Zero Covid unrealistisch?

Wir haben eine App, die nennt sich Corona Warn App.
Da brauch ich nicht noch etwas eigenes vom DFB dazu.
Je mehr Wildwuchs da herrscht desdo weniger nutzbringend ist die Sache.

Lockerungen sind bei der momentanen Lage auch absolut verfrüht in meinen Augen.
Je deutlicher man an die 0 rankommt desdo mehr Zeit und Kapazitäten schafft man sich um die Zahlen dauerhaft niedrig zu halten.
von 50 auf 100 geht schneller als von 10 auf 20.

Lockerungen können recht schnell zunichte machen was man vorher mühsam hinbekommen hat.

In Nürnberg wollen die Schüler aus Sorge vor Mutationen keinen Präsenzunterricht und es sollte Schulen und Schülern wo Teleunterricht funktioniert werden zugestanden werden dabei zu bleiben und einen freiwilligen Beitrag zur Eindämmung zu leisten.

Seit wann kann „die Politik“ in diesem Land das Veröffentlichen einer von privaten Unternehmen bereitgestellten App, die sich an alle üblichen rechtlichen Anforderungen (insbesondere die datenschutzrechtlichen) hält, „verhindern“? Rufen die bei Apple und Google an und sagen „he, da kommt eine App namens XYZ, die lasst ihr mal schön aus dem App-Store raus, ne…tut zwar nix illegales, aber finden wir grad nich so gut“?

Das klingt nach einem Märchen. Sollen sie die App doch veröffentlichen und bewerben, irgendwann wird der Lockdown im Sinne eines Betriebsstopps enden, aber das Virus noch da sein, und dann kann diese wundersame App ja glänzen. Wenn es sie denn gibt. Und wenn sie denn irgendwer benutzen will. Und wenn sie dann auch noch irgendeinen Nutzen hat. Wenn…

Das lässt sich ganz simpel auf dem Weg einer Klage klären, und wenn die besagten Eltern so viel Geld locker haben, dass sie ganze Schulen mit hocheffizienten Luftfilteranlagen in den Klassenzimmern ausstatten können, dann sollte doch auch eine simple Klage an einem regionalen Gericht (ich vermute mal nicht, dass man dafür gleich das Verfassungsgericht anrufen muss; ist aber zugegebenermaßen eine Laienmeinung) noch drin sein, um überprüfen zu lassen, ob auf der Basis der vorgenommenen Ausstattung eine Ausnahme von der generell geltenden Regelung statthaft ist.

Dass man jetzt aber nicht jedem Hinz und Kunz, der herkommt und behauptet, er habe „etwas getan“, um irgendwas temporär eingeschränktes „wieder vertretbar“ zu machen, einfach die Blanko-Ausnahme genehmigt, ohne dass irgendwer eine konkrete Prüfung der Zustände und eine Abwägung der Rechtsgüter gegeneinander vorgenommen hat sollte irgendwie verständlich sein. Denn sonst kommt halt auch die Konzerthalle nebenan her, stellt in eine Ecke einen Luftfilter, deklariert sich für „Corona-tauglich“ und lädt tausend Leute zum Konzert.

Ist doch super, wenn dem so ist, dann müsste Dortmund ja eine signifikant niedrigere Inzidenz - kraft seiner überragenden Tracing-Fähigkeiten - haben als alle anderen Kreise drumherum. Haben sie aber nicht. Komisch. Also entweder stimmt die Aussage nicht, dass sie das können, oder sie können es, aber der Einfluss dieser Fähigkeit auf die Virusverbreitung ist sehr begrenzt.

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Erstens ist Dortmund nicht die einzige Stadt (siehe: https://www1.wdr.de/nachrichten/themen/coronavirus/umfrage-gesundheitsaemter-kontaktverfolgung-digitalisierung-100.html) und zweitens heißt Nachverfolgung ja nicht automatisch niedrigere Fallzahlen. Denn das gilt nur, wenn Infizierte sich a) überhaupt beim Gesundheitsamt melden, b) auch tatsächlich all ihre Kontakte angeben und c) sich alle Betroffenen auch an die verordnete Quarantäne halten - das Zauberwort lautet also auch hier: Compliance.

Solche Apps (mir bisher bekannt sind Barcov und Luca) haben m. E. einen ganz anderen Zweck, nämlich sich mit den eigenen Kontaktdaten an einem konkreten physischen Ort zu registrieren - also sozusagen eine Vereinfachung gegnüber der bis Oktober praktizierten Zettelwirtschaft. Unsinnig ist natürlich, dass es gleich mehrere solcher Apps gibt - aber ich wüsste nicht, wie sich das mit der CWA realisieren lassen sollte.

