Tendenziell ja, wobei das amerikanische liberal zwar links-progressiv meint, allerdings trotzdem in der Regel eher gemäßigt-linke Positionen umfasst.
So würde ich es auch in Deutschland sehen: Das Wählerklientel mit dem höchsten Einkommen und der höchsten Bildung haben die Grünen (und die FDP). Außerdem dazu zählen würde ich Parteien wie Volt (Studentenpartei) und Bewegungen wie FFF (eng mit Bildungsbürgertum verbunden). Auf der anderen Seite wählt die untere Mittelschicht verstärkt AfD und BSW.
Es geht hier natürlich primär um Tendenzen, aber ich würde schon behaupten, dass die wirtschaftlichen Verlierer Stand heute eher weniger progressiv-linke (B90/Grüne, Linke) oder progressiv-liberale (Volt) wählen.
Interessante Aussage von dir. Das würde ja im Umkehrschluss heißen:
Was Elitenkritik ist, hat sich gewandelt. Während die Elitenkritik und der „Klassenkampf“ früher links war, dann ist es nun umgekehrt. Die wohlhabende Elite ist nun tendentiell progressiv und links, während die unterprivilegierte Schicht eher „rechts“ oder „konservativ“ ist.
Das würde auch gut die Frage erklären:
Die Kritik wäre in diesem Kontext nicht gegen Ausländer oder Transen, sondern gegen eine elitär wahrgenommene Linke in Gesellschaft, Medien und Politik, die diese Themen als zentrale Kernprobleme voranstellt und die eigentlichen wirtschaftlichen Sorgen vieler Menschen nicht wahrnimmt, weil sie selbst eben saturiert und safe ist.
Eigentlich klassische Elitenkritik, nur eben auf irritierende Weise umgedreht.
Zum einen zitiere ich die Expertin Isabella Weber in der neuen Lage: Sie hätten die Umfragewerte, die auf die Hauptsorgen Ökonomie und Inflation ernstnehmen sollen und zu verstehen geben, dass sie die Concerns ernstnehmen und die Probleme wahrnehmen statt auf eine offizielle Inflationsrate und falscher Wahrnehmung zu beharren. Also: Stockfehler vermeiden.
Kamala Harris hat sich bei „The View“ selbst das Genick gebrochen, als sie auf die Frage, was sie anders machen würde als in den letzten 4 Jahren, geantwortet hat: „Nichts“. Im Angesicht der Knappheit und den ökonomischen Sorgen ist das einfach die falsche Message, das hat mit Populismus und einfachen Antworten nichts zu tun. Sie sagte damit: Eure Sorgen sind mir egal und ihr habt einfach nur eine falsche Wahrnehmung.
Die Themen der Demokraten haben bei den Wohlhabenden verfangen und nicht bei denen, denen es ökonomisch schlecht geht. Als Schlussfolgerung also:
a) die Ansprache ändern. Themen wie Identitätspolitik und abstrakte Gerechtigkeitsfragen lassen und wieder zu based politics zurück: Ökonomie, klassische Wohlfahrtsthemen.
b) zu allen Zeiten ist es so, dass bestimmte Themen gesellschaftlich dominant sind: in Zeiten von wirtschaftlichen Sorgen ist der Fokus auf Bürgerrechte, Abtreibung und Demokratie verteidigen an der Mehrheit vorbei und wirkt wie Themen einer Elite.
Es geht nicht um konkrete Lösungen sondern um die Message: „ICH… HABE… VERSTANDEN!“, die ein Wahlkampfteam dann in verschiedenen Lösungen und Kommunikationsstrategien umsetzen sollte.
Das sage nicht ich, sondern findest du in verschiedenen Variationen auch in den Youtubes von CNN, die ich verlinkt habe. Und diese Ausrichtung hat mit Populismus nichts zu tun, ehrlich nicht.
Fairerweise muss man sagen, dass Harris auch mit knapp 100 Tagen wenig Chancen hatte, aber diese hätte das Wahlkampfteam (das 500 Mio USD mehr Funding im 3 Quartal hatte als Trump!) mit ganz anderen Themen bespielen müssen. Da hätte es keinen Populismus, sondern nüchterne ideologiefreie Analyse gebraucht.
Der typische Fabrikarbeiter befindet sich halt schon lange nicht mehr ganz unten, und hat eigentlich ziemlich gute Arbeitsbedingungen bei guter Entlohnung. Das was früher die Arbeiter waren sind heute eher Dienstleister wie Pflege- und Reinigungskräfte oder auch Busfahrer, Erzieher und Co.
