Woran scheitert der globale Klimaschutz?

Jeder Einschnitt in unseren Alltag, der schmerzt und schwierig ist - egal ob finanzielle Belastung durch Heizung oder störende Proteste - erregt Ärger und Unwillen und es ist leicht, dann Schuldige zu suchen, auf die man all seinen Ärger und Frust, aber vor allem seine Angst projizieren kann.

Wir müssen aufgerüttelt werden, damit sich schnell etwas ändern kann.

Ich frage mich manchmal, ob sich alle bei blockierenden Traktoren in Berlin genauso aufregen, aber das nur am Rande.

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Aber wir kommen vom Thema dieses Threads ab. Hier sollte es um den globalen Klimaschutz gehen.

Naja, die Mehrheit der Bevölkerung wäre wohl auch gegen das Zahlen der Steuern und würde das Geld lieber behalten. Diejenigen besserverdienenden Deutschen, wie Hoeneß, Zumwinkel usw., die ja dann auch die Möglichkeit zum Steuerhinterziehen haben, sind da eindeutige Indizien.
Aber Steuern zu bezahlen muss einfach sein, sonst bröselt unser Staat schlicht weg.

Und genauso ist es jetzt halt mit dem Klimaschutz, wenn wir dafür nicht langsam bereit sind, finanzielle Abstriche zu machen, dann bröselt uns halt unser Klima weg.

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Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich.

Ja, und in anderen Ländern sieht es ja ähnlich aus, siehe Gelbwesten.
Die US-Amerikaner würden eher ihre Regierung stürzen, als auf ihre Pickup-Trucks zu verzichten.

Und so weiter.

Ach ja, die Franzosen. Sie ticken kulturell anders als wir Deutschen (obwohl das jetzt unzulässig generalisiert ist).

Was mich viel mehr interessiert: dein Vorschlag? Nichts tun?

Habe mir gerade ein Panel von Germanwatch angehört mit Personen, die in Frankreich, Polen und Deutschland aktiv im Politikbetrieb die klimafreundliche Mobilität vorantreiben. Es passiert eben doch mehr, als wir manchmal glauben.

Ohne Steuereinnahmen, die in Strasen-Ausbesserung gesteckt werden, gäbe es bald keinen Güterverkehr mehr mit LKW.

Ohne Klimaschutz gibt es bald keine Fahrrinnen mehr für Binnenschiffer.

Natur ist auch Infrastruktur.

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Eigentlich ist das eine gute Entwicklung. Lieber verlegen Leute ihren Protest aufs Wochenende oder nehmen sich dafür frei, statt Freitags die Schule zu schwänzen. Bildung ist wichtig.
Nur um daran zu erinnern, dass FFF nur deswegen jetzt als positives Vorbild heraufgezerrt werden, weil es Leute gibt, die noch mehr nerven.
Darum kann ich die Kritik auch nicht ernst nehmen.

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Um eines vorab zu sagen: ich stelle weder den negativen Einfluss des Menschen auf das Klima noch die Klimakrise selbst in Frage. Aus meiner Sicht müssen alle relevanten Nationen (= große Emittenten) abgestimmt, koordiniert handeln - radikale Maßnahmen hingegen sind nicht zielführend. Wie an anderer Stelle in diesem Forum bereits geschrieben: ich war in Europa und den USA tätig, in der chemischen Industrie - immer im Wettbewerb zu asiatischer und zunehmend indischer Konkurrenz. Auch wenn es (fast) überall Bestrebungen gibt, Energie einzusparen, auf modernere Produktionsverfahren zu setzen und Treibhausgase zu vermeiden, so entscheidet dort sehr oft die Wirtschaftlichkeit einzelner Prozesse, ob klimaschonende Maßnahmen umgesetzt werden, oder nicht. Daher setze ich mich hier und in anderen Foreneinträgen sehr dafür ein, dass Deutschland bei allem Engagement für den Klimaschutz die Wirtschaftlichkeit und letztlich das Überleben der energieintensiven und im internationalen Wettbewerb stehenden Industrien (vor allem die chemische Industrie) nicht aufs Spiel setzt. Wir haben in den letzten Jahren viele Schlüsseltechnologien und auch Basistechnologien wie Chlorierungen und Nitrierungen für Commodities verloren. Das führt dazu, dass wir unsere Industrie schwächen und Kapazitäten verlieren. Damit ist niemandem geholfen - weder uns selbst (wir verlieren unseren Wohlstand) noch dem Klima (denn die Emissionen werden nur verlagert, oft an Orte, an denen man es mit dem Klimaschutz weniger „genau“ nimmt). Es braucht Abstimmung untereinander, Einigkeit und somit Zeit. Sie werden jetzt zwar argumentieren, dass wir keine Zeit haben - aber werden wir uns nehmen müssen.

