Da frage ich mich immer, wer von uns in einer parallelen Realität lebt. Ich oder die? Und das wirklich im Ernst.
Wir sind keine Großstadt und vielleicht etwas abgekoppelt. Also ich habe weder Angst um meine Frau, wenn die Abends alleine unterwegs ist, noch Angst um mich.
Klar gibt es selbst hier mal Situationen die unangenehm sind. Aber nicht mehr vor die Tür trauen?
Gibt es denn wirklich großflächig Gegenden in Deutschland, wo das so ist?
Schauen wir doch mal wann die Demokratie in Deutschland so wirklich gut funktioniert hat. (z.B. mit hoher Wahlbeteiligung)
Das war in den Anfängen der BRD der Fall. Da ging es den Menschen wirtschaftlich immer besser, d.h. die Rechnung: „Demokratie => es geht dem Land besser“ ist aufgegangen.
Heute hingegen haben viele Menschen wirklich Schwierigkeiten den Alltag zu stemmen. Häufig kümmert sich die Politik eher um außenpolitische Probleme als den Menschen in Deutschland Hilfe zu geben. Dann kann ich es sehr gut nachvollziehen, dass gedacht wird: „Die Demokratie zwar schön, bezahlt aber meine Miete nicht“.
Der beste Weg etwas für die Demokratie zutun wäre, dass politische Prozesse wieder wenig emotionalisiert ablaufen, sondern sich auf die Sachfragen konzentrieren und auch unangenehme Entscheidungen getroffen werden, die nicht in das eigene politische Koordinatensystem passen. Die Orientierungshilfe hierzu ist der Amtseid, den der Kanzler und Minister schwören („[…]dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden[…]“ - nicht umsonst stehen die sogar noch vor der Wahrung der Gesetze). Hierzu gehört auch eine ehrliche und transparente Kommunikation, dass man gegebenenfalls erstmal durch eine Katharsis gehen muss.
Wenn ich sowas lese scheint das Prinzip Demokratie schon unter Beschuss zu geraten:
Ungarn als leuchtendes Beispiel für Meinungsfreiheit zu loben ist für eine Frau Weidel nicht überraschend, offenbart aber den Trend, Richtung Autokratie zu schielen.
Was macht dieses Bild des „Starken Autokraten“ plötzlich so attraktiv?
Die Schwäche in der Lösungskompetenz demokratischer Kräfte?
Ist das eine plötzliche Entwicklung?
Das war doch für einen bestimmten Schlag Mensch, der seine Interessen und Werte durch Autokraten vermeintlich vertreten sieht, schon immer attraktiv. Und wenn ich mich mal in die Perspektive versetze, dass mir jemand folgendes Angebot machen würde, wäre es tatsächlich attraktiv: „Ich setze durch, was du willst, ohne vorher lästige Diskussionen und ewigliche demokratische Prozesse machen zu müssen“.
Garniert wird das durch eine Kampagne, welche keine oder kleine Probleme groß macht, damit sich die Bevölkerung in Kulturkämpfen verliert und garnicht merkt, dass die Superreichen (zu denen die Autokraten und auch Frau Weidel zweifelsohne gehören) sich mal wieder eine Steuererleichterung gegönnt haben.
Autokratien können in bestimmten Situationen schneller agieren, weil sie die Rechte der Menschen ignorieren kann. So kann China einfach so beschließen, das Land mit Windrädern vollzupflastern, während wir dafür erstmal lange Prozesse durchmachen müssen. Und ich würde meinen, dass wir den Wert des demokratischen Prozesses langsam aus den Augen verlieren, weil Menschen wie ich, die im Wesentlichen nach dem Fall der DDR erwachsen geworden sind, es nie anders gekannt haben, und wir es für unvorstellbar halten, dass die Alternative so viel schlimmer sein könnte.
Aktuell haben wir eine Situation, die ich als „perfekten Sturm“ bezeichnen würde.
Trump wurde wiedergewählt und sofort gibt es eine Waffenruhe in Gaza und eine Aussicht auf eine Waffenruhe mit Putin
die gemeinsame EU Außenpolitik ist quasi nicht existent
Elon Musk macht Wahlkampf für die AFD
Wir hatten eine Koalition der Mitte, die vorzeitig beendet wurde
wir haben Parteien der Mitte, die sich gegenseitig als Koalitionspartner ausschließen
wir kommen aus 3 Jahren Rezession
wir haben durch einen Anschlag einen Migrationswahlkampf
wir haben mit Scholz und Merz zwei schwache Kandidaten
…
UND trotzdem steht die AFD bei „nur“ 22%, und das BSW kommt wahrscheinlich gar nicht in den Bundestag.
Das könnte also bereits schon der Peak des Rechtsschwungs sein, und die 22% sind das Maximum was diese AFD in Deutschland erhalten könnte.
Hi Margarete,
hier eine Idee: Ich wohne selbst auch nicht in Deutschland, organisiere jedoch für morgen eine kleine Mahnwache mit anderen Deutschen in meiner Stadt. Die Fotos werde ich anschließend auf Social Media posten, um ein Zeichen aus der Ferne zu setzen. Auch wenn es nur ein kleiner Beitrag ist, habe ich das Gefühl, nicht tatenlos zuzusehen, sondern etwas gegen diese Ohnmacht zu tun, die du wahrscheinlich auch fühlst.
Liebe Grüße
Ok, das ist ein schönes Zeichen, und stärkt das eigene moralische Empfinden. Aber hilft das wirklich ?