Der „Autoboss“ ist halt auch so etwas was nicht zieht, weil es dem Sachverhalt nicht gerecht wird. Die Mitarbeiter von VW wissen doch selbst, dass die Frage ob für vergangene Gewinne eine Dividende ausgezahlt wird und die Frage ob die Werke die zur Debatte stehen für die Zukunft rentabel wären erstmal wenig bis nichts miteinander zu tun haben.
Zu suggerieren man könne ohne die Dividende die Werke offen lassen stimmt halt einfach nicht und das wissen die auch. Eine Lösung müsste also die Frage beinhalten wie ein solches Werk in Deutschland rentabel geführt werden könnte.
Der Mitarbeiter von Volkswagen interessiert sich auch nicht für die Debatte um einen Mindestlohn, weil von dem sind die meisten näher am Spitzensteuersatz als am Mindestlohn.
Jetzt wird es aber nicht für jeden dieser Arbeitsplätze eine Zukunft in Deutschland geben, weil einfach auch das Ausland technologisch aufgeholt hat und es nicht mehr nötig ist alles zu importieren.
Jetzt ist es für die Rechten natürlich das einfachste zu sagen die Grünen seien Schuld und so falsch wie dieses Argument ist, so befriedigend ist es doch für Betroffene einen Schuldigen zu haben für ihre Unsicherheit.
Wäre man ehrlich müsste man Regionen die extrem von solchen Branchen abhängen wo davon auszugehen ist, dass die Jobs deutlich weniger wären deutlich bei der Transformation unterstützen und dafür sorgen, dass die Jobs die über die normale Verrentung hinausgehend entfallen anderweitig aufgefangen werden können.
Diese Ehrlichkeit wird aber dann auch wieder nicht belohnt oder höchstens dann wenn mal ein Politiker lokal erfolgreich darin ist.
Ich sehe da kein Patentrezept wie man gegen diese Dysbalance in der Argumentation vorgehen kann, aber ich glaube der Ansatz von Habeck realpolitisch orientiert und ehrlich vorzugehen hat am meisten Potential über kurz oder lang Leute die merken, dass die lauten Parteien gar keine Lösungen haben aufzufangen.
Diese Einschätzung trifft vermutlich zu, lässt mich aber im Grunde noch ratloser zurück… Die Demokraten tun sicher nicht genug für Menschen mit sehr niedrigen Einkommen, aber sie sind die Partei, die mit „Obamacare“ als einzige überhaupt irgendeine Kleinigkeit für die Menschen um unteren Ende besser gemacht haben, sie sind von den beiden Parteien die einzige, die die ökonomischen Interessen dieser Gruppe nicht völlig ignoriert. Die Partei, die sich wenigstens ein bisschen bemüht, armen Menschen mit mehreren Jobs Möglichkeiten offen zu halten, an Wahlen teilzunehmen. Wenn sie dafür Wählerstimmen bekämen, gäbe es bei denen sogar ne Chance, dass sie (siehe Sanders) sich für ein richtiges soziales Netz einsetzen würden. Also früher. Jetzt werden die USA so umgebaut, dass wir eine Rückkehr der Demokraten in irgendeine relevante, politische Machtposition für eine Generation nicht erleben werden, von daher ist es jetzt eh egal. Weil Leute lieber jemanden wählen, der ihren eigenen politischen und wirtschaftlichen Interessen komplett widerspricht, als jemanden, der sie nur nicht genug umsetzt. Zumindest die Wähler der Sieger werden jetzt die Regierung bekommen, die sie verdient haben.
