Wie geht es mit Sofortprogramm und Sektorzielen des BMDV unter Wissing weiter?

Hallo liebe Leute,

ich möchte die komplette Anti-Freiheits-Parteipolitik der FDP im Verkehrssektor nicht weiter beleuchten.

Ihr selbst wisst, dass man gerne von Subventionsabbau spricht, aber besonders im Verkehrssektor alle Pro-Auto-Subventionen bestehen lässt oder ausbaut. Genauso wird die Reform des StVG wahrscheinlich aktiv verschleppt, um Kommunen nicht die Freiheit zu geben, selbst zu entscheiden, wie sie ihre Mobilität gestalten wollen. Alleine darüber könnte man ein Thema machen, wenn Interesse daran besteht schließe ich das gerne noch an. Es geht mir aber eig um was anderes:

Wie ihr natürlich wisst, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Klimaschutzgesetz Sektor für Sektor eine bestimmte Anzahl an CO²-Austoß einsparen muss, um die Freiheit zukünftiger Generationen nicht unwiderbringlich massiv einzuschränken. Damit das geschiet musste jedes Ministerium, welches diese Ziele nicht erreichen wird, ein Sofortprogramm vorlegen und somit realistische Einhaltung der Austoßziele erreichen können.

Diverse Ministerien haben das auch getan, manche besser als andere. Nur eins hat quasi gar nicht geliefert, das Ministerium für Digitales und Verkehr unter Volker Wissing. Vom Expertenrat der Bundesregierung - welcher IIRC den Job hat dieses zu bewerten - wurde das Programm gar nicht erst analysiert, weil es so offensichtlich und unmissverständlich unwirksam ist, dass es als „Arbeitsverweigerung“ bezeichnet wurde.

Jetzt kam gerade ein Video raus, wo Wissing vollkommen schamlos darüber redet, wie man Städten nicht erlauben kann für Verkehrssicherheit, Aufenthaltsqualität und Klimaschutz einzustehen.
https://twitter.com/SecretCoAuthor/status/1571407083525873664

Ich bin mir relativ sicher, dass wir inzwischen vermuten können, dass bevor das BMDV nicht von irgend einer größeren Kraft - seien es neue BT-Wahlen oder das Bundesverfassungsgericht - eingefangen wird, werden wir im Sektor Verkehr kaum einen Fortschritt erreichen. Und die Zeit hier zu wird verdammt knapp.

Meine Frage und meine Diksussion wäre hier zu:

Was passiert jetzt mit dem Urteil des BVerfG? Kann das von Wissing einfach ignoriert werden? Ohne Konsequenzen?

Wie geht es hier denn jetzt weiter? Und wie ist die Timeline?

Ich freue mich über eure Einschätzungen.

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In „Der Tag“, Podcast des DLF, sagte Nadine Lindner, Verkehrsexpertin beim DLF, sie denke, Wissing wäre eher bereit, etwas zu tun, aber er könne sich offensichtlich nicht gegen Lindner durchsetzen. Christian Lindner ist ein Problem für das Land.

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Interessant. Dann wäre Wissing also nicht der Unwillige, sondern der Sündenbock, der geopfert wird, damit die FDP-Parteiführung weiter ihre Autofahrerpolitik durchsetzen kann… wenn ich nicht so viel Negatives mit Wissing verbinden würde, hätte ich fast Mitleid :wink:

Zu den rechtlichen Fragen:
Es ist das tragende Konzept der Demokratie, dass sich Volksvertreter vor dem Volk in Wahlen für ihre Politik rechtfertigen müssen, nicht vor Gerichten. Die Entscheidung des BVerfG hat daher erstmal keine direkte Wirkung auf Wissing, auch wenn er den Inhalt des Urteils grandios ignoriert. Die Konsequenzen muss der Wähler bei der nächsten Wahl herbeiführen.

Vereine wie die DUH versuchen, einzelne Maßnahmen des Verkehrsministerium zu stoppen oder zu erzwingen, gestützt auch auf besagte BVerfG-Entscheidung. Aber das ist halt kein Automatismus und leider stellen sich zuerst ewige Fragen, ob die DUH überhaupt Klagebefugt ist (die letzte Entscheidung des BGH zum Dieselskandal hat der DUH zumindest in diesen Angelegenheiten eine Klagebefugnis zugestanden…). Kurzum: Bis die Sache juristisch durch ist, ist die Legislaturperiode vermutlich zu Ende. Leider.

s. auch LdN314 Klimaziele à la FDP: Abschaffen, statt einhalten - #2 von moderat

Grundsätzlich wäre es eine hervorragende Idee, jede Maßnahme zur Reduzierung der CO2-Emissionen mit einem Preisschild für jede eingesparte Tonne CO2 zu versehen.

Z.B die Maßnahmen zur Subventionierung eines E-Autos in Höhe von 9000 € der Einsparung von CO2 gegenüberzustellen.

Grob überschlagen kostet bei Elektroautos mit Strom aus dem aktuellen Energiemix die Einsparung einer Tonne CO2 ca 300 bis 360€. Bei einem Tempolimit würde man eine Einsparung nahezu kostenlos erreichen.

Aus Sicht der FDP, der Effizienz als die beste aller Möglichkeiten erachtet, quasi ein Selbstläufer.:thinking::rofl: Wäre dann nur nicht die Ideologie :scream:

In dieser Form könnte man eine Rangfolge der effizientesten Einsparmöglichkeiten und Maßnahmen der Regierung erzeugen. So ließe sich das ein oder andere Argument entkräften oder unterstützen. Grundsätzlich sind auch Zahlungen an andere EU-Länder als Ausgleich für nicht erreichte Einsparungen in Deutschland aus diesem Blickwinkel legitim und effizienter.

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Hallo Christoph, im Grunde stimme ich dir zu. Nur erscheint mir deine Analyse an einer Stelle zu kurz gedacht. Es fehlen nämlich die Kosten die entstehen um den Teil der Gesellschaft, der gegen das Tempolimit ist, im Boot zu halten (diese Kosten mögen im Vergleich gering sein, aber sie müssen abgeschätzt und in die Betrachtung inkludiert werden).

Ein Verfahren zur wissenschaftlich begründeten und mathematisch optimalen Auswahl an Maßnahmen habe ich einmal hier und in der anschließenden Diskussion beschrieben. Vielleicht magst du da mal reinlesen.

Tempolimit war ein Beispiel.

Der volkswirtschaftlich sinnvollste Weg ist ein Zertifikatehandel, also ein richtiger, ohne Geschenke, mit allen Sektoren und Grenzmaßnahmen (Erstattung und Erhebung). Am Besten auf Ebene EU.

Dazu noch ordnungspolitische Maßnahmen wie Verbote, das es manche Dinge gibt, wo der Staat die Grenzen setzen muss.

Dein Beispiel zielt auf Zustimmungverlust ab. Das ist meiner Meinung nach zu nah an einer Umfragedemokratie. Dieser ist bei sinnvollem Klimaschutz meiner Meinung nach vernachlässigbar. Nahezu jeder spürt die Dringlichkeit.
Auch kann die Einbeziehung dieser Größe effiziente Maßnahmen verhindern.

Grundsätzlich muss man davon ausgehen dass eine gewählte Mehrheit auch die Mehrheit der Bürger hinter sich hat.

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@Christoph das wirkt nur auf den ersten Blick so, denn ich schrieb ja selbst dass ich nur den einfachsten Fall skizziere, da es so schön zweidimensional bleibt.

Natürlich bin ich eher dafür alle Features (Umweltschäden durch Klimaschäden, Umweltfolgen von Klimaschutz, Auswirkungen auf Wirtschaft, soziale Akzeptanz, technische Alternativen usw.) in die Zielfunktion zu geben.

Die Gewichte ergeben sich daraus wenn man allen Parametern Kosten zuordnet, wie zum Beispiel der Zertifikatehandel. Danach habe ich eine einfache Zielfunktion und kann die Optima bestimmen. Das ist vor allem Fleißarbeit.

Das ist eine hervorragende Idee, wenn es darum geht, welche Maßnahmen man in welcher Reihenfolge ergreift, um ein gesetztes Ziel möglichst effizient zu erreichen.

Die FDP vermischt aber hier Ziele und Maßnahmen. Unterschwellig ist hier die Denke, dass man gar nicht alle Emissionen einsparen müsse, weil es ja in bestimmten Bereichen so teuer wäre und das dann ja irgendwie auch optional wäre.

Fakt ist aber, dass wir ein festes Emissionsbudget haben, wenn wir die Erhitzung nicht über die bereits sehr gefährlichen 1,5Grad treiben wollen. Das reicht aktuell noch bis ca. 2030!

D.h., wir müssen dafür 100% aller Emissionen einsparen, weil die Alternative katastrophal teurer ist!
Und das heißt: je mehr und je früher, desto besser!

Einsparungen im Verkehr sind dabei übrigens viel leichter zu realisieren als im Gebäudesektor, schon, weil die Nutzungsdauer eines Autos deutlich geringer ist, als bei einem Gebäude (abgesehen mal von wärmepumpen- und Fachkräftemangel…)

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Hallo in die Diskussionsrunde,

Wie das juristisch aussieht und was man noch unternehmen kann um das Verkehrsministerium zum umlenken zu bewegen würde mich ebenfalls interessieren.

Ich fand den aktuellen Beitrag zu den Sektorzielen in der Lage insgesamt wieder sehr gut, habe aber gleichzeitig einen Punkt, der mir bei diesem Thema in allen Medien, die ich konsumiere, etwas zu kurz kommt. Es wurde zwar kurz angesprochen dass es ja positiv ist wenn ein Sektor mehr schafft, aber ist das nicht der springende Punkt?
Wenn wir es beim CO2 Budget insgesamt gerade so schaffen die „schwarze Null“ zu erreichen, dann können wir eigentlich nicht sagen „gut gemacht“, sondern lediglich „puh! Gerade nochmal so geschafft“. Das ist ja das absolute Minimum, das wir erreichen müssen. Die Ziele sollten aber ganz anders gesteckt werden: Möglicherweise das, was eine Mehrheit der Forscher und Wissenschaftler in den jeweiligen Disziplinen als erreichbares Ziel abgestimmt hat. Ziele werden wir so oder so immer wieder nicht erreichen, da kommt einfach international zu viel dazwischen. Gleichzeitig dürfen wir nicht vergessen, dass es unzählige andere Länder geben wird, die ihre Ziele nicht schaffen. Wenn wir also als Bundesrepublik weniger verbrauchen, könnten wir mehr CO2 der anderen Länder kompensieren. Die weiteren positiven Effekte wie Unabhängigkeit, Resilienz, Modernisierung, Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit wurden ja schon öfters beleuchtet. Das sind alles Faktoren, die unsere Freiheit positiver beeinflussen werden als uns z.B. ein Tempolimit einschränken wird. Für mich ist es einfach unverständlich, wie man hier so kurzfristige Politik machen kann.

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Das sind in etwa die Kosten des Rauchverbots, schienen anfangs nicht klein, nach einem halben Jahr aber völlig verdunstet, unter dem Strich vernachlässigbar. Wem soll man denn sonst noch nachlaufen in der Berücksichtigung von Hobbyinteressen? Es lähmt das System, ähnlich wie die vielen Ausnahmeregelungen auf allen möglichen Gebieten, in der löblichen Absicht Ungerechtigkeiten zu vermeiden, am Ende aber daran scheiternd und die demokratischen Prozesse hemmend.

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Bitte lies noch einmal das beschriebene Konzept @rlinner. An keiner Stelle habe ich behauptet wir sollten irgendwem Zugeständnisse bei seinem Hobby machen.

Ich habe lediglich dafür plädiert korrekt zu bilanzieren BEVOR man Aussagen trifft oder Gesetze macht. Mag sein, dass das Tempolimit ein No-brainer nach Pareto ist. Dann hat man mit dem Konzept das auch bewiesen und kann das der FDP aufs Butterbrot schmieren. Ich wäre dafür.

Was aber völlig unwissenschaftlich - aus meiner Sicht sogar nah am Populismus ist - ist, ist qua Magengrubenexpertise Bestandteile der Bilanz als kostenfrei zu bezeichnen und sie damit als No-Brainer hinzustellen.