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Für Industrie-Abwanderung nach China gibt es allgemein verschiedene Gründe. Warum ist die deutschen Klimapolitik (die ja eher eine europäische Klimapolitik ist), da z.B. wichtiger als die beispielsweise die Lohnkosten, die ja auch in den Energiekosten stecken?

Hat eigentlich irgendjemand das oben von @Martin314 zitierte paper gelesen? Ich kann das nur sehr empfehlen - bin aber bisher auch erst zu 2/3 durch. Eine super Recherche und Diskussion. Knapp 200 Quellen finde ich für ein paper auch bemerkenswert.
Sehr interessant fand ich die Überlegung, dass allein die Weiternutzung vorhandener fossiler Infrastruktur bis zum Ende ihrer Lebensdauer das 2° Ziel nicht einhalten würde. Das ist denkwürdig vor dem Hintergrund, dass nicht nur laufend z.B. neue Kohlekraftwerke gebaut werden, sondern die Zubauraten mancher fossiler Infrastruktur (z.B. bei Gas) sogar steigen. Schwer vorstellbar, dass weniger wohlhabende Länder ihre fossile Infrastruktur vor Ende der Lebensdauer stilllegen, wenn wir das noch nicht mal mit unseren alten Öl- und Gasheizungen tun wollen.

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Das liegt daran, dass in Commodities der chemischen Industrie fast keine Lohnkosten mehr stecken. Der Cost-Driver sind dort Energie und Rohstoffe. Ich habe mal eine riesige Anlagen besucht, die beispielweise am Tag Methanol im Wert von über 150.000 € herstellt. Variable Kosten wie Energie (Gas), Edukte (Gas) und Personal machen da in Europa etwa 80 % aus. Das entspricht 120.000 €.

An der Anlage arbeiten in einer Schicht nicht mehr als eine handvoll Leute. 2 Personen an der Anlage, 1 Person in der Leitwarte, 1-2 Personen in der QS (eher weniger). Selbst bei sehr hohen Lohnkosten incl. Zuschlag für Nachtschichten sind das nicht mehr als 5 * 75 €/h * 24h=9000 €, also etwa nur 7,5 % der Gesamtkosten. Selbst wenn wir die Lohnkosten durch Steuersenkungen etwas senken, kommen wir damit nicht ansatzweise in signifikante Bereiche. Für andere Commodities wie Schwefelsäure, Aceton, Essigsäure und ähnliches gilt das gleiche.

Lohnkosten sind eher bei der Batch-Produktion interessant, also vor allem bei komplexeren Intermediaten und Spezialchemikalien. Dort benötige ich viel mehr Personal. Aber die Marge bei solchen Produkten ist höher bis, viel höher. Der Verkaufspreis liegt dort schnell Faktor 10 bis 100 über den eingesetzten Stoffen und der Energie. Damit fallen dann Energie und Lohnkosten im hohen Gewinn nicht mehr so auf. Der Cost-Driver hierfür ist meist die teure und lange Entwicklung dieser Produkte (vor allem Spezialchemikalien).

Das Problem ist, um Intermediate und Spezialchemikalien herzustellen, benötigen wir Commodities. Die werden wegen der hohen Lohn- und Energiekosten in Europa schon heute mehrheitlich in den USA oder Asien hergestellt. Außerhalb der BASF ist das hierzulande kaum profitabel (genug). Und selbst für die BASF lohnt sich das nur noch weil sie eine riesige Verbundanlage geschaffen haben. Damit können sie ihre Spezialchemikalienproduktion mit den selbst hergestellten Commodities bedienen und sind so etwas gegen Lieferschwierigkeiten abgesichert. Das geht für die BASF aber nur, weil sie die schlechte Marge der Commodities durch Spezialchemikalien subventionieren können.

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Danke erst mal für die ausführliche Antwort. Aber du bist dem letzten Nebensatz meiner Frage ein bisschen ausgewichen.

Mein Argument hier ist, zusammengefasst: Die Lohnkosten stecken in allem.

Im Kohlebergbau müssen Menschen bezahlt werden, beim Transport der Kohle zum Kraftwerk müssen Menschen bezahlt werden, in den Kraftwerken arbeiten Menschen die bezahlt werden müssen und die bekommen in China eben alle die niedrigen chinesischen Löhne.

Und Bergwerke, Gleise und Kraftwerke können in China auch viel billiger gebaut werden, weil die chinesischen Bauarbeiter natürlich auch weniger bekommen, als hierzulande. Dadurch müssen auch weniger Investitionskosten auf die Produkte umgelegt werden, was Kohle und damit Strom wieder billiger macht.

Und bisher hat China den Strompreis reguliert, also den Strompreis künstlich niedrig gehalten, was unter anderem zu Stromanschaltungen auch in Privathaushalten führt:

Wer also fordert, dass in Deutschland bzw. Europa eine so günstige Herstellung von chemischen Grundstoffen wie in China möglich ist, der verlangt, indirekt, dass hier chinesische Löhne gezahlt werden sollen und der Strommarkt staatlich reguliert wird.

