ich beschäftige mich seit Längerem mit einigen staatlichen Bauprojekten.
Erstaunlich ist an diesem Thema einiges. Dass immer mit zu kleinem Budget geplant wird, dass die Planungen durch immer wiederkehrende Änderungen sehr lange dauern und vieles mehr. Das ist alles erklärbar. Was für mich nicht erklärbar ist sind die Bauzeiten. Also von Beginn der Baumaßnahme bis Fertigstellung.
Hier ein Beispiel: Es soll ein 2,2 Kilometer langes Teilstück saniert werden. Dafür werden ernsthaft fast zwei Jahre benötigt.
Kenne die Planung zwar nicht, vermute aber es ist nicht nur Verschleißdecke abschleifen und neue drauf, sondern eine Grundsicherung, das dauert dann.
Ist Auswirkung der Sanierungsschulden, der Verschleiß ist inzwischen so hoch, dass mehr oder weniger Ersatzbau gemacht werden muss.
Das ist mein Punkt. Ich habe 2014 einmal eine neu Zufahrt zu einem Werksgelände von 821 Metern als Projektleiter ausgeführt. Mit auskoffern, Abwasserkanal, Kabelrohren, Schrankensystem usw. Ausgelegt für 40 LKW pro Tag.
Von Baubeginn bis Fertigstellung 5 Monate. Natürlich mag eine Autobahn komplexer sein, aber es wird hier kein Tunnel oder Ähnliches gebaut.
Ich beobachte sehr häufig auch in der Stadt Hamburg, dass Straßenzüge (600 - 1000 meter) für 2 - 3 Jahre komplett gesperrt werden, weil Kanal, Kabel und Straße saniert werden müssen. Leider sieht man kaum oder gar keine Aktivitäten die meiste Zeit auf diesen Baustellen.
Das kann ich mir einfach nicht erklären.
Seh ich auch ab und an, ist bei uns in Hannover teilweise auch bei der Erneuerung von Stadtbahngleisen (oder Neubau von Haltestellen) sehr abenteuerlich. Wochenlang sieht man kaum jemanden auf der Baustelle, dann auf einmal echter Fortschritt, bei dem ich mir denke, hätte man kontinuierlich nur die Hälfte davon, wäre man viel schneller fertig.
Möglich, dass man auf Genehmigungen oder Stadtwerke wartet (um Leitungen abzustellen zB) oder Material verzögert geliefert wird? Vorstellen kann ich mir eine Menge möglicher Gründe.
Ist anekdotisch und ich hab anders als Du echt keine Ahnung vom Bau, daher insofern von meiner Seite aus etwas Stammtisch.
Billig, schnell, gut: du kannst dir zwei aussuchen.
In der öffentlichen Vergabe spielt der Aspekt „Zeit“ eigentlich nie eine Rolle. Zuschlag kriegt der, der das Projekt (theoretisch) zum günstigsten Preis ausführen kann. Und der darf sich dafür dann alle Zeit der Welt nehmen.
Wenn es mal wirklich schnell gehen muss, dann geht es auch. (Teil-)Abriss der Brücke in Dresden wegen drohender Flut? Ein paar Tage. Wenn das normal beauftragt und durchgeführt worden wäre, dann hätte das Monate gedauert, wäre aber vermutlich erheblich billiger gewesen.
Ich kann es leider nicht auf die Schnelle belegen, aber ich vermute mal, öffentliche Bauvorhaben sind für die Bauindustrie eher weniger wichtig.
Als ich seinerzeit bei der Bundeswehr war, wurden in der Kaserne gerade einige Wohnblöcke saniert. Irgendwann meinte mal ein Unteroffizier, das diese Umbauten ewig dauern würden, weil die Handwerks-Firmen jedes mal, wenn sie einen Auftrag aus der Privatwirtschaft hätten, erst mal den machen würden und erst dann in der Kaserne weiterarbeiten würden.
Billiger rein auf die Rechnungssumme bezogen vielleicht. Ich kann mir aber kaum vorstellen, dass es volkswirtschaftliche effizient ist wenn man jahrelang Staus und Unfälle provoziert. Ist leider kein Entscheidungskriterium.
Macht 164,2 Meter pro Monat. In deinem Ausgangsbeispiel haben wir 2,2km auf (knapp) zwei Jahre, macht 183 Meter pro Monat. Ich glaube nicht, dass das vergleichbar ist, aber du hast den Vergleich ja aufgemacht…
Edit: Rechenfehler und mögliche andere Interpretation siehe unten…
Deine Rechnung verstehe ich nicht. Wenn man für 2,2 km fast zwei Jahre braucht, dann sind das doch nicht 183 Meter pro Monat? Das wäre die Rechnung wenn man ein Jahr brauchen würde. Bei 20 Monaten wären wir bei 110 Meter pro Monat. Und da bei längeren Teilstücken sicherlich anders zu rechnen ist müsste es ja eigentlich pro Kilometer eher schneller gehen als bei Kleinprojekten. Vor allem wenn es nicht eine neue Zufahrt ist, bei deren Bau noch eine alternative Nutzbar ist sondern ein Projekt bei dem auch volkswirtschaftlicher Schaden durch Staus oder Umfahrungen entstehen würde.
Im Sommer war ich zweimal in kurzer Folge die A9 in den Sommerferien unterwegs und da wurde wegen Austausch der Mittelleitplanke mehrere Kilometer Baustelle eingerichtet. Beim erstem mal Fahren war kein einziger Bauarbeiter vor Ort. Einige Tage später auf dem Heimweg keinerlei Fortschritt und lediglich zwei Mitarbeiter in einem PKW. Noch eine Woche später wieder gefahren und noch immer keinerlei Fortschritt, aber zumindest eine Hand voll Mitarbeiter die scheinbar Kleinigkeiten gemacht haben und auf der Heimreise noch eine Woche später immer noch kein Fortschritt, aber schon mehr Bauarbeiter und auch Maschinen in Betrieb.
