Wie umgehen mit der AFD

Ich kann nur davor warnen dies nur mit rassistischen Einstellungen zu erklären. Das Problem ist zu groß um nur nach monokausalen Ursachen zu suchen.
Ja, bei ~50% ist die Ablehnung von Migration der Hauptgrund die AFD zu wählen, aber bei den anderen 50% spielen sehr viele andere Themen noch eine Rolle.

„43 Prozent der AfD-Anhängerinnen und Anhänger ausgeprägt rechte politische Einstellungen haben. 13 Prozent sind rechtsradikal.“
„Von den nicht ausgeprägt rechten AfD-Unterstützern machen sich 87 Prozent große Sorgen, dass mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Es ist laut der Umfrage das zentrale, verbindende Thema dieser Gruppe – neben einer apokalyptischen Grundeinstellung sowie dem Gefühl, die Gesellschaft treibe auf eine Katastrophe zu. Für viele aus dieser Gruppe ist die Wahl der AfD ein Mittel des Protests.“

Auch diesen Vorwurf kann ich nicht verstehen.
Ja, ihr habt aufgezeigt, dass die Ampel mehr umgesetzt hat, als man vermutet. Das ganze geht unter seitdem sich die FDP entschieden hat gegen die Grünen zu rebellieren und offen zu streiten.
Aber bei nur noch 19% Zufriedenheit mit der Ampel kann man doch nicht sagen alle anderen sind populistisch indoktriniert!

Es herrscht Krieg in Europa, Inflation, Rezession. Seit Jahren häufen sich die Krisen und dazu kommt eine demographische Entwicklung mit ihren Problemen. Die Menschen sind zunehmend überfordert und suchen nach einfachen Antworten. Viele fühlen sich vernachlässigt und nicht mehr relevant. Denen gibt die AFD durch simple Parolen eine Stimme.

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Als Beschreibung, wie es in den Köpfen vieler Menschen aussieht, würde ich das unterschreiben. Aber die Analyse ist ja nur ein erster Schritt. Entscheidend ist, was daraus folgt. Es ist aus meiner Sicht auf keinen Fall eine Lösung zu sagen „ok, wenn die Mehrheit der Meinung ist, die Welt ist eine Scheibe, dann erklären wir sie jetzt auch offiziell zur Scheibe“ - nur weil das die unerträgliche Komplexität der Realität so schön reduziert.

Ich frage mich immer, was dieser Begriff aussagen soll bzw. warum diese Einordnung so wichtig ist? Selbst wenn ich sagen würde, dass eine Stimme für eine rechtsextreme Partei ist, bliebe doch die Frage: gegen was protestiert dann diese Person und mit welchen Mitteln und welcher Erwartung?
De facto wird die Charakterisierung „Protestwahl“ m. E. häufig angeführt, um (implizit) der Aussage zu widersprechen, dass da im Kern Menschen mit bestimmten Einstellungen und Wahrnehmungen eine Partei wählen, die eben diese Einstellungen und Wahrnehmungen aufgreift, unterstützt, verstärkt und propagiert. Wenn das nicht so gemeint ist und der Begriff „Protestwahl“ eine Aussage transportiert, die mir bisher verborgen geblieben ist, bin ich dankbar für entsprechende Hinweise.

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Da finde ich machst Du einen Kurzschluss. Nur weil es viele Krisen und Probleme gibt, nur weil ich mich überfordert fühle und vielleicht Angst vor der Zukunft habe, nur weil ich mich vielleicht vernachlässigt fühle und das Gefühl habe, dass es auf meine Stimme sowieso nicht ankommt, ist es ja nicht automatisch attraktiv für mich, AfD zu wählen. Denn dazu muss ich überzeugt sein, dass sich durch diese Wahl zumindest tendenziell für mich etwas zum Positiven verändert und das bedeutet, dass ich zumindest tendenziell mit den Erklärungen und Lösungsvorschlägen, die die AfD anbietet, etwas anfangen können muss. Und genau diese beiden Punkte fallen bei einem Begriff wie „Protestwahl“ unter den Tisch.
Wenn jemand „DIE PARTEI“ wählt, ist der Punkt m. E. berechtigt. Wer das tut, erwartet nicht, dass es ihm politisch irgendwas bringt - sei es durch die Partei selber oder dadurch, dass etablierte Parteien sich darüber ärgern oder Angst vor Zulauf für die PARTEI haben - da macht der Begriff also Sinn. Aber nicht bei einer klar rechtsextremen Partei mit eindeutiger politischer Programmatik und klarer strategischer Ausrichtung.

