Wasserstoff - Wo ist ein Einsatz sinnvoll und wo nicht?

Es gibt bereits ältere Diskussionen zu Thema Wasserstoff:

Vielleicht können wir hier Einsatzszenarien sammeln.

Grundsätzlich gibt es wohl zwei Konzepte:

  1. Wasserstoff verbrauchen: für Produktion, später Kraftwerke, evtl. Fahrzeuge
  2. Wasserstoff einmalig bereitstellen und im Kreislauf verwenden: Kreislaufsysteme wie picea(2), welche Wasserstoff als Stromspeicher verwenden und bei überschüssigem Strom wieder erzeugen können.

Zu 1) Hierzu gab es letztens eine interessante Folge bei „Geladen - der Batteriepodcast“: Wasserstoff vs. Realität: Teurer Hype? Michael Liebreich - Geladen - der Batteriepodcast
Der Gast hielt die Umstellung auf die Nutzung von Wasserstoff in Kraftwerken für unmöglich, wahnsinnig teuer und nicht zukunftsfähig. Sein Plädoyer war, die Diskussion darüber jetzt zu führen, damit nicht unnötig Milliarden zum Fenster hinaus geworfen werden. Was haltet ihr von der im Podcast genannten Unsinnigkeit, Wasserstoff in Kraftwerken einzusetzen? Für mich klang das einleuchtend und eher deprimierend.

Zu 2) Das klingt für mich nach einer guten Möglichkeit, die hoffentlich immer günstiger werden wird. Es klang für mich auch so, als könnte das in unterschiedlichen Größen z.B. für Nachbarschaften, Betriebe und Häuser eingesetzt werden.
Die Lösung für 1) könnte 2 sein, also den Wasserstoff in Kraftwerken nicht zu verbrauchen, sondern das im Rahmen der Stromerzeugung entstandene Wasser aufzufangen und Elektrolyseuren zuzuführen, die bei Energie-Überschuss daraus wieder Wasserstoff für das Kraftwerk erzeugen (insgesamt also kleine Kreisläufe aufzubauen).

Gibt es weitere?
Oder ist 2) inzwischen als unmöglich wiederlegt?

Wasserstoff löst technisch gesehen das Treibstoff- und Energiespeicher-Problem wenn es um Erneuerbare Energien geht:

  • Für alle Anwendungen in der Batterien nicht einsetzbar sind (Schifffahrt, Luftfahrt und aktuell natürlich schon die Raumfahrt) kann Wasserstoff als reiner Treibstoff dienen.

  • Sämtlicher EE-Überschuss z.B. im Sommer in Deutschland könnte in Form von Wasserstoff für den Winter gespeichert werden.

Über die Picea von HPS habe ich tatsächlich mal ne Hausarbeit an der Uni geschrieben :sweat_smile:
Geniales Konzept, sehr wegweisend wenn man sich generell mit den Vorteilen einer komplett dezentralen Energiewirtschaft beschäftigt.
Aber: Aktuell einfach zu teuer (ca. 100k für ein normales Wohnhaus).

Grundsätzlich sollte man vielleicht kurz klären:
Wasserstoff besitzt eine sehr hohe Energiedichte (Energie pro Gewicht) ist aber unglaublich leicht und flüchtig (sehr wenig Gewicht pro Volumen).
Das führt zu dem Grundproblem, dass Wasserstoff nur komprimiert sinnvoll energetisch nutzbar ist.
Also entweder unter extremen Druck (in einem Wasserstoff-Auto bspw. bei 700 bar im Tank) oder flüssig unter sehr tiefen Temperaturen (ca. -250 °C).

Allerdings ist dies ein rein wirtschaftliches Problem.
Technisch ist das schon längst alles möglich, anwendbar und auch skalierbar.

Hier würde ich noch ergänzen: Flugzeuge. Die Kombination aus Brennstoffzelle und flüssigem Wasserstoff sehe ich derzeit als einzige Option für einen langfristig emissionsfreien Luftverkehr.

1 „Gefällt mir“

Für einige der Anwendungsfelder wird es allerdings vermutlich eher ein Kraftstoff auf Basis von erneuerbarem Wasserstoff sein. In der Schifffahrt sind eher Ammoniak oder Methanol im Fokus als reiner Wasserstoff (Fuel Pathways | Mærsk Mc-Kinney Møller Center for Zero Carbon Shipping). Auch in der Luftfahrt würde ich eher von synthetischem Kerosin ausgehen als von neuen Konzepten mit Wasserstoff. Ich weiß, dass an Konzepten gearbeitet wird, aber das ist zumindest für große Flugzeuge noch sehr unklar und geht meines Wissens mit einer signifikanten Reduktion der Kapazität einher.

1 „Gefällt mir“

Synthetische Kraftstoffe werden sicherlich im Bereich> 10 Jahre die wichtigste Rolle für die Dekarbonisierung der Luftfahrt spielen. Aus meiner Sicht allerdings weniger, weil sie günstiger sind, als alternative Konzepte. Hier stimmt zwar alles was du z.B. bzgl. reduzierter Kapazität gesagt hast. Das Problem ist aber, dass ich mit E-Fuels den Treibhauseffekt durch NOx und Kondensstreifen (die zusammen rund 2/3 der Klimawirkung ausmachen) nur reduzieren aber nicht ganz vermeiden kann. Irgendwann (vielleicht 2040 ff) wird das dann so teuer, dass sich rein wirtschaftlich auch ein alternatives Konzept lohnt.
Das Problem sehe ich eher darin, dass

sicher allgemein richtig ist aber in diesem Fall nicht ganz zutrifft. Es ist sicher sehr bald möglich ein Flugzeug mit Brennstoffzelle zu bauen, aber es wird sehr viel Zeit ins Land gehen, bis dieses denselben Sicherheitsstandards genügt, wie die konventionelle Luftfahrt.

Das Thema Wasserstoff ist mMn ein Teilthema zur klimaneutralen Energiewirtschaft.
Um eine funktionierende Energiewende zu ermöglichen ist Vielfalt der Schlüssel. Das heißt zum ersten auf vielfältige Energieerzeugung zu setzen, also Wind, Wasser Sonne. Am effizientesten ist es die erzeugte Energie direkt zu nutzen. Da diese Erzeuger jedoch stark vom Wetter abhängig sind wäre zunächst eine geplante Überkapazität nötig, sodass Wind im Winter dominiert und Solar im Sommer. Ferner ist die Erzeugung und die Nutzung regional unterschiedlich sodass Strom transportiert werden muss. Um das fair zu gestalten ist eine Reform der Netzentgelte notwendig.
Es ist jedoch auch naheliegend, dass eine reine Überdimensionierung nicht möglich ist. Deshalb muss Energie auch gespeichert werden. Auch hier wäre Vielfalt gefragt. Zum einen können Pumpspeicherwerke für eine Netzstabilität sorgen, diese sind aktuell jedoch dem Energieversorger zugeordnet und nicht dem Verteilnetzbetreiber. In der Theorie würde das jetzt schon klappen da sich die Pumpspeicherwerke nach den Strompreisen richten, diese werden aber Europaweit an der Börse gehandelt und richten sich nicht nach lokalen Bedürfnissen des Netzes.
Wasserstoff ist hinsichtlich eines Energiepuffers sicherlich ein weiterer Baustein. Es ist jedoch sehr flüchtig und schwer zu lagern oder zu transportieren. Während die Verflüssigung wieder energieaufwändig ist und über lange strecken kaum zu schaffen ist. Deshalb sehe ich Wasserstoff eher als lokale Puffermöglichkeit.
E Fuels sind in ihrer Herstellung wiederum energetisch eine Katastrophe (für eine Verkehrswende also absolut ungeeignet) mit der gleichen Technologie könnte man aber auch Propan herstellen und in ein bestehendes Gasnetz integrieren.
Im Sinne der Technologieoffenheit und diversen und somit resilienten Energieversorgung halte ich es für sinnvoll und notwendig weiter an diesen Themen zu arbeiten.
Jedoch sollte „Technologieoffenheit“ nicht als Schlagwort für eine blumige Zukunft genutzt werden in der sich schon alles regeln aber nichts ändern wird. Den Herren Lindner und Merz würde ich das auch auf einem Bierdeckel ausrechnen.

genau. Wasserstoff ist ein technologisches und wirtschaftliches Thema. Wenn das Wort Technologieoffenheit ernst genommen wird, ist es auf jeden Fall kein politisches Thema. Politisches Thema müssen dann ja Energie-Speicher sein. Denn wenn ein Thema eine bestimmte Technologie im Namen trägt, ist es ja offenbar nicht mehr offen.
Es gilt Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen es sich lohnt verschiedene Technologien zu entwickeln und auszurollen, die ein günstiges Verhältnis aus gesellschaftlichem Nutzen, Kosten und Umweltschäden aufweisen.
Allerdings ist der Begriff Technologieoffenheit ganz schön verbrannt, weil er beim Thema Verbrenner auch schon für sein Gegenteil verwendet wurde.