Die Frage muss da schon sein, ob man in den Sommerferien auf einer der Hauptrouten eine Baustelle eröffne auf der dann nichts passiert. Wenn man nicht die Kapazität für den Bauanfang hat, dann sollte man einfach auch noch nicht die Baustelle als solche eröffnen.
Andere Länder zeigen ja auch, dass gerade solche Baustellen auch schneller gehen.
Ich hab auch gestockt, dann aber gedacht, dass anders als bei der oben angesprochenen Zufahrt die Autobahn vermutlich in beide Richtungen saniert wird. Kann man vermutlich Pi mal Daumen als doppelte Länge in die Rechnung aufnehmen (einer der Gründe, warum dieser Vergleich so hinkt, da es in der Realität eben nicht die doppelte Länge ist, sondern die andere Fahrtrichtung der gleichen Autobahnstrecke).
Konnte das im geposteten Artikel nicht eindeutig verifizieren, klingt aber danach, als würden beide Fahrtrichtungen saniert.
Nachträgliche Ergänzung: Die Spuren in beide Richtungen werden saniert:
Und zwischen @pbf85 und @tacuissem gewonnen hat… Trommelwirbel… @pbf85!
Ich habe tatsächlich einfach durch 12 geteilt statt durch 24. Sorry.
Ich lass’ es mal stehen, weil das mit den beiden Fahrtrichtungen stimmen könnte, der Vergleich ist ja auch so schon schwierig.
Wir brauchen ja keinen Vergleich zwischen Sanierung einer Spur, zwei Spuren und dem Neubau einer Zufahrt für ein Betriebsgelände anstellen, weil entscheidend ja nicht die Frage ist ob die Sanierung einer Autobahn länger dauern darf als der Bau einer Zufahrt, sondern die relevante Frage ist ja ob staatliche Bauprojekte generell beschleunigt werden könnten und zu welchem Preis.
Beim Thema Baustellen auf Straßen habe ich da mal einen interessanten Artikel gelesen der Vergleiche mit anderen Ländern angestellt hat und bei dem festgestellt wurde, dass sehr wohl Potential zur kostengünstigen Beschleunigung vorhanden wäre. Details habe ich leider nicht mehr in Erinnerung. Ich fände es wäre durchaus interessant hier mal in der Lage einen Menschen vom Fach als Interviewpartner zu haben der erklärt warum es so ist wie es ist, was man ggf. besser machen könnte und wo es einfach Limits gibt die vielleicht viele von uns nicht direkt auf dem Schirm haben.
Vor einigen Jahren hab ich mal eine Dokumentation gesehen, die sich damit beschäftigt hat, warum Autobahnbau in staatlicher Hand so lange dauert. Ohne die ganzen spezifischen Punkte noch parat zu haben, war die Quintessenz folgende:
Der Staat muss sich sklavisch an alle Vorschriften, Regulierungen, Ausschreibungspflichten, Bauvorschriften, Risikobewertungen, etc. halten. Das dauerte dann ewig, weil der Staat an keiner Ecke abkürzen darf. Dafür standen am Schluss bei den staatlichen gebauten Strecken (die in der Doku betrachtet wurden) auch immer Fahrbahndecken die tatsächlich die projizierte Nutzungsdauer lang gehalten haben.
Verglichen wurde das mit Bauaufträgen, die an Subunternehmer ausgegeben wurden. Die waren deutlich schneller, weil sie an diversesten Stellen Vorschriften unterlaufen konnten, aber die Fahrbahndecken waren mitunter schon nach 2 Jahren wieder kaputt.
Die Doku ist mir deshalb in Erinnerung geblieben, weil im Fazit ziemlich deutlich geworden ist, dass das plumpe Schimpfen auf staatliche Ineffizienz vollkommen fehlgeleitet ist. Der Staat muss sich eben immer an alle Regeln halten, aber viele von denen haben ja - obwohl sie das ganze verlangsamen - irgendeinen Sinn, weil sie auf ein Problem in der Vergangenheit reagieren. Die vielgelobte Effizienz der Privatwirtschaft resultierte in den betrachteten Beispielen hauptsächlich aus der Freiheit, beim Bau nicht die gleichen Auflagen erfüllen zu müssen wie der Staat.
Hier an der Deutsch-Niederländischen Grenzen haben wir ganz gute Vergleiche.
In diesem Artikel beleuchtet die Aachener Nachrichten einen Fall, wo auf deutscher und niederländischer Seite jeweils 500-700 Meter saniert werden müssen.
Die Niederländer setzen 2 Tage á 9h an.
Die Deutschen setzen 4 Wochen an!!!
Eine mögliche Erklärung: In den Niederlanden wird abends und nachts gearbeitet. In Vaals sind in größerer Zahl Bautrupps ins Ortszentrum gekommen, die eng zusammenarbeiten.
Zum Vergleich auf deutscher Seite:
Auf der Baustelle selbst geht es eher gemütlich zu: Um 15.55 Uhr am Mittwoch, 30. August, bewegt sich keine einzige Schaufel mehr, Bagger und Großgeräte stehen still am Straßenrand. […] „Bei uns werden die Fahrbahnen in der Regel nur tagsüber saniert. Nachtarbeit muss beantragt werden und wird nur dann genehmigt, wenn es wirklich nicht anders umzusetzen ist.“
In dem Zusammenhang auch interessant:
Sie rücken vier relativ kurzen Straßenstücken […] zu Leibe, die nach deutschen Verhältnissen oberflächlich noch relativ gut aussehen, aber nach niederländischen Maßstäben fällig sind.