Volkswirtschaft und Schuldenbremse - Teil 1/Juli 22

Bezüglich der Verzinsung des Risikos einer Anleihe auf Grundlage eines Ratings mag diese Aussage zutreffen. Innerhalb des Währungsraumes führt aber zusätzlich die Erhöhung des Leitzinses zu Zinsanstiegen, ganz unabhängig von der jeweiligen Risikobewertung.
Ein Land kann also zahlungsunfähig werden, wenn die Einnahmen nicht mehr zur Deckung der Ausgaben ausreichen.

Ein ganz vereinfachtes Beispiel, ganz ohne Rating: Land A hat eine Verschuldungsquote von 200% des BIP. Die Einnahmen des Staates betragen 33% des BIP. Bei einem Zinssatz der Staatsanleihe von 1% musste das Land bisher 2 % seines BIP (bzw. 6,6% seiner Einnahmen) für den Schuldendienst aufwenden (ohne Tilgung). Die Zentralbank erhöht den Leitzins step by step um 4 Prozentpunkte; der Zins, den die Staatsanleihe bieten muss, steigt analog auf 5%. Allein die Zinslast der Staatsanleihen steigt dann auf 10 % des BIP bzw. rund 30% der Einnahmen des Landes. Da ein Großteil der Einnahmen des Staates aber für staatliches Handeln benötigt wird bzw. gebunden ist (z.B. Personalausgaben, Pensionen etc.) droht dann irgendwann auch die Zahlungsunfähigkeit.
Wenn man nun das Risiko sogar nicht „sehr deutsch“ bewertet, wird man trotzdem zu dem Schluss kommen, dass der Risikoaufschlag für Anleihen dieses Staates steigen sollte. Die Situation wird verschärft. Steuererhöhungen, die die Einnahmen des Staates erhöhen würden, würgen die Wirtschaft zusätzlich ab. Die Besteuerungsbasis und damit auch die Steuereinnahmen können sinken, trotz Steuererhöhungen. Gleichzeitig dürfte auch die Bereitschaft der Bevölkerung abnehmen, Steuern zu zahlen, da der Staat seine staatlichen Leistungen runterfährt.
Wie so etwas innerhalb der Währungsunion laufen kann bzw. „gelöst“ wird, konnten wir in Griechenland sehen. Das Ergebnis sollte keinen zufriedenstellen bzw. das Risiko, dass es dazu kommt, sollte bestmöglich vermieden werden.

Naja… Im einem Multivariablenmodell muss man, um ein Ergebnis nennen zu können, eben eine Bezugsgröße nehmen. Das BIP ist in der VWL eben eine sehr gebräuchliche und transparente, die auch jedem „Nicht-Ökonome“ zugänglich ist. Klar sollte aber sein, dass das Ergebnis X % des BIP auf einer Vielzahl von zugrundeliegenden Werten für andere Variablen basiert. Ich weiß nicht, ob die Ausweisung einer optimalen Verschuldungshöhe von X in Bezug auf die Auslastung der inländischen Produktionskapazitäten o.ä. jetzt besser wäre. :wink:

So lange der Staat bei inländischen Gläubigern verschuldet ist, bestünde durch Besteuerung und Enteignung etc. zumindest theoretisch die Möglichkeit dazu, auf diese Vermögen zuzugreifen. Der Anteil der Auslandsverschuldung spielt bei der Betrachtung der Tragfähigkeit von Staatsschulden daher tatsächlich eine zentrale Rolle.

Ich hab ja jetzt Input von dir und @Guenter. Ich meld mich wenn ich durch und belehrt bin :grin:.

Also ich bin kein Volkswirt und kenne mich mit dem ganzen nur semi gut aus, aber ich probier es mal mit meinem gefährlichen Halbwissen:

Zu der Aussage, dass der Staat Schulden machen muss, damit die Buchgeldgewinne der Unternehmen steigen. Ich würde dem zustimmen, wenn man sich als Ziel setzt ein Wirtschaftswachstum zu haben, dass nicht deflationär ist und nicht aus dem Ausland finanziert ist. Wenn man kein Wirtschaftswachstum haben will, wird das ganze zum Nullsummenspiel und alle würden sich nur das Geld hin und her schieben. Wenn man Wirtschaftswachstum hat aber nicht die Geldmenge erhöht wird kommt es zur Deflation, das hat dann natürlich wieder andere Probleme. Das was Deutschland in den letzten Jahren ja gemacht hat ist ein ordentlicher Exportüberschuss, dadurch kann auch neues Geld reinkommen, dann zwingt man aber das Ausland sich zu verschulden.

Die Maastricht-Kriterien lassen ja aber eine Erhöhung der Verschuldung zu und damit, dass mehr Geld in Umlauf kommt, dadurch, dass sie die Staatsverschuldung auf 60% des BIP begränzt. Steigt also das BIP kann auch die Verschuldung steigen und damit das Geld, das sich im Umlauf befindet. Wobei auch nur maximal um 3% des BIP. Also könnte man Maastricht so interpretieren, dass wir in Deutschland aktuell genug Geld im Umlauf haben, damit die Buchgewinne der Unternehmen noch steigen können. Also entweder die Unternehmen wachsen noch etwas oder der Staat muss in Form von Geldentnahme durch Steuern für Deflation sorgen.

Was mich an den Maastricht-Kriterien stört, ist, dass die Werte quasi zusammengewürfelt zu sein scheinen. Es macht zwar Sinn zu sagen, dass nicht unbegrenzt Schulden gemacht werden sollen, aber die Schuldenbremse quasi zu einem Selbstzweck zu machen und dann zu sagen „wir wollen unseren Kindern nicht so viele Schulden hinterlassen“ und stattdessen dann zu riskieren, dass man ihnen einen toten Planeten hinterlässt, halte ich für absurd. Außerdem hab ich irgendwie das Gefühl, dass die Maastricht-Kriterien den Leitzins nicht berücksichtigen, weil um den auszugleichen, müssen ja neue Schulden gemacht werden.

Auch bei Nullwachstum oder sinkender Wirtschaftsleistung werden Unternehmen nur dann betrieben, wenn sie auf Dauer Buchgeldüberschüsse erwirtschaften. Bei steigender Wirtschaftsleistung werden diese Überschüsse in der Tendenz höher sein als bei einem Wirtschaftsabschwung (eine gesteigerte wirtschaftliche Aktivität ist ja das Ergebnis eines Zuwaches von Möglichkeiten zum Geldverdienen, während der Abschwung durch einen Rückgang dieser Möglichkeiten ausgelöst wird).

Unterm Strich bleibt: solange es eine Privatwirtschaft gibt, in der der Eigentümer nicht nur der „erste Angestellte“ ist, der gerade genug aus dem Unternehmen zieht, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, sondern es Player gibt, die ihre Überschüsse horten, solange muss sichergestellt sein, dass die Geldschöpfung mit dem Horten Schritt hält.

Dank an @Guenter, der diesen Thread erstellt hat und ihn so aktiv moderiert. Dadurch bleibt der Austausch hier interessant und wandert weder im Kreis noch auf Abwegen ;); der Umfang alleine ist also kein Grund ihn zu schließen. Kann hier noch weitergehen, oder? Gibt es evtl. schon Themen, die zur Vertiefung oder Spezialisierung in einen eigenen Thread wandern könnten?

Bei einer wirtschaftlichen Stagnation / Nullwachstum gilt: Die Gewinne des einen, sind die Verluste eines anderen. Wenn man ein größeres Stück vom Kuchen haben will, muss jemand anderes weniger haben. Daher bringt es nichts, wenn der Staat in dieser Situation mehr Geld in den Umlauf bringt, das würde höchstens die Ergebnisse in Form von Inflation verzerren. Ob so eine wirtschaftliche Stagnation in unserem heutigen Wirtschaftswachstum möglich ist, wäre eine andere Frage. (Und auch in der Situation von wirtschaftlicher Stagnation müssten neue Schulden gemacht werden, aber nicht wegen den Buchgeldüberschüssen, sondern wegen dem Leitzins, wobei man natürlich stark die Rolle einer Zentralbank in Frage stellen kann, wenn es kein Wirtschaftswachstum mehr gibt)

Um nochmal zurück auf deinen Ursprungspost zu kommen. Du sagst ja, quasi, dass sich immer genug Geld im Umlauf befinden muss, damit die Buchgeldüberschüsse auch durch die Währung abgebildet werden können. Daraus folgt bei steigender Wirtschaftsleistung, muss mehr Geld in den Umlauf kommen, und eine Variante das zu erreichen wäre, dass der Staat schulden aufnimmt. Kommt zu viel Geld in den Umlauf kommt es zu Inlfation, kommt zu wenig Geld in den Umlauf kommt es zur Deflation. Jetzt ist also die entscheidende Frage, wie viel Geld ist genug. Laut dem Maastricht-Kriterium wird es bei einer Staatsverschuldung von 60% des BIP erreicht. Da Deutschland aber aktuell eine Verschuldung von über 60% hat, haben wir zu viel Geld im Umlauf und daraus folgt, Deutschland muss seine Schulden reduzieren. Also würde eine Schuldenbremse (schwarze Null) aktuell Sinn machen, bis man wieder bei 60% angekommen ist (zumindest wenn man der Logik des Maastricht-Kriterium folgt). Aber das Problem mit der Schuldenbremse ist so wie ich es verstehe vor allem, dass Art. 109 GG das Maastricht-Kriterium komplett ignoriert und dauerhaft eine maximale Neuverschuldung von 0,35% vorschreibt, selbst wenn wir unter 60% Verschuldung wären und das halte ich für komplett absurd und entbährt jeglicher Logik (kann natürlich sein, dass ich das Gesetz falsch verstehe, bin kein Jurist)

Aber alles in alle wäre glaube ich die Diskussion interessanter, ob das Maastricht-Kriterium so wie es ist sinnvoll ist.