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Zum Beispiel die Forderung erfüllen:
„endlich ein dauerhaftes System, das sich dynamisch den Flüchtlingszahlen anpasst und uns Planungssicherheit gibt“, (Städtetag)

So gibt es ständig Streit um die Finanzierung der Unterbringung von Flüchtlingen. Man sollte das einmal grundsätzlich und großzügig regeln und dann ist das Thema vom Tisch. Die Berichterstattung darüber kommt zum Erliegen, der AFD wird etwas weggenommen zum aufregen.

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mag sein, aber genau das ist eine komplett irrationale Haltung. Wenn du sie nicht rassistisch nennen willst - absurd ist sie auf jeden Fall: Wir haben einen krassen Arbeitskräftemangel, wir bräuchten noch deutlich mehr Zuwanderung, um den auszugleichen.

bei nur noch 19% Zufriedenheit mit der Ampel kann man doch nicht sagen alle anderen sind populistisch indoktriniert

doch, genau das. Bei nüchterner Betrachtung machen sie einen ziemlich guten Job, jedenfalls einen deutlich besseren als die Groko zuvor.

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Stimmt. Die Lösung muss aber nicht sein, gerade die aufzunehmen, die sich am wenigsten an die formalen Vorgaben gehalten haben (Schlepper bezahlen statt Visum beantragen). Das schafft weder Akzeptanz für die Aufnahme von Flüchtlingen noch für die Aufnahme von Arbeitsmigranten.

Wenn ich meinem Lieblings-Politikpodcast zuhöre, dann habe ich nicht das Gefühl, dass sie einen ziemlich guten Job machen. Und besser als die GroKo ist kein Qualitätsmerkmal: Gezanke, völlig entkerntes GEG, völlig entkernte Cannabisfreigabe, völlig unzweckmäßige Migrationspolitik, Ressorts bekommen Freifahrtschein beim Erreichen der Klimaziele (die eh verpasst werden) und der Kanzler belügt uns dazu.

P.S.: Alles kein Grund und keine Entschuldigung Faschisten zu wählen!

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Das wollte ich auch schreiben. Kann mich nicht an viel Gutes erinnern über die Ampel, manches auch enttäuscht klingend.

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Visum bekommt halt niemand. Nicht einmal die ehemaligen afghanischen Hilfskräfte der Bundeswehr, denen hoch und heilig versprochen wurde, dass sie nicht den Taliban überlassen sondern hier her geholt werden!

Wir müssen mal die Vorstellung aufgeben, indische IT-Ingenieure oder andere fertig top ausgebildete Akademiker würden Schlange stehen um in Deutschland zu arbeiten. Das ist nicht der Fall. Die gehen lieber dahin, wo man keine komische Sprache lernen muss und in den (Ausländer)behörden nicht per se wie ein Bittsteller behandelt wird. Und eine zu relevanten Teilen rassistische Bevölkerung, die null unterscheidet wen sie in der Straßenbahn wegen seiner Hautfarbe anspuckt, macht das Land für Fachkräfte definitiv auch nicht attraktiver.

Da bleibt einem eigentlich bloß weitgehend zu nehmen, was kommt, (wirklich Kriminelle mal ausgenommen,) und selber auszubilden. Gar nicht mal unbedingt an der Spitze der Ausbildungsleiter, aber für Pflege, Kinderbetreuung, Handwerk, Gastronomie und andere Fachrichtungen mit Bedarf.

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Sorry, aber das würde nur Sinn ergeben, wenn die Visa- und Arbeitsmigrationsregeln gottgegebenes, unumstößliches Naturgesetz wären. Eine Regierung (oder Argumentation) die einerseits keine sinnvollen Regeln schafft dann aber die unsinnigen Regeln als Begründung dafür hernimmt, warum man Arbeitsmigrationsbedarf über Asylbewerber decken muss, kann ich nicht ernst nehmen.

