Wärmewende zentralisiert und gemeinwohlorientiert denken - mit den Stadtwerken

Die Wärmewende wie es in der Folge angesprochen wurde ist bei der Energiewende der größte und komplexeste Teil. Ich bin im Umweltbeirat einer Gemeinde mit 20k Einwohnern und gerade eng im Austausch mit den Stadtwerken darüber, wie man diese Gemeinde möglichst effektiv auf klimaneutrale Energien umstellen kann. Stadtwerke werden m.E.n. dramatisch unterschätzt, sie bieten sehr viel Potenzial und es kann bei richtigem Umsetzen auch dafur gesorgt werden, dass unsere Energieversorgung wieder mehr in gemeinwohlorientieren Händen liegt und nicht bei hochspekulativen for-profit-Unternehmen

(Wärmeenergie ist im Vergleich zur weitgehend zentralisierten Stromproduktion ein sehr weit verstreuter, kleinteiliger und damit schwer beeinflussbarer Bereich. Privatpersonen und auch gewerbliche Kunden gehen aufgrund von Energieberatern und Heizungsbauern und der aktuellen Marktlage mit absurden Lieferzeiten, Kosten und Fachkräftemangel oft noch in die falsche Richtung mit fossilen Brennstoffen. Biomasse muss hierbei zumindest im großen Stil zur falschen Richtung dazugezählt werden. Siehe dieser Thread.)

  1. Das wichtigste ist Effizienz, in mehrfachem Sinne.
    Es gilt, mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel CO2 einzusparen, also eine Priorisierung auf Projekte, die am meisten CO2 einsparen können. Gleichzeitig muss viel mehr auf Energieeffizienz geschaut werden.
    Luftwärmepumpen schaffen meistens mehr als 2-300%, Effizienz. Gasbrennwertheizungen mit BioGas schaffen (Power to Gas niedrige Prozentzahlen oder Biomasse mit Vergärung pro Flächeneinheit im Promillebereich) einige Größenordnungen weniger Effizienz. Erdwärmepumpen schaffen aber mindestens 1 JAZ (also aus 1 kwh Strom mehr als 1 kWh mehr Wärme als Luftwärmepumpen (LWP)). Alleine dieser Unterschied könnte 10% weniger benötigte Windräder und PV-Anlagen bedeuten.
    Auch muss besser gekoppelt werden, also z.B. Abwärme von Prozesswärme oder Abwärme der Industrie genutzt werden. Das geht nur zentralisiert z.B. über Stadtwerke.

Um möglichst viele Menschen möglichst schnell zu erreichen wäre es am hilfreichsten, zentralisierte und gemeinwohlorientiere (Stadtwerke, keine privaten Anbieter) Projekte durchzuführen, z.B. zentrale Erdsondenbohrungen und ein zentrales kaltes Nahwärmenetz für zig Gebäude mit einzelnen Wärmepumpen in jedem Haus aufzubauen. Damit könnte man mit einem Projekt theoretisch einen ganzen Stadtblock auf einmal auf eine hocheffiziente klimaneutrale Heizamethode umstellen und dabei Kosten, Zeit, einzelne Überzeugungsarbeit und Energie sparen. Ein weiterer Vorteil wäre bei Durchführung durch Stadtwerke eine gute Einbindung in die Stomnachfragesteuerung. Wenn Wärmepumpen vor allem bei viel Sonne oder Wind betrieben würden, könnten wir viel Speicherkapazität sparen.

  1. Große Gebäude wie Industrie, Schulen und andere öffentl. Gebäude etc. Können auch bereits mit Großwärmepumpen und/oder Geothermie betrieben werden. Es braucht hier keine Biomasse, die begrenzte Kapazität davon wird an anderer Stelle benötigt (siehe Punkt 3) Durch den Energiebedarf der einzelnen Objekte und den Vorbildscharakter sollten sie als hohe Priorität angesehen werden.

  2. Altstädte machen zwar eher kleine Teile von Städten aus, sind aber durch die Ineffizienz der Dämmungen und Mangel an möglichen Dämmaßnahmen ein großer Energieverbraucher. Hier müsste aufgrund der vorhandenen Heizkörper und vermutlich Biomasse zum Einsatz kommen. Das Problem: Alleine mit dem Verbrauch der Altstädte hätten wir schon einen so hohen Biomassebedarf, dass für andere Dinge (Bäder, Schulen, erst recht private Neubauten die auch elektrifiziert beheizbar wären) keine Kapazitäten mehr übrig wären.

