Wahlrechtsreformvorschlag der Ampel steht

Kannst du das irgendwie belegen? Was ihr gerade diskutiert hat mMn nichts mit dem Kern des Mehrheitswahlsystems zutun, sondern mit der ursprünglichen Idee des Erststimme/Zweitstimme-Wahlsystems.

Doch, das kann man: Die Hauptstimme entscheidet, wie viele Vertreter die Partei im Parlament haben wird. Mit der Wahlkreisstimme kann man beeinflussen, wer den Wahlkreis gewinnt und damit, sofern die Partei genügend Sitze hat, ins Parlament einzieht.

Dass du es für Quark hältst, ist etwas anderes.

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Was genau? Den Grundatz „wer die meisten Stimmen bekommt, gewinnt“? Das ist schlichtes Mehrheitsprinzip.

Ja, und dieses „sofern“ ist das Problem, weil diese Regelung dazu führen kann, dass 100% der abgegebenen Erststimmen verfallen, nämlich dann wenn das erfolgreiche Kandidaty keine Zweitstimmendeckung hat. Der Wahlkreis ist dann nicht (bzw. höchstens zufällig, sofern jemand von der Liste von dort kommen sollte) im Parlament vertreten, andere aber schon.

(Wenn ich das richtig mitbekommen habe, sind die im ursprünglichen Entwurf verwendeten neuen Begriffe „Wahlkreisstimme“ und „Hauptstimme“ übrigens wieder fallengelassen worden und es bleibt bei Erst- und Zweistimme.)

Vielleicht habe ich dich falsch verstanden, aber du hast mMn nicht „wer die meisten Stimmen bekommt, gewinnt“ zum Kern des Mehrheitswahlsystems ernannt:

Dass der mit den meisten Erststimmen ins Parlament einzieht, ist nicht Kern des demokratischen Fundaments oder des Mehrheitswahlsystems im allgemeinen.

Deine „sonst verfallen die Stimmen und die Verankerung in der Bevölkerung schwindet“-Argumentation würde mich nur dann überzeugen, wenn der Wahlkreis-Gewinner nach Erststimmen mindestens 50% der abgegebenen Stimmen bräuchte, um ins Parlament einzuziehen.

Dafür ist das Mehrheitswahlrecht mMn gerade nicht geeignet. (Beispiel: Wahlkreis „Eisenach – Wartburgkreis – Unstrut-Hainich-Kreis“)

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Hmm, anscheinend reden wir wirklich aneinander vorbei, denn ich sehe nicht wo genau du mich nicht verstehst.

Der Mehrheitsbegriff umfasst auch die relative Mehrheit (ist vielleicht das der Knackpunkt?). Wir können uns aber sehr gerne darauf einigen, ein Ranked-Choice-Verfahren in die Erststimme zu integrieren.

Der Knackpunkt ist, dass für dich die relative Mehrheit einen Einzug ins Parlament garantieren muss und ich dafür keine Veranlassung sehe.

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Für mich muss es auf jeden Fall einen Einzug geben.

Welche Mehrheit dann dazu nötig ist, kann gerne diskutiert werden, wie gesagt fände ich Ranked Choice um auf eine absolute Mehrheit zu kommen ganz sinnvoll.

Im Münchner Süden traten z. B. 13 Kandidaten an. Im schlimmsten Fall hätten mehr als 90% der Stimmen unberücksichtigt geblieben sein können. Direktkandidaten sind meiner Meinung nach nur mit Stichwahl vertretbar, dann gerne mit einem paritätisch besetzten (Parteien/Direktkandidaten) Parlament.

Anderer Gedanke: warum Direktkandidaten und Parteien nicht trennen? Es geht ja darum, dass der Wahlkreis vertreten ist. Das kann ein unabhängiger Kandidat viel besser, als einer, der an die Parteilinie gebunden ist. Und wir umschiffen die ganzen Probleme wie Überhangmandate, taktisches Wählen, ob der Kandidat es eh über die Liste schafft usw.

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Dann haben wir wieder das Problem mit den Überhangsmandaten.

Ja, natürlich. Das wird sich auch nicht verhindern lassen, weil Mehrheits- und Verhältniswahl nicht dafür gedacht sind, in Kombination verwendet zu werden. Diese Kombination (bei der die Vorteile des einen Systems die Nachteile des anderen ausgleichen oder zumindest mindern) halte ich jedoch für äußerst wünschenswert und bin bereit, wenn es nicht anders geht[1] dafür auch den Preis einer hohen Zahl an Ausgleichsmandaten zu zahlen.

[1] Der aktuelle Zustand ist ja kein systemimmanenter Zwang, sondern ein Resultat der jüngeren parteipolitischen Zersplitterung die sich auch wieder anders entwickeln kann.

Stichwahlen finde ich schwierig, weil die Erfahrung zeigt dass die Wahlbeteiligung oft deutlich absinkt. Auch begünstigen sie eine Zuspitzung auf zwei bestimmte Parteien. Ranked Choice passiert im ersten (einzigen) Wahlgang und ist auch nicht perfekt aber offener dafür, dass Leute sich mit unterschiedlichen Parteien und Personen auseinandersetzen weil es nicht so sehr den Automatismus gibt dass ja sowieso „die großen Parteien“ übrig bleiben.

Direktkandidatur und Parteizugehörigkeit lässt sich glaube ich real nicht wirklich trennen. Zunächst mal ist das Reservoir an möglichen Kandidatys nicht riesig, und diese werden sich - als politisch interessierte Menschen - dann ohnehin in den allermeisten Fällen schon lange irgendwo parteipolitisch engagieren. Es dürfte also gar nicht so leicht sein, entsprechende Personen zu finden. Und dann bedingt es die Arbeitsweise eines Parlaments, dass Einzelpersonen kaum effektiv arbeiten können, es als spätestens nach der Wahl zu inhaltlich (also parteipolitisch) bedingten Zusammenschlüssen kommen wird. Auch das unabhängige Kandidaty wird sich also der Fraktion XY anschließen (müssen), um an Sitze in Ausschüssen usw. zu kommen.