Was beim Bürgergeld vergessen wird

Hallo,
wenn so viel über das Bürgergeld und zb dessen Höhe diskutiert wird, dann wird etwas in der Regel außer Acht gelassen. Die Sätze für Menschen in Grundsicherung und Grundsicherung im Alter entsprechen immer denen des Bürgergeldes. Nur interessiert sich niemand für diese Gruppen.

Das sind Menschen, die krank sind und zb Erwerbsminderungsrente und Grundsicherung bekommen, das sind Rentner mit Grundsicherung im Alter, das sind Menschen, die Angehörige pflegen, die alleinerziehend sind und und und…

Grundsicherungsempfänger: 1,2 Millionen ( davon 684.000 Grundsicherung im Alter ) ( Grundsicherung im Alter: Wer sie bekommt und wie hoch sie ist | BR24 )

Wenn also über Lohnabstandsgebote, über Arbeitsanreize usw geredet wird, dann betrifft es diese Gruppen nicht. Finanziell sind sie teilweise sogar schlechter gestellt, da zb Grundsicherungsempfänger - so sie denn überhaupt noch zusätzlich arbeiten können - keine Freigrenzen bei einem möglichen Zuverdienst haben. Vom ersten Euro an werden 70 % sofort wieder abgezogen. Dazu haben kranke Menschen oft Mehrausgaben für Hilfsmittel/Medikamente, die sie selbst bezahlen müssen. Gelder wie zb die Erwerbsminderungsrente werden zu 100 % angerechnet als Einnahme und damit von der Grundsicherung wieder abgezogen.

Warum werden all diese Menschen in einen gemeinsamen Topf geworfen mit den Menschen, die die Möglichkeit haben, eine Arbeit und damit auch entsprechenden Lohn zu bekommen?

Natürlich muss der Staat schauen, dass er die Menschen in Arbeit bringt, die das können. Andererseits hat er aber auch die Pflicht, sich um die Menschen zu kümmern, die dies nicht mehr oder zumindest zeitweise nicht können.

Wer den Bürgergeldsatz und dessen Errechnungsgrundlagen kennt, der weiß, wie unrealistisch die Höhe des Satzes ist. ( Bürgergeld Regelsatz 2024 - Ein Überblick )
Sinnvollerweise erhöht das den Druck zur Arbeitsaufnahme. Aber für die hier angesprochenen Menschen bedeutet das ein dauerhaftes Leben in Armut.

Es wäre schön, wenn es mal eine Lage der Nation geben würde, die sich diesen Menschen widmet.

Wäre es sinnvoll, diesen Leute einen höheren Satz zu zahlen? Oder ihnen Hilfen zukommen zu lassen, wenn sie mit diesem Geld nicht mehr zurecht kommen ( zb Erstattung von Medikamentenkosten; finanzielle Hilfe beim Kauf von größeren Geräten wie Kühlschrank, Waschmaschine etc; finanzielle Hilfe beim Kauf von Kleidung etc )?

Diese Menschen haben in Deutschland absolut keine Lobby. Niemand interessiert sich für sie. Sie dürfen gerne zuhause krank vor sich hin vegetieren, sie dürfen gerne Kinder erziehen oder Angehörige pflegen, aber ansonsten sollen sie sich still ihrem Schicksal beugen.

Auch die meisten anderen Bürgergeldempfänger sind nicht faul. Eine unsägliche Hetze von so vielen Politikern und Medien gegen die ärmsten Glieder der Gesellschaft.

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Liebe Magarete, ich wollte mitnichten andeuten, dass irgendjemand faul ist. Ich habe in meinem Leben so einige Arbeitssuchende ( incl mir selber ) kennengelernt und ausnahmslos alle waren sehr motiviert, eine Arbeit zu finden. Mir ging es hier jedoch nur um die Leute, für die sich niemand mehr interessiert.

Vielleicht solltest du deinen Text nochmals etwas überarbeiten: "Menschen, die diese Art Hilfe bekommen, sind NICHT irgendwelche faule Arbeitslose, die keine Lust zum arbeiten haben. "

Solche Sätze könnten ansonsten diesen Beitrag in eine andere Richtung gehen lassen als du eigentlich beabsichtigst.

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Ich habe den Satz rausgenommen. ich dachte nicht, dass das missverstanden werden würde. Aber danke für den Tip.

Ganz allgemein sollten von Armut betroffene Menschen nicht gegeneinander ‚ausgespielt‘ werden.

Ein paar Daten:

Von den rund vier Millionen erwerbsfähigen Bürgergeldbezieherinnen und -beziehern sind 25 Prozent in einer Weiterbildung, einer Ausbildung oder gehen zur Schule. Weitere 14 Prozent sind krank oder betreuen Angehörige. 20 Prozent sind Aufstocker: Sie gehen arbeiten und erhalten zusätzlich Bürgergeld.