Reduzierte Metalle hingegen haben eine extrem hohe Energiedichte pro Volumen (was oft die relevante Größe ist). Falls Eisenspeicher sich als wirtschaftlicher als Wasserstoff herausstellen, sollte Europa seine Energieimporte in Zukunft nicht mit Wasserstoff sondern mittels Eisen decken. Und Wasserstoff wird dann nur dort ein relevanter Energiespeicher sein, wo das Gewicht eine Rolle spielt, also insbesondere in der Luftfahrt.

Es reicht sich einfach die H2 Leiter des Podcast Teilnehmers Michael Liebreich anzusehen. Da gibt es eig wenig zu diskutieren…[Quelle]

Man muss einfach erstmal unterscheiden, welche Prozesse lassen sich nicht ohne Wasserstoff auf Klimaneutralität umbauen. Bestimmte Industrie- und Chemieprozesse. Schifffahrt. Dünger. Flugverkehr. Das muss in jedem Fall mit H2 gemacht werden. Wenns sich nicht rechnet muss man subventionieren und/oder CO2 teurer machen.
Alles andere ist aus meiner Sicht nicht sinnvoll. Auch picea nicht. Es ist nie sinnvoll einzelne Häuser oder Gebiete 100% autark zu machen, es sei denn sie stehen irgendwo im Nirgendwo. Das funktioniert auch nur in Häusern, die wenig Wärmebedarf haben aus meiner Sicht, sonst kannst du nicht genug Solarüberschuss im Sommer produzieren. Sprich du musst erstmal dämmen oder ne sehr große PV Anlage bauen, sonst ist der Speicher schnell leer. 2 ist technisch natürlich nicht unmöglich, aber genauso Speilerei für reiche wie H2 Autos. „Die langfristige Speicherkapazität liegt bei bis zu 1.500 Kilowattstunden elektrisch. In der kleinsten Version mit 16 Gasflaschen sind es 300 Kilowattstunden.[Quelle]“ Für ein normales Einfamilienhaus brauchst du mind. 4000 kWh + Wärmepumpe. Also die 100k€ sind dann vermutlich für die Basis Variante mit 300 kWh. 140k für 1500 kWh Speicher im Neubau und 160k für Bestandseinbau (ohne Sanierung der Hülle).

Eine sinnvolle Anwendung ist die Abwärmenutzung bei der Elektrolyse im Quartiert (Beispiel)
Einen Punkt, den H Liebreich aus meiner Sicht nicht klar unterscheidet ist woher H2 kommt. Importiert oder im Land selbst produziert. Hier sind die Kosten denke ich andere. Auch den Transport über Ammoniak oder Eisen erwähnte er denke ich nicht.

Auch hier ist Wasserstoff die Basis. Nur das Endprodukt ist anders. Gleiches gilt für Ammoniak, E Fuels…

Grundsätzlich gilt

  • so viel H2 wie möglich in Deutschland produzieren, damit die Transportkosten wegfallen und Stromüberschüsse aus EE genutzt werden
  • alle Systeme so effizient wie möglich betreiben, Strom sparen wo es geht
  • erst H2 in Prozessen einsetzen, die nicht ohne anders klimaneutral gemacht werden können
  • wenn dann H2 übrig bleibt können es Leute nutzen, die es bezahlen können (ohne Förderung)
  • ineffiziente unnötige Anwendung von H2 nicht subventionieren
1 „Gefällt mir“

Nichts anderes habe ich in meinem Absatz geschrieben. :wink:

Dieser Aussage würde ich allerdings nur bedingt zustimmen. Das hängt eben damit zusammen, dass wir, wie du auch sagst, eben in vielen Fällen besser Strom (dann kein Problem) oder andere Wasserstoffderivate benötigen. In diesem Fall wäre es nicht unbedingt sinnvoll alles, was wir hier produzieren können auch hier zu produzieren. Aus Kostensicht kann es viel sinnvoller sein trotzdem zu importieren, weil das Produkt trotz Transportkosten viel günstiger ist, als wenn es mit hier erzeugtem Wasserstoff hergestellt wird. Auch wenn hier dann manche Stunden mit abgeregelten EE geben sollte ist das besser, als jedes Überangebot zwingend nutzen zu wollen.

Ein Argument für möglichst viel Produktion ein Europa (ich würde das nicht rein auf Deutschland beziehen) wäre eher die Unabhängigkeit bei der Versorgung. Hier müsste man dann aber vermutlich das zum einen klar als Ziel ausrufen und zum anderen dann auch sagen, dass diese Lösung vermutlich noch mal deutlich teurer wird als eine höhere Importquote zu haben.

3 „Gefällt mir“