Wenn ein Staat am Markt als Nachfrager aktiv wird, führt das eigentlich immer zu Preissteigerungen
Warum sollte wirtschaftliche Stagnation nicht möglich sein? Ich persönlich gehe davon aus, dass reale (also preisbereinigte) BIP infolge der aktuellen Inflationsrate kleiner sein wird als im vergangenen Jahr.
Warum sollte der Staat mehr Schulden wegen des Leitzinses machen müssen und warum stellst Du die Rolle der Zentralbank in Frage?

Die Diskussion über die Stabilitätskriterien sind so alt wie die Stabilitätskriterien selbst. Tatsächlich sind die 60 % ein willkürlicher Wert. Die Begründung, den Schuldenstand begrenzen zu wollen, folgt daraus, dass man sich in einer Währungsunion befindet und eine gemeinsame Geldpolitik für alle gilt. Im Hinblick auf die Höhe spielen sicherlich die Punkte eine Rolle, die ich oben beschrieben habe (Tragfähigkeit der Verschuldung).
Ein fester Wert von 60 % für alle ist natürlich Quatsch, aber kaum anders durchsetzbar. 60% in Deutschland sind nicht notwendigerweise gleich „schlecht“ oder „gut“ wie 60 % in einem anderen europäischem Land. Es kommt bei der Bewertung der Schulden auf eine Vielzahl von Kriterien an. Einige hatte ich schon genannt. Es kommen aber noch eine Vielzahl dazu (z.B. woraus sind die Schulden entstanden (konsumptiv vs. investiv, wie hoch sind die Steuersätz (besteht Raum für Erhöhungen) etc. etc.

Das Maastricht-Kriterium zur Schuldenquote stellt die maximale Höhe dar, die zulässig ist. Warum sollte es komplett absurd sein, unter die maximale Schuldenhöhe zu kommen? Die Schuldenbremse hat per se wenig mit den Maastricht-Verträgen zu tun.

Sorry, du hast recht, ich habe mich blöd ausgedrückt. Ich meinte eine dauerhafte Stagnation im Sinne einer Postwachstumsgesellschaft. Natürlich sind in unserem Wirtschaftssystem vereinzelt Jahre mit Stagnation und Rezession möglich. Die Frage ist würde eine dauerhafte Stagnation zu einem Kollaps führen. Und worauf ich hinaus wollte ist, dass wenn man eine dauerhaft stagnierende Wirtschaft hat, dann kann man die Geldmenge, die sich im Umlauf befindet auch konstant belassen.

Was ich meinte ist, dass selbst wenn die Schuldenquote in Deutschland bei 1% liegen würde, dürfte man sich laut der Schuldenbremse maximal 0.35% verschulden. Und wie @Guenter schon dargestellt hat, ist eine gewisse Verschuldung sinnvoll, um das notwendige Geld für die Buchgeldüberschüsse in den Umlauf zu bringen. Daher wenn Maastricht sagt, wir dürfen 60% Verschuldung haben, dann sollte sich die Schuldenbremse auch danach ausrichten.

Du verwechselst hier (auf Ebene eines Unternehmens) Umsatz mit Gewinn. Wenn der Umsatz aller deutschen Unternehmen konstant bleibt, die Wirtschaftsleistung also nicht steigt, dann ist es richtig, dass das Umsatzwachstum des einen notwendigerweise auf Kosten des anderen gehen muss.

Damit ist aber noch nichts über den Gewinn, insbesondere den Buchgeldüberschuss, der Unternehmen gesagt. Japan hangelt sich bereits seit Jahrzehnten am Nullwachstum entlang, siehe hier: https://www.merics.org/sites/default/files/styles/pt_media_default/public/2020-05/Economic%20Indicators_Q1_2019_Figure%202_Blog.jpg?itok=oVjOaUmJ
Dennoch machen dort die meisten Unternehmen natürlich weiterhin Gewinne.

Was es in der Situation Japans aber natürlich kaum noch gibt, dass sind Anreize für (schuldenfinanzierte) Investitionen durch die Unternehmen. Demography is destiny. Jedes Jahr verliert das Land durch den Sterbeüberschuss eine halbe Mio Einwohner. Für Unternehmen, die nicht komplett auf Export setzen, ist daher klar, dass ihr Markt in 5 Jahren kleiner sein wird als heute. Und in 10 Jahren. Und in 20 Jahren. Und das immer so weitergehen wird.

Ein Teil der so wegfallenden Nachfrage wird durch zusätzliche staatliche Ausgaben kompensiert („Konjunkturprogramme“). Diese bewahren die Wirtschaft vor eine endlosen Abwärtsspirale. Und da diese Ausgaben schuldenfinanziert sind, sorgen sie auch für die Schaffung von neuem Buchgeld, das wiederum als Überschuss bei den Eigentümern der Privatwirtschaft landet. Es ist somit folgerichtig, dass Japan als Vorreiter diese Entwicklung heute den mit Abstand höchsten Stand an staatlicher Verschuldung aufweist. Wir alle werden dem folgen.