Mal angenommen, dass die Beobachtung zutrifft und ihr diese Aussage geschadet hat, trifft das doch eher genau den Punkt, oder? Trump hat viele Dinge zu verantworten, die seinen Wählern geschadet haben, er wurde gerichtlich verurteilt etc. Er hat sich nie für irgendwas entschuldigt, nie gesagt, er würde irgendwas anders machen und genau das wird ihm von seiner Wählerschaft überwiegend als Stärke und nicht als Starrsinn oder elitäre Ignoranz ausgelegt (wenn doch, bestreitet oder vergisst man einfach, dass das passiert ist oder gesagt wurde). Ich würde vermuten, dass das „Müllmann“-Foto bei Harris genauso nicht funktioniert hätte, weil man sich bei ihr eben dran aufgehangen hätte, dass das ja unauthentisch ist, wenn man aus dem Privatjet auf ein Müllauto aufspringt. Genau das ist doch das Problem der Demokraten, dass sie weiter nach den Regeln wenigstens irgendeiner Logik, Vernunft und Anstand spielen müssen, während für republikanische Kampagnen alles egal zu sein scheint. Dieser unbedingte Wille auf der rechten Seite, alle Probleme Trumps auch in den Bereichen, in denen Harris (oder vor ihr Biden) Schwächen zeigte, zu ignorieren oder in Stärke umzudeuten, fehlt auf linker Seite. Da beugt man sich in ausdifferenzierter Debatte über die eigenen Kandidaten und Programme, zerstreitet sich darüber, ob nun dieses Foto oder diese Aussage gut oder schlecht wäre und fragt sich immer, ob in dem Orkan aus Lügen, Hass und Irrsinn, der von „drüben“ rüberweht nicht doch auch irgendwo berechtigte Kritik sein könnte und bemüht sich um Verständnis. Warum das so ist und warum sich die eine Hälfte der Gesellschaft (nicht nur in den USA, wir sind nur noch nicht ganz so weit), für so eine Unkultur entscheidet und wie man wenigstens einen Teil dieser Menschen für einen Mindestanstand gewinnen könnte, ist doch die Frage, die man bei den Demokraten (sowohl der Partei, als auch der politischen Gesinnungsgemeinschaft) lösen muss, wenn man zumindest in Europa noch was retten will. Die USA sind in meinen Augen abseits einiger Rückzugsgefechte bis auf weiteres verloren, aber in Europa gäbe es noch eine Resthoffnung, vor der Klippe die Kurve zu kriegen…
Ja, aber Trump und Vance haben einfach mal behauptet, das sie es gewesen sind, obwohl Trump den affordable care act nur zu gerne abgeschafft hätte. Aber weil es so gut in das „Retter“-Narrativ von MAGA passt, haben das vermutlich auch viele Menschen geglaubt. Es geht im Zweifelsfall halt um Stimmungen, Narrative und Glauben, nicht um Fakten. Ich fürchte, das gehört (leider!) zu den Bedingungen des politischen Kampfes in Zeiten des Trumpismus.
Bei den Analysen etwa von Isabella Weber oder hier im Thread muss ich unweigerlich an die Debatte über das sog. Heizungsgesetz denken. Auch da wurde ja der rationale Kern der Kritik erst zum Skandal durch das Narrativ, dass die abgehobenen „grünen“ Eliten den Menschen quasi ihre Heizung oder gar ihr Eigenheim wegnehmen wollen. Da passen die Bemerkungen aus dem reddit-Post schon 1:1. Eine Frage über die ich derzeit viel nachdenke: Ist wirklich etwas damit gewonnen, wenn auch progressive Politik sich stärker an so einer NIMBY-Mentalität ausrichtet?
Da hast du, glaube ich, recht. Ich habe auch eher den Eindruck, dass wir von einer kulturellen Entfremfdung dieser Arbeiter/Angestelkltenschicht reden. Dass ein Trump mehr „street credibility“ bei einer doch substantiellen Gruppe hat als zum Beispiel eine Kamala Harris, ist für mich nur dadurch erklärbar, dass er einen expliziten „Anti-Intellektualismus“ an den Tag legt - und zwar ganz bewusst.
In dieser Hypothese ist Trump quasi die fleischgewordene Antithese zu den „Berkeley-Demokraten“, die Diversity pushen, Themen wie Abtreibung, Demokratierettung (welche Demokratie muss denn gerettet werden?), Feminismus, Queer, Postkolonialismus als Hauptthemen nehmen und als „intellektuell und abgehoben“ wahrgenommen werden.
Das hieße (und ich schreibdenke mal): GERADE Trumps „Anti-Intellektualismus“ und seine Ausfälle zeigen „Ich verstehe euch und rede nicht so abgehobenes Zeug wie die Demokraten“ plus sein Fokus auf die Themen Wirtschaft und die Wiederherstellung eines Wohlstandsversprechens.
Das ist sicher so, von Trumps Seite ist da eine große „Wucht“, die aus Anti-Intellektualität entstehen kann. Andererseits - Wenn die Demokraten offensichtlich an die 53% nicht erreicht haben, und darunter auch viele Frauen und Latinos, aber immerhin auch zu 1/3 PoC, woran kann das liegen? Da müsste man doch auch mal reinschauen. Ich fand diese Aussage nach wie vor erhellend, auch für eine deutsche progressive Linke:
Dort kritisiert sie, dass die Ansprache der Wähler nicht funktioniert, dass die Wählergruppen wie die Latinos selbst mit Konstrukten wie „LatinX“ nichts anfangen können und sich dadurch eher abwenden und noch weitere Dinge. Also grundlegende Dinge, wenn man eine Wahl gewinnen möchte.