Eine Freundin von mir isr Marokkanerin und Post Doc. Sie wollte in Deutschland arbeiten, das war so kompliziert, dass sie es aufgegeben hat und jetzt in Schweden arbeitet. Kann doch nicht sein, dass die empfohlene Lösung für sie die illegale Einreise ist. (Um dann als Klofrau zu arbeiten, da ihr Doktorgrad nicht anerkannt wird…)

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Das ist eben wie es ist. Und jeder Versuch, daran etwas zu ändern, scheitert daran, dass dann irgendwelche vermutlich überwiegend ostdeutschen oder bayrischen Abgeordneten bei ihren fachlich zuständigen Kollegen auf der Matte stehen und sagen „Noch mehr Ausländer? Seid ihr wahnsinnig? Dann kann ich meine nächste Wahl vergessen!“ Und dann bleibt alles wie es ist oder wird vielleicht irgendwo im Detail was verändert, aber die Angebote, die es gibt, richten sich immer noch an eine kleine Minderheit fertiger Akademiker mit Abschlüssen von Elite-Universitäten, die eben nicht als Klofrau arbeiten oder eine Ausbildung zum Heizungsbauer machen wollen.

Letzteres wären aber die Leute, die es bräuchte. Akademiker bilden wir selber genug aus. Aber geh mal in Kabul, Accra, Rabat oder Taschkent als 18-jähriger in die Botschaft und sag, du hättest gerne ein Visum für Deutschland, um dir eine Ausbildungsstelle als Elektriker, Klempner oder Fußbodenleger zu suchen. Wo kämen wir denn da hin? Beweis doch erstmal, dass du uns nicht anlügst und heimlich Drogen verkaufen willst!

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Damit jeder der es irgendwie herschafft direkt und dauerhaft hier arbeiten und leben darf, muss auch einiges geändert werden. Daher verstehe ich nicht, warauf du hinaus willst. Es sei denn du willst die Situation einfach noch sarkastischer zeichnen als ich.

Juni 22 waren es immerhin 3/4 schon.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-07/afghanistan-ortskraefte-75-prozent-ausgereist

Und neuer:

„Die Gesamtzahl der in Deutschland lebenden Menschen aus Afghanistan ist laut Bamf auf rund 400.000 gestiegen. Genau 395.655 afghanische Staatsangehörige seien Ende Juni im Ausländerzentralregister erfasst gewesen. Ende 2013 seien es erst knapp 67.000 gewesen.“

Absolut richtig. Könnte aber auch an sehr hohen Regularien liegen wie unnötig hohe Deutschkenntnisse oder auch verhältnismäßig hohen Abgaben.

Hier mal ein Beispiel:
SWR Aktuell Baden-Württemberg: Firmen verärgert über Probleme der Ausländerbehörde Stuttgart - SWR Aktuell Baden-Württemberg: Firmen verärgert über Probleme der Ausländerbehörde Stuttgart | ARD Mediathek

Gibt Fachkräfte deren Visum nicht verlängert wird wegen Überlastung. Einzelne Firmen haben bereits ihre ausländischen Fachkräfte umziehen lassen um an eine nicht überlastete Ausländerbehörde zu kommen.

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Absolute Zustimmung. Die Antwort hast du ja auch schon selbst hier gegeben.

Wichtig deshalb um zu verdeutlichen, dass man diese Wähler mit der richtigen Politik bzw Ansprache auch wieder zurückholen kann. In Abgrenzung zu den Kernwählern der AFD, bei denen sich ein Weltbild gefestigt hat, dass man fast nicht mehr ändern kann.

Ich bin dagegen, irgendwelche Entschuldigungen für AfD Wähler zu suchen.
Wer AfD wählt, trägt rechtsextremes Gedankengut in sich.
So einfach ist das.

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Joa, und dann wurde ein geordnetes „Aufnahmeprogramm“ für die übrigen gestartet, und seitdem sind es offenbar gar keine mehr…

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Doch so ähnlich ist das glaube ich schon. Habe selber schon eine ganze Menge solcher Menschen kennengelernt. Adhoc fallen mir da Kollegen aus Eritrea, Indien, China und Kolumbien ein. Die meisten verstehen auch, dass es ihnen hilft Deutsch sprechen zu können. Fast alle wurden aber hier ausgebildet. Ob es den top ausgebildeten Akademiker gib ist möglicherweise noch eine andere Frage

Habe auch schon einen Anruf von der Ausländerbehörde bekommen, dass wir Angestellten XY bitte nicht nach Hause schicken sollen. Er habe bereits einen Termin es verzögere sich nur etwas.
Aber glaubst du wirklich, dass wir auch nur einen AFD-Wähler zurückgewinnen, wenn wir das Personal bei der Ausländerbehörde aufstocken und mehr Geld für Migration zur Verfügung stellen?