Es bleiben der BA zufolge 1,7 Millionen oder 44 Prozent der Erwerbsfähigen, die aktuell arbeiten könnten. Von diesen Menschen hat eine Mehrzahl sogenannte Vermittlungshemmnisse, die statistisch erfasst werden: keinen Berufsabschluss, älter als 55 Jahre, langjährige Arbeitslosigkeit, Schwerbehinderung. Rund 235.000 Personen haben keine dieser statistisch erfassten Einschränkungen, möglicherweise aber andere.

Die Arbeitsagentur erklärt auf Nachfrage, aus ihren Zahlen ließen sich solche Aussagen nicht ableiten. Der BA-Statistik zufolge wurden 2023 rund 16.000 Bürgergeld-Empfänger sanktioniert , weil sie sich weigerten, eine Arbeit oder Weiterbildung aufzunehmen.

16.000 von vier Millionen sind 0,4 %.

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Und selbst bei denen sollte man nochmal genauer hinschauen.

Als das ganze noch Hartz IV hieß gab es in Berlin mal einen Aufreger weil einer Frau die Leistung gekürzt wurde die sich geweigert hatte eine Stelle in einem Bordell anzutreten die ihr vom Amt vermittelt wurde.

Nicht ganz der Fall von damals aber ähnlich gelagert:

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Weil man viel besser sich aufregen kann, wenn man die alleinerziehende Mutter in München mit drei Kindern heranzieht und dann ihr Bürgergeld mit einer Vollzeitstelle bei Mindestlohn vergleicht.

Ich muss zugeben, dass dieser Bereich mir auch fremd ist. Ich weiß, dass Menschen in meinem Bekanntenkreis kämpfen, aber ihr Stolz ihnen verbietet, sich zu beklagen.
Ich weiß auch nicht, inwiefern da Schutzmechanismen greifen würden, die aber nicht in Anspruch genommen werden, weil es zu viel Bürokratie erfordert oder schambehaftet ist.
Die 2%-Regel bei Medikamenten kenne ich, die ja bei Bürgergeldempfängern sofort greifen müsste und sie von der Zuzahlung befreien müsste.
Wäre sicher interessant, wenn das mal ein Experte bei der Lage beleuchten würde. Ändern würde das aber wahrscheinlich nichts. Den Ärmsten zu helfen bringt erstaunlich wenig Applaus aus der Bevölkerung.

Ganz im Sinne des FDP Mantras „Arbeit soll sich wieder lohnen“ wäre es doch hilfreich, wenn man sie auf unbezahlte Carearbeit hinweist. Für die FDP ist jmd nur was wert in der Gesellschaft, wenn er einkommenssteuerpflichtige Arbeit leistet.

Die Zahl ist echt krass. Weitere Maßnahme zur Senkung der Kosten fürs Bürgergeld. Der Mindestlohn muss mind. so hoch sein, dass es keine Bürgergeld Aufstocker mehr gibt.

CDU behauptet immer wieder das Bürgergeld sei schon vom Namen falsch, weil es den Leuten suggeriere es sei ein Hängematten-Grundeinkommen. Gleichzeitig wollen sie es reformieren und in „Grundsicherung“ umbenennen. Die Logik dahinter verstehen vermutlich nur sie selbst.

Gleichzeitig wird in keiner Talkshow gefragt, wo die Leute denn arbeiten sollen, wenn die Wirtschaft stagniert. Es gibt aktuell mehr Arbeitslose als offene Stellen, die Zahlen der Arbeitslosen steigt. Gleichzeitig sollen die Daumenschrauben angezogen werden, damit die Leute in Arbeit gedrängt werden. Und damit sie schlecht bezahlte Jobs und Arbeitsbedingungen weiter akzeptieren, denn es droht ja das weiter gekürzte Existenzminimum. Soll jetzt der bei VW-entlassene Facharbeiter vom Band den Job an der Kasse vom Bäcker annehmen. Wo ist da die volkswirtschaftliche Logik?!

Interessant ist auch die Diskussion zur 0-Runde. Das Bürgergeld wurde in den letzten entwertet durch die Inflation und die Steigerung um 12% in diesem Jahr gleicht dies nicht aus. Auch hier wird Desinformation betrieben, um die Bürgergeldempfängerinnen weiter zu gängeln bzw. die Verschärfungen zu rechtfertigen. Am Ende ist es wieder eine Ablenkdebatte, um die wirklich großen Töpfe wie fossile Subventionen, faire Besteuerung von Überreichtum und Erbe nicht anzugehen.

Geld für die Welt Bürgergeld

Ich hoffe mal du meinst zumindest nur bei Vollzeit? Weil ein Mindestlohn der so hoch ist, dass selbst die Teilzeit arbeitende Mutter als Alleinerziehende mit 5 Kindern ohne Aufstocken auskommt müsste wohl irgendwo bei 30 € pro Stunde und mehr liegen.

Aber gerade bei solchen Extremfällen wäre es schon schwer ein Mindestlohn zu definieren der bei Vollzeit ausreicht. Hier wären in meinen Augen höchstens andere Transfersummen (wie Kindergrundsicherung) nötig um gemeinsam mit dem Gehalt bei Mindestlohn über die Runden kommen zu können.

Edit: So ein Haushalt hätte einen Anspruch von 2650 € pro Monat bei 1000 € Warmmiete. Es müsste somit ein Bruttogehalt von über 4.100 € sein. Der Stundenlohn dafür wäre 27 €.

Man müsste also klar definieren welche Fälle ohne Aufstocken abgedeckt sein müssten und wo man natürlich weitere Transferleistungen benötigt.

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Danke für den Hinweis. Ja genau, also wer Vollzeit arbeitet und dann noch aufstocken muss, sowas sollte es nicht geben. Allerdings fehlt mir dazu auch eine Zahl, wie viele das betreffen würde. Ein höherer Mindestlohn würde ja aber auch den Zuschuss für Teilzeitbeschäftigte senken.
Ok, und von den 4100€ jetzt noch das Kindergeld abziehen und mögliches Wohngeld? Der Fall ist natürlich ein Extremfall. Vlt. kann ich es anders formulieren.
Mich würde eher sowas interessieren, wie viel € Bürgergeldzuschuss für Aufstocker je 50 Cent Mindestlohnerhöhung wegfallen würde.

Wohngeld habe ich nicht berücksichtigt aber Kindergeld habe ich bereits berücksichtigt. Das wird bei Bürgergeld ja zu 100% angerechnet.

Natürlich ein extremes Beispiel. Deshalb sage ich ja, man müsste definieren welche Situationen durch den Mindestlohn abgedeckt werden könnten. Das Ziel 0% Aufstocker fände ich aber falsch.

Es gab ja schon verschiedene Hinweise darauf, dass unter den Bürgergeldempfängern statistisch gesehen praktisch niemand ist, der sowohl arbeiten kann, eine Stelle auch angeboten bekommt und diese dann verweigert. Das sind Randerscheinungen, die jedenfalls nicht die öffentliche Debatte oder irgendwelche generellen Leistungskürzungen bedingen sollten.

Insofern stellt sich die von dir gestellte Frage eigentlich nicht. Die Grundsicherung und Bürgergeld werden in einen Topf geworfen, weil sie in den selben Topf gehören: Menschen, die kein ausreichendes Einkommen erzielen (egal ob aus Arbeit oder Rente), um eine menschenwürdige Existenz zu sichern. Mich würde jedenfalls die moralische oder sachliche Argumentation interessieren, warum Menschen, die z.B. auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind anders/besser behandelten werden sollten als Menschen, die keine Arbeit finden oder annehmen können.

Das Problem ist nicht dieses Zusammenfassen von Menschen in einer Gruppe, sondern der asoziale Umgang der Gesellschaft mit dieser ohnehin sozial schon extrem benachteiligten Gruppe. Wir könnten uns eine würdige Behandlung dieser Menschen leisten, aber dafür gibt es keine gesellschaftliche Mehrheit. Lieber macht man sie (und Ausländer) zu den Sündenböken unserer empfundenen gesellschaftliche Prekarität.

Das es bei ärztlich verschriebenen Medikamenten, egal für wen, überhaupt eine Zuzahlung gibt, ist im Modell einer gesetzlichen und allgemeinen Krankenversicherung eigentlich sowieso absurd. Konsequent wäre es, entweder die von der gesetzlichen Krankenversicherung abgedeckten Leistungen für alle zu kürzen, oder die Krankenversicherungsbeiträge für alle entsprechend zu erhöhen.