Vielleicht hast du Recht und ich verstehe wirklich nicht was du meinst oder wir reden aneinander vorbei. Tun wir der einfachhalt mal kurz so, als gäbe es keine Sparer und das Geld wäre dauerhaft in Zirkulation. Dann könnte man mit jedem € kann ich eine bestimmte Menge x an Produktivität kaufen und mit der Gesamtheit aller € die Gesamtmenge an Produktivität kaufen. Wenn jetzt also die Gesamtmenge der Produktivität konstant bleibt, und man dem System jetzt von extern zusätzliches Geld in Form von Buchgewinnen hinzufügt, was will man denn dann mit diesem extra Geld kaufen, wenn es keine zusätzliche Produktivität gibt, für das man es verwenden kann? Also vermutlich würde man die neue Geldmenge auf die Produktivitätsmenge mappen. Das heißt mit einem € kann man sich jetzt weniger Produktivität kaufen. Heißt, dieser Mechanismus würde dazu führen, dass man den Leuten die keine Buchgewinne erhalten indirekt Kaufkraft wegnehmen würde und den Leuten geben, die Buchgewinne erhalten. Also eine Art reverse Robin Hood.

Wenn sich alle einig sind, dass sie ihr Geld doppelt so schnell ausgeben und auch doppelt so viel arbeiten, dann könnte mit der gleichen Geldmenge auch die doppelte Menge an Gütern und Dienstleistungen erworben werden. 1-zu-1 entsprechen sich also nicht die Menge an „Geld“ und dem, was es dafür zu kaufen gibt. (Dies nur als Hinweis.)

Das ist eine super gute Frage.

Als die Welt noch in Ordnung war und die Buchgeldmenge hauptsächlich durch die Kreditaufnahme von Unternehmen gesteigert wurde, standen der zusätzlichen Geldmenge auch neu geschaffene bzw. verbesserte Produktionsmittel gegenüber. Sprich: es gab zumindest ein Potential an zusätzlicher Produktion, deren Output in der Zukunft durch Auflösen der Ersparnisse hätte gekauft werden können. Wenn sich dagegen hauptsächlich die öffentliche Hand verschuldet (und das so eingenommene Geld nicht ausschließlich für bessere Bildung und Infrastruktur verausgabt wird), gibt es diesen Mechanismus so nicht.

Aber was für Dinge wollen die Personen und Institutionen, die Buchgeld horten, denn eigentlich später einmal damit kaufen? Zusätzliche Currywürste oder Jeanshosen sind das eher nicht, wofür die reichsten paar Prozent der Haushalte sparen. Also muss sich Ottonormalverbraucher auch keine allzu großen Sorgen um die eigene Kaufkraft bei Waren und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs machen. Stattdessen ist Buchgeld bzw. Sichteinlagen bei Banken für Wohlhabende schlicht eine Anlageklasse.

Das Ersparte wird nicht irgendwann verkonsumiert, sondern allenfalls in andere Anlageklassen getauscht, z. B. Buchgeld gegen Immobilien, Firmenanteile oder - in der Champions League der Vermögensbesitzer - auch gegen einen Picasso. All diese Dinge sind jedoch (zumindest innerhalb Deutschlands) nicht mehr signifikant vermehrbar. Bei einer absehbar schrumpfenden Bevölkerung kann man sein Geld nur schwer in neue Wohnungen oder Autofabriken stecken. Und neue Gemälde wird es von Picasso auch nicht geben. Daher führt in diesem Bereich die Buchgeldvermehrung auch tatsächlich zu einem starken Anstieg der Preise bei den nicht/kaum vermehrbaren übrigen Anlageklassen.

Bei den (Wohn-)Immobilien treffen sich die Welten. Was für die einen eine interessante Geldanlage ist, ist für die anderen das „Dach über dem Kopf“. In vielen der wohlhabenden Länder (zumindest in den Regionen, die noch nicht von deutlicher Schrumpfung der Bevölkerung betroffen sind) ist daher der Immobilienerwerb für Normalverdiener ohne bereits bestehendes Vermögen kaum mehr möglich. Das entspricht dem von dir skizzierten Mechanismus.

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Wie ich oben schon geschrieben habe, gibt es in unserem System niemanden, der dafür sorgen könnte, dass die Geldmenge konstant bleibt. Die EZB setzt den Leitzins und gibt in Tenderverfahren zur Hauptrefinanzierungssatz sowie darüber hinaus bei Bedarf zusätzliches zum Spitzenrefinanzierungssatz Geld an die Geschäftsbanken. Wie viel M1 oder auch Buchgeld daraus entsteht, hängt von vielen Faktoren ab (siehe oben).

Das ist eine rein theoretische Diskussion. Erstens sind wie Du sagts 0,35% möglich. Dann gibt es noch Konjunkturfaktoren um antizyklische Fiskalpolitik zu ermöglichen sowie Ausnahmeregelungen (siehe Corona, 100 Mrd. Bundeswehr etc.), die niemals dazu führen werden, dass die Schulden in diesen Bereich kommen.

Ja, das hat Guenter dargestellt, aber @Der_Chris und ich sind da nicht mitgegangen. Es besteht aus unserer Sicht keine Notwendigkeit, dass der Staats dieses Geld in Umlauf bringt.

Wie gesagt, 60 % sind das Maximum. Man hätte im Notfall keinen Handlungsspielraum mehr, um schuldenfinanzierte Fiskalpolitik zu betreiben. Das ist auch der Grund, weshalb 2012 zusätzlich der Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion („Fiskalvertrag“) von allen damaligen EU-Mitgliedstaaten außer dem Vereinigten Königreich und Tschechien unterzeichnet wurde (also alle „Euroländer“ + weitere). Der Fiskalvertrag sieht dabei vor,
dass das mittelfristige Haushaltsziel der Vertragsparteien ein gesamtstaatliches strukturelles
Defizit von 0,5 % des BIP nicht übersteigt, solange die Schuldenquote nicht deutlich unter 60 %
liegt. ( Kompendium zur Schuldenregel des Bundes gemäß Artikel 115 Grundgesetz (bundesfinanzministerium.de))

Der Hauptgrund für die fehlenden Investitionen (und auch die Verschuldungspolitik des Staates) sollte die rund 20-jährige Deflationsphase Japans sein. Deflation bedeutet, dass sich eine Verschiebung von Investitionen (und auch sonstiger Ausgaben) lohnt (es wird ja „billiger“), wodurch diese Entwicklung entsteht.

Naja, wenn wir z.B. mal von der Grundsituation ausgehen, dass jedes Produkt nur einmal im Jahr produiziert wird, dann könnte man sich, wenn man alles Geld besitzt, alle Produkte kaufen, die in einem Jahr produziert werden. Wenn hingegen sich die fluktuation des Geldes verdoppelt und die Menge an produzierten Produkten auch, dann kann man natürlich nicht mehr mit der Gesamtgeldmenge alle Produkte kaufen, die in einem Jahr produziert werden. Das liegt daran, dass sich die Basislinie verschoben hat und wir jetzt für die Gesamtgeldmenge alle Produkte kaufen können die in einem halben Jahr produziert wurden. Das heißt an der Basislinie gilt Geldmenge und Produktivität verhalten sich 1:1. Und bei einem System dauerhafter wirtschaftlicher Stagnation verschiebt sich diese Basislinie halt nicht mehr.

Ich habe aber von einer Postwachstumssituation geredet, bei der gesteigerte Produktion nicht erlaubt ist, bzw. nur, wenn die Produktion an anderer Stelle sinkt.

Auch bei Anlagen gilt, damit eine Anlage in einer Postwachstumsgesellschaft im Wert steigen kann, muss eine andere im Wert verlieren (Es kann natürlich zu Blasenbildung kommen, bei der es so aussieht als würden mehr Sachen an Wert steigen, als das Sachen an Wert verlieren würden. Aber das sieht dann halt nur so aus und dem ist nicht wirklich so).

Das Gleiche gilt für Vermögen/Kaufkraft in einer dauerhaft stagnierenden Wirtschaft. Soll das Vermögen/Kaufkraft einer Person steigen, muss das Vermögen/Kaufkraft einer anderen Person fallen. Somit, statt mehr Geld ins System zu bringen und somit durch Inflation andere ärmer und die Buchgeldgewinner reicher zu machen, könnte der Staat auch einfach Steuern einziehen und den Buchgeldgewinnern geben, das würde aufs gleiche rauskommen.

Aber das ganze ist halt ein sehr theoretisches Konstrukt.

Da sind wir uns ja einig, ich hatte nur geschrieben, dass dadurch, dass wenn man es schaffen würde eine dauerhaft stagnierende Wirtschaft hinzubekommen, würde es ausreichen, wenn man eine fixe Geldmenge im Umlauf hat und bräuchte evtl. kein Zentralbank mehr in der Funktion, wie wir sie heute haben (ist aber ein sehr theoretisches Szenario, das wir vermutlich nie erreichen könnten)

Maastricht würde aber 3% erlauben und klar 1% Staatsverschuldung ist unrealistisch, aber, dass wir das Maastricht-Kriterium erfüllen und weniger als 60% Staatsverschuldung haben, hätten wir beinahe geschafft. Und es ist ökonomisch ja auch nicht notwendig eine Verschuldung von 0 hinzubekommen. Von daher finde ich, man sollte auch belohnt werden, wenn man wenig Schulden hat, in dem man einen größeren Spielraum bekommt an Schulden die man machen kann. Außerdem wenn man jährlich eine Neuverschuldung von 0.35% macht und die Wirtschaft stärker steigt sinkt auch die Schuldenquote stetig weiter. Und die 100 Mrd. wurden an der Schuldenbremse vorbei ins Grundgesetz geschrieben, die Schuldenbremse sieht so etwas nicht vor und würde man sich strikt dran halten, hätte man das mit den 100 Mrd. auch nicht machen dürfen.

Irgendwer muss halt die Schulden machen, um das Geld in den Umlauf zu bringen. Das kann kann natürlich auch die Privatwirtschaft sein. Nur die ist darauf ausgelegt ihre Schulden möglichst auf 0 zu bekommen, das heißt sie muss die Schulden auf irgendwen abwälzen, was dann entweder die Konsumenten oder das Ausland wäre. Von daher wäre es nicht komplett sinnlos zu sagen, dass ein Teil der „Wachstumsschmerzen“ durch die Gemeinschaft in Form von Staatsschulden getragen werden sollte. Außerdem kann der Staat so besser lenken, in welche Richtung das Wachstum gehen soll.