Die Alternative wäre ein Klimazoll:

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Empfehlung: Interview mit Reinhard Steurer
https://youtu.be/Vg3KkZkwBcM

Das muss nicht zwangsläufig so sein. Man kann natürlich auch einfach ressourcen- und energieeffizenter arbeiten. Außerdem fallen lange und teure Transportwege weg. Wenn dann auch noch die Resilienz gegen Störungen aufgrund diplomatischer Spannungen steigt, dann ist auch ein etwas höherer Preis darstellbar.

Aber das geht eben nur bis zu einem bestimmten Grad. Möglicherweise muss man die Grundstoffindustrie auch als eine strategische Ressource sehen (so wie seit neuestem die Pharma-Industrie). Und das hieße dann, dass auch Subventionen gerechtfertigt sein können. Ansonsten können wir zwar etliche Produkte hier herstellen, sie aber wegen des hohen Preises global nicht wettbewerbsfähig verkaufen.

Für die Abwanderung der deutschen Chemie seit den späten 90iger Jahren gibt es in der Tat verschiedene Gründe - da haben Sie recht. Meine Aussage bezieht sich auf die heutige und zukünftige Situation. Wenn Sie heute vor einer großen Investitionsentscheidung stehen, spielen natürlich Energiekosten (Danke @pitus für die Darlegung der Situation) eine große Rolle. Wir sind schon jetzt zu den USA und dem asiatischen Raum kaum wettbewerbsfähig. Worauf ich mich aber vor allem beziehe: wir legen in Deutschland aber auch in Europa einen Aktionismus an den Tag, der den Wettbewerbsnachteil gegenüber USA und Asien noch vergrößert. Das betrifft Regularien / Genehmigungen aber auch die bewusste Verknappung der Emissionsrechte. Ich wünschte mir hier - wie oben geschrieben - ein abgestimmtes, gleichzeitiges und von allen Partien (wenigstens G20) akzeptiertes Vorgehen. Nur so agieren alle mit gleichen (vergleichbaren) Rahmenbedingungen und die Produktionskosten bleiben vergleichbar.
Es will niemand wahrhaben - aber große europäische Chemieunternehmen investieren in den vergangenen zwei Jahren vornehmlich im außereuropäischen Ausland. Selbst die durch die Pandemie getriebenen Bestrebungen, Zwischenprodukte für die Arzneimittelproduktion in Europa zu produzieren, geraten ins Stocken. Intermediates werden weiterhin in Asien produziert - mit allen bekannten Nachteilen aus der Corona-Zeit. Großvolumige Zwischenprodukte für die Agroindustrie werden fast ausschließlich in Indien produziert.
Wir selbst als mittelgroßes Chemieunternehmen haben alle relevanten Neuinvestitionen außerhalb Europas getätigt - für die deutsche CO2-Bilanz vielleicht von Vorteil - aber sicher nicht für unseren Wohlstand und auch nicht für unserer Fähigkeit, Kapital zur Bekämpfung der Klimakrise hier zu verdienen. Das wird irgendwann fehlen.
Wir deindustrialisieren unser Land. Wo soll das Geld herkommen, mit dem wir unsere Industrie und unsere Infrastruktur umbauen wollen?

Das ist sehr polemisch und berücksichtigt nicht die Dringlichkeit der CO2-Emissionsverringerung.

Es interessant, dass Sie Menschen, die andere Schwerpunkte setzen, direkt dem Vorwurf der Polemik aussetzen. Ihr Engagement und ihre Bedenken in Bezug auf die Klimakrise in allen Ehren: es gibt auch Menschen in unserer Gesellschaft, die einen anderen Fokus ihres Handels haben. Ich gebe Ihnen ja nicht unrecht, setze nur andere - aus meiner Sicht ebenfalls wichtige - Schwerpunkte. Es ist immer sinnvoll, der anderen Seite zuzuhören und zu verstehen, wie diese denkt (aus keinem anderen Grund bin ich in diesem Forum - ich versuche wenigsten die Argumente derjenigen zu verstehen, die hier eine andere Sicht der Welt haben). Würde Ihnen das Leben leichter machen.
Zum Thema; ja, die Reduktion der Treibhausgase ist wichtig, in mancherlei Hinsicht auch dringend. Aber das Bestreben, die Treibhausgase zu verringern, darf nicht dazu führen, dass wir die Welt und andere gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedürfnisse vollkommen ignorieren. Ansonsten ernten Sie Unverständnis und schlimmstenfalls führt das zu einer Polarisierung unserer Gesellschaft.

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Ich wollte nicht deine Meinung abwerten, sondern der Bezeichnung „Aktionismus“ widersprechen. Zitat Wikipedia: Der Begriff Aktionismus unterstellt betriebsames, unreflektiertes oder zielloses Handeln ohne Konzept

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