Natürlich hast du recht, dass auf der Sachebene eine demokratische Politik besser wäre für die meisten US-Amerikaner. Nur musst du die Menschen auch erreichen, und wie Isabella Weber in der aktuellen Lage zu dem Thema Inflation und Sorgen und dem Umgang der Demokraten damit hervorgehoben hat, das haben die Demokraten nur unzureichend getan. Es fehlt ihnen in Stil und Haltung wahrscheinlich gerade das Prinzip der Lebensnähe, zumindest wahrgenommen.
Dann wäre ja die nächste Frage: warum ist das so? Und was müsste man tun, um das zu ändern? Und würden wir das überhaupt wollen, wenn diese Menschen schon in der unappetitlichen Ecke von AfD und BSW sind?
Folgendes Gedankenspiel kommt mir in den Sinn: Die Mehrzahl, die bei AfD und BSW sind, lehnt aus vollster Überzeugung das Selbstbestimmungsgesetz ab und Gendern ebenfalls. Diversity-Programme halten sie für illiberal. Sie bewerten Ökologie und Klimawandel als Thema, aber im Mix weniger dringllich. Abstrakte Wertediskussionen sind ihnen fremd.
Würde eine progressive Linke Kompromisse machen wollen und diese Themen kassieren/herunterfahren, um wieder die wirtschaftlichen Verlierer zu repräsentieren? Könnte sie das überhaupt noch?
Ich glaube, das wird entscheidend werden für unsere Lehren, denn Grüne, Linke und Volt, die du aufführst, sind gerade bei vielleicht 15%. Nehmen wir die SPD dazu, sind wir bei insgesamt 30%, und da kommen nur noch Rentner dazu, denen es aufgrund von Pensionen und Rente gut genug geht, also auch gut situiert.
Und da glaube ich, dass die Demokraten und insbesondere auch Klimaschutz ein Problem haben: Die Leute wollen buchstäblich unbedingt glauben, dass es auch ohne Veränderungen geht, die wollen um jeden Preis hören, dass sie alles richtig machen und ihre Probleme von anderen oder auf Kosten von anderen gelöst werden müssen. Das kann man so für eine sozial-ökologische Politik einfach nicht herstellen und ich fürchte, man kann es auch nicht durch überzeugende Argumente ersetzen. Man kann es nicht mal durch konkrete Erfahrungen ersetzen, was man ja daran sieht, dass grade auch Menschen, die von Sexismus, Rassismus, Klimakatastrophen betroffen sind oder waren, mehr davon wählen. In den USA genauso, wie (beim Klimaschutz-Thema) im Aartal oder anderswo. Diesem aggressiven Unwillen, sich der Realität zu stellen, stehe ich ehrlich gesagt völlig hilf- und ratlos gegenüber.
Aber das funktioniert ja nur, wenn bestimmte Ressentiments gesellschaftlich mehrheitsfähig sind, allen voran das Denken, dass Minderheitenrechte auf Kosten jener gehen, die nicht zu dieser Minderheit gehören. Das zog bei Rassismus schon immer (vor 25 Jahren „argumentierte“ etwa die Union, dass Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit Deutschen mit nur einem Pass quasi etwas wegnehmen) und funktioniert mittlerweise auch prima bei Fragen des Geschlechterverhältnisses, sexueller Orientierung etc. Dass es der Rechten gelungen ist, den Kampf um grundlegende Menschenrechte für gesellschaftliche Minderheiten als „illiberal“ zu framen, ist aus meiner Sicht ein wesentliches Problem. Dass inzwischen viele, die im Kern nicht wirklich rechtsextrem sind, auf diesen Zug aufspringen (dazu würde ich auch Wagenknecht zählen), macht das Problem eher größer als kleiner.