  3. Oft übersehen wird bei der jetzigen Debatte, dass ein großer Teil der Menschen zur Miete wohnt und
    über gar keinen Einfluss auf die jeweilige Heiztechnik verfügt oder Eigentum besitzt und sich einen Umstieg nicht leisten kann. Auch hier gewähren zentrale Projekte von Stadtwerken Möglichkeiten, die sonst verschlossen bleiben würden. Durch eine Bündelung von Einzelprojekten in zentrale Nahwärmenetze würden diese billiger werden, Fachkräfte besser eingesetzt werden und durch eventuelle Kapitalvorschüsse durch Stadtwerke eine leistbare und vor allem auf Jahrzehnte sichere und billige Energieversorgung gesichert, Profite würden dabei auch noch lokal umgesetzt werden und dem Gemeinwohl verpflichtet sein.

Sprich: Ich möchte dafür plädieren die Wärmewende nicht wie bisher nur auf Einzelakteure abzuwälzen. Natürlich sind auch die Einzelentscheidungen vieler Privatpersonen und Unternehmen weiter sehr wichtig, aber wie so oft wäre eine zentrale und systematische Umstellung der Rahmenbedingung viel viel effektiver und zielführender und ich bin der Überzeugung, dass das der einzige Weg sein wird unsere Klimaziele in einigermaßen akzeptablen Zeiten zu erreichen.

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Frage: Was hindert die Stadtwerke, dies zu tun?

Und so richtig Gemeinwohl sind sie wohl auch nur bedingt, da die jeweiligen Besitzer auch auf gute Gewinne hoffen, um ihre Kassen zu entlasten.

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Liebe Lage-Menschen

Mit großem Interesse habe ich die aktuelle Folge gehört. Zur „Energiewende“ möchte ich kurz die Geschichte unseres aktuellen Hausumbaus erzählen.
Wir haben ein kleines Stadtreihenhaus, Grundstück ca. 94qm und einer entsprechend kleinen Dachfläche.
Die Finanzierungsgespräche fanden im Winter vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine statt. Während des Umbaus konsultierten wir diverse Gebäudeenergieberater, ob die bisherige Wärmeerzeugung über Gas durch eine adäquaten Energieform ersetzt werden kann.
Um es kurz zu halten: No way! Es gibt keinen Platz für einen Luftwärmepumpe o.ä., für die Stromgewinnung reicht auch die Dachfläche nicht.
Erdbohrungen funktionieren an dieser Stelle nicht, da unsere Stadt auf einem Kieshügel gebaut ist.
Für Pellets gibt es keine Lagerfläche im Haus (Dachheizzentrale)
Es bleibt nur (!) Gas. Gut ist, dass wir zwei Warmwasserkollektoren auf dem Dach haben, die seit zwanzig Jahren unser Wasser warm machen. Immerhin…
Und ich weiß, dass dies in solchen kleineren Städten viele Altbauten betreffen dürfte. Wir haben isoliert, was das Zeug hält, haben eine dezentrale Lüftungsanlage eingebaut.
Es ist also nicht so einfach, wie manchmal der Eindruck erweckt wird. Wir brauchen weitere Möglichkeiten, die möglichst viele Anforderungen abdecken. Die alleinige Konzentration auf diese Wärmepumpen wird nur das nächste Problem generieren…

Tauschen der WW Kollektoren durch PV und Umstellung auf IR Direktheizung. Gibts eine aktuelle Studie der Uni Konstanz. Wäre ein idealer Use Case mit Kosten und Öko Vorteilen

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Könntest du die mal verlinken?

Hallo Wurstwasser,

Dein Kommentar unterstreicht genau meinen Punkt. Die Energiwende wird nicht klappen, wenn alle auf sich alleine gestellt rumwurschteln müssen. Das ist zum einen unglaublich ineffizient, zum anderen an Stellen wie bei dir nur sehr bedingt möglich und zum dritten kommen nicht alle relevanten Informationen bei allen rechtzeitig und richtig an. Warum sollte die Verantwortung zur Wärmeversorgung, anders als die Wasserversorgung etc. in der Privatverantwortung aller BürgerInnen liegen und nicht beim Staat?

Wenn zentrale Projekte durchgeführt würden, bei denen dein Haus einen Anschluss an ein kaltes Nahwärmenetz bekommen würde, bräuchtest du nur eine Wärmepumpe (ohne Luftansaugung/Bohrung etc.) In deinem Haus, die Energie würde die Stadt liefern, ähnlich wie Gas bis jetzt - nur viel effizienter und vor allem emissionsfrei.
Als Hauptquelle können der Stadt dann Geothermie/Abwärme/Erdkollektoren dienen.
Damit ließe sich jedes Haus umstellen, da diese Wärmepumpen notfalls auch auf 60-70° erhitzen können. Dämmung und große Heizkörper lohnen sich natürlich trotzdem. Auch Reihenhäuser ohne den sonst benötigten Platz.