Und wie ist das mit der An- bzw Abreise geregelt? Da hilft keine App. Da treffen Leute, die dieses Event besucht haben, plötzlich wieder auf Unbeteiligte (ich sage nur ÖPNV). Wollen Sie den verbieten? Und was ist am Tag danach, wo sich dann die Leute, die am Event teilgenommen haben und potentiell ansteckend sind unter den rest der Bevölkerung mischen. Verplichtend Schnelltest machen lassen für die 3-4 Tage danach? Wer zahlt das? Wer macht das?

Linus Neumann im Logbuch Netzpolitik schien es durchaus plausibel rübergebracht zu haben dass das möglich ist.
Muss nochmal die Folge dazu raussuchen.
QR Code am Eingang scannen oder so als Checkin für die Veranstaltung.

Dann nehme ich das zurück - der hat ja im Gegensatz zu mir Ahnung von sowas. Allerdings könnte es auch ein Vorteil sein, das über eine andere App zu machen, aber das wird langsam wirklich OT.

Da jeder, der offiziell als Infizierter geführt wird, qua Gesetz vom Labor, das die Infektion feststellt, ans Gesundheitsamt gemeldet werden muss (SARS-CoV-2 ist immer noch meldepflichtig), müssen sich Infizierte für eine Nachverfolgung überhaupt nicht beim Gesundheitsamt melden. Das Gesundheitsamt muss sich bei den Infizierten melden.

Der Job, das aus ihnen herauszukitzeln, ist genau das, was als Kontaktverfolgung bezeichnet wird. Wenn das Gesundheitsamt dies nicht hinbekommt, findet effektiv keine Kontaktverfolgung statt. Das mag im Einzelfall nicht Schuld des Gesundheitsamtes sein, wenn jemand absichtlich Kontakte unterschlägt, die Schuldfrage ist aber irrelevant, wenn es darum geht, ob ein Amt für in der Lage befunden wird, die Kontakte von x Leuten nachzuverfolgen. Dafür relevant ist einzig das Ergebnis, nämlich ob die tatsächlich vorhandenen Kontakte der Personen nachverfolgt worden sind oder nicht. Ein Amt, das die Leute hierbei zu vollständigeren Angaben motiviert bekommt, ist darin nun mal objektiv besser als eines, das die Frage nach den Kontakten vielleicht nur beiläufig stellt und damit, oh Wunder, superschnell mit jedem Infizierten fertig ist und irrsinnig viele Kontaktnachverfolgungen pro Woche durchbekommt.

Na gut, den Punkt muss ich dir geben, immerhin ist die Überprüfung der Quarantäneeinhaltung eher der Job der Polizei und nicht des Gesundheitsamtes (wenngleich das zumindest die Polizei auf eine solche Überprüfung ansetzen könnte…).
Allerdings sagte ich ja auch:

…und fehlende Compliance in der Bevölkerung sowie daraus resultierende Infektionen trotz zuvor erfolgter korrekter und ausreichend schneller Kontaktverfolgung fällt haargenau in diese Kategorie. Letztlich ist es nämlich egal, aus welchem Grund in einer konkreten Stadt die Kontaktnachverfolgung nicht in der Lage ist, die Infektionszahlen zu drücken, ob das an Fehlern des Gesundheitsamtes oder der Polizei oder der Labore oder der Bürger oder sonstwem in der Kette liegt - wenn’s keinen Effekt hat, ist’s halt nicht qualifiziert als „Lösung“ oder auch nur Beitrag für die Bekämpfung der Pandemie, was die ursprüngliche Argumentation hinter der Dortmund-Aussage war.

Ich habe nur ein paar Bedingungen genannt, um die Rolle der Compliance zu betonen. Dass auch seitens der Gesundheitsämter einiges verbessert werden kann, steht außer Frage. Ich wollte nur der Vorstellung widersprechen, dass die Gesundheitsämter ab einer bestimmten Inzidenz „wieder in der Lage sind, Kontakte nachzuverfolgen“ wie es seit Monaten gebetsmühlenartig wiederholt wird. Die Kriterien sind andere und bei einigen klappt es bei einer 200er-Inzidenz genau so gut oder schlecht wie bei anderen mit einer 10er-Inzidenz. Der Punkt von @Daniel2 war aber m. E. eher, dass Alternativen zum Lockdown zu wenig gedacht werden und das eine davon durchaus die Kontaktnachverfolgung sein könnte (unter den gegebenen Bedingungen). Daher geht sowas natürlich nicht einfach von heute auf morgen.

Deinen Kommentar finde ich erstmal konstruktiv. Ich werde auf einige Punkte eingehen:

Wernn man eine Krise schlecht handhabst wie leider geschehen (du hast weiter unten einiges davon zutreffend beschrieben), dann heisst das nicht, dass man wie auf Schienen weiterhin schlecht managen muss. Im Frühjahr waren Politiker und Bürger so seltsam nationalstolz wegen der besseren Lage hier. Im Sommer haben sie noch besoffen von der besagten Euphorie nicht mehr auf die Wissenschaft gehört und man wollte voller Kurzsicht sich den gewohnten Urlaub nicht verderben (lassen). Anschliessend entbrannte ein Wettbewerb unter den MPn, wer sich am allerbesten für seine Bürger stark macht, in Form von möglichster Aufweichung der Massnahmen.
Und zuletzt der grösste Fehler, die arbeitsfreie und schulfreie Weihnachtszeit nicht zu nutzen, um eben Weihnachten und Neujahr dieses Mal im Wesentlichen ausfallen zu lassen. Und alle Fehlentscheidungen waren begleitet von einer Kommunikation, die nur beschwichtigen sollte und die kaum Aufklärung über die tatsächliche Lage und Notwendigkeiten enthielt, und vor allem keine Optionen, die von den Leuten hätten diskutiert werden können. Wer den Drosten-Podcast nicht hört, hätte über den Umweg der von Drosten und anderen Virologen beratenen Politiker die Wahrheit vermittelt bekommen MÜSSEN. Gut, das ist meine Fehleranalyse, die von deiner nicht so weit entfernt ist.

Die Motivation der Leute wird sich natürlich nicht verbessern, eher verschlechtern, wenn so weiter gestümpert wird. Da sind wir noch beisammen. Aber: man kann den denkbar schlechtesten Kurs korrigieren. Unsere Politiker sind keine Idioten. Sie haben schon was gelernt und Ramelow gibt sogar seine Fehler zu. Es besteht hier also Hoffnung. Ich weiss aus vielen persönlichen Erfahrungen, wie in einer verfahrenen Lage plötzlich eine Idee hochkommt und die vorher hoffnungslosen und letargischen Leute wie umgewandelt sind und anpacken. Das ist simple Alltagspsychologie und Gruppendynamik. Sollten also unsere Politiker diese Einsicht haben (haben sie vielleicht, aber schlimmer ist möglicherweise die Vorstellung, Wahlen wegen Transparenz zu verlieren), ist die Wende möglich. Dazu würde ich die besten Kommunikationsprofis des Landes für ein paar Zigmillionen anheuern. Gleichzeitig müsste man den Mut haben, Verstösse (siehe AUS) mit drakonischen Geldstrafen zu unterbinden. (Ist überhaupt ein Thema, mit welch lächerlichen Geldstrafen hierzulande wirklich sehr schädliche Vergehen geahndet werden).

Fazit: du hast deinen Punkt der Skepsis, dass sich nichts ändern wird, ich dagegen habe meinen Punkt, dass sich durchaus etwas ändern kann, irgendwann sogar muss. Bin ich hiermit auf dein Argument eingegangen? Ich denke doch schon, nur finde ich dein Argument weniger plausibel als meins.

Wissen wir das? Woher? Covid ist nicht Steuergesetzgebung. Aber ich gebe zu, es wäre schwierig, vielleicht europaweit so nicht zu machen wie es in der Petition gefordert wird. Aber, ich stelle mir vor, ein EU-Land würde diese Strategie tatsächlich radikal umsetzen und in wenigen Wochen bei Inzidenz 10 sein. Glaubst du, die anderen schauen dann zu? ME hätte das eine Sogwirkung, die ein ums andere Land mitreissen würde. Der nationale Neid könnte hier mal segensreich sein.

Habe ich schon gesagt und gebe nochmal zu, dass das ein bedeutender Nachteil gegenüber Insellagen ist. 200 Tage würde es nicht dauern, wenn Drosten richtig gerechnet hat. Beruflich Reisende müssen mit Quarantäne kontrolliert werden. Wenn es nur Pendler sind, die über die Grenze müssen (zu lebenswichtigen Arbeitsstätten wohlgemerkt) und nicht Tagesausflügler und Touristen, dann sollte das handhabbar sein mit guter Organisation. (Ein in Madrid Studierender hat hier berichtet, wie er bei seinen Grenzübertritten in Spanien genau kontrolliert wurde und in DE gar nicht - so viel Luft hätten wir nach oben!). Drosten sagte (vielleicht gilt das jetzt nicht mehr), dass die strikte Einhaltung der jetzigen Regeln schon beinahe ZeroCovid-Niveau hätte.

Das Infektonsgeschehen gleicht sich immer mehr an. Das Virus ist inzwischen überall. Gleiche Massnahmen für das ganze Land würde die Handhabung vereinfachen. Die Differenzierung war ja Teil des Problems, und durch den Reiseverkehr wurde effektiv verteilt.