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Da würde ich mitgehen. Die Frage ist, ob man das über den Mindestlohn regeln sollte. Denn zumindest da herrscht ja Einigkeit bei Ökonomen: wenn ich den Mindestlohn über ein bestimmtes Niveau hebe, hat das negative ökonomische Folgen. Nur wie hoch dieses Niveau ist - da streiten sich die Geister. Anyway - aus meiner Sicht wäre es daher sinnvoller, das Delta zwischen (ökonomisch sinnvoll gesetztem) Mindestlohn und Mindesteinkommen durch staatliche Förderung zu überbrücken. Aber eben nicht durch Bürgergeld. Das einfachste wäre die Befreiung von Steuern UND Sozialabgaben bei Löhnen bis zu einer entsprechenden Grenze.
Und bevor jetzt jemand fragt: ja - die sinnvolle Setzung des Mindestlohns nach ökonomischen Gesichtspunkten muss natürlich auch den möglichen Schaden berücksichtigen durch rentable Geschäftsmodelle, die sich durch die Steuerbefreiung weiter subventionieren ließen.

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Am einfachsten wäre, jeder bekommt einen Betrag pro Kind, der versteuert werden muss. Damit wäre dann sicher gestellt, dass der Lohn für den Single und das kinderlose Paar genauso reicht wie für die alleinerziehende Mutter. Und Bürokratie würde es auch einsparen.
Dann wäre noch schön, der Staat könnte mit eigenen Wohnungen die Miete aus der Gleichung nehmen, das ist aber dann zu viel der Träumerei.

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Hier würde mich mal interessieren, welche Berufsgruppen Mindestlohn beziehen. Oft sind das aus meiner Sicht keine, die irgendwie im internationalen Wettbewerb stehen.

Aus ökonomischer Sicht ist das Problem bei einem zu hohen Mindestlohn nicht in erster Linie, dass diese Arbeitsplätze ins Ausland abwandern, sondern dass die Arbeitsplätze komplett wegfallen bzw. in die Schwarzarbeit abwandern. Wenn du zum Beispiel einer Haushaltshilfe formal mindestens 100 Euro/Stunde zahlen müsstest, dann würden die meisten Menschen einfach keine Haushaltshilfe beschäftigen oder ihr schwarz einen niedrigeren Lohn zahlen.

In der Realität sind diese Grenzen natürlich nicht absolut, sondern fliesend. Ein Stundenlohn von 25 Euro für eine Haushaltshilfe ist in manchen Gebieten Deutschlands inzwischen normal. Woanders würde so ein Mindestlohn sich aber negativ auf die Beschäftigung auswirken. Also alles eine Abwägungsfrage.

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Wäre sicher interessant, sich dass mal anzuschauen. Aber für ökonomische Effekte ist das ja gar nicht nötig. Wenn bestimmte Dienstleistungen z.B. zu teuer werden, können sie dadurch evtl. deutlich weniger nachgefragt werden oder einfach verschwinden. Wie sich das dann im Einzelfall ausgeht, da sind sich Ökonomen sehr uneins (wie stark z.B. der Mindestlohn auch die Nachfrage stabilisiert oder wie stabil die generell ist). Aber klar ist: ab einer bestimmten Mindestlohn Höhe muss man mit solchen Effekten rechnen.

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Ok verstehe danke. Dann muss man aber umso mehr an den Pranger stellen, dass diejenigen die von niedrigem Mindestlohn profitieren, gleichzeit gegen das Bürgergeld wettern, also das Einspringen des Staates, damit sie günstige Arbeitskraft haben

Letztlich gibt es alle Effekte.

Bei Montageprozessen mit angelernten Kräften wäre es z.B. so, dass ab einem gewissen Lohn günstiger ist diesen Prozessschritt im Ausland durchzuführen, auch wenn logistisch aufwändiger. Und da sich mit dem MINDESTlohn auch der Lohn solcher Kräfte verändert, da die in der Regel nach einer Zeit mehr als diesen Mindestlohn wollen betrifft das auch Kräfte die heute schon mehr, z.B. 15 Euro verdienen.

Dann gibt es natürlich bei solchen Arbeiten auch noch das Thema Automatisierung. Je teurer die Arbeit desto eher lohnt sich eine Automatisierung.

Bei anderen arbeiten entfällt einfach der Bedarf, da z.B. eine Dienstleistung zu diesem Preis keinen Abnehmer mehr findet.

Und dann steigt natürlich der Anreiz für Schwarzarbeit bei bestimmten Tätigkeiten.

Als Kompromiss wäre ich dafür den Mindestlohn nach Betriebszugehörigkeit zu staffeln um ein niedriges Einstiegsrisiko bei schweren Fällen zu erhalten und dennoch dauerhaft auskömmlicheren Lohn sicherzustellen.

Gerade schlecht ausgebildete Kräfte könnten bei Höhen die ein Leben ohne Aufstockung selbst mit Kindern als Alleinverdiener sicherstellen schnell zu teuer werden.

Daher fände ich die Kombination aus moderatem Anstieg des Mindestlohns zusammen mit einem höheren Kindergeld das versteuert werden muss durchaus einen überlegenswerten Ansatz.