Warum ist es Pflicht der Opposition, der AfD den Erfolg nicht zu lassen? Warum war es nicht möglich, dass die Thüringer Regierung zustimmt, um die Stimmen der AFD obsolet zu machen?
Hier kann RRG Oppositionsarbeit komplett verhindern. Entweder die Stimmen reichen nicht oder man kann die Abstimmung diskreditieren.
Man kann also sagen, dass die Thüringer Regierung von der AFD profitiert. Auch eine Art der Zusammenarbeit.
Warum wird hier wild spekuliert, während es doch inzwischen reichlich Analysen dazu gibt, warum die Menschen diese Partei wählen: Das hat mit Protest nichts zu tun, sondern mit rassistischen Einstellungen.
Auch die zweite Hälfte des Satzes macht keinen Sinn: Welche Politik an den Menschen vorbei? Was die Ampel tut, ist bei rationaler Betrachtung im Prinzip vernünftig, wenn auch oft etwas zahnlos. Man muss schon schwer populistisch indoktriniert sein, um damit ein Problem zu haben … und hört man Menschen zu, die die AfD wählen, dann geht es letztlich auch immer nur um „die Ausländer“ oder Klimaschutz.
@DonMaxi: Bitte in Zukunft weniger Bauchgefühl und mehr Fakten, sonst macht die ganze Diskussion hier keinen Sinn.
Ich halte die Bemerkung des OP für relevant. Eine „praktische“ Bekämpfung der AFD auf politischer Ebene durch verschiedene Taktiken in den Parlamenten ect., ist keine Dauerlösung. Im Podcast wurde ja schon der Einwand zum aktuellen Fall in Thüringen zitiert, der fragt „was die CDU denn hätte tun sollen“. Wirklich beantwortet wurde das nicht. Es wird in Zukunft immer wieder vergleichbare Fälle geben, solange die AFD solche Stimmeanteile einfängt. Ich denke auch der Blick auf den Rest von Europa zeigt, dass ein insitutionell-politischer „Kampf“ nicht erfolgsversprechend ist.
Die einzige nachhaltige Lösung besteht darin, die AFD wieder auf ihre ca. 10% Stammpotential zu reduzieren. Ein dauerhafter Umgang mit einer 30%+ AFD scheint mir nicht möglich. Nur Übergangsweise sind parlamentarische Taktiken etc. notwending und sinnvoll.
Wie man die AFD wieder klein kriegt, weiß ich auch nicht. Wahrscheinlich leider nur mit einem politischen Rechtsruck in einigen Fragen (Migration, Kulturkampf, staatlicher Paternalismus). Das wäre dann zwar inhaltlich ein AFD Erfolg, aber eine Gefährdung der Demokratie wäre dann abgewandt, wenn AFD Inhalte von „etablierten“ demokratischen Partein (teilweise) übernommen werden. Den Einwand, dass ein Rechtsruck nicht viel bringt, weil die Leute sowieso lieber das „Original“ wählen, halte ich für spekulativ und jedenfalls im Westen nicht für zwingend plausibel. Hier spürt man doch, dass sich noch immer sehr viele für den Support der AFD schämen und eine Rückkehr in Betracht ziehen. Sicher kann man sich aber natürlich nicht sein.
Es ist wirklich sehr sehr schwierig. Sinnvolle Sachpolitik allein scheint ja auch nicht zu helfen, denn das liefert die Ampel (deren Fan ich bin und deswegen sehr dankbar für das entsprechende Panel im letzten Podcast).
Alle drei? Die Grünen sind doch erstaunlich stabil, obwohl sie der Hauptfeind aller anderen inklusive FDP sind.
Ein dauerhafter Umfang wie du ihn dir vorstellst ist nicht möglich. Man kann mit einer AFD erstmal alles machen wie nur anderen Parteien auch - statt koalieren. Das passt mir zum Beispiel nicht, in Bereich des Möglichen ist es.
In Sachsen und Brandenburg wird es schwer, eine Koalition ohne AFD hinzubekommen, die nicht den normalen Verhalten der Dateien widerspricht (eine CDU „kann“ nicht mit dem Linken zusammen koalieren und umgekehrt ohne dich selbst zu verleugnen).
Das glaube ich nicht. Man muss diese Themen bearbeiten und nicht übernehmen.
Migration - man muss die Probleme lösen, die man liegen lassen hat. Dazu gehört finanzielle Ausstattung der Kommunen/Abdeckung der Kosten der Integration, europäische Einigkeit. Da kann man jetzt nicht anfangen und Mittel streichen, oder die Kommunen im Regen stehen lassen. Zumal es ja auch genug Kommunen gibt, die es anscheinend gebacken kriegen.
Kulturkampf ist ja nicht politisch vorgegeben, er entsteht in der Gesellschaft. Man und insbesondere Mann muss lernen, dass sich Gesellschaft wandelt und das ist normal.
staatlicher Paternalismus - ist es nicht gerade die Bevormundung, die stört? Paternalismus bedeutet doch, dass Bevormundung zum Wohle aller passiert oder? Das ist doch gerade das, was die Wähler zur AFD treibt. Zumindest wenn diese Bevormundung aus der falschen Ecke kommt.
Ich glaube schon, das sinnvolle Sachpolitik dazu beitragen könnte, die Werte der AFD zu reduzieren. Das Hauptproblem meiner Meinung nach ist die Berichterstattung, die mittlerweile auch durch alle Medien sehr persönlich, sehr polemisch und sehr zuspitzen geworden ist. Auch in meinem Umfeld merke ich, dass ich an manchen Stellen sagen muss, dass bestimmte Aussagen kein Argument sind, sondern nur Meinungsmache. Dann werde ich komisch angeschaut und das Thema wird still und heimlich gewechselt.
Ich sehe die Diskussion darüber in der neuen Lage auch sehr kritisch. Bisher habe ich euch eigentlich bei allem zugestimmt, was ihr zum Umgang mit der AfD als Meinnung vertreten habt. Diesmal ist es anders. Man kann aus meiner Sicht nicht ernsthaft erwarten von einer Partei, dass sie ihre Gesetzesvorschläge davon abhängig macht, welche nicht-demokratische Partei dabei zustimmen sollte. Das führt doch das ganze demokratische System ad absurdum! Es wird ein Parlament demokratisch gewählt, das bestimmte Inhalte umsetzen soll. Jetzt setzt sich eine eindeutig demokratische Partei hin, und macht einen Gesetzesvorschlag (den ich auch nicht unterstütze, aber das ist nun mal Demokratie), und normalerweise ist die Idee von Demokratie dann, dass diese Partei die Zustimmung anderer Parteien gewinnen soll. Jetzt wird verlangt, dass die CDU stattdessen die Ablehnung bestimmter Parteien erreichen soll? Ich frage mich, inwieweit diese Meinung von dem spezifischen Gesetzesvorschlag beeinflusst ist (eure Argumentation klingt so, als ob diese leichte Verringerung der Steuer es „nicht wert war“). Hättet ihr auch so argumentiert, wenn die AfD für ein Klimageld gestimmt hätte?
Kurz gesagt, wir wollen eine funktionierende Demokratie, und man kann nicht Parteien an den Pranger stellen dafür, dass sie in bestimmten Positionen mit nicht-demokratischen Parteien übereinstimmen. AfD ausgrenzen, ja, aber nicht um jeden Preis und gegen jede demokratische Arbeitsweise.
Darum ging es aber in Thüringen auch nicht. Es ist ja nicht so, dass man mal irgendeinen Vorschlag gemacht hat und die AfD dann völlig überraschend zugestimmt hat. Auch wenn es keine formalen Absprachen gab, ist klar, dass sich die CDU hier ein Thema gesucht hat, was sie 1) prima populistisch ausschlachten kann („wir tun was für die Bürger, im Gegensatz zur Regierung“), 2) was die Regierung maximal ärgert und ihr wegen des Haushaltslochs auch noch zusätzliche Probleme macht und von dem sie 3) wusste, dass die AfD es sowohl inhaltlich, als auch wegen der ersten beiden Gründe zu 100% mittragen kann. Kurz: Die CDU hat es also mindestens drauf ankommen lassen, dass genau das passieren wird, was passiert ist - wenn sie nicht gar damit gerechnet hat. Das ist etwas komplett anderes als was Du beschreibst. Siehe dazu auch die Diskussion im Thread LdN346 - “Ganz sicher wollen Faeser, Merz und Söder nicht die AfD stärken”
Wenn ich den Autor:innen der Mitte-Studie zuhöre (etwa hier oder hier), habe ich den Eindruck, dass es schon ein wenig um beides geht. Nicht in dem Sinne, dass die Regierung objektiv Politik „an der Realität der Bürger vorbei“ macht, sondern in dem Sinne, dass viele Menschen es so wahrnehmen.
In der Sozialpsychologie gibt es das Thomas-Theorem: Es besagt, dass für das Handeln von Menschen ihre Wahrnehmung entscheidend ist - unabhägig davon, ob diese „richtig“ ist oder nicht. Folgt man dem, so ist es in einer Demokratie letztlich entscheidend, was die Wählenden denken und wahrnehmen, nicht wie irgendeine Politik „wirklich“ ist. Das ist ja genau das Einfallstor für Populismus mit den entsprechenden Folgen, die wir inzwischen alle Beobachten, nicht nur bei AfD & Co.
Konkret heißt das: Wenn Menschen davon überzeugt sind, dass „die Politik“ ihnen nichts mehr anzubieten hat, dass sie nicht mehr in ihrem Interesse handelt, dass dem Staat nicht mehr zu trauen ist etc., dann beeinflusst das ihr Wahlverhalten. Laut Mitte-Studie sind das je nach Frage 40-50 Prozent der Bevölkerung(!) Das an sich ist für eine Demokratie schon ein riesiges Problem. Bei vielen dieser Menschen kommen dann rassistische Einstellungen dazu - wobei die natürlich beileibe nicht nur von der AfD adressiert werden, sondern auch weit darüber hinaus. Aber die Studie zeigt auch: Nur sehr wenige Menschen, die gar keine Einstellungen wie Rassismus, Nationalchauvinismus etc. teilen, wählen trotzdem AfD.
Ich stelle mir einen dauerhaften Umgang mit einer 10% AFD vor. Das wäre unproblematisch, man kann sie einfach ignorieren. Dass überhaupt keine rechtsextreme Partei in den Parlamenten sitzt, war lange ein glücklicher deutscher Sonderfall. Das wird wohl nicht mehr kommen, aber wäre eben auch nicht so schlimm.
Drum: AFD muss wieder deutlich, deutlich an Stärke verlieren!
Nicht nur politisch, auch medial ist ein Vormarsch des Paternalismus zu spüren, insb. bei Corona, Ukraine und Klima. Die Gesellschaft hat auf diese Krisen nicht diskursiv, sondern (vielleicht zurecht?) mit fast autoritären Leitmotiven reagiert. Das spielt der AFD in die Hände, die ja immer davon fasuliert, dass es keine „echte Demokratie“ mehr gäbe. Außerhalb wirtschaftlicher Fragen, sollte der Staat wieder mehr Eigenverantwortung zulassen, also sozial-liberal auftreten. Hier ist die Gesellschaft in Gänze gefragt.
Die ersten beiden Punkte klingen schon eher nach reinem CDU-bashing. Ich bin auch kein Fan von der CDU, aber ich gehe davon aus, dass die meisten Mitglieder der Partei diese Steuersenkung aus ideologischen Gründen für richtig halten und nicht aus reinem Populismus und „Regierung ärgern“. Dein anderer Punkt, dass der CDU schon bewusst war, dass die AfD dabei zustimmen würde, und es möglicherweise Absprachen gab, stimmt wohl, aber da bleibe ich bei meinem Punkt. Als demokratische Partei versucht man, Gesetzesvorschläge einzubringen, von denen man überzeugt ist und die umsetzbar sind, also die auch ausreichend Zustimmung bei anderen Parteien finden können.
Da muss ich sagen das ich Ulf und Philipp recht gebe wenn Sie im Rahmen der letzten Bundestagswahl appelliert haben sein Stimme eher Parteien mit Chancen auf die 5% zu geben. Das ist richtig, man hätte je nach regionale Parteienaufstellung „Alternativen“ aber am Ende ist das wie nicht gewählt zu haben. Die aktuell einzige Partei die ebenfalls in Selbe Horn bläst wie AFD und CSU sind die Freien Wähler, und die sind Bundesweit aktuell bei ca. 3%. Da könnte sich noch was tun. Wobei hier auch schon Forscher angemerkt haben, das es eine Auffanglager für gemäßigte AFDler werden könnte.