Ich sehe die Demokratie solange nicht in Gefahr, solange andere Meinungen respektiert und toleriert werden. Frei nach Helmut Schmidt: „Eine Demokratie in der nicht gestritten wir ist keine“.
Insofern waren die letzten Sitzungen im Bundestag für mich eine Beruhigung, dass unterschiedliche Meinungen auch ohne Fraktionszwang diskutiert und abgestimmt werden können.
Das geht aus meiner Sicht in die richtige Richtung. „Social Media“ (ein Euphemismus für Plattformen zur interessengeleiteten Verhaltensbeeinflussung) wird zunehmend politisch instrumentalisiert.
Das Problem: Wir können Social Media nicht regulieren, wir können es allenfalls fordern. Was wir aber machen können ist, unseren Teil dazu beitragen, dass die Social Media Konzerne weniger Einfluss haben. Ganz konkret in diese Richtung geht die Kampagne #savesocial, siehe https://savesocial.eu/.
Sehr unterhaltsam und trotzdem inhaltlich sauber bringt es Marc-Uwe Kling in diesem Video auf den Punkt:
Was man konkret tun kann ist, Menschen und Organisationen (z.B. auch Medien) immer wieder aufs Brot zu schmieren, dass X, TikTok und Meta hoch problematisch für unsere Demokratie sind und dass alternative dezentrale Angebote (Stichwort Fediverse) mindestens gleichberechtigt behandelt werden müssen.
Ich habe überlegt, ob ich auf die Spitze überhaupt antworte, aber nochmal auch für alle eventuell Mitlesenden:
Demonstrationen zeigen Missstände auf. Demonstrationen zeigen, dass es auch andere denkbare Standpunkte gibt, als diejenigen, die grade populär oder gesetzt sind. Demonstrationen geben den Teilnehmenden ein Gemeinschaftsgefühl, ein „ich bin nicht alleine“-Gefühl. Sie zeigen, dass es nicht egal ist, was man denkt oder tut. Sie erzeugen Handlungsdruck. Sie erzeugen Motivation, sich für eine Sache einzusetzen. Sie geben Menschen eine Stimme, die sonst nicht gehört werden.
Ich sehe Demonstrationen auch grundsätzlich als positiv und nehme auch regelmäßig teil. Aber ich möchte mal folgendes zu bedenken geben:
Wenn auf eine Demo 10000 Leute kommen und mit An- und Abreise dafür im Schnitt 3h aufwenden und wir pro Stunde moderate 10 Euro Opportunitätskosten ansetzen kommen da 300K Euro zusammen. Wenn diese gut genutzt werden, könnten die ggf. einen größeren Impact haben.
Natürlich ist es unrealistisch zu glauben, dass die Teilnehmer:innen im Schnitt 30 Euro dafür bezahlen würden, dass sie was anderes machen könnten als auf der Demo zu laufen. Und die Motivations- und Vernetzungseffekte sind ja auch wichtig.
Ich will nur darauf hinaus, dass wir, um die Demokratie zu verteidigen, ggf. auch mehr Ressourcen akquirieren müssen.
Was ist der Sinn hinter solch einer theoretischen Überlegung?
Am Ende zählt, was die Menschen tun, und nicht was sie theoretisch hätten tun können und nicht getan haben.
Vielleicht könnten die Menschen theoretisch als Alternative zur Demo jeder selbst 3 Leserbriefe schreiben oder oder oder, aber die Realität ist doch, dass sie es nicht tun.
Ich denke, dass die Abstimmung am Freitag 31.1.25 zum Zustrombegrenzungsgesetz ohne die Demos anders gelaufen wäre. Daher Zustimmung. Auch zu den anderen Punkten
Ein Vermögensberater hat mir mal vorgerechnet, was eine Arbeitsstunde von ihm wert ist und was er spart, wenn er zum Beispiel die Reifen von der Werkstatt wechseln lässt. Ich hab ihn dann gefragt, ob er die Zeit dann auch wirklich arbeitet oder es auch Freitag Abend statt Fernsehen machen könnte und dann noch mehr sparen. Doch anscheinend war ihm Freitag Abend zwei Stunden Fernsehen doch 200€ wert.
Gerade in Zeiten des Deutschland-Tickets ist außer Freizeit oft keine Investition für eine Demo mehr nötig. Wer sich fragt, ob er die Zeit ohne Gegenleistung wirklich investieren sollte, wird mit Sicherheit unzufrieden nach Hause gehen und sollte seine Freizeit vielleicht lieber anders investieren.
Mir ging es mit dem Beitrag darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass so eine Demo a) potenziell einen erheblichen Wert im Sinne von Arbeitsaufwand hat, den man auch in Geld ausdrücken kann, und b) dass es sich vielleicht lohnt dieses Potenzial (im Sinne von Arbeitszeit oder Geld) ganz oder teilweise effizienter einzusetzen.
Wenn ich genauer nachdenke braucht es eigentlich beides: Demos für Motivation, Vernetzung und um den Medien einen Anlass zum Berichten zu geben – aber eben auch niedrigschwellige Verstetigung des Aktivismus im Alltag. Und da ist noch erheblich Luft nach oben.
Dass Menschen bereit sind, signifikant Zeit in Demo-Teilnahme zu stecken (z.T. auch bei miesem Wetter) zeigt ja die Motivation. Wenn man es gut kommuniziert und organisiert, ließe sich bestimmt ein Teil des oben abgeschätzten ökonomischen Potenzials heben, z.B. um Community-Management zu betreiben.