Was Stadtwerke bis jetzt davon abhält ist schlicht und ergreifend der Fakt, dass das noch nicht verstanden wurde bzw. angekommen ist. Ähnlich wie bei der Digitalisierung in Behörden sind sie recht träge und nicht sehr innovationsfreudig.
Deswegen würde ich mich freuen, wenn die Debatte sich in diese Richtung verschiebt, damit es dort zu Fortschritten kommt. Die Technik ist vorhanden, es muss nur umgesetzt werden. Die Stadtwerke in meiner Stadt sind gerade dabei Projekte in diese Richtung zu beginnen.

Beste Grüße,
Kai

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O.O

Das war die Aussage??

Hört sich für mich aber sehr nach Ausrede an.

Ja ist eine schwedische Shop-Seite (Übersetzung, z.B. Google, nutzen- klappt)- was besseres hab ich grad nicht. Die Außeneinheit passt im Zweifelsfall zwischen die Fenster zwischen Erdgeschoss und 1. OG.

Richtig platziert, reichen solche Geräte für eine ganze Etage und das verlinkte kostet ungefähr 1000€.

Stadtreihenhaus Innenstadt. Grundfläche ca. 5 x 10m plus kleiner Innenhofgarten. Vorne raus kommt sofort der öffentliche Gehweg und öffentliche Parkplätze.
Hinten wurde die Mauer durch eine Pfosten-Riegel-Fassade ersetzt. Zudem ist der kleine Garten von Nachbarn umwohnt, die Hälfte hat ihr Schlafzimmer da raus. Alle sagen, die Pumpen machen keine störenden Geräusche, tun sie aber eben doch.
Der Energieberater hat such behauptet, die dezentrale Be- und Entlüftung verursache keine Geräusche. Tut sie halt natürlich doch :slight_smile:
Bosch ist wohl dran eine Luftwärmepumpe für den Dacheinbau zu entwickeln. Das wäre sicherlich eine Möglichkeit für unsere Anforderung. Dauert aber wohl noch etwas, bis die produzieren und vor allem einbauen.


Warum so umständlich?

Wenn ihr Warmwasserpaneele auf der einen Seite habt, muss ja auf der anderen noch Platz sein.

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Soso.

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In einem sehr gut gedämmten Gebäude ist es sinnvoll, die Sonneneinstrahlung zunächst in Strom umzuwandeln und diesen dann im gGebäude zu verheizen. Das Auskühlen geht so langsam, dass die während des Tages „eingespeicherte“ Wärme die Nacht überbrückt. Wärmepumpe wäre zwar viel effizienter, aber kostet auch viel, viel mehr als IR-Heizkörper.

Problem: ist das Gebäude nicht gut gedämmt, dann klappt das mit der Wärmespeicherung nicht so gut. In diesem Fall ist die bestehende Solarthermie-Anlage mit Warmwasserspeicher gar nicht so schlecht.

Und wenn man eh eine wasserführende Heizung im Haus hat: PV + Wärmepumpe.

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Ja, vielen Dank. Ich wage aber mal zu behaupten, dass bei einer solch pragmatischen Installation zwei Probleme auf mich zukommen:

  1. Versicherung, da ich mir fast sicher bin, dass die da Mucken machen, wenn das Zeug so auf dem Dach angebracht wird. Was ist mit Schneedruck (wir liegen am Alpenrandgebiet)?
  2. und das ist der gewichtigere Punkt, bin ich mir sehr sicher, das das Denkmalamt hier anklopft und sagt, dass dies nicht sein darf, da Nähe zu einem Schloß Baden-Württembergs und genau gegenüber dem Schloßpark.
    Ich erinnere, dass damals, als wir die 2 Kollektoren aufs Dach montieren wollten, ein Herr extra aus Tübingen anreiste, mit uns 1 Stunde (!!!) durch den Park marschierte und unsere Haus von alles Seiten betrachtete und fotografierte, bevor er Wochen später einen positiven Bescheid verschickte… wir mussten der Optik wegen allerdings indach montieren, aufdach war ausdrücklich verboten.

Das mag sich zwischenzeitlich geändert haben, ja. Aber sicher bin ich mir da nicht so sehr.

Ja, Denkmalschutz ist hier in Karlsruhe auch ein Problem. PV auf Mehrfamilienhaus von 1939 wegen gestörter Ensembleansicht von anderer Seite des Platzes nicht möglich, PV ist ja nicht auf den Bauzeichnungen von damals eingezeichnet (die ganzen Autos zwar auch nichteingezeichnet, aber die stören ja nie!!1!). Immerhin müssen wir keine Hakenkreuzfahnen aufhängen, gut dass die nicht auf den Zeichnungen waren :sweat_smile:.