Das Problem, was ich sehe ist dass die Konservativen aber selbst bei 40% noch strikt an der Schuldenbremse im GG festhalten würden

Genau das ist doch der Punkt. Sowohl die Schuldenbremse ermöglicht ausnahmen als auch die Bildung von Sondervermögen. Im Ergebnis führt das dazu, dass immer genügend Handlunsgspielraum bleibt. In Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs hingegen konnte die Schuldenstandsquote um 20% reduziert werden. Dazu hat die Schuldenbremse beigetragen.

Schulden machen können Staat, Privatwirtschaft, private Haushalte und Ausland. Über alle diese Bereiche ist das Finanzierungssaldo ausgeglichen (siehe verlinkte Grafik von @Guenter oben) Wenn du jetzt davon ausgehst, dass die Privatwirtschaft den privaten Haushalten und dem Ausland gehört, der Staat den privaten Haushalten gehört und wir Gläubiger gegenüber dem Ausland sind, ist es grundsätzlich egal, wer die Schulden macht. Es ist aber nicht notwendig, dass es der Staat ist.

Um seine Lenkungsfunktion zu erfüllen, muss der Staat per se keine Schulden aufnehmen. Das kann er ganuso durch Steuern und die Nutzung seiner Einnahmen.

Kurzfristig ist dieser Mechanismus (Verschiebung von Investitionen und/oder Konsum in Erwartung eines sinkenden Preisniveaus) sicherlich gegeben. Aber wer schiebt eine grundsätzlich als sinnvoll erachtete Investitions-/Konsumentscheidung über Jahrzehnte auf, nur weil deren Preis über diese Zeitspanne etwas absinkt? Selbst wenn in einer fernen Zukunft alles kostenlos zu haben wäre - bis dahin sind wir alle tot und haben unser Leben gefristet ohne einen Vorteil aus dem sinkenden Preisniveau zu ziehen. Sprich: Ich bin sehr skeptisch, dass ein deflationsinduzierter Nachfrageabschwung mehr ist als ein kurzfristiger Effekt.

Viel eher ist schon die Deflation ein Ausdruck von Nachfrageschwäche und einer generell negativen Konjunkturerwartung, so dass viele Investitionen ohnehin nicht als lohnenswert erscheinen. Die Deflation ist also in erster Linie als Symptom zu sehen, nicht als Ursache eine schwachen Wirtschaftsentwicklung.

Möglicherweise beschreibst du hier ein hypothetische Welt, um ein Gedankenexperiment durchzuführen. Falls das so ist, habe ich noch nicht verstanden, worauf du damit hinaus willst.

Die Welt, in der wir leben, funktioniert jedenfalls gänzlich anders. Hier siehst du die Menge der Sichteinlagen (=Bankguthaben) der Privathaushalte in Deutschland von 1999 bis 2014: https://www.kredite-infoportal.de/wp-content/uploads/statistic_id236300_bargeld-und-sichteinlagen-der-privaten-haushalte-bis-2014.png
Da sehen wir eine Steigerung um einen Faktor von ca. 3,5. Im (ungefähr) gleichen Zeitraum stieg die Wirtschaftsleistung in Deutschland (gemessen als Bruttoinlandsprodukt) aber lediglich um einen Faktor von ca. 1,4. Siehe hier: Datei:Bruttoinlandsprodukt.pdf – Wikipedia

Die beiden Größen sind also, wie schon geschrieben, nicht 1-zu-1 korreliert. Und, was besonders in Auge fallen sollte, den größten Zuwachs an Buchgeldbestand erfolgte in den Jahren, in denen die Wirtschaftsleistung am wenigsten wuchs (die Wirtschaftskrisen von 2001 bis 2003 sowie 2008 auf 2009). Das kann man schonmal gar nicht erklären, wenn man annimmt, dass (Buch-)Geldmenge und Wirtschaftsleistung irgendwie im Gleichklang wachsen bzw. schrumpfen sollten.

Das kannst du so definieren, also deine Version einer „Postwachstumsgesellschaft“. Es ist aber nicht das, was in unserer Welt, genauer: unserem Wirtschaftssystem, passiert, wenn Wirtschaftswachstum ausbleibt.

Nein. Denn der Staat kann Steuern ja nur da einziehen, wo auch Geld zu holen ist. Und das sind ja im Großen und Ganzen genau die Personen und Institutionen, die mit den Buchgeldzugewinnern im heutigen Wirtschafts- und Finanzsystem identisch sind. Der Staat kann, ohne Schuldenaufnahme, also nur das Geld an „die Reichen“ verteilen, das er ihnen vorher abnimmt. Bei den unteren 80% der Einkommenbezieher und Vermögenbesitzer ist kaum etwas zu holen.
Sprich: dein Vorschlag würde auf gewaltige Vermögensteuern oder Einkommensteuern mit einem Spitzensatz jenseits der 90% hinaus laufen. (Nicht, dass ich das unbedingt ablehne. Aber das hätte kaum mehr etwas mit dem aktuell existierenden System zu tun.)

Alles korrekt. Mit der Schuldenbremse haben wir uns aber in der Verfassung geschrieben, dass es der Staat in der Regel nicht ist, der die Schulden machen darf. Signifikante Schuldenaufnahme ist ihm nunmehr nur im Katastrophenfall erlaubt.

Selbst wenn man annimmt, dass letztlich das Parlament nach Gutdünken entscheidet, was alles eine „Katastrophe“ ist, die eine Ausnahme von der Schuldenbremse erlaubt und man davon ausgeht, dass das Bundesverfassungsgericht dieser Willkür nicht irgendwann einen Riegel vorschiebt, so haben wir uns damit dennoch einen massiven Bias gegen staatliche Verschuldung in unser Politiksystem eingebaut.

Vergleichbar ist das mit einen Flugzeug, dessen Crew entscheidet, dass man gefälligst ohne Motoreneinsatz im Gleitflug zum Ziel zu kommen habe. Und erst wenn die „STALL“-Warnung erklingt, darf man die Rotoren starten, um etwas Schub zu geben. Der dann gleich wieder weggenommen wird, sobald die Warnung aufhört. Das mag bei passenderer Ausgangslage (Flughöhe, Geschwindigkeit, Windverhältnisse, Thermik, etc.) lange gutgehen, ist aber dennoch irrwitzig.

Auf Deutschland gemünzt ist es im Wesentlichen der gigantische Leistungsbilanzüberschuss, sprich: die Verschuldung durch das Ausland, welcher der öffentlichen Hand das Durchhalten solcher Extravaganzen wie die Schuldenbremse zeitweise erlaubt. Dies kann sich aber ändern (passiert gerade aufgrund der massiv gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise) - wie beim Fliegen die Windverhältnisse.

Der deutsche Fiskus war hier, wie oben geschrieben, lediglich Trittbrettfahrer des Überschusses der deutschen Exportwirtschaft. Man kann es auch so beschreiben: die Schuldenbremse hat verhindert, dass die Binnennachfrage (die in alternden Gesellschaften wie der deutschen im Wesentlichen nur durch staatliche Ausgaben befeuert werden kann) den Spielraum für Importe (also einkaufen im Ausland) ausschöpfen konnte, den der Exportüberschuss der deutschen Volkswirtschaft eröffnet hatte.

Ich will dazu kurz etwas einwerfen, damit wir hier mal klären von welcher Basis der Geldschöpfung wir ausgehen. @TilRq @Guenter @Thommy

Meine Ansicht in groben Zügen.

  • Giralgeld kann von Geschäftsbanken quasi unendlich erzeugt werden! Das war auch annähernd so bis ca. 2008 bevor die Regulierung hier etwas verschärft wurde. Aber auch wenn es theoretisch eine Limitierung durch ein Minimum von Zentralbankreserven sowie Eigenkapital als Riskmanagement gibt, ist die wirkliche Limitierung noch das eigene Riskmanagement der Geschäftsbanken. Geschäftsbanken können heute Kredite vergeben und morgen erst die Reserven auf ihren Konten nachweisen. Es besteht kein realistischer Zwang, die Geldmenge zu reduzieren, egal ob die Wirtschaft mit der Schaffung von Vermögen mitkommt. Das ist ja auch aktuell schon seit langem der Fall. Geld und Vermögenswerte wachsen nicht mehr parallel. Die Geldmengen sind weit voraus.
    Dazu kommt, dass die negativen Strafzinsen für Geschäftsbanken für das Halten von Zentralbankreserven dazu führen, dass sie versuchen, noch mehr Kredite zu vergeben, oder die Zentralbankreserven abzustoßen. Was aber aktuell fast nicht geht, da die EZB die Banken durch Ihre Ankäufe derart mit Zentralbankgeld geflutet hat, dass annähernd Vollgeldstatus herrscht. Wenn man sich das Verhältnis ansieht, von vorhandenen Zentralbankreserven zu vergebenen Privatkrediten, so könnte ein hohes Vielfaches an Giralgeld erzeugt werden. Man könnte also völlig legal die Geldmengen um ein Vielfaches der aktuellen Werte erhöhen. Welche Folgen das hätte und ob das gut wäre, sei mal dahin gestellt. Aber es wäre technisch möglich. Dafür muss kein Sparer Einlagen hinterlegen oder nur wenig Einlagen, um es genau zu nehmen und ob sich der Staat verschuldet oder nicht ist dafür völlig irrelevant. Das ist ein reines Verhältnis zwischen Zentralbank und Geschäftsbanken.

Am Ende ist es ja auch so, dass niemand genau sagen kann wo dieses Geld dann landet. Wodurch die Geldmengen immer weiter steigen können, ohne dass realwirtschaftliche Folgen entstehen solang das Geld nicht direkt als Konsumgeld in Umlauf gerät. Wofür auch die Löhne und Gehälter erstmal steigen müssten.

Wann also muss sich der Staat verschulden? Wenn die Ausgaben die Einnahmen übersteigen würden. Es besteht keine Notwendigkeit für den Staat Schulden aufzunehmen, um irgendein Schuldengleichgewicht zu erzeugen!
Seine Einnahmen kommen aus dem Geld, das von Geschäftsbanken erzeugt wird.
Wenn dieser Anteil zu klein wird muss er sich anderswo Geld leihen. Das kann er nun auch wieder über Geschäftsbanken machen, über Konstrukte wie DieBahn. Oder er gibt Anleihen aus, die wiederum von privaten Akteuren oder Geschäftsbanken im In- und Ausland erworben werden können. Sogar andere Staaten können Geldgeber werden. Aber am Ende ist all dieses Geld das von Geschäftsbanken geschaffen wurde, nicht von der Zentralbank!
Der Fall der Käufe von Staatsanleihen der Zentralbanken ist ein Sonderfall, der ja eigentlich nicht vorgesehen ist und daher auch über die Geschäftsbanken abgewickelt wird. Aber auch hier ist es so, dass das Geld für den Staat die Geschäftsbanken generieren und die Zentralbank nur die Reservenkonten der Banken füllt, damit diese wieder Kredite vergeben.
Am Ende kommen wir immer auf denselben Punkt. Die Geschäftsbanken generieren alles Geld und jeder dieser Vorgänge ist natürlich auch eine Verschuldung.

Ich stimme allem, was du zu Giralgeld (=Buchgeld) geschrieben hast zu.

Hier lässt du jedoch einen wesentlichen Aspekt außer Acht: an wen können Geschäftsbanken denn Kredite vergeben (und dadurch die Geldmenge steigern)? An Akteure, die a) überhaupt einen Kredit aufnehmen wollen und b) auch kreditwürdig sind. Hier trifft die rein technische Möglichkeit, dass die Geschäftsbanken heute per Kreditvergabe die Geldmenge nahezu unendlich steigen lassen könnten, auf die praktische Einschränkung, dass es dafür einer Gegenpartei, nämlich des Schuldners, bedarf.

In einer naiven Betrachtung der Volkswirtschaft gibt es eine Klasse von Akteuren, die eigentlich immer auf der Suche nach Krediten sein sollten: private Unternehmen, die mittels kreditfinanzierter Investitionen ihr Geschäft ausbauen wollen. De facto sind die deutschen Privatunternehmen (als Gesamtheit) aber seit zwei Jahrzehnten Sparer. Sie nehmen also keine zusätzlichen Kredite mehr auf, sondern reduzieren die Verschuldung, da die von ihnen verausgabte Investitionssumme offenbar niedriger ist als der durch die Geschäftstätigkeit generierte Buchgeldüberschuss. Und selbst ein Zinsniveau nahe null konnte daran nichts ändern.

Ich habe auch schon Erklärungen angeboten, warum die Unternehmen ihre traditionelle Rolle als „Buchgeldsenke“ nicht mehr einnehmen, aber ob man dem folgt oder nicht, das Faktum muss man zur Kenntnis nehmen. Da die Privathaushalte (in ihrer Gesamtheit) als Kreditnehmer nicht in Frage kommen, bleibt also, soll die Buchgeldmenge weiter steigen, nur die öffentliche Hand und/oder das Ausland als Kreditnehmer übrig.

Ob das Ausland gegenüber den Akteuren innerhalb Deutschlands Guthaben oder Verbindlichkeiten aufbaut, das ist das Ergebnis der Leistungsbilanz, hängt also im Wesentlichen davon ab, ob der Wert der Exporte aus Deutschland den der Importe nach Deutschland übersteigt. Das war auch lange der Fall und ermöglichte es der öffentlichen Hand in Deutschland zeitweise sogar Finanzierungsüberschüsse auszuweisen.

Wie oben schon geschrieben, hat es der deutsche Gesetzgeber nicht in der Hand, diese Momentaufnahme des internationalen Güter- und Dienstleistungsaustausches, in der Deutschland einen hohen Überschuss ausweist, gesetzlich festzuschreiben. Mit einem Symptom des Exportüberschusses, nämlich dem ausgeglichenen öffentlichen Haushalt, hat man jedoch genau das gemacht.

Wenn wir unterstellen, dass das aktuelle Niveau von Buchgeldüberschüssen durch die Privatunternehmen notwendig ist, damit deren Eigentümer nicht damit anfangen, ihre Investitionen noch weiter zu kürzen und Leute rauszuschmeißen (was dann in einen sich selbst verstärkenden Wirtschaftsabschwung führt), dann muss die öffentliche Hand dafür sorgen, dass die Summe aus Neuverschuldung durch das Ausland und Neuverschuldung durch die öffentliche Hand konstant bleibt.

(In Ansätzen funktioniert dies automatisch, da der Staat im Falle eines wirtschaftlichen Abschwungs aufgrund wegbrechender Steuereinnahmen seine konstanten oder steigenden Ausgaben nur durch steigende Neuverschuldung aufrechterhalten kann.)