Das Thema lässt mich nicht los.
Die Diskussion über Aufrüstung, Wehrpflicht, und wie wir als Gesellschaft mit militärischer Gewalt umgehen, beschäftigt mich seit Wochen. Ich höre regelmäßig zwei Podcasts, die sehr unterschiedliche Perspektiven aufzeigen: Die Lage positioniert sich klar für eine verstärkte militärische Verteidigungsfähigkeit, während Die neuen Zwanziger pazifistische Gegenargumente liefern und kritische Narrative aufgreifen.
Ich merke: Ich bin irgendwo dazwischen und noch nicht entschieden. Ziel dieses Beitrags ist es, beide Positionen möglichst klar darzustellen – nicht um zu polarisieren, sondern um zu verstehen.
Die Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg: Wehrhaftigkeit als moralische Pflicht
Die Geschichte lehrt uns: Wegsehen ist keine Lösung. Der Zweite Weltkrieg hat gezeigt, was passiert, wenn Demokratien zu lange zögern. Die Appeasement-Politik der 1930er Jahre hat Hitler nicht besänftigt, sondern ermutigt. Erst als die Alliierten sich entschieden, militärisch zu handeln, konnte die NS-Diktatur gestoppt werden.
Daraus ergibt sich für viele der Gedanke: Freiheit muss wehrhaft sein. In einer Welt, in der das internationale System anarchisch ist – keine Polizei, kein Richter, nur Macht und Interessen –, müssen Demokratien in der Lage sein, sich zu verteidigen. Wenn Putin ohne nennenswerten Widerstand Teile Europas bedroht, dann gefährdet das die Fundamente unserer freiheitlichen Gesellschaften.
Stärke ist hier nicht Aggression, sondern Schutz.
Ein funktionierendes Militär – idealerweise europäisch koordiniert – wäre die Rückversicherung für unsere Demokratie. Nicht um Kriege zu führen, sondern um sie zu verhindern. Abschreckung wirkt nur, wenn sie glaubwürdig ist. In diesem Sinne ist auch eine Wehrpflicht nicht reaktionär, sondern Ausdruck kollektiver Verantwortung.
Die Lehre aus dem Irakkrieg: Der gefährliche Weg zur Selbsttäuschung
Aber es gibt auch eine andere Lehre, die mich ebenso beschäftigt – die aus dem Irakkrieg. 2003 marschierte der Westen unter dem Vorwand ein, Massenvernichtungswaffen zu verhindern und Menschenrechte zu schützen. Heute wissen wir: Die Beweise waren konstruiert, das Narrativ war fragwürdig, und das Ergebnis war verheerend. Ein destabilisiertes Land, Hunderttausende Tote, der Aufstieg des IS – und ein massiver Vertrauensverlust in die westliche „Wertegemeinschaft“.
Krieg kann sich leicht tarnen als moralische Pflicht – und in Wahrheit Interessenpolitik sein.
Auch das sehen wir: Menschenrechte werden oft selektiv verteidigt. Die Toten durch das Irak-Embargo oder durch NATO-Bombardierungen tauchen selten in Gedenkminuten auf. Die Gewalt, die vom Westen ausgeht, wird in der Öffentlichkeit selten in ihrer ganzen Brutalität anerkannt. Zahlen sind manchmal so abstrakt. 50 verlorene Menschenleben sind potenziell 25 Lage der Nation Podcasts, die nie entstehen.
Und ja – Krieg ist immer auch ein Scheitern: von Diplomatie, von Menschlichkeit, von politischem Handeln.
Er bringt keinen Wohlstand, keine Gerechtigkeit – nur Tod, Trauma und Zerstörung. Waffen schaffen keine Zukunft, sie halten nur etwas Bestehendes fest – im besten Fall. Sie sind teuer und kurbeln zwar die Wirtschaft an - steigern dabei aber nicht den Lebensstandard. Idealerweise rollen die Panzer vom Band in ein Depot, wo sie nie eingesetzt werden müssen. Ihre Existenz kann Sicherheit bieten – aber sie darf nie zur Normalität werden.
Zwischen den Extremen – und die offene Frage
Ich schwanke. Zwischen der Einsicht, dass es Sicherheit braucht – auch militärisch. Und der Angst davor, dass wir selbst irgendwann wieder der Aggressor werden, und die ganzen frisch gebauten Panzer an die nächste Bundeskanzlerin Weidel übergeben, weil die sozialen Probleme in Deutschland nicht angegangen wurden - wir sind (schon jetzt) nicht immer zwangsläufig „die Guten“. Und eine militarisierte Gesellschaft birgt auch viele Gefahren. Ich glaube, es braucht eine neue Debattenkultur, die beides zulässt: Wehrhaftigkeit ohne Kriegsrhetorik, Pazifismus ohne Naivität.
Ich würde mir wünschen, dass diese beiden Pole in der Lage nochmal klarer dargestellt werden. Die Natur eines Dilemma ist, dass es keinen eindeutigen Weg gibt und dass man immer wieder neu abwegen sollte - und dafür muss man beide Sichtweisen gut kennen.
Ich freue mich über Austausch – ganz besonders von jenen, die selbst noch ringen mit ihrer Position.