Was bedeutet wehrhafte Demokratie/wehret den Anfängen eigentlich in der Praxis?

Welchen „Ausweg“ denn, woraus denn bitte? Aus der Demokratie? Dann sind diese „verzweifelten“ Menschen auf dem richtigen Weg.

Ich sehe wirklich keinen Grund, politisch „verzweifelt“ zu sein und in der Politik einen „Ausweg“ zu suchen. Und das, obwohl ich viele alte und reformbedürftige Strukturen, einige neoliberale Auswüchse und einige Ausgrenzungs- und Marginalisierungstendenzen, die die Parteien der Mitte mehr oder weniger vertreten, für wirklich problematisch und kritikwürdig halte. Vielleicht ein paar obrigkeitsstaatliche Erscheinungen während der Pandemie, die ja nun wirklich eine akut krisenhafte Zeit war, in der man anfangs mal vorübergehend plausibel Untergangsfantasien entwickeln konnte. Sonst fallen mir maximal noch der Klimawandel/ökologische Krisen oder die Demographie ein, aber das sind ja nun nicht gerade die Themen, in denen sich die AfD besonders auszeichnet.

Aber vielleicht gibt es da ja einen Punkt, der mir durch die Lappen geht. Führ gern aus, was Du damit genau meinst.

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Dem stimme ich durchaus zu. Ich würde mir auch noch mehr Abgrenzung von der AfD durch Politik und Medien wünschen, wobei die öffentlich-rechtlichen in der ungünstigen Position sind, nicht zu einseitig sein zu dürfen (bis die Verfassungsfeindlichkeit der AfD gerichtlich(!) nachgewiesen ist). Die BILD hat natürlich keine Entschuldigung und ja, dass die BILD regelrecht AfD-Wahlkampf macht ist definitiv ein großes Problem, ebenso wie dass die Union und letztlich auch die SPD AfD-Positionen übernehmen.

In all diesen Punkten habt ihr Recht, dass noch mehr Ausgrenzung der AfD definitiv sinnvoll wäre. Das alles bezieht sich aber eben auf die Positionen der AfD, nicht auf die Menschen, die die AfD unterstützen. Wie ich oben schon sagte bin ich für maximale Opposition zu diesen Positionen der AfD, weshalb mir auch das Frühstück hoch kommt, wenn ich sehe, wie unsere „Volksparteien“, von der AfD getrieben, deren Positionen übernehmen, weil sie meinen, damit der AfD Wind aus den Segeln nehmen zu können. Ich stimme absolut zu, dass das nicht funktioniert, sondern nur die faschistische Politik der AfD salonfähig macht.

Wir haben hier letztlich drei Diskussionen in diesem Thread:

  1. Sollten die Positionen der AfD schärfer abgelehnt werden? Eindeutig Ja!
  2. Sollte eine stärkere Lagerbildung stattfinden, daher AfD-Unterstützer deutlich ausgegrenzt werden? Das könnte wie gesagt mit Blick auf die USA problematisch werden.
  3. Wie soll mit der AfD auf kommunaler Ebene umgegangen werden, wenn sie mal einen No-Brainer als Vorschlag einreicht, gegen den sich wirklich nicht rational argumentieren lässt?

Ich finde, dass diese Punkte unabhängig voneinander diskutiert werden müssten.

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Wieso genau bezeichnest du die aktuelle Regierungspolitik eigentlich als „grüne Ideologie“? Es sind drei Parteien, die an der Regierung beteiligt sind, und ein guter Teil von dem, was du als „leiden“ bezeichnest liegt auch daran, dass die FDP sich strikt gegen jegliche Abgabenerhöhung für Spitzenverdiener stemmt. Außerdem, was genau an einer ökologischen Transformation unserer Wirtschaft und unseres gesamten Gesellschaftssystems zur Bekämpfung des menschengemachten Klimawandels ist für dich Ideologie? Das wir den Klimawandel überhaupt bekämpfen?

Menschen in Deutschland leiden daran, dass wir in den letzten Jahrzehnten eine Politik des Stillstands ausgerichtet auf maximale Konservation des Status quo erfahren haben. Dadurch müssen jetzt notwendige Veränderungen teils sehr ruckartig erfolgen, weil uns in vielen Bereichen schlicht die Zeit für einen langsamen Übergang fehlt.

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So ungünstig ist die Position der öffentlich-rechtlichen nicht. Die strengen Vorschriften zur Beteiligung gelten nur für Wahlwerbung und man kann plausibel argumentieren, dass sie sich sogar gegen die AfD positionieren müssen, wie hier im Deutschlandfunk.