Weil die Wahlentscheidung für die AfD praktisch immer von Hass auf Ausländer getrieben ist, gibt es genau zwei Möglichkeiten, dagegen vorzugehen:

Erstens müssen alle demokratischen Parteien aufhören, Migration als Problem zu beschreiben. Abgesehen von der AfD darf einfach niemand mehr von „Grenzen zu“ oder „Abschiebungen steigern“ auch nur reden. Jede dieser Aussagen stärkt die Wahrnehmung, dass Migration ein Problem sei, und damit die AfD.

Zweitens müssen politisch Verantwortliche tatsächlich alles dafür tun, dass es so wenig Probleme wie möglich mit Migration gibt. Beispielsweise könnte der Bund ein milliardenschweres Integrationsprogramm auflegen, das den Kommunen jedenfalls die finanzielle Last von den Schultern nimmt. Und wie gelingende Integration dann praktisch funktioniert hat unser Interviewpartner Boris Kühn ja in der vorletzten Folge (348) geschildert.

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Ich möchte das noch ein wenig differenzierter beschreiben: Wir haben in Deutschland einen Bodensatz von etwa 8% der Bevölkerung, die harte rechtsextremistische Einstellungen teilen. Die AfD wird nach aktuellen Umfragen aber von 3-4 mal so vielen Menschen gewählt. Woran liegt das?

Ich denke, die wichtigste Erkenntnis ist: Es liegt nicht daran, dass wir wirklich ein Problem hätten mit Migration. Es liegt daran, dass es der AfD gelingt, Migration als das zentrale Problem der Gesellschaft zu beschreiben. Das ist ein ganz wesentlicher Unterschied!

Und warum gelingt der AfD das? Zum einen, weil alle Parteien das Spiel der AfD mitspielen, Migration als Problem zu beschreiben. Deswegen ist es so fatal, wenn beispielsweise Nancy Faeser (SPD!) mit dem Versprechen Wahlkampf macht, mehr Menschen abzuschieben. Das zahlt direkt aufs Konto der AfD ein.

Vor allem aber klappt diese Problemverschiebung auch deswegen, weil viele Menschen ja völlig zu Recht das Gefühl haben, dass es in Deutschland Probleme gibt, und deswegen mit der Demokratie unzufrieden sind. Der AfD gelingt es dann, diese Unzufriedenheit auf das angebliche Problem Migration als zu projizieren, auch wenn die tatsächlichen Probleme damit nicht das geringste zu tun haben. Das klappt deswegen, weil die allermeisten Menschen weder Zeit noch Lust haben, sich im Detail mit den Problemen des Landes zu beschäftigen.

Musterbeispiel war ein Rentner, der in einem aktuellen Deutschlandfunk Hintergrund zu Wort kam: Er sagte, er müsse von 850 € Rente leben, seine Wohnung koste aber 450 €, und den Ausländern werde ja „alles hinten rein geblasen“. Das ist natürlich Quatsch, Leistungen für Asylbewerber liegen noch deutlich unter dem Bürgergeld, und vermutlich würde sich sogar die medizinische Versorgung dieses Menschen deutlich verschlechtern, wenn es in seiner Region keine Migration gäbe. Trotzdem entwickelt er einen Hass, dessen Richtung Quatsch ist, aber dessen Ursache durchaus real: Altersarmut.

Das Beispiel macht deutlich: Es ist absoluter Wahnsinn, als nicht faschistische Partei über Migration als Problem zu reden, weil das die Projektion realer Sorgen auf das falsche Ziel immer weiter verstärkt. Es lohnt sich aber, den Menschen zuzuhören, welche Probleme sie wirklich haben, abgesehen von Migration. Und diese Probleme muss man dann lösen.

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Auch die Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung untermauert genau diese Einordnung. https://www.fes.de/ Bisher habe ich sie noch nicht ganz lesen können, aber wer ein zusammenfassendes Fazit hören möchte, findet es hier: Samira El Quassil und Friedemann Karig