Was macht man, wenn die wirtschaftlichen Verlierer grade deswegen wirtschaftlich verlieren, weil sie Minderheiten, „Sonderlinge“ etc. diskriminieren und Klimaschutz und Klimaanpassung verweigern? Ich stehe auf dem Standpunkt, dass grade diese Einstellungen einen großen Beitrag dazu leisten, dass Leute, die mit ihren Innovationen, mit ihrem Entdeckungsgeist, mit ihrer Lust, Dinge anders zu machen, die Voraussetzung für zukünftigen Wohlstand schaffen, nicht dort leben wollen, wo sie Opfer von Diskriminierung und Ausgrenzung werden. Auch wenn man keine erneuerbaren Energien in irgendeiner Weise, keine Verkehrswende will und gegen Renaturierungen von Flüssen, Entsiegelung von Flächen etc. erfolgreich kämpft, werden Menschen, die auf Grund ihrer besseren Bildung und ihres höheren Realitätssinns verstehen, was daraus folgt, eher woanders hinziehen, als in das Wohngebiet im Überschwemmungsgebiet. Und wenn man das „Verbrennerverbot“ erfolgreich gestoppt hat, scheitern die deutschen Autohersteller einfach noch ein bisschen mehr in ihren entscheidenden Märkten, bis auch hier alle elektrisch fahren, nur ohne eine Autoindustrie bei der sie arbeiten.
Was macht man also, wenn „diese Themen“ grade auch dafür wichtig wären, dass „wirtschaftliche Verlierer“ eine Chance auf einen Arbeitsplatz (und - um es zugespitzt zu sagen - eine Ehefrau) haben? Wenn die Wahrheit einfach ist, dass die wirtschaftlichen Verlierer sich grade bei den Themen anpassen müssten, damit ihr Leben besser wird?
Korrekt. Das hat aber meiner Ansicht nach auch damit zu tun, ob Menschen gesellschaftliche Veränderungen vor allem als eine Belastung ansehen, von der sie (oft zu Recht) erwarten, dass sie damit allein gelassen werden oder ob sie darin auch eine Chance erkennen, z. B. auf eine bessere Zukunft. Und während die Risiken bzw. Nachteile in Form von steigenden Kosten, Verhaltensänderungen, Zukunftsängsten etc. sehr konkret sind, bleiben die Nutzen (Nachhaltigkeit, Abmilderung der Klimakatastrophe) dann doch häufig sehr abstrakt. Um mal wieder auf die Heizungsfrage zurückzukommen: Ich weiß nicht, ob eine Partei, die konsequent und glaubwürdig Nachhaltigkeitsfragen mit Fragen sozialer Gerechtigkeit verbindet, hier etwas reißen könnte, aber eine solche Partei sehe ich gerade auch einfach nicht. Die Grünen haben ihre Glaubwürdigkeit an diesem Punkt gründlich verspielt und die Linke war viel zu lange vor allem mit sich selbst beschäftigt. Sprich: Ohne die Formulierung einer konkreten und positiven Zukunftsoption (jenseits von „wenn wir uns alle ganz doll anstrengen, wird es vielleicht nicht ganz so bescheiden“) wird da kein Blumentopf zu gewinnen sein.
Letztlich ist es doch überall so, dass wenn eine Gruppe mehr bekommt als eine andere, dann gibt es einen Aufschrei. Wer schonmal in einem Verein mit mehreren Mannschaften oder gar Sparten aktiv war kennt das Problem wahrscheinlich auch zu Genüge.
Das noch gepaart mit Erzählungen von Männern die dann als Frau „getarnt“ Frauen in Toiletten und Umkleiden vergewaltigen und schon macht man den Leuten Angst und Angst ist gut weil Angst zu irrationalem Handeln führt.
Haben die Leute Angst vor etwas, dann kann man Maßnahmen ergreifen die dafür sorgen, dass die Leute weniger Angst haben. Die AfD hat da z.B. einen super Hebel. Sollten die an die Macht kommen, dann müssen die nur Aufhören jeden Vorfall mit einem Migranten zu instrumentalisieren und schon erscheint Deutschland sicherer. Das muss dann auch gar nicht von Statistiken gedeckt sein.
Ja genau diesen Gedanken „xy kriegen aber mehr“ meine ich ja. Die Angst, dass man selber zu kurz kommen könnte dominiert vor dem gesamtgesellschaftlichen Interesse an möglichst fairen Bedingungen für alle. Und das verhilft de facto der Forderung nach Ungleichheit zum Durchmarsch. Was hat denn z. B. ein Schwuler „mehr“, wenn er genau so heiraten und Kinder adoptieren darf wie eine Hete?
Ja das ist so, aber die Frage ist, warum die Menschen sich auf diese Bäume treiben lassen wollen. Diese - in meinen Augen mindestens teilweise - freiwillige Bereitschaft, sich dümmer zu stellen, als man ist, sich Angst machen zu lassen, vor Ausländern, von denen keiner im Ukreis von 10km zu finden ist oder anderen im Wesentlichen eingebildeten Problemen und die daran anschließende Bereitschaft, offensichtlich ungeeignete Lösungen zu fordern (siehe Solingen und Sicherheitspakte) und zu unterstützen, bleibt mir in dieser Masse an Menschen ein schockierendes Rätsel. Ich kann irgendwie verstehen, dass für diejenigen, die im politischen, geistigen, wirtschafltichen Wettbewerb der besten Ideen, der effizientesten Lösungen einfach regelmäßig verlieren, weil sie ihre Stärken woanders haben, ein Gefühl der Ermächtigung daraus wächst, genau diese Regeln zu brechen, gewissermaßen das Debattenspielbrett vom Tisch zu fegen und statt eines strategischen Spiels, das Planung und Klugheit belohnt, ein Würfelspiel oder einen Boxkampf zu erzwingen. Aber wie man verhindert, dass diese Gefühlslage alle mit in den Abgrund reisst, oder sogar Menschen zurückgewinnt für Demokratie, für faire, wenigstens halbwegs ehrliche Debatten etc. da bleibe ich aktuell hoffnungslos.
Wie willst du jemandem, der seiner Arbeit alltäglich nachgeht, und jetzt nicht groß auffällt, aber dennoch diese Themen nicht unterstützt, überzeugen, dass er diskriminiert und dass, wenn er diese Themen unterstützen würde, er mehr Wohlstand hätte. Ich versuche ja immer, aus Positionen etwas „verkaufbares“ zu machen, aber mir fehlt hier die Phantasie, diesen Connect zu bauen für jemanden, der mit seinem Lebensunterhalt gerade Miete und ein bescheidenes Auskommen finanzieren kann und ansonsten unpolitisch ist.
Es kommt eben in einem gesellschaftlichen Diskurs darauf an, was „grundlegende Menschenrechte“ umfasst und ob eine breite Mehrheit die Idee zum Beispiel von „strukturellem Rassismus“ aufnimmt. Wir hatten ja die Diskussion.
Ich befürchte tatsächlich, dass wir darauf hinauslaufen, dass wir eine gutsituierte progressive Linke haben, die eher intellektuell argumentiert, aber eben auch angreifbar ist, weil sie aus einer Gewinnerposition heraus Minderheitenrechte, grundlegende Menschenrechte und Klimaschutz proklamiert und dadurch zu einer „Elite“ wird. Und je stärker sie es tut, desto mehr polarisiert sie - und wird angreifbar.
Das wäre eine Einladung, die unterprivilegierten Schichten von den Rechten abholen zu lassen. Das ist tatsächlich meine Befürchtung… Sind wir also auf demselben Weg wie in den USA?
Natürlich nichts. Wenn man Kinder hat und einem Schokolade gibt, dann zieht das Argument, dass das andere ja schon vor einer Stunde Schokolade bekommen hat meist nicht wirklich. Bei vielen bleibt halt nur „die bekommen was und ich nicht“ hängen.
Das schlimme in meinen Augen: Grade wenn die Menschen diese Entwicklung erkennen, ist deren Reaktion ja nicht, dass sie das akzeptieren, sondern dass sie dass unfair finden, wenn die Gebildeten, die Frauen, die Ausländer, die LGBTQ gehen und woander lebendige, wirtschaftlich erfolgreiche Gemeinschaften bilden. „Du musst an dir arbeiten, du wirst deine Kultur ändern müssen, wenn du was am demographischen und ökonomischen Niedergang ändern willst. Weil die, die Erfolg haben, anders leben wollen und Recht damit haben.“ hört niemand gern.
Aber mit welcher Lüge oder Auslassung man das verkaufen will, das ist wahrscheinlich die unbekannte Zauberformel.
Da stimme ich dir zu. Und an diesem Beispiel könnte man sehen, dass linke und progressive Parteien doch einfache Lösungen anbieten können.
Klimageld
Aber was wurde daraus gemacht, man hat behauptet man hat keine Auszahlungsmechanismus.
Man hätte direkt zum Anfang der legislaturperiode ein Gesetz machen können, dass deutlich macht, dass sobald der Auszahlungsmechanismus steht die Auszahlung beginnt und dies sogar rückwirkend.
Ganz ehrlich, ich hätte gefeiert und viele andere bestimmt auch.
Einfache Lösung für ein komplexes Problem. Wäre möglich gewesen.