Was bedeutet wehrhafte Demokratie/wehret den Anfängen eigentlich in der Praxis?

In den letzten Jahren habe ich gefühlt immer wieder und immer mehr (zuletzt letzte Woche) Anlass mich zu fragen, was ‘wehret den Anfängen’ und ‘wehrhafte Demokratie’ in der Praxis eigentlich heißt. Was kann ich als Privatperson tun, um jetzt im Vorfeld, oder aber auch am/nach dem ‘Tag X’, an dem die organisierte Rechte ihre Putschpläne aktiviert, die Demokratie zu verteidigen?

Ich denke schon lange über diese Frage nach aber bin dabei noch zu keinem besonders konkreten Ergebnis gekommen. Zivilcourage ist das eine, aber das scheint in Anbetracht der Organisiertheit und Konkretheit der Pläne der demokratiefeindlichen Mächte in Deutschland inzwischen als einziges Handlungsformat ungenügend.

Ich fühle mich plan- und orientierungslos und würde mich freuen, wenn ihr einen kollektiven Denkprozess zu diesem Thema anstoßen, und vielleicht schon mal ein paar Pfeiler zur Orientierung einschlagen könntet.

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Ich denke, dass nun viele auf die Straße gehen ist ein gutes Signal.
Denn Rechtsradikalismus funktioniert nur, wenn die Mitläufer sich für die Mehrheit halten.
Einzelne rechte Soldaten und Polizisten können sich noch so einen Tag X herbei wünschen, das Risiko, sich offen gegen die Demokratie zu stellen, wagen sie aber nur, wenn sie vom Erfolg überzeugt sind. Denn nach einem scheitern stehen sie vor dem nichts.
Darum tut sich die AFD auch meist schwer, ihre Aufstellungs-Listen zu füllen. Die Namen sind ewig abrufbar und wenn du Pech hast, holt dich das später mal ein.
Zivilcourage ist das Stichwort.
Die iranisch-deutsche Comedian Enissa Amani hat letztens im Podcast Stimmenfang erzählt, dass sie bei einem Benefiz-Konzert eine Rede über sich als Tochter von Flüchtlingen und wie wertvoll es sei in Freiheit leben zu können, hielt, als einer in der ersten Reihe meinte, dass es doch nun genug sei. Sie hätte sich eine Reaktion vom Publikum gewünscht, stattdessen hat sie dann gefragt, ob die anderen das auch so sehen würden und die standen dann auf und applaudierten. Das sind die Situationen, die denen, die meinen, sie könnten andere ungestraft beleidigen und herabwürdigen, den Wind aus den Segeln nehmen.

Nachtrag: Demo in Hamburg wegen zu vielen Teilnehmern abgebrochen. Das ist für Teilnehmer mit Anreise enttäuschend, aber was für ein Erfolg.

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Gestern ein Interview gelesen in unserer Tageszeitung mit dem Extremismusforscher Alexander Häusler von der Hochschule Düsseldorf.

Er wies unter anderem auf die Sinus-Studie von 1981 hin. Ergebnis war damals das man von einem gefestigtem rechtsextremen Potential in der deutschen Bevölkerung von 15-25% aus.

Laut einer Studie der Friedrich Ebert Stiftung von 2023 (link reiche ich nach) habe etwa jeder zwölfte Erwachsene ein rechtsextremes Weltbild. Der Graubereich, also Menschen mit unterschwellig fremden-oder demokratiefeindlicher Einstellung, soll bei weiteren 20% liegen.

Bedeutet, das wir in Deutschland wohl ein stabiles rechtsextremes und demokratiefeindliches Potential von bis zu einem Viertel der erwachsenen Bevölkerung haben.
Der Grenzbereich zu einer sehr konservativen Einstellung ist da noch nicht berücksichtigt.

Soll keine Schwarzmalerei sein, aber wir haben da wohl ein konstantes Problem nach Rechts in Deutschland.
Im Kleinen kann man u.a. Überzeugungsarbeit leisten für Demokratie und eine offene Gesellschaft, um Menschen im Graubereich zumindest ins moderat konservative Lager zu ziehen.
Aber auch die Politik ist gefragt, mit ihrer Arbeit das positive der Demokratie zu stützen.
Das entscheiden wir aber auch mit dem Wahlzettel.
So meine Ansicht.

Der Link:

Die Friedrich Ebert Stiftung steht eher der SPD nahe, zur Einordnung

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Wundert mich gar nicht. Ich bin ländlich aufgewachsen und da waren ganze Dörfer rechts versifft. Die Gründe waren vielfältig, aber die Wurzel sehr sehr oft die gleiche. Zu viele Täter wurden schlicht nicht belangt nach 1945. Es gab und gibt Familien mit extrem vielen Grundstücken aus der Nazizeit. Dort wurde nun mal nicht alles aufgeklärt. Diese Täter haben natürlich ihren Kindern und Enkeln erklärt, dass es alles ja gar nicht so war und die ja dank der Nazis ihr Vermögen haben. So trägt dieses Gedankengut ewig weiter und wird verklärt. Zum Glück war mein Opa und meine Oma anders. Er hat ein Bein verloren und immer klar gesagt welche Verbrecher das waren. Meine Oma und ihre Geschwister wären fast erfroren, weil die den Hitlergruss verweigerten (gab keine Kohlen dann).

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Das Problem ist die Mär das ein friedlicher Protest, wenn es erstmal soweit ist und eine starke Regierung am Zug ist, einen Unterschied macht. Siehe Hongkong.

„Wo deutsches Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht!“
Doch wie und wo fängt das an, das es legitim wird? Wann ist die Grenze erreicht und was sind legitime Mittel. Wäre Stauffenberg okay gewesen? Oder wäre es Mord? Um mal einen kontroversen Gesichtspunkt mit einzuwerfen.

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Die FES ist die parteinahe Stiftung der SPD. Die den Grünen nahe Stiftung ist die Heinrich-Böll-Stiftung.

Ah, stimmt, mein Fehler

Ich glaube hier im Forum aktiv sein und sich mit Themen tiefergehende zu beschäftigen ist schonmal ein guter Anfang. Dennoch hier ein paar Punkte, die mir spontan in den Kopf kommen.

  • Demonstrieren
  • Mobilisieren
  • Organisieren
    • Gewerkschaftlich
    • Genossenschaftlich
    • Nachbarschaftlich
    • Ehrenamtlich
  • Einen Nazi suchen und (hier bin ich mir noch unschlüssig) a) ihn umarmen, mit Liebe überschütten, zuhören, Sorgen ernst nehmen, oder aber b) ihn boxen.

Leider bin ich zur Zeit sehr pessimistisch und habe das Gefühl, dass rechtes Gedankengut zu tief in der Gesellschaft steckt. Die folgenden Gedanken zeigen vermutlich erst langfristig Wirkung, wenn überhaupt, dennoch halte ich sie für wichtig und notwendig.

  • Sich Gedanken darüber machen, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen und in welchen Aspekten sich diese Gesellschaft von der aktuellen unterscheidet.
  • Mehr Träumen, mehr Utopien ausmalen.
  • Sind Geld und Karriere wirklich das wichtigste, wenn zeitgleich Gesundheitssystem, Bildungssystem und Infrastruktur zerbröckeln?
  • Wenn Ressourcen, Arbeitskräfte und der Wille da sind, warum fehlt dann trotzdem das Geld für die oben genannten Punkte?
  • Wären eine solidarische Gesellschaft und ein bequemes soziales Netz nicht schöner, als täglich dafür arbeiten zu müssen, im Ernstfall nicht vor dem Nichts zu stehen?
  • Warum wird so viel unbezahlte Carearbeit geleistet, obwohl sie doch unbezahlt ist?
  • Sollten Eltern auch streiken dürfen, wenn in den Kitas ihrer Kinder gestreikt wird?
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Wow, ein paar tolle Ansätze fürs Nachdenken, danke!
Ich wollte tlw. in eine ähnliche Kerbe schlagen. Achtung, es wird kitschig.

Staunen: Wie verrückt ist es eigentlich, dass um uns herum täglich hunderte Menschen sind, deren Erlebens-, Gefühls- und Gedankenwelt genau so komplex ist wie unsere? Wir müssen dieses Wunder nicht völlig ausblenden, nur weil wir eilig zum nächsten Termin müssen und das Gegenüber zufällig eine andere Hautfarbe hat.

Mensch sein unter Menschen - d.h. Nächstenliebe und Solidarität mit Allen im Alltag üben, vor allem den Schwächsten. Denn auf die gehen Menschenfeinde zuerst, da sie innerlich eigentlich selbst die Schwachen sind. Ganz praktisch kann das die Münze und ein Lächeln für den Obdachlosen sein, die Hilfe unter Nachbarn, das Zuhören am Arbeitsplatz, wenn die Kollegin ihre Sorgen teilt. Alles, was sozialen Zusammenhalt und den Glauben an das Gemeinsame mit dem Gegenüber stärkt.

Fair sein, vor allem im der Diskussion. D.h. Menschen grundsätzlich gleich behandeln und an ihren Taten messen. Hermeneutisches Wohlwollen üben. Den eigenen Standpunkt und die Erfahrungen, die ihn hervorgebracht haben, reflektieren. Sachlich sein und das auch vom Gegenüber verlangen. Verständnis- und lösungsorientiert diskutieren statt wettbewerbsorientiert debattieren. Anderen gegenüber mindestens ebenso milde Maßstäbe anlegen wie bei sich selbst.

Und das Ganze täglich praktizieren und behutsam steigern im Bewusstsein um die eigenen Grenzen. Das kann zu zivilgesellschaftlichem Engagement führen oder einfach zu einem positiven Einfluss auf die eigene Einstellung und das soziale Umfeld.

Ich bin überzeugt davon, dass kleine, menschliche Gesten im Alltag genau so viel bedeuten und erreichen können wie die große, politische Arbeit oder philosophische Theorie. Herzensbildung ist ebenso wichtig wie das scheinbar rationalere Wissen um politische Zusammenhänge.

Aber natürlich gibt’s sicher noch viele konkretere und politischere Dinge, die man tun kann! :slight_smile:

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Ein weiterer positiver Aspekt der aktuellen Demonstrationen gegen Rechts ist auch, das die AfD sich nicht mehr als politisches Sprachrohr und Vertretung einer diffusen „schweigenden Mehrheit“ präsentieren kann, die angeblich unzufrieden mit der Demokratie in Deutschland sei.
Das Argument hat sich grad zum Glück ins Gegenteil gedreht.

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Ich finde es gut, dass wir über dieses Thema sprechen – danke dafür.

Der politische Betrieb ist in vieler Hinsicht dermaßen institutionalisiert, dass man schnell vergisst, dass das genuin Politische nach wie vor beim Volke liegt. Deswegen hat es mich sehr gefreut, als in der Lage angesprochen worden ist, dass bspw. der Prozess des Parteiverbots der AfD auf zwei Schienen gefahren werden muss: 1. auf der institutionellen Schiene vor dem BVerfG und 2. im politischen Raum der Menschen, die sich damit auseinandersetzen. Das einer kann in einer Demokratie nicht ohne das andere existieren.

Was wir dieser Tage erleben (erlaubt, dass ich einen etwas größeren Bogen schlage), wenn hunderttausende Menschen für eine Sache auf die Straße gehen, die doch eigentlich außerhalb der unmittelbaren eigenen Kontrolle liegt (nämlich dem Umgang der parlamentarischen Vertreter, die aufgrund des freien Mandats im Wesentlichen machen können, was sie wollen), ist wunderbar. Denn es erfüllt in jeder Hinsicht den Anspruch, den die die republikanisch verstandene Demokratie an ihre Bürger stellt, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: eine Republik, eine res publika: ein Interesse für die „öffentliche Sache“ (lat.) und dem Bedürfnis, daran teilzuhaben. Die Bürgerinnen und Bürger geben eben nicht einmal alle vier Jahre ihre Stimme für jemanden ab und ziehen sich dann in die wohlige Privatheit zurück, sondern drängen ins Politische, machen die Fragen der Öffentlichkeit zu ihren eigenen. Es sind Momente wie jene dieser Tage, die bei allem Übel, das wir in den letzten Jahren sehen konnten, Mut machen.

Und das ist es, was auf die Frage dieses Threads antworten soll – Was können wir tun? – und dessen wir uns immer vergewissern müssen: Sich nicht mehr als die „schweigende Mehrheit“ zu verstehen, sondern als jene Mehrheit, welche sich nicht mehr bloß Gedanken über das politische Geschehen macht, sondern sie laut ausspricht, sich an Debatten beteiligt, wo auch immer es geht, sich auf talk.lagedernation oder ähnlichem anmeldet, sich nicht mehr kopfschüttelnd abwendet, wenn Unfug erzählt wird, sondern sich einmischt – kurz: eine Mehrheit, die politisch ist, und nicht die Politik als abstrakten Betrieb von oben betrachtet.

Um diesen Anspruch konkret zu erfüllen, gab es im Thread bisher super Ideen – ich will gar nichts ergänzen. Es ist nur wichtig, einem der wohl wesentlichsten Grundsätze Ausdruck zu verleihen, die dem Selbstverständnis unserer Verfassung zugrund liegt: Die Souveränität liegt beim Volk – und das Volk übt sie aus, indem es sich politisch betätigt. Und herzu zählt jeder noch so kleine Beitrag, wenn er in die Öffentlichkeit drängt.

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Genau von dem Thema handelt die aktuelle Folge „Piratensender Powerplay“ von Samira El Ouassil und Friedemann Karig, die ich sehr empfehlen kann:
Webseite der Episode: E155: 5 Dinge, die du jetzt gegen die AfD tun kannst (musst) - Piratensender Powerplay - Podcast

Mediendatei: https://audio.podigee-cdn.net/1343898-m-aebf5f7c65644ac711bfe03b79b0e5a6.mp3?source=feed

Shownotes

  1. Mobilisieren, protestieren, engagieren. Siehe auch: Pia Lamberty: @pialamberty.bsky.social on Bluesky
  2. ⁠Wahlen fokussieren und Wähler mobilisieren Siehe auch Tyron Ricketts: 🎥Actor-Producer-Surfer🏄🏾‍♂️ on Instagram: "Ein kleiner Leitfaden für Gespräche mit Menschen die die Welt aus einer anderen Perspektive sehen. Anstatt anzuklagen, geht es hier darum die Person dazu zu bringen, ihre Meinung in einer friedlichen Atmosphäre zu hinterfragen. Die Möglichkeiten Meinungen dadurch um einige Prozentpunkte zu verändern sind mit dieser Methode viel größer als wenn man sich gegenseitig einen Ochsen schimpft! ✊🏽🔥🖤 Inspiriert von dem Buch „How Minds change“ von @davidmcraney"
  3. ⁠Politisch bilden und Bildung weitergeben Schreibt euren Abgeordneten zum Demokratiefördergesetz, das ihr jetzt haben wollt! Lest Timothy Snyder „Über Tyrannei“!
  4. ⁠Daraus folgend: die demokratische Rechte fordern, sich strikt abzugrenzen
  5. ⁠Sprache und Denken sensibilisieren
  6. Weitere Quellen & Lesetipps:
    „Protest und Beteiligung“, aus Politik und Zeitgeschichte, Juni 2012, Bundeszentrale für politische Bildung, https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/APuZ_2012-25-26_online.pdf
    Samira Akbarian, „Soziale Bewegungen und der öffentliche Raum - Die Versammlungsfreiheit zwischen Privatisierung, Digitalisierung und sozialem Druck“ aus Kritische Justiz, Jahrgang 53, KJ Kritische Justiz - Nomos eLibrary
    Elisabeth Noelle-Neumann, „Die Theorie der Schweigespirale“, Schweigespirale - Elisabeth Noelle-Neumann
    Myisha Cherry, “Value-Based Protest Slogans: An Argument for Reorientation”, https://philpapers.org/go.pl?aid=CHEVPS
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Der Kommunikationswissenschaftler Christian Stöcker hat beim Spiegel was dazu geschrieben:

Und ich kann dem nur beipflichten:

Maßnahme fünf ist keine Aufgabe nur für einzelne Parteien, sondern für die gesamte Gesellschaft, für Verbände, Vereine, Kirchen und jede und jeden einzelnen: Es muss bei jeder sich bietenden Gelegenheit klargemacht werden, dass Zustimmung zu den Positionen der AfD und anderer Rechtsextremer zu gesellschaftlicher Ächtung führt.

Es muss wieder unangenehm sein, beim Verbreiten rechtsextremer Ideen ertappt zu werden. Was gerade in deutschen Innenstädten passiert, zeigt, dass das gelingen kann – wenn auch die demokratischen Parteien mitziehen.

Deshalb Schluss damit, endlos Verständnis für blaubraune Gesellen aufzubringen und deren Forderungen hinterher zu hecheln. Wir müssen realisieren, dass „die Spaltung der Gesellschaft verhindern“ ein unsinniges Ziel ist. Im Gegenteil müssen wir die Spaltung endlich klar vollziehen, und jeder muss sich dann entscheiden, auf welcher Seite er steht. Wir haben einen inneren Feind im Land, und der steht rechts. Und wer weiter rum laviert, z.B. mit wirren Argumenten gegen einen AfD-Verbotsantrag redet, der hat’s entweder immer noch nicht begriffen oder verfolgt eine eigene, verdeckte Agenda.

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Lieber @otzenpunk, ich verstehe deine Intention und habe grundsätzlich auch wirklich auch einige Sympathien dafür. Dennoch muss ich dir entschieden widersprechen.

Ja wir müssen rechter Gesinnung widersprechen, aber 25% der Bevölkerung ächten, also quasi ausgrenzen? Meinst du das ernst? Dir ist sicher klar wie explosiv so etwas auf die gesellschaftliche Stimmung wirken würde? Man muss doch nur nach Israel oder in die USA schauen was eine solche Haltung verursacht.

Lass dir gesagt sein, wenn man das Falsche aus gutem Grund und in guter Absicht tut bleibt es immer noch falsch.

Zumal deine Haltung auch aus anderen Gründen schwierig ist. Die Einstufung, ob etwas rechts oder konservativ ist, ist nicht selten sehr subjektiv, wie man ja hier im Forum, auf Twitter und auch im analogen Leben oft sehen kann. Wie will man das verhandeln und welche Rechte haben dann noch Konservative, die objektiv gesehen fälschlicherweise zu einer Persona non grata gemacht wurden?

Ich bin selbst bin linksliberal und trotzdem wurde ich sowohl von der AfD schon zur Persona non grata gemacht (man würde Menschen wie mich am liebsten einsperren) als auch von Linken, die mich beim Arbeitgeber anschwärzen wollten weil ich damals die öffentliche Vorverurteilung von sowohl Luke Mockridge (Fall Ines Aioli) als auch Herrn W. (Fall Gil Ofarim) öffentlich kritisierte. Glücklicherweise war ich damals nicht mehr bei diesem Arbeitgeber, wodurch deren Aktion ins Leere lief und ich nur über ehemalige Kollegen davon erfuhr…Sidenote: in beiden Fällen stellte sich bald heraus, dass etwas weniger Vorverurteilung angebracht gewesen wäre.

Willst du wirklich so ein Land in dem Menschen ihre Meinung aus Angst vor Ausgrenzung nicht mehr sagen? Was das für Folgen hat kann sich jeder denken.

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Doch, man muss die Wahl rechtsextremer Parteien ächten.

So etwas macht man nicht.

Man schlägt keine Kinder.
Man quält keine Tiere.
Man wählt nicht die AfD.

So oder so ähnlich sagt es Andreas Kemper, AfD-Experte.

Gleichzeitig müssen die Politiker bessere Politik für die Menschen machen. Aber klar muss sein: Man wählt nicht die AfD. Dafür gibt es keine Entschuldigung.

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Hier gibt es einen Unterschied zwischen dem, was Christian Stöcker fordert (" Es muss bei jeder sich bietenden Gelegenheit klargemacht werden, dass Zustimmung zu den Positionen der AfD und anderer Rechtsextremer zu gesellschaftlicher Ächtung führt.") und dem, was @otzenpunk fordert, indem er fordert, Personen auszugrenzen.

Ich denke auch, dass Christian Stöcker Recht hat, aber man muss die inhaltliche Ebene von der persönlichen Ebene trennen können. Gerade im Freundes- und Bekanntenkreis ist es wichtig, stets deutlich darin zu sein, AfD-Positionen abzulehnen, wenn solche geäußert werden. Das heißt nicht, dass man die Freundschaft aufkündigt, im Gegenteil, es geht darum die persönliche Beziehung zu nutzen, um die Person zum Positiven zu beeinflussen.

Es muss klar sein, dass eine „Lagerbildung“ immer problematisch ist. Wenn wir mit „Lagerbildung“ anfangen, wie @otzenpunk es vorschlägt („Spaltung vollziehen“ und „auf welcher Seite er steht“), helfen wir damit der AfD. Denn was jede Sekte will, ist, dass die Mitglieder einzig in der Sekte Anerkennung finden und sich ausschließlich mit Mitsektierern umgeben. Wenn wir die AfDler ausgrenzen, überlassen wir sie völlig ihrer Bubble und das wird zu weiteren Radikalisierungsprozessen führen (die USA zeigen das in der Tat recht gut…).

Insofern dürfen wir die AfDler in der Tat nicht aufgeben - jeder muss die Chance haben, wieder in die demokratische Gemeinschaft zurückzukehren, egal, wie tief er sich nach Rechts verrannt hat. Die Rechtsextremen können Aussteigern nicht verzeihen, sie sind für sie auf Ewig „Verräter an der Sache“ - auf dieses Niveau dürfen wir nicht herabsinken…

Das heißt aber ausdrücklich nicht, den Forderungen der AfD hinterher zu rennen, ganz im Gegenteil. Wie gesagt, die Positionen und Forderungen der AfD müssen stets auf’s schärfste bekämpft werden, aber dazu muss man nicht jeden, der sich in diese dummen Positionen verirrt hat, permanent ausgrenzen.

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Danke dir, @Daniel_K. Quasi alles was du schreibst unterstütze ich so. Ich wollte auch weniger Stöcker widersprechen, sondern @otzenpunk für dessen sehr problematisches Gesellschaftsbild.

Nur hier muss ich etwas präzisieren:

Wir müssen die problematischen Positionen der AfD bekämpfen. Wenn die AfD aber durchaus mal sinnvolle Dinge unterstützt (auf vor allem auf Kommunalebene ist das manchmal der Fall), dann dürfen wir das nicht aus Prinzip blockieren. Denn wenn Politik aufhört das Richtige zu tun nur weil sie vom Falschen Applaus bekommen könnte, dann geben wir den Rechten einen unglaublichen Hebel sich als Opfer zu inszenieren.

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Das ist letztlich ein Balanceakt.

Lässt man die AfD mitspielen, „normalisiert“ man sie damit, lässt man sie nicht mitspielen kann sie sich als Opfer darstellen, was in der Tat der AfD mehr helfen könnte. Es ist wirklich eine Strategiefrage, wie man in diesem Punkt agiert und ich kann gut verstehen, dass wir noch versuchen, die AfD nicht zu normalisieren. Beide Wege können in die Hose gehen, das ist das Problem an der Sache - wir wissen einfach nicht, welcher Weg die AfD eher marginalisieren oder eher normalisieren oder gar stärken wird.

Klar muss sein, dass man mit der AfD in gar keinem Fall gegen andere demokratische Parteien zusammen arbeiten darf. Daher finde ich es auch problematisch, Abstimmungen zu initiieren, bei denen man von Anfang an weiß, dass man auf die Stimmen der AfD angewiesen sein wird.

Auf der kommunalen Ebene ist es hingegen in der Tat manchmal problematisch, wenn die AfD einen absoluten No-Brainer findet, gegen den man wirklich nichts sinnvoll argumentieren kann, und dies dann abgelehnt wird (und auch nicht selbst wieder eingebracht werden kann, weil man sonst ja den AfD-Vorschlag übernehmen würde…). In solchen Situationen bin ich mir auch nicht sicher, was weniger schädlich ist: Die AfD zu normalisieren oder etwas abzulehnen, wofür der Bürger wirklich kein Verständnis haben wird, nur weil es von der AfD kommt. Deshalb müssen solche Situationen durch eine kluge Politik vorhergesehen werden. Man darf der AfD einfach keine solche No-Brainer überlassen. Das ist natürlich leichter gesagt als getan.

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Tatsächlich glaube ich (leider) auch, dass ein solches Schema bislang zum Erfolg geführt hat. Eine tiefere Auseinandersetzung mit menschenfeindlichen und antidemokratischen Weltbildern und Kontinuitäten nach 1945 scheint nach der 68er-Bewegung ins Stocken geraten zu sein. Die Fragen, die @Pigeon73 oben gestellt hat, stellen eher wenige. Daher hat „nur“ die (inhaltlich völlig richtige) Stigmatisierung von allem, was mit „Nazi“ assoziiert werden konnte, verhindert, dass Rechtsextreme großen Einfluss gewinnen konnten. Eine Art demokratischer Würgreflex. Wenn man sich damit beschäftigt, wie moralisches Urteilen und Handeln entsteht, ist das vielleicht auch nicht verwunderlich, vieles ist da nicht rational, vielmehr durch frühe Prägung reflexähnlich tief verankert. Auch die Wahlentscheidung findet meiner Meinung nach im Bauch statt.

Warum leider?
Blöderweise hat man es nicht geschafft, diesen Reflex auf die AfD zu übertragen und durch die oberflächliche Verbindung mit „Nazi“ kommt man dadurch auch nicht so gut an problematische Ideologeme heran, die auch abseits von Rechtsextremen verbreitet sind (zB Sexismus, Armenhass, Antisemitismus). Die AfD indes nutzt das, um sich als Opfer der „Nazi-Keule“ zu gerieren. Und nun fürchte ich, dass die Zeit fehlt, um einen demokratischen Würgreflex gegenüber der AfD bei denen zu etablieren, die ihn nicht erlernt haben.

Aber versuchen sollte man es wohl, stimme Dir zu! Dieser Reflex ist ein erster Schritt in Richtung der mMn notwendigen Herzensbildung.

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Möchte doch noch ergänzen: Wählen gehen! Und zwar immer so, dass Du sicher sein kannst, dass es nicht Dein letztes Mal war.

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