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Ich vermute aus dem drohenden sozialen Abstieg.
Dass Leute eine Alternative suchen, wenn viele Parteien (echt oder nur gefühlt) eine große Koalition im Abhängen von einigen Bevölkerungsgruppen bilden, ist doch erst mal nachvollziehbar.
Schade nur, dass es keine demokratische Opposition gibt, die eine glaubhafte Alternative bietet.

Man müsste sich halt ernsthaft mit Wahlprogrammen beschäftigen. Aber wer AFD wählt, hat bereits bewiesen, dass ihn weder Wahlprograme noch fundierte Berichterstattung interessieren.

:face_with_raised_eyebrow:

Diese Aufteilung ist glaube ich der Kern dieser Meinungsverschiedenheit. Das Problem, das ich damit sehe ist, dass diese Aufteilung in Partei und Politiker auf der einen und Menschen auf der anderen Seite nicht realistisch vollzogen werden kann:

  1. Die Trennung ist künstlich: Eine Ausgrenzung der Partei und ihrer Positionen wird von UnterstützerInnen auch als Ausgrenzung von ihnen und ihrem Weltbild interpretiert werden. Wie soll eine inhaltliche Ausgrenzung aussehen, die nicht die VerbreiterInnen der Inhalte mit betrifft?
  2. Es ist Teil der politischen Strategie des Faschismus im Allgemeinen (und der AfD im Speziellen) sich als Opfer zu sehen*. Das gilt für die Partei genauso wie für ihre überzeugten Anhänger, die sich im politischen Wettbewerb immer als ausgegrenzte Opfer inszenieren werden, egal ob sie es wirklich sind.

Was genau ist das Problem an einer Lagerbildung? Wieso ist die Ausgrenzung überzeugter Rechtspopulisten und -extremisten(die nicht mehr argumentativ erreichbar sind) problematisch?
Den Verweis auf die USA halte ich aufgrund Unterschiede in Gesellschaft und politischem System (Zwei Parteien, Präsidialsystem, Electoral College, etc.) nicht für zielführend.

*Faschismus ist nicht absolut gleichzusetzen mit der AfD, aber in diesem Kontext gibt es Gemeinsamkeiten in der Inszenierung

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Dass die AfD ausgegrenzt wurde, daher tendenziell schlechter über sie berichtet wurde und die anderen Parteien grundsätzlich die Zusammenarbeit verweigert haben, kann man doch nicht ernsthaft bestreiten. Wir haben hier nur einen Dissens bei der Frage nach dem Ausmaß der Ausgrenzung, wobei du scheinbar nur von Ausgrenzung reden magst, wenn diese vollständig und restlos praktiziert wird (was in Anbetracht von Akteuren wie Springer und der Werteunion nie realistisch erreichbar ist!), wobei ich auch von Ausgrenzung spreche, wenn ein Großteil der Medien und Parteifunktionäre eine aktive Ausgrenzungspolitik betreibt.

Klar, ebenso unrealistisch ist aber eine vollständige Ausgrenzung von jedem, der die AfD unterstützt, alleine schon aus rechtlichen Gründen, so lange die AfD nicht verboten ist. Es gibt hier keine ideale Lösung, es geht einzig um die Vor- und Nachteile der jeweiligen Ansätze.

In der Demokratietheorie zählt es zu den großen Errungenschaften der Demokratie, dass wir unsere Kämpfe nicht mehr als Duell auf Leben und Tod ausfechten, sondern mit Worten. Das erfordert jedoch, dass wir miteinander reden, auch wenn es schwer fällt.

Wenn wir in Richtung Lagerbildung / komplette Ausgrenzung gehen riskieren wir genau diese demokratische Errungenschaft zu verlieren. Denn wenn wir aufhören, zu versuchen, den Kampf mit Worten zu gewinnen und eine Lagerbildung (und damit noch stärkere Bubble-Bildung) zulassen, ist das Resultat meiner Ansicht nach nahezu zwangsläufig eine weitere Radikalisierung, weil wir den AfD-Unterstützern durch eine Ausgrenzung jeden möglichen „positiven Einfluss“ entziehen und sie völlig den Demagogen überlassen, wir geben die Menschen quasi auf und akzeptieren, dass sie „zum Feind“ gehören. Von dort ist es dann nur noch ein sehr kurzer Weg, bis wir wieder Straßenschlachten wie in der Weimarer Republik bekommen - und das ist einfach nicht die Zukunft, die ich mir wünschen würde.

Menschen auszugrenzen und aufzugeben, weil sie unglaublich dumme Entscheidungen treffen (z.B. die Entscheidung, die AfD zu wählen - oder Straftaten zu begehen) liegt einfach nicht in meiner Natur als Sozialarbeiter. Wir müssen als Gesellschaft weiter versuchen, diese Menschen „auf die gute Seite“ zu ziehen, wir können nicht kapitulieren und sie „der dunklen Seite des politischen Spektrums“ überlassen, egal, wie sehr wir diese Menschen ablehnen.

Wer Lagerbildung fordert, tut das in der Regel, weil er hofft, dass durch diese „drastische Ausgrenzung“ einige Menschen, die von der Ausgrenzung betroffen sind, wieder zur Vernunft kommen. Aber das sehe ich einfach nicht - das halte ich für genau so einen Fehlschluss, wie die Annahme, dass hohe Strafen abschrecken würden. Ich kann verstehen, warum man diese Position vertritt, aber ich halte sie einfach für falsch

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Man müsste erst einmal ein gewisses Vertrauen haben, dass der Inhalt des Wahlprogramms auch umgesetzt wird. Es ist ja nicht so, dass keine Partei zB soziale Gerechtigkeit im Programm stehen hat. Nur bei der Umsetzung ist das dann in der Breite nicht mehr erkennbar. Früher galt soziale Gerechtigkeit mal als Job der SPD. Die Beschränkt sich aktuell aber weitgehend darauf den Kanzler zu stellen und überlässt die inhaltlich politische Gestaltung anderen.

Und dass die Strategie, die AFD zu wählen, um die anderen Parteien zur Politikänderung zu bewegen, gar nicht so abwegig ist, bestätigt sich mit jedem Beitrag der fordert, die regierenden Parteien sollen endlich die Probleme der Menschen lösen, um der AFD das Wasser ab zu graben anstatt rechte Positionen zu übernehmen.

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Grundsätzlich bin ich ja bei Dir, dass man Menschen nicht aufgeben soll, sondern Resozialisieren, im Bereich des StGB kann das ja auch ganz gut funktionieren. Nicht aber bei Rechtsextremen, denn dann greift das Toleranz-Paradoxon.

Wenn man sich die erwähnten Studien anguckt und mit den Wahlergebnissen der extremen Rechten vergleicht, dann merkt man, dass in der Bevölkerung um die 20% immer stark bis extrem rechte Ansichten hatten, aber das hat sich nie in den Wahlen niedergeschlagen. Meine These ist, dass das daran liegt, dass sie wussten, wenn sie das öffentlich äußern stößt das schnell auf Widerstand und wird mit sozialer Ächtung sanktioniert. Die strammen Rechten holen wir nicht mit einem Gespräch am Rande einer Demo ab, es geht um die, die „aus Protest“ wählen oder die AfD trotz ihrer rechten Gesinnung wählen, weil ihnen andere Punkte wichtiger sind. Es kann natürlich sein, dass der eine/die andere dadurch tiefer reinrutscht, genau so kann es aber sein, dass ihnen soziale Kontakte wichtig sind und sie erkennen, dass es falsch ist AfD zu wählen und mit Nazis abzuhängen.

Ein Punkt wo wir dann vielleicht wieder zusammenkommen ist, dass politische Bildung und Ausstiegsprogramme geben muss, die muss auch der Staat zumindest kofinanzieren. Ausgrenzung heißt m. E. nicht, dass die für immer für die Gesellschaft gestorben sind (metaphorisch gemeint). Natürlich sollen sie, wenn sie ihren Fehler einsehen eine zweite Chance erhalten.

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Gleichwohl: wenn tatsächlich viele die AFD wählen um mehr soziale Gerechtigkeit zu erreichen, könnten sie ja auch die Mehrheitsverhältnisse so ändern, dass die SPD nicht auf die FDP angewiesen ist.
Aber es wurde ja in der Vergangenheit immer wieder bestätigt, die meisten wählen AFD weil sie rechts ist, nicht obwohl sie rechts ist.
Aber da sich Regierung, Opposition und AFD in ihrer Kommunikation einig sind, dass sich alle Probleme mit Abschiebehaftanstalten lösen lassen, stärken sie leider rechte Überzeugungen und machen damit noch mehr Denkzettel-AFD-Wähler zur Überzeugungs-AFD-Wählern.

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Auf jeden Fall sollte auch in Politik und Medien immer wieder das Programm der AfD sachlich auseinandergenommen werden, damit die Wähler merken, dsss diese Partei nicht ihre Interessen vertritt.
Am besten in Tictoc Videos u.ä.

Man müsste irgendwie Welt/Bild für die Demokratie gewinnen.

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Made my day. Dafür sind diese Blätter doch von den falschen Charakteren durchsetzt. Da fehlt es schlicht an sozialen und rein menschlichen Kompetenzen jeder Art.

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… Absätze gel. Mod.

Ich denke hingegen es stimmt was @Margarete schreibt.

