Das ist halt das Problem.
Wie entstehen Weltbilder? In der Regel vor allem durch gezielte Beeinflussung im Kindesalter - darauf baut alles auf. Egal ob Religion, Nationalismus - oder auch Demokratieerziehung.
Während bei uns Demokratieerziehung im Mittelpunkt steht (es gibt schon Abstimmungen im Kindergarten, Mitwirkungsrechte ab der Grundschule, politische Bildung in der Schule usw.), ist der Fokus in Russland halt ein anderer. Da steht die Nation an erster Stelle, Militarismus nimmt eine wichtige Rolle ein und ähnliches. In anderen Ländern (z.B. Lateinamerika, aber auch teilweise Osteuropa) steht die Religion im Vordergrund, sodass 99% der Bevölkerung religiös werden.
Das ist letztlich alles Propaganda und aus der Sicht der jeweiligen Systeme ist der eigene Weg natürlich der „richtige“, je nachdem, was eben Staatsräson ist. Wenn Menschenrechte und Rechtstaatlichkeit Staatsräson sind, ist Demokratieerziehung eben sinnvoll, wenn man den eigenen Staat massiv überhöht, ist eben das russische System sinnvoll, wenn man Religion dermaßen überhöht, dass sie über allem steht, ist halt das lateinamerikanische Modell sinnvoll.
In den meisten Staaten gibt es Mischformen (in den USA z.B. sind sowohl Demokratieerziehung als auch extremer Nationalismus normal, in Polen Nationalismus und extreme Religiosität). Aber es bleibt dabei: Die Meinungen der gesamten Bevölkerung hängen letztlich davon ab, welche Saat im Kindesalter ausgesät wird.
Von daher:
Natürlich gibt es in Russland viele Menschen, die das Weltbild Putins teilen - eben weil sie so erzogen wurden. Ebenso natürlich gibt es im Westen viele Menschen, die das Weltbild Putins absolut ablehnen, eben weil sie so erzogen wurden.
Es ist naiv, davon auszugehen, dass „eigentlich alle Menschen die Dinge so sehen würden, wie wir sie sehen, wenn sie nicht durch die Propaganda der anderen so verblendet seien“ - denn das gleiche Argument könnte jede Seite gegen jede andere vorbringen.
Und damit sind wir halt direkt im Kampf der Systeme - das moderne System der Demokratie gegen die alten Modelle der nationalen Autokratie oder gar des Klerikalismus (wo die Religion zumindest im Hintergrund die Zügel in der Hand hält).
Natürlich bin ich überzeugt, dass das moderne System der Demokratie sich durchsetzen sollte, weil es besser ist. Aber ich wurde auch im Sinne dieses Systems erzogen, von daher bin ich - wie wir alle - biased. Das muss uns halt bewusst sein - und daran fehlt es oft.