Ich verstehe deinen Einwand aber auch das ist ein Punkt der mich bei Diskussionen aktuell ziemlich nervt. Ja ich bin völlig bei dir das Diskussionen am besten Faktenbasiert laufen sollten. Dennoch gibt ein Subjektives Empfinden vieler Menschen durch die Regional unterschiedlichen Bedingungen. Jemand in einer Großstadt erlebt Migration völlig anders als jemand der in einem Dorf lebt. Innerhalb der kleinen bis mittleren Städte gibt es dann auch noch unterschiedliche Bewertungen aufgrund unterschiedlichen finanzieller Möglichkeiten und wie gut Migration, Bildung und Co. gemanagt werden. Diese Meinungen aufgrund von Bauchgefühl immer nur gegen Zahlen aufzuwiegen halte ich für nicht zielführend.
Noch eine Ergänzung.
Ja die AFD hat viele rassistische Wähler, sie hat vor allem Nichtwähler auch aus diesem Milieu mobilisiert, aber ich würde gerne die Studie sehe die belegt, das die aktuellen Zuwächse der AFD grundsätzlich rassistisch sind.
Ich glaube gerade in der Kommunalpolitik fällt es vielen schwer die AfD zu ignorieren. Selbst im Wahlkreis von Ricarda Lang haben ja einige Grüne zugegeben nach den Stadtratssitzungen mit den Kollegen von der AfD einen trinken zu gehen. Die NPD, die meist nur aus dumpfen Neo-Nazis bestand, konnte man viel einfacher ignorieren. Aber viele AfDler in der Kommunalpolitik sind in der Region verwurzelt und waren teilweise vorher schon jahrelang für CDU, SPD oder FDP politisch aktiv. In den neuen Bundesländern könnte die AfD nächstes Jahr mit Ergebnissen von >30% klar stärkste Kraft werden. Das hat dann schon was von einer neuen Volkspartei. Auch ein Verbot der Partei würde nichts bringen, dann wird einfach wie in Bremerhaven eine andere rechte Alternative wie „Bürger in Wut“ gewählt. Ich glaube auch, dass Allparteienkoalitionen aus CDU, SPD, Grünen und Linke nur den kleinsten gemeinsamen Nenner finden werden und keine nachhaltige Lösung in den neuen Bundesländern sind. Eine Wagenknecht-Partei könnte viele Unzufriedenen von der AfD abwerben, wäre aber ebenfalls populistisch und könnte wie 5-Sterne in Italien Koalitionen mit den Rechtspopulisten eingehen. Ihr habt ja in der aktuellen Lage Amira Mohamed Ali, eine Linke aus dem Wagenknecht-Lager, zitiert. Nach klarer Kante gegen die AfD klang das nicht. Die Situation ist also ziemlich vertrackt.
Es mag ja sein, dass Du meinen Argumenten nicht zustimmst. Aber mir deswegen grundlos und ohne Gegenargumente „Hass“ zu unterstellen, finde ich ehrlich gesagt keinen guten Stil.
Um nochmal zu verdeutlichen, dass ich mir die ersten beiden Punkte nicht aus den Fingern gesogen habe: Robin Alexander, ein Journalist der Springer-Zeitung Welt und sicherlich unverdächtig, ein CDU-hater zu sein, argumentiert in seinem Podcast Machtwechsel sehr ähnlich. Er beschreibt es so, dass die CDU in Thüringen enorm unter Druck steht, weil (ehemalige) Wähler:innen ihr vorwerfen, gemeinsame Sache mit Linken und Grünen zu machen. Es gibt also durchaus Gründe anzunehmen, dass parteitaktische Überlegungen oder auch der Wunsch, einem solchen Eindruck entgegenzuwirken, durchaus eine Rolle gespielt haben könnte.
Zur inhaltlichen Bewertung der Frage der Höhe der Grunderwerbssteuer trägt vielleicht die Information bei, dass diese im CDU-regierten NRW bei exakt 6,5 Prozent liegt - also genau dem Satz, den die CDU in Thüringen so unerträglich hoch fand, dass man ihn unbedingt mit den Stimmen der AfD senken muss.
