Volksentscheide auf Bundesebene?

Ich danke für diesen Aufschlag, denn das ist im Prinzip ein spannendes Thema.

Ich muss aber gestehen, dass ich seit der Entscheidung der Briten für den Brexit ein entschiedener Gegner von mehr direkter Demokratie bin, jedenfalls auf Bundesebene. Ich fürchte, angesichts der manipulativen Möglichkeiten insbesondere durch das Internet, aber auch durch neurechte Medien à la Fox News und Bild TV brauchen wir einfach den Vernunft-Filter, den uns die repräsentative Demokratie bietet. Dass die ihre eigenen Probleme hat weiß ich auch, aber so einen kompletten Wahnsinn wie den Brexit hat uns der Bundestag bisher nicht beschert.

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Prinzipiell gebe ich dir Recht was es angeht das auch massive Fehlentscheidungen getroffen werden aber die Frage müsste lauten, ist das Parlament nicht auch in der genauso schlechte Entscheidungen zu fällen? Man schