Warum fällt es so vielen so schwer, die Realität eines verbreiteten Rechtsextremismus anzuerkennen?

"Ständig zu lügen hat nicht das Ziel, die Leute dazu zu bringen, eine Lüge zu glauben, sondern dafür zu sorgen, dass niemand mehr an etwas glaubt. Ein Volk, das nicht mehr zwischen Wahrheit und Lüge unterscheiden kann, kann nicht zwischen Gut und Böse unterscheiden. Und so ein Volk, das der Macht des Denkens und des Urteils beraubt ist, ohne es zu wissen oder zu wollen, komplett dem Imperium der Lüge unterworfen. Mit solchen Leuten kannst du machen, was du willst. "

Hannah Arendt,
deutsche Historikerin und Philosophin entwickelte das Konzept der „Banalität des Bösen“.

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So hätten sich 33 Prozent der Befragten selbst der politischen Mitte zugeordnet – davon allerdings gaben 17 Prozent an, die AfD zu bevorzugen, ein noch größerer Anteil will für das BSW stimmen. »Man kann sich links einordnen und gleichzeitig AfD wählen – das ist bei dieser Generation möglich«, sagt Rüdiger Maas.

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Diese beiden und auch die freien Wähler zeigen aber ja eher, dass man dies nur mit massiv Populismus erreichen kann. Und die Frage ist ob wir das wollen.

Ich bin auch dagegen jede Partei die rechnerisch einen Sitz hätte in den Bundestag einziehen zu lassen, aber eine 3% Hürde wäre in der heutigen Parteienlandschaft passender. Gerade wegen der höheren Zahl der Parteien im Bundestag und der schwierigen Regierungsfindung wird über kurz oder lang ohnehin darüber nachgedacht werden müssen ob man nicht eine Politikkultur etablieren will in der Minderheitenregierungen mit Themenspezifischen Mehrheiten mit Oppositionsparteien nicht der einzige Weg sind einen generellen Stillstand über Jahre zu verhindern.

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Totally agree. Populismus ist in der Startphase immer von Vorteil, wie die Grünen, die mit Pullovern gegen das Establishment antraten und dann strickend im Bundestag saßen. Wenn hinter dem Populismus Substanz steckt, muss der Populismus nicht schlecht sein. Bei den Freien Wählern warten in der zweiten Reihe äußerst begabte Politiker, die in Bayern bereits einen sehr guten Job machen. Sie dürfen den Populisten nur nicht die Oberhand überlassen. Das ist bei der AFD passiert und ist beim BSW zu befürchten.

Zu dieser Konstellation gibt es aber vermutlich auch das Gegenstück. Also Wähler, die selber rechtsextreme Gedanken hegen aber trotzdem CDU wählen, obwohl die ihnen zu links erscheint, weil ihnen die AFD vielleicht zu vulgär ist oder andere Gründe dagegen sprechen.

Alltagsrassismus ist aber leider kein Exklusivum von AFD-Wählern. Der findet sich leider fast überall in unterschiedlichen Mengenverhältnissen.

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Welche begabten Politiker meinst du? Also ich erlebe die freien Wähler als sehr heterogene Partei mit teils guten Leuten auf kommunaler und regionaler Ebene. Schon auf Landesebene bin ich da etwas skeptischer.

Und gerade Aiwangers Populismus hat doch wenig Substanz. Der sagt was die Leute hören wollen und wenn das im Bierzelt im einen Ort das Gegenteil ist vom Nachbarort, dann erzählt er dort dann das Gegenteil.

Sowas mag einerseits Stimmen ziehen, weil sich viele irgendwie gehört und verstanden fühlen, aber langfristig sorgt das in meinen Augen eher für noch mehr Politikverdrossenheit, weil sowas nur schwer in eine Realpolitik umgesetzt werden kann, von lokalen Themen abgesehen.

Florian Streibl wünschen sich viele, dass er Aiwanger ablöst. Aber wie du schreibst, der liefert nicht die Schlagzeilen und füllt Bierzelte nicht so gut. Er könnte Aiwanger aber ablösen, wenn die Freien Wähler eine bestimmte Bekanntheit erreicht haben.

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Eventuell fällt es uns hier im Forum auch manchmal schwer Islamismus zu erkennen und zu bekämpfen. Dazu gibt es eine interessante Kolumne von Sascha Lobo:

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Ist natürlich wieder ein anderes Thema.

Und ganz im Ernst: Es wäre leichter, als Linker eine klarere Kante zum Islamismus zu zeigen, wenn Konservative nicht ständig jeden islamistischen Anschlag für pauschale Kritik am Islam oder Menschen aus bestimmten Ländern nutzen würden, wie z.B. jetzt wieder, wenn in Reaktion auf den Anschlag eine generelles Einreiseverbot von Syrern vorgeschlagen wurde… Denn genau deshalb hat man als Linker das Gefühl, sich von dieser rassistisch motivierten Kritik am Islamismus abgrenzen zu müssen.

Kein Linker verteidigt Islamismus - aber selbst ich als sehr anti-religiöser Mensch verteidige die Muslime gegen pauschale Kritik am Islam aus dem Anlass islamistischer Taten. Einfach, weil diese pauschale Kritik rassistisch ist.

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Und das ist dann ein Grund, jede Diskussion über Islamismus im Keim zu ersticken? Genau das tun Linke nämlich. Weil allein die Auseinandersetzung mit dem Thema Ressentiments schüren könnte. Dann wird das Problem eben von Konservativen teils rassistisch bewertet. Und? Das Problem besteht ja trotzdem?

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Nenne mir ein Beispiel, wo eine Diskussion über Islamismus „von Linken im Keim erstickt“ wurde.

Was wir „im Keim ersticken“ sind rassistische Diskussionen wie z.B. die Forderung nach einem kompletten Einreisestopp für Syrer - oder dem „Muslim-Ban“ unter Trump. Weil diese Forderungen sich eben nicht gegen Islamismus, sondern gegen die gesamte Religion „Islam“ richten.

Wann immer es um Islamismus geht habe ich bisher nie von einem Linken gehört, dass das kein Problem sei - oder gar ein Islamist geschützt wurde. Islamismus wird auch in der Linken (die tendenziell eher religionskritisch ist!) als riesiges Problem wahrgenommen.

Das Problem ist letztlich das gleiche wie mit Konservativen, die ein Problem mit Antifaschisten haben, obwohl auch Konservative ein Interesse am Antifaschismus haben sollten. Da „Antifaschismus“ von manchen Linken so weit ausgelegt wird, dass jeder Konservative ein Verdachtsfall ist, fühlen sich Konservative vom Antifaschismus angegriffen, was zu Abwehrreaktionen führt. Das gleiche Problem haben wir, wenn Islamismus so weit ausgelegt wird, dass jeder Moslem unter Generalverdacht gestellt wird, da kommt eben die Abwehrreaktion sowohl von anderen Muslimen, als auch von Linken, die sich gegen Rassismus engagieren.

Diese eher rechte talking point, dass „Linke jede Diskussion über Islamismus im Keim ersticken“ würden, ist jedenfalls falsch. Das Problem Islamismus wird durchaus anerkannt. Aber im Gegensatz zu Rechten nutzen wir nicht jeden islamistischen Anschlag, um gegen Moslems zu hetzen - und das reicht manchen Konservativen schon aus, das „linke Engegement gegen Islamismus“ in Frage zu stellen…

Also: Nenne mir einen Fall, anhand dessen du halbwegs nachvollziehbar belegen kannst, dass Linke eine Diskussion über Islamismus im Keim erstickt hätten.

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Ich weiß nicht, ob es gut passt. Aber wie steht es um die Diskussion über außereuropäische Registrierungszentren für Flüchtlinge, in denen zuerst Identität und Schutzstatus festgestellt werden sollten, bevor verteilt wird?

Das haben Linke pauschal versucht abzuwürgen, denn es bestünde die Gefahr, Verfahren würden dort verschleppt und die Menschen schlecht versorgt.

Dabei wären Identitätsfeststellung und Bewertung des Schutzbedarfs vor der Aufnahme durchaus sinnvolle Maßnahmen.

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Aber ist das eine Debatte über Islamismus? Und wurde die „im Keim erstickt“?

Es wurde nachvollziehbare Kritik an einem politischen Plan geäußert, der - wenn man ihn im Hinblick auf innere Sicherheit und Islamismus betrachtet - jedenfalls enthält, dass alle Flüchtlinge unter Generalverdacht gestellt werden. Da die politische Linke eine grundsätzlich andere Position zum Thema „Migration“ vertritt, sich also auch als Vertreter von Migranten wahrnimmt (da diese sonst keine politische Vertretung haben!) ist es doch mehr als berechtigt, diese Vorschläge zu kritisieren. Das heißt doch nicht, dass man deshalb in irgendeiner Form „Islamismus“ gut heißen würde oder Debatten, wie man den Islamismus einschränken könnte, „im Keim ersticken“ würde.

Also wenn wir so weit gehen, Kritik am Plan von Flüchtlingslager an den Außengrenzen bereits als „Islamismusdiskussionen im Keim ersticken“ zu bezeichnen (und damit der politischen Linken zu unterstellen, sie würde Islamisten unterstützen) - okay, dann muss sich die Union auch gefallen lassen, dass man ihr unterstellt, Nazis zu unterstützen, weil sie jede Diskussion über Rechtsextremismus und Gewalt bei der Polizei „im Keim ersticken“ will (mit dem Totschlagargument, dass man alle Polizisten unter Generalverdacht stelle, wenn man auch nur wissenschaftliche Untersuchungen durchführen wolle). Ich denke, so weit sollten wir in einem halbwegs gesunden Diskurs nicht gehen.

Auch Konservative sollten anerkennen, dass es in der politischen Linken (weit gefasst, also inklusive SPD, Grüne, Linke usw.) keinerlei Sympathien für Islamisten gibt und sicherlich niemand Islamismus verteidigt. Lediglich dabei, wie viele „Kollateralschäden“ an Muslimen oder Flüchtenden allgemein beim Kampf gegen den Islamismus akzeptabel sind, gibt es natürlich unterschiedliche Auffassungen, also bei der Frage, ob ein „Generalverdacht“ in Ordnung ist und ob eine generell schlechtere Behandlung von Flüchtigen und Muslimen in Ordnung ist, um damit vermeintlich die öffentliche Sicherheit zu stärken. Das ist aber etwas ganz anderes, als „die Islamismusdebatte im Keim zu ersticken“ (worin wie gesagt der Vorwurf steckt, Islamisten zu schützen). Das ist im Prinzip Trump-Rhetorik, das typische Schwarz-Weiß-Denken.

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Ich habe bereits erwähnt, dass ich mir nicht sicher bin, ob dies ein gutes Beispiel ist.

Natürlich verteidigt die politische Linke nicht generell Islamisten. Allerdings fällt es ihr manchmal schwer, konstruktiv zwischen möglichen Kollateralschäden und der Problemlösung abzuwägen. Dies wird von Menschen, für die solche Abwägungen offensichtlich sind, oft als Blockade empfunden, besonders wenn die Argumentation häufig moralisch statt auf harten Fakten basiert. In diesem speziellen Fall wurde nicht über die Vorschläge diskutiert, sondern es wurden mögliche Worst-Case-Szenarien an die Wand gemalt, wie zum Beispiel die unzureichende Versorgung von Menschen in Aufnahmelagern. Die eigene Besorgnis wird dabei oft als moralisches Totschlag-Argument eingesetzt.

Dabei könnte man viel sinnvoller gemeinsam konstruktiv versuchen an einer Lösung zu arbeiten. Warum kann man nicht einfach darüber diskutieren wie man sicherstellen kann, dass die Sorgen eben nicht eintreten?

Die Diskussion über Islamismus wird nicht im Keim erstickt sondern einfach nicht in der gleichen Intensität geführt wie (absolut berechtigt) über Rechtsextremismus. Kevin Kühnert hat in einem Kommentar 2020 (Kevin Kühnert über Islamismus: "Die politische Linke sollte ihr Schweigen beenden" - DER SPIEGEL) bereits festgestellt, dass sich Linke wegducken wenn es um Islamkritik geht und das aus Sorge davor als Rechts abgestempelt zu werden.
Auch der Antisemitismus aus islamistischen und tw. auch muslimischen Kreisen wird nicht gleichermaßen thematisiert wie aus dem rechten Milieu obwohl er eine hohe Verbreitung hat. (Warum ein großer Teil der Muslime in Deutschland antisemitische Einstellungen hat | MDR.DE)
Ein weiteres Beispiel, aus meiner Sicht, sind linke Uniproteste im Zuge des aktuellen Gazakriegs die Symbole und Phrasen der Hamas nutzen und somit indirekt das Ziel der Hamas (Vernichtung Israels) unterstützen.

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Also entweder sind diese ganzen Hamasfans an den Unis keine Linken, oder da gibt es doch ganz schön viele.

Mir ist aber ehrlich gesagt schon schleierhaft, wie man sich selbst als links bezeichnen und überhaupt Religionen verteidigen kann, aber auch noch ausgerechnet den Islam - das erfordert ein Maß an kognitiver Dissonanz, bei dem ich kein Verständnis mehr habe.

Gerade online kann man kaum mal darauf hinweisen, dass unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit hier jede Menge verfassungsfeindliche Scheiß verbreitet wird, ohne dass man direkt wahlweise als Rassist oder islamophob tituliert wird, oder eine Ballade zur Melodie von „Der böse Westen und überhaupt, der Kolonialismus“ anhören muss.

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Das hat wieder mit der typischen politischen Rollenverteilung zu tun. Dazu hatten wir auch schon einige Threads. Es gibt Themen, die denen die Rechte (also vor allem Konservative) Positionen am rechten Rand vertreten - bei diesen Themen ist es normal, dass sich die Linke abgrenzt. Wie gesagt, das gleiche kann man bei der berechtigten Kritik an Polizeigewalt beobachten, ein Thema, das die Linke sehr stark triggert und von Links zu sehr starker Kritik führt, sodass die Rechte sich davon abgrenzt. Das ist einfach normal.

Die Menschen dort protestieren gegen einen Krieg, der aktuell bereits 40.000 Tote gefordert hat. Jeden, der dort demonstriert, als „Unterstützer von Islamisten“ zu verunglimpfen, geht einfach gar nicht.

Wow… einfach nur wow.
Der Islam kann genau so wie das Christentum positiv-humanistisch ausgelegt werden - oder eben radikal-fundamentalistisch. So wie du den Islam hier generell darstellst - dass er nicht ohne kognitive Dissonanz mit linken Denken (hier konkret: Religionsfreiheit!) vereinbar sei - spricht Bände darüber, welches (vorurteilsbelastete!) Bild du vom Islam hast. Ja, der Anteil an Fanatikern ist im Islam vermutlich höher als im Christentum, aber deshalb sollte man nicht die ganze Religion verurteilen, das geht einfach gar nicht.

Wenn du andersorts ähnlich deine „Hinweise“ verbreitest, wie hier, kann es wirklich nicht überraschenm, dass die diese Stempel aufgedrückt werden. Das erscheint mir wirklich wie ein „Du“-Problem. Wie gesagt, ich bin selbst absolut anti-religiös, ich denke ernsthaft, die Welt wäre ein besserer Ort, wenn die Menschen aufhören würden, zu denken, es gäbe einen Gott, dem zu gefallen sie irgendetwas tun müssten (denn auf dieser Grundlage kann man böses Handeln ebenso gut vertreten wie gutes Handeln!). Aber es würde mir nie in den Sinn kommen, derart negativ über „den Islam“ als Ganzes zu sprechen, weil ich weiß, dass „der Islam“ ein ebenso großes Spektrum ist wie „das Christentum“ oder „die Deutschen“, das alles vom radikalsten Gotteskrieger bis zum friedfertigsten Humanisten enthalten kann.

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Bei Fundamentalisten braucht man nach Religionen nicht unterscheiden. Als fundamentaler Christ kann ich mich problemlos auf die Seite der Hamas schlagen, denn in deren Weltbild haben die Juden Jesus Christus getötet (eine Meinung, die auch Martin Luther vertreten hat).
Fundamentalismus ist eben in jeder Religion schlimm, beruht vor allem darauf, sich selbst über andere zu erhöhen und ist damit vom Rechtsradikalismus nicht zu unterscheiden, außer, dass statt der Nation der Glaube als Unterscheidungsmerkmal herhalten muss.

„Das ist einfach normal.“

Aber warum wird von linker Seite nicht anerkennt dass es Probleme gibt um sie dann differenziert zu diskutieren & Lösungsansätze zu erarbeiten? Mit dieser Aussage von dir macht man es sich deutlich zu einfach und überlässt den Rechten die Diskurshoheit die dann nur noch rassistisch und islamophob ist.

„Die Menschen dort protestieren gegen einen Krieg, der aktuell bereits 40.000 Tote gefordert hat. Jeden, der dort demonstriert, als „Unterstützer von Islamisten“ zu verunglimpfen, geht einfach gar nicht.“

Da muss ich dir von meiner Seite widersprechen, da ich explizit auf Symbole und Zitate der Hamas verwiesen habe, welche von linken Protesten genutzt wurden. Findest du nicht dass das hörbar kritisiert werden muss, auch von uns als Linken?
Der Krieg in Gaza von israelischer Seite mit Zehntausenden zivilen Opfern ist eine absolute Katastrophe und muss kritisiert werden, um das klar zu stellen. Nur funktioniert das auch gleichzeitig ohne die Hamas zu unterstützen.

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