Das ist eben - wie im Podcast erwähnt - eine Überlegung, sollte aber in diesen Zeiten nicht die einzige sein. Eine andere - und aus Sicht vieler auch wichtigere Überlegung für eine demokratische Partei ist eben, ob sie mit dem eigenen Vorgehen nicht den Feinden der Demokratie mehr hilft als sich selbst.
Ich wage es jedenfalls zu bezweifeln, dass die CDU in Thüringen einen nennenswerten Nutzen aus ihrem Verhalten wird ziehen können. Profitieren wird davon vor allem die AfD.
Damit sprichst Du m. E. ein grundsätzliches Problem von Populismus und anderen Formen der Emotionalisierung an. Gegen ein „lautes“ Gefühl werden „leise“ Zahlen und Fakten natürlich nie ankommen. Wir sind bei vielen Themen schon längst so weit, dass im öffentlichen Diskurs subjektive Wahrnehmungen nicht nur dasselbe sondern sogar ein höheres Gewicht haben als objektive Tatsachen - sei es nun Kriminalität, Migration oder - wie aktuell in der Lage besprochen, die politische Bilanz der Ampel. Das Problem ist dass Wähler:innen natürlich aufgrund ihrer persönlichen Meinung handeln, nicht auf der Grundlage objektiver Tatsachen.
Aber was heißt das? Meiner Meinung nach bleibt nur die Möglichkeit, immer wieder auf die Unterscheidung hinzuweisen, dass die Wahrnehmung einer Sache nicht dasselbe ist wie die Sache selbst. Und zwar eher nicht mit dem erhobenen Zeigefinger á la „ich kenne die Wahrheit und sage Dir jetzt wie es wirklich ist“, sondern eher mit Verweis auf die Vielfältigkeit unterschiedlicher Wahrnehmungen und Perspektiven. Das heißt konkret oft, zu verdeutlichen, wofür eine bestimmte Sichtweise steht und was sie - auch auf gesellschaftlicher Ebene - bedeutet, wenn man sie konsequent zuende denkst.
Im ersten Fall - so zumindest meine persönliche Erfahrung - fühlen Menschen sich nur belehrt und blocken ab. Im zweiten Fall kann es zumindest passieren, dass Menschen verstehen, dass ihre Sichtweise eher subjektiven Motiven folgt und es sich durchaus lohnen kann, Dinge auch aus einer anderen Perspektive zu sehen kann. Natürlich klappt auch das meist nicht und wenn, ist es meist nervig und mühsam, aber ich fürchte wir sind einfach nicht mehr in einer komfortablen Lage, wo man bestimmte Dinge einfach voraussetzen kann und alle, die da nicht mitziehen als Spinner abtun und ignorieren kann. Nur um nicht missverstanden zu werden: Das heißt natürlich nicht, dass man z. B. Dinge wie Rassismus oder antidemokratisches Denken nicht mehr beim Namen nennen soll und es heißt auch nicht, dass alle Sichtweisen die gleiche Berechtigung hätten, egal wie menschenverachtend sie sind.
Es ist also deiner Meinung nach besser, wenn deine Stimme von einer rechten Partei vertreten wird als von gar keiner.
Nur auf den ersten Blick. Wenn z. B. mal 5% an Klimaliste, Tierschutzpartei, V3 und ÖDP gehen ist das ein klares Statement und weit mehr Aussage als Nichtwählen.
Dies ist doch ein ganz gewichtiges Argument, die Wahrnehmung ist entscheidend.
Sehr viele Menschen können/wollen sich aus unterschiedlichsten Gründen gar nicht im Detail damit auseinandersetzen was die Regierung macht. Unterm Strich bleibt bei vielen nur Dauerkrise, „Heizungshammer“ und eine Wahrnehmung, dass nichts mehr funktioniert übrig. Die Komplexität der Lösung blenden viele aus. Übrig bleibt das Bild einer Regierung die sich nicht um die wichtigen Themen kümmert, sondern Klientelpolitik mit Selbstbestimmungsgesetz und Cannabislegalisierung macht.
Gerade in MV sieht man, dass selbst SPD und Linke stimmen an die AFD verliert.
Da kann man m.M.n. durchaus von Protestwählern sprechen.
Ich kann nur davor warnen dies nur mit rassistischen Einstellungen zu erklären. Das Problem ist zu groß um nur nach monokausalen Ursachen zu suchen.
Ja, bei ~50% ist die Ablehnung von Migration der Hauptgrund die AFD zu wählen, aber bei den anderen 50% spielen sehr viele andere Themen noch eine Rolle.
„43 Prozent der AfD-Anhängerinnen und Anhänger ausgeprägt rechte politische Einstellungen haben. 13 Prozent sind rechtsradikal.“
„Von den nicht ausgeprägt rechten AfD-Unterstützern machen sich 87 Prozent große Sorgen, dass mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Es ist laut der Umfrage das zentrale, verbindende Thema dieser Gruppe – neben einer apokalyptischen Grundeinstellung sowie dem Gefühl, die Gesellschaft treibe auf eine Katastrophe zu. Für viele aus dieser Gruppe ist die Wahl der AfD ein Mittel des Protests.“
Auch diesen Vorwurf kann ich nicht verstehen.
Ja, ihr habt aufgezeigt, dass die Ampel mehr umgesetzt hat, als man vermutet. Das ganze geht unter seitdem sich die FDP entschieden hat gegen die Grünen zu rebellieren und offen zu streiten.
Aber bei nur noch 19% Zufriedenheit mit der Ampel kann man doch nicht sagen alle anderen sind populistisch indoktriniert!
Es herrscht Krieg in Europa, Inflation, Rezession. Seit Jahren häufen sich die Krisen und dazu kommt eine demographische Entwicklung mit ihren Problemen. Die Menschen sind zunehmend überfordert und suchen nach einfachen Antworten. Viele fühlen sich vernachlässigt und nicht mehr relevant. Denen gibt die AFD durch simple Parolen eine Stimme.
Als Beschreibung, wie es in den Köpfen vieler Menschen aussieht, würde ich das unterschreiben. Aber die Analyse ist ja nur ein erster Schritt. Entscheidend ist, was daraus folgt. Es ist aus meiner Sicht auf keinen Fall eine Lösung zu sagen „ok, wenn die Mehrheit der Meinung ist, die Welt ist eine Scheibe, dann erklären wir sie jetzt auch offiziell zur Scheibe“ - nur weil das die unerträgliche Komplexität der Realität so schön reduziert.
Ich frage mich immer, was dieser Begriff aussagen soll bzw. warum diese Einordnung so wichtig ist? Selbst wenn ich sagen würde, dass eine Stimme für eine rechtsextreme Partei ist, bliebe doch die Frage: gegen was protestiert dann diese Person und mit welchen Mitteln und welcher Erwartung?
De facto wird die Charakterisierung „Protestwahl“ m. E. häufig angeführt, um (implizit) der Aussage zu widersprechen, dass da im Kern Menschen mit bestimmten Einstellungen und Wahrnehmungen eine Partei wählen, die eben diese Einstellungen und Wahrnehmungen aufgreift, unterstützt, verstärkt und propagiert. Wenn das nicht so gemeint ist und der Begriff „Protestwahl“ eine Aussage transportiert, die mir bisher verborgen geblieben ist, bin ich dankbar für entsprechende Hinweise.
Da finde ich machst Du einen Kurzschluss. Nur weil es viele Krisen und Probleme gibt, nur weil ich mich überfordert fühle und vielleicht Angst vor der Zukunft habe, nur weil ich mich vielleicht vernachlässigt fühle und das Gefühl habe, dass es auf meine Stimme sowieso nicht ankommt, ist es ja nicht automatisch attraktiv für mich, AfD zu wählen. Denn dazu muss ich überzeugt sein, dass sich durch diese Wahl zumindest tendenziell für mich etwas zum Positiven verändert und das bedeutet, dass ich zumindest tendenziell mit den Erklärungen und Lösungsvorschlägen, die die AfD anbietet, etwas anfangen können muss. Und genau diese beiden Punkte fallen bei einem Begriff wie „Protestwahl“ unter den Tisch.
Wenn jemand „DIE PARTEI“ wählt, ist der Punkt m. E. berechtigt. Wer das tut, erwartet nicht, dass es ihm politisch irgendwas bringt - sei es durch die Partei selber oder dadurch, dass etablierte Parteien sich darüber ärgern oder Angst vor Zulauf für die PARTEI haben - da macht der Begriff also Sinn. Aber nicht bei einer klar rechtsextremen Partei mit eindeutiger politischer Programmatik und klarer strategischer Ausrichtung.