demokratie, in der politische Bildung kein Hauptfach ist, fand ich schon immer komisch :wink: Der Chef des Lehrerverbands denkt allerdings, dass die Schulen bei dem Thema alles richtig machen würden. Keine Ahnung, wie er darauf kommt…

Das stimmt schon, dass das zusammenwirkt, aber wer als mündiger Bürger ernst genommen werden will, muss auch für die selbstverschuldete Unmündigkeit die Verantwortung übernehmen, finde ich.

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Glücklicherweise ist er nicht die wichtigste Gewerkschaft im Bildungsbereich, sondern die GEW (Gewerkschaft Erziehing und Wissenschaft).

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Um mal einen Eindruck vom Schwierigkeitsgrad des Tests zu bekommen :wink:

Ich denke beim letzten Teil haben u.a. BILD und die CDU/CSU einfach ganze Arbeit geleistet. Zumal die Grünen ja auch generell in rechten/rechtsextremen/querdenkenden Kreisen stark diffamiert werden.

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Der Wunsch nach Veränderung wird ja vor allem dauernd und stark durch die FDP blockiert. Dass das in den Köpfen nicht ankommt und die Grünen als Sündenböcke übrig bleiben, ist einfach nur Wahnsinn.

Genauso Wahnsinn ist, dass man dann lieber den Faschismus wieder zurückhaben will.

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Was ich interessant finde:
In allen Gruppen ab 35 Jahre kommt der migrationsfeindliche Bock von Union, BSW und AFD auf über 50%.
Vielleicht steht es gar nicht so schlimm um unsere Jugend und die Wahl ist nur ein Zeichen der allgemeinen Stimmung im Land. Frauen kommen übrigens auch auf 49% und damit unter 50%.
Und der Wahlgewinner waren die sonstigen Parteien. Die Jugend hat verstanden, wie man die Bundestagsparteien nicht unterstützt ohne AFD zu wählen.

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Leider wird das Bundesebene nicht funktionieren, da dort an der undemokratischen 5% Hürde geklebt wird. Offensichtlich ist den etablierten Parteien die Sicherung der Macht wichtiger.

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Naja da wo die von @vieuxrenard und @philipbanse vorgestellte Studie ansetzt. Investieren direkt da wo die Leute erkennen können das sich was tut. Also in den Kommunen. Das wird nicht alle Probleme lösen. Aber wenn du merkst das diese Probleme der Bundes- und Europapolitik sich eben nicht so direkt auf deinen Lebensalltag negativ auswirken, dann gibt es einen gute Chance das wieder differenziert wird. So wird alles in einen Topf geworfen umgerührt und damit hat du völlig sinnfreie Zusammenhänge generiert.

Ich teile die Ursachenanalyse in der letzten Lage zum Wahlverhalten junger Wähler nicht.
Unser Land ist eines der reichsten und sichersten der Welt.
Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist bedroht durch Klimawandel und Arbeitskräftemangel. Doch gewählt wurden migrationsfeindliche Parteien, die sich wenig oder gar nicht für den Klimaschutz interessieren.
Wenn man die sozialen Medie n beobachtet, wird deutlich, wo das herkommt. Hier laufen gezielte Desinformationen, Hass und Hetze durch Rechte, die fossile Industrie und andere Länder. Ich denke, die Wirkung lässt sich gar nicht unterschätzen.
Aus meiner Sicht besteht die Notwendigkeit hiergegen anzugehen.
Die andere Strategie ist es auf die Vorteile in unserem Land hinzuweisen. Bei aller (berechtigten) Kritk sollten die Möglichkeit aufgezeigt werden.
Und: Immer auch bedenken, wie ist es denn in anderen Länder. Wie steht es denn um die Themen Vermögens- und Einkommsverteilung, Armut oder soziale Absicherung in anderen Ländern. Wie ist es denn in Russland, oder bei unseren amerikanischen Freunden.
Geschürte Unzufriedenheit ist das Hauptproblem unseres Landes.

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Was soll das genau heißen „unser Land ist eines der reichsten Länder der Welt“? Wer oder was genau ist „reich“?

Und den Fachkräftemangel haben uns die letzen Generationen eingebrockt, die zu geizig fürs Kinder kriegen waren. Die, die in Eigentum und in Wohnungen mit alten Mietverträgen leben. Die, deren Renten gerade frisch einseitig durch höhere Beiträge der jungen „gesichert“ wurden. Die, die der Jugend eine verkommene Infrastruktur, einen Klimawandel, verhältnismäßig nicht gute Bildung, eine auf CO2 basierte Volkswirtschaft, eine Migrationskrise, deren negativen Seiten(Konkurrenz Wohnungsmarkt, niedrigeres Unterrichtsniveau wegen Sprachhürden,…) auch fast ausschließlich junge Leute ausbaden, hinterlassen haben. Ach und Krieg(sgefahr) gibt es jetzt auch noch. Welche Generation da wohl an die Front geschickt wird… Und während der Corona Krise wurde natürlich auch lieber an die Alten, anstatt an die Jungen gedacht.

Will sagen, es gibt schon Gründe unzufrieden zu sein als junger Mensch. Ist Protestwahl trozdem blöd? Möglich. Aber die Unzufriedenheit ist nicht bloß „geschürrt“. Und einfach zu behaupten, dass das daran läge, dass junge Leute irgendwie besonders anfällig für populistische Propaganda sind, ist anmaßend.

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Die Jugend ist immer unzufrieden mit dem Status Quo. Nur früher hat man aus Protest Links gewählt und nicht Nazis oder Kapitallisten.

„Wer mit 20 kein Kommunist ist, hat kein Herz, wer es mit 40 immer noch ist, keinen Verstand“. Winston Churchill

Man sieht es gab schon immer den Konflikt.

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Ein aktueller und m. E. recht gelungener Podcast zu der Frage, in dem ausnahmsweise mal nicht nur über junge Wähler geredet wird, sondern diese auch selbst zu Wort kommen:

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