Richtig, habe ich schon gesagt. Und was ich dazu gesagt habe: Je länger das dauert, umso schwerwiegender die Grundrechtseinschränkung und alle Beschneidung der Freizügigkeiten in EU. Deshalb doch ZeroCovid als Ziel, das doch jede Firma, jeder Urlauber, jeder Familienbesucher heiss ersehnen müsste. Aber es braucht den Zündfunken, zu dem bis jetzt niemand den Mumm hat in der ganzen EU.

Da sagst du es selbst: Und nicht 200 oder 500 Tage. Ausserdem wie schon gesagt, haben es die Australier auch nicht optimal hinbekommen, halt sehr viel besser als wir. Wir können sogar auf die dortigen Erfahrungen aufbauen und es richtig gut machen.

Weiss man die Anteile so genau? Der Wettbewerb der Regionen war wohl in Neuseeland, die werden halt wirklich die besagten Kommunikationsprofis eingesetzt haben.

Das glaube ich auch, und habe diese Ansicht nicht vertreten.

Wie kommst du darauf?

Nach 100 Tagen wären wir laut Drosten bei nahe Null, das heisst, jedes Cluster würde bei entsprechender Organisation sofort isoliert werden können, somit wäre der Lockdown in der Form vorbei. Käme darauf an, wie es in den Nachbarstaaten aussähe in Hinblick auf allgemeine Grenzöffnung.

Du tust, als wäre das von mir. Ich meinte einen Ruck, der genug Leute erfasst, die es bekanntlich für einen Kipppunkt in einer Gruppe (ob klein oder gross) braucht. Um den auszulösen, braucht es Phantasie (Kommunikation der Profis) und Zutrauen zur Bevölkerung (von seiten der Politik). Das habe ich in meinem ersten Beitrag ein wenig zu alleine stehen lassen.

Die, die glauben, Regeln sind für die Luschen und also zum Unterlaufen da, müssen wenigstens für kurze Zeit hart angefasst werden. (Der Sohn eines Bekannten hat mit 8 Kumpel Sylvester gefeiert, 6 wurden krank, und z.T. deren Familien. Er hätte es nicht getan, wenn es 10.000 Euro gekostet hätte. So einfach wäre das).

Zum Schluss. Ich konnte dir in keinem Punkt wirklich das bessere Argument lassen. Eigentlich trennen sich unsere Denkansätze an einem frühen Punkt und alles danach kann dann nicht mehr zusammenkommen. Du glaubst nicht, dass Menschen zu einer ggf. scharfen Verhaltenskorrektur bereit oder fähig sind, während ich genau das für möglich und bei guten Bedingungen für sehr wahrscheinlich halte, sogar und vielleicht besonder, wenn die Vorgeschichte deprimierend und lähmend war.

Wir werden nicht zusammen kommen fürchte ich. Ich bedanke mich aber schon mal für die in diesem deinen Beitrag sachliche und (fast) nicht polemische Argumentation. Vielleicht ist mir auch mal was ausgerutscht, dann sind wir quitt aus meiner Sicht.

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Danke für Deine ausführliche Antwort.

Völlig d’accord. Die Frage ist nur, wie immer in diesem Thread, wie realtistisch das ist. Du schreibst viel darüber was unter bestimmten Bedingungen theoretisch möglich wäre, aber wenig darüber, wie diese Bedingungen erfüllt werden sollen und warum man annehmen sollte, dass das auch passiert.

Vielleicht ist das ein grundlegendes Missverständnis: Die Frage, ob ein bestimmtes Ziel (hier Zero Covid) wünschenswert oder gar dringend erforderlich ist, hat erst mal nichts zu tun mit der Frage, ob es auch realistisch ist, ob dieses Ziel auch tatsächlich realisierbar ist. Für letztere Frage sind „würde“, „könnte“, „müsste“ und „sollte“ aus meiner Sicht wenig hilfreich.

Zero Covid funktioniert aber nicht, wenn Einzelne oder ein bestimmter Anteil der Bevölkerung commitet ist, sondern nur, wenn dies alle sind. Und da es nicht nur jede Menge lethargische Menschen gibt, sondern auch zahllose frustrierte, depressive, gleichgültige, uninformierte, verblendete, ignorante, hedonistische und egozentrische finde ich diese vage Hoffnung zu wenig, um daraus abzuleiten, dass Zero Covid realistisch ist.