Wir sollten viel mehr Kraft und Zeit in die kritische Auseinandersetzung mit den Positionen setzen. Damit das gut funktioniert muss der Sender aber als neutral und unvoreingenommen wahrgenommen werden, denn dem parteiischen Medium vertraut man eh nicht. Hier müssen vor allem Medien realisieren, dass sie mit der einen oder anderen Berichterstattung oder Interview durchaus auch mal die Grenzen der Neutralität verlassen haben - in beide Richtungen - womit sie nun bei Rechten und bei sehr Linken kritisch gesehen werden.

Also in meiner Wahrnehmung passiert das die ganze Zeit. Sender und Presse haben Faktenchecks aufgenommen. In der Pandemie gab es ständig Artikel, die die naturwissenschaftlichen und epidemiologischen Hintergründe von Entscheidungen aufzeigten, ohne unbedingt die Regierungsperspektive gleich zu übernehmen. Es wurden Initiativen wie das Science Media Center und hunderte Podcasts ins Leben gerufen, die sachlich informieren. Wer das möchte, kann sich mit politischen Vorschlägen sachlich und sogar mit wissenschaftlicher Hilfe auseinandersetzen.

Sachliche Berichterstattung ist außerdem nicht eine Berichterstattung ohne Position. Da hilft es auch nichts, immer wieder zu behaupten, die Medien würden ja immer nur Meinungen bringen statt sich mit Fakten zu beschäftigen. (Edit: Sorry, sehr überspitzt, war bei @turmfalke nicht so formuliert.)

Aber vielleicht ist meine Perspektive da verzerrt, ich meide soziale Medien, Springer und Fernsehen weitgehend, Privatsender und Talkshows sowieso, und informiere mich über Podcasts, Online-Presse, Radio, persönliche Gespräche und dieses Forum.

Ich sehe hier eine Schwachstelle Deiner Argumenntation. Aus „ihrem Lager“ hören die immer, die Medien sind voreingenommen, die diskreditieren uns, die marginalisieren uns und was sonst noch für Vorwürfe. M. E. gibt es keine objektive Berichterstattung pro AfD. Daraus folgt aber, auch bei korrekter, hohen journalistischen Standards entsprechender Berichterstattung, bestätigen die Medien die Jammerei innerhalb des rechten Lagers. Ein Teufelskreis aus dem man nicht so einfach ausbrechen kann. Deshalb ausgrenzen und ächten, aber nicht ohne das Angebot, nach Läuterung in die Mitte der Gesellschaft zurückzukehren.

Und zur Nutzung des Wortes Lager, ich habe das bewusst statt Bubble, Filterblase oä genutzt, weil ich der Ansicht bin, dass das identisch ist. Die Lagerbildung, gegen die hier argumentiert wurde, ist längst da.

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Passend dazu ist folgende Studie, die lustigerweise genau heute veröffentlicht wurde:

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Man sieht, dass eigentlich alle Medien inkl. dem ÖRR extrem kritisch über die AfD berichten.

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Genauso kommt darüber hinaus die AfD deutlich weniger oft vor als andere Parteien.

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Interessante Studie, danke. Ich finde nur die Daten darüber, wie oft bestimmte Parteien zu Wort kommen, etwas irreführend: Wenn eine Partei an der Regierung ist, werden ihre Mitglieder naturgemäß öfter zu Wort kommen (in der Rolle als Regierungsmitglied) als Oppositionsparteien. Das hat noch nicht unbedingt etwas mit Ausgewogenheit zu tun.

Insofern: Da die AfD an keiner Regierung beteiligt ist, ist es auch kein Wunder, wenn sie relativ weniger verteten ist, das würde ich noch nicht als Ausgrenzung werten.

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Ich habe die Untersuchung noch nicht gelesen. Aber wenn das so passt und die Grafiken nicht aus dem Kontext gerissen sind, dann widerspricht das ja deutlich der hier oft geäußerten Ansicht, alles werde besser wenn nur die Springer Presse nicht wäre und wir mehr ausgrenzen würden. Denn wieviel mehr Ausgrenzung sollten wir dann noch fahren?

Auch erschreckend finde ich wie groß der Negativbalken bei allen anderen Parteien ist. Keine unserer Parteien außer der AfD ist so schlecht, dass man überwiegend negativ über sie berichten muss. Stattdessen macht man damit das Protestwählerlager stark, da der Bürger den Eindruck bekommt, die Parteien machten ohnehin nur Murks.

Vielleicht liegt das Problem ja auch im Selbstverständnis vieler Journalisten den großen Skandal suchen zu müssen statt zu berichten was ist. Damit gewinnt man natürlich aber leider keinen Journalistenpreis und ob Zuschauer das wertschätzen wäre auch fragwürdig.