Du sagst selber, dass ein einheitliches Vorgehen in der EU unrealistisch ist. Da hilft es auch nichts, sich das zu wünschen - denn nichts anderes sagst Du. Jede Person, die sich etwas eingehender mit EU-Politik beschäftigt hat, weiß, wie langwierig und kompromisshaft europäische Regelungen in nahezu allen Politikbereichen sind. Warum sollte dies ausgerechnet im Bereich der Gesundheitspolitik, in dem es so gut wie keine Harmonisierung auf EU-Ebene gibt, anders sein? Ohne eine EU-weit harmonisierte Umsetzung müssen aber die Grenzen radikal und für einen längeren Zeitraum geschlossen werden - ansonsten hat Zero Covid nichts mehr mit dem zu tun, was in Australien oder Neuseeland praktiziert wurde/wird.

Auch bei der Dauer finde ich bringt Wunschdenken wenig. Es geht ja bei Zero Covid nicht nur darum, die Zahlen einmal runterzubringen (dazu später mehr). Schon bei diesem Punkt bin ich sicherlich nicht der Einzige, der spätestens seit dem peinlichen „Irland-Papier“ der Leopoldina und der Rede vom „Wellenbrecher-Lockdown“ im November nicht mehr alle Rechnungen von Drosten & Co. für bare Münze nimmt. Und die „drei Wochen“, die mal in Zero Covid-Kreisen genannt wurden, sind einfach nur lächerlich.

Das mit der Angleichung stimmt einfach nicht. Du hast bei den Landkreis-Meldeinzidenzen in Deutschland Stand heute eine Bandbreite zwischen 15 und 359. Deutschland (oder auch nur ein Bundesland) nach einer einheitlichen Meldeinzidenz zu behandeln, hieße konkret: Auch wenn ein Landkreis schon seit Wochen oder Monaten unter 10 ist, würde nichts gelockert, sobald es irgendwo 200 km weiter einen Ausbruch gibt. Ich glaube nicht, dass das von der Mehrheit der Menschen akzeptiert wird. Sprich: Wenn Zero Covid klappen soll, muss die Meldeinzidenz in kleineren Einheiten als der gesamten BRD bewertet werden. Dann aber habe ich das beschriebene Problem der Binnengrenzen, auf das Du m. E. noch nicht adäquat reagiert hast.

Bei Dir klingt es so, als hieße Zero Covid einmal die Zahlen runterbringen und alles ist gut. Aber das heißt es nicht. Denn entweder gibt es eine radikale Abschottung nach außen und strikte Kontrollen im Innern oder es gibt immer wieder Ausbrüche und damit entsprechend verlängerte Maßnahmen. Keine der beiden Varianten ist ohne langfristige Einschränkungen von Grundrechten möglich. In Australien hast Du trotz de facto geschlossener Grenzen gerade zu über 90% eingeschleppte Fälle. Wie soll das ausgerechnet in dem europäischen Transitland Deutschland besser sein? Meinst Du etwa, die testen an den Flughäfen in Australien nicht?

Nochmal: Die über 100 Tage Lockdown in Victoria begannen bei einer Inzidenz von 10. Selbst wenn wir Zero Covid sofort überall beschließen würden, wären wir da vermutlich frühestens im April. Also April plus 100 Tage - plus die Zeit, die oben drauf kommt, weil Deutschland eben keine Insel und Teil der EU ist. Plus die Zeit, in der man durch andere Maßnahmen als einen Lockdown Grundrechte einschränken muss, um die Zahlen so niedrig zu halten. Da bin ich aber sehr schnell über 200. Faktisch bedeutet das: Massive Einschränkungen so lange, bis die Impfungen irgendwann einen epidemioligischen Effekt haben. Das klingt schon etwas anders als „kurz die Zähne zusammenbeißen und dann ist es vorbei“.

Lies doch die entsprechenden Berichte hier im Thread. Was soll diese rhetorische Frage?

Nein, ich habe Argumente pro und contra Realisierbarkeit aus diesem Thread zusammengefasst. Erst danach beziehe ich mich auf Deine Argumente. Bitte genau(er) lesen!

Du setzt also selbst nicht nur auf Motivation, sondern zumindest auch auf die abschreckende Wirkung härterer Strafen. Ich bin mir nicht sicher, ob sich das in der momentanen Situation allgemeiner Pandemiemüdigkeit nicht gegenseitig widerspricht. „Ich lade dich herzlich ein, aber wenn du nicht mitziehst, brate ich dir eins über“ ist m. E. keine so tolle positive Motivation.

Da haben wir ja mal was gemeinsam :slight_smile:

Nein, ich finde es nur grundsätzlich naiv und verkehrt, ein solch komplexes Unterfangen wie Zero Covid auf indivduelles Verhalten zu reduzieren. Und ja, meine Einwände beziehen sich auf existierende individuelle, gesellschaftliche, politische und rechtliche Muster und Strukturen, von denen ich nicht glaube, dass sie sich plötzlich massenhaft und dauerhaft ändern. Und ja, ich glaube, dass der bisherige Umgang mit der Pandemie eine prägende Wirkung hatte - in allerlei Kontexten - und dass diese nicht einfach nur einen Fingerschnips beendet sein wird.

Das denke ich auch nicht. Aber mir geht es hier ehrlich gesagt auch nicht, darum, Dich zu überzeugen, sondern um den Austausch von Argumenten.

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Die Corona Warn App ist meines Erachtens aber nicht ausgereift (vielleicht aus datenschutzrechtlichen Gründen).

Was sie nicht kann (anders als beispielsweise die App der britischen NHS) ist, dass man sich in einem Restaurant per QR Code in einem Restaurant oder Kino registriert, bevor man es betritt. Das Ganze sollte auch nur als Beispiel dienen, um aufzuzeigen, dass es kreative Lösungen in der Gesellschaft gibt, die staatlicherseits aber nicht aufgegriffen werden.

Also ich finde selbst das beschriebene australische Szenario gruselig und mit unseren Werten hierzulande nicht vereinbar. Ich habe in den letzten Tagen nochmal alle Argumente abgewogen und bin zu dem Schluss gekommen, dass wir die Idee der Solidarität neu denken müssen und nicht nur solidarisch sein müssen mit den durch Covid gefährdeten Menschen (ja ich weiß, es sind nicht nur Ältere!), sondern auch mit all denen, die massiv unter dem Lockdown leiden (zu denen ich zum Glück selbst nicht gehöre!). Deshalb habe ich diesen Text geschrieben, den ich auch als Petition eingereicht habe. Eure Gegenargumente und Kommentare würden mich interessieren:

Lockdown beenden – wir brauchen eine intelligentere, sozial verträglichere und demokratisch besser legitimierte Strategie!**

Der Lockdown zerstört mühsam aufgebaute Existenzen, macht Menschen psychisch krank –- und kostet Leben. Nach mehreren Monaten kommt irgendwann zwangsläufig der Punkt, an dem er mehr Schaden als Nutzen bringt – vor allem für junge Menschen, für sozial Schwache, für Selbständige, um nur einige besonders hart getroffene Gruppen zu nennen. Trotz der Notwendigkeit von drastischen Maßnahmen gegen Covid-19 und obwohl stets ein funktionierendes Gesundheitssystem höchste Priorität genießen muss ­– die Angst vor dem „Bergamo-Szenario“ in deutschen Krankenhäusern darf nicht dafür sorgen, dass wir alle anderen kaum abzuschätzenden (Gesundheits-) Risiken unterschätzen. Ein Lockdown sollte maximal einige Woche, nicht aber viele Monate dauern!

Der harte Lockdown inklusive Schulschließungen und massive Eingriffe in die Grundrechte, teilweise sogar mit Ausgangssperren, sind nicht so effizient wie erhofft und deshalb dringend zu hinterfragen. In Ländern wie Frankreich sind die Zahlen trotz Lockdown auf einem relativ hohen Niveau.

Wie eine Inzidenz unter 50 pro 100000 Einwohnern in Deutschland erreicht und dann noch gehalten werden soll, bleibt zudem unrealistisch, wie Expert:innen wie der Epidemiologe Klaus Stöhr zu bedenken geben. Ein solcher Ansatz (teilweise werden noch realitätsfernere Ziele gefordert!) ist mit unserem freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsmodell nicht in Einklang zu bringen. Sowohl ein unkontrolliertes Öffnen aller Bereiche als auch ein echter Lockdown nach asiatischem Vorbild sind beides verantwortungslose Ansätze – wir brauchen daher einen intelligenten Mittelweg für Deutschland und Europa. Kein ZeroCovid, sondern SmartCovid!

Die Strategie, flächendeckend das komplette Infektionsgeschehen durch die Gesundheitsämter nachverfolgen zu wollen, ist gescheitert! Zumindest im Winter ist dies unrealistisch und man sollte sich lieber auf bestimmte Gruppen und Cluster beschränken.

Wir fordern einen Strategiewechsel, der nachhaltiger ausgelegt ist und Maßnahmen anwendet, die effizient und für die Bevölkerung langfristiger auszuhalten sind: zum Beispiel deutlich mehr Schnelltests, strengere Einhaltung von Mindestabständen und die Überprüfung von effizienten Hygienekonzepten. Eine solche smarte Lockerung könnte der Bevölkerung einen psychologischen Anreiz geben, sich disziplinierter an weniger, aber dafür gezieltere und verträglichere Maßnahmen zu halten. Wer die vereinbarten Regeln konsequent umsetzt, sollte im Rahmen des Möglichen und bis auf wenige Ausnahmen (!) demnächst wieder seiner Arbeit nachgehen dürfen.

Zudem müssen die versprochenen finanziellen Hilfen für diejenigen, die de facto mit einem Berufsverbot belegt wurden, endlich vollständig ausgezahlt werden. Bei vielen kommt die existenzielle Stütze nach wie vor nicht oder unzureichend an! Wenn schon ganze Sektoren für die Pandemiebekämpfung „geopfert“ werden, kann es nicht sein, sich ihnen gegenüber unsolidarisch zu verhalten und sie verhungern (oder ihre mühsam ersparte Altersvorsorge aufbrauchen) zu lassen!

Außerdem muss in den Parlamenten kontroverser über die schwierigen Abwägungen zwischen den Schäden durch die Pandemie selbst und, auf der anderen Seite, durch die Folgeschäden der Maßnahmen debattiert werden. Wie Heribert Prantl schreibt, die deutsche Rechtsordnung sieht kein „Konzil“ der Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin vor!

Wer die Petition unterstützen will: Petition · Für eine solidarischere und demokratischere Corona-Strategie ohne Lockdown! · Change.org

https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-morgenecho-interview/audio-er-inzidenz-lenkt-von-eigentlichen-prioritaeten-ab-100.html

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Der Weg in eine virenfreie Gesellschaft

Was ist uns der Schutz des Lebens wert? Wie weit gehen wir als Gesellschaft, um ein Leben, ganz gleich wie alt es sein mag, zu schützen? In der Corona Pandemie scheint hier kein Weg zu weit und kein Preis zu hoch zu sein. Das Leben ist ein hohes und vielleicht auch das höchste Gut. Auch der Volksmund sagt hier, ohne Leben ist alles nichts.

Bei näherer Betrachtung scheint die Sache jedoch nicht so einfach zu sein. In verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen stellt das menschliche Leben ein Gut unter vielen dar. Beispiele hierzu wären Verkehr, Konsum, Ernährung und Kriminalität. Wir könnten all die tausenden Toten in diesen Bereichen drastisch reduzieren. Die Lebensmittelhersteller könnte die Politik dazu verpflichten, weniger Zucker zu verwenden. Man könnte Alkohol verbieten oder den Verkauf stark reglementieren. Man könnte deutschlandweit Tempo 30 in Innenstädten und Tempo 70 auf Landstraßen einführen. Man könnte auch jeden und wirklich jeden öffentlichen Platz mit Kameras überwachen oder auch die Bürger*innen dazu verpflichten, eine Bewegungs-App zu installieren. Mit diesen Maßnahmen würde man Menschenleben retten.

Der Preis dafür wäre jedoch eine Aufgabe von Freiheit in Bereichen der Mobilität, der Anonymität und des selbstbestimmten Lebens. Das Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit wird und muss in einer liberalen Demokratie jeden Tag kontrovers diskutiert und immer wieder neu austariert werden. Und dieser Prozess findet in der Corona Debatte kaum statt. Dies ist umso problematischer, da wir in der Pandemie die Gesundheit oder die Bildungsbiographie der einen Gruppe gefährden um andere vulnerable Gruppen zu schützen. Da finanzielles, kulturelles und soziales Kapital gesellschaftlich ungleich verteilt sind, sind dementsprechend die Kosten auch ungleich verteilt. Homeschooling der Kinder und Homeoffice der Eltern lassen sich auf 120 Quadratmeter leichter organisieren als auf 80. Man kann das alles zum Schutz der Bevölkerung wollen, aber man sollte den gezahlten Preis kennen und benennen.

Diktaturen und autokratische Regime schränken die Grundrechte ihrer Bürger*innen übrigens offiziell immer aus denselben Gründen ein. Die Rechtfertigung der Grundrechtseinschränkung lauten Sicherheit und Schutz. „Liebes Volk, ich schütze Dich. Ich schütze Dich vor Terrorismus, Zuwanderung, Kriminalität, Arbeitslosigkeit oder Viren. All das ist schlimm und gefährlich und wenn jemand anderes die Macht hat, wer soll Dich noch beschützen? Willst du Freiheit, so gibt es Tote. Willst du das wirklich?“

So oder so ähnlich geht Totalitarismus-Rhetorik. Das Leben wird als unverhandelbares Gut an oberste Stelle gestellt um somit jeden Eingriff in die Freiheit des Bürgers/der Bürgerin oder einen an einer gesellschaftlichen Gruppe verursachten Schaden zu rechtfertigen. Die aktuelle Kampagne der CDU-Baden-Württemberg ist hier ein besonders irritierendes Beispiel. Rhetorisch wird gefragt „Wollen wir nicht alle beschützt werden“? Wer braucht schon Grundrechte, wenn er den Schutz der Politik bekommt?

Auch das kann man alles wollen. Aber man sollte nicht so naiv sein zu glauben, dass man als Bürger*in die absolute Freiheit und gleichzeitig den totalen Schutz bekommt. Denn schlussendlich weiß eine demokratische und liberale Gesellschaft, dass sie für Freiheit und Grundrechte Opfer bringen muss. Doch seit Corona scheinen wir Opfer plötzlich nicht mehr in Kauf nehmen zu wollen. In einer Demokratie kann das Leben jedoch nicht ein unverhandelbares Gut sein, dem sich alles unterzuordnen hat. Grundrechte stehen nicht, wie Heribert Prantl es sagt, unter einem pandemischen Vorbehalt. Denn am Ende hat jeder Grundrechtseinschnitt zum Schutz der Bevölkerung immer etwas Totalitäres.

Jakob Augstein formulierte es in seiner Wochenzeitung Der Freitag sehr treffend: „Virologen und Epidemiologen können uns den Weg in eine virenfreie Gesellschaft zeigen. Die Frage ist nur, ob wir das wollen.“

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Nein leider hat Augstein das nicht treffend formuliert (das schafft er meiner Meinung nach ohnehin eher selten). Es geht nicht im eine „virenfreie“ Gesellschaft, sondern um den Schutz von Leben und Gesundheit von möglichst vielen Menschen. Ihr Text liest sich wie eine Aneinanderreihung von coronaskeptischen Einwänden gegen die herrschenden Einschränkungen.

Die „virenfreie Gesellschaft“ ist selbstverständlich nur eine Metapher. Sie steht für den Schutz von Leben und Gesundheit von möglichst vielen Menschen ohne sich darum zu scheren welchen Schaden eine andere Gruppe der Gesellschaft nimmt, die vielleicht sogar genau so groß ist. Augstein kritisiert hier die eindimensionale Betrachtung (eben die virologische) auf die Corona Pandemie. Ich denke nicht, dass er hier wörtlich genommen werden wollte.

Machen wir’s kurz:

Warum ist es möglich, dass in den USA Zuschauer im Stadion sind, in Brasilien Menschen unbeschwert am Strand liegen – und wir können nicht mal ins Restaurant oder zum Frisör!?

Die haben keine geringeren Zahlen, nicht effektivere Maßnahmen, das aggressivere Virus – und doch gehts.
Aber wir verbringen jetzt ein Jahr in typisch deutscher „Selbstkasteiung“, stellen unser Leben auf den Kopf, ordnen alles dem Virus unter - während weite Teile der Welt „Weiterleben“.

Da sage ich auch: Schluss damit! Lasst uns (weiter)leben! Ich will auch weiterleben – nicht Kollektiv sediert dahinsiechen.

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Nur weil andere sich dem Risiko aussetzen müssen wir uns hier nicht mehr Tote einhandeln als notwendig bis wir mit Impfungen hinterher kommen.
Willst du das Gleiche haben wie in Portugal mit Triagezelten und Bundeswehr als Helfer weil es nicht mehr zu bändigen ist, nur damit du ein schöneres Leben hast? Ich nicht.

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@Eis verstehe deine Meinung und auch ich will nicht mehr Tote „als notwendig“ wie du so schön schreibst.

Nur die Definition von „notwendig“ ist denke ich eine, für die in unserer Gesellschaft noch kein Konsens gefunden wurde - auch mangels offener Diskussion und Auseinandersetzung damit, weil man medial immer „vertröstet“ wird erst mit Sommer, dann mit Impfstoff…

Anstatt mal zu proaktiv zu diskutieren wie viele Lockdowns, Wellen, Mutanten, Zottelfrisuren, verhagelte Urlaube wir bereit sind aus Solidarität „zu ertragen“ bis wir sagen - „genug ist genug, wir haben es intensiv versucht, aber wir haben es nicht geschafft - und jetzt geht es endlich auch wieder normal weiter“.

Ich wäre z.B. total dafür zu diskutieren - nochmal so ein Virus - machen wir das dann wieder so? Diese Solidarität? Dieser Kraftakt? Dieser Verzicht? Ja? Nein? Ja, aber maximal für 2 Lockdowns? Ist ja alles denkbar - und eben überhaupt nicht so „alternativlos“ wie häufig dargestellt.

Zur Wahrheit gehört natürlich auch, dass ein ehemaliger deutscher Finanzminister die ach so tolle deutsche Sparsamkeit anderen europ. Ländern wie Portugal aufgezwungen hat. Daraufhin wurde das Gesundheitssystem kaputt gespart und die Auswirkungen sehen wir ja jetzt. Die schwäbische Hausfrau im Sensenmannkostüm. Gibts hier in der Community einen Karikaturisten. Da könnte man bestimmt was draus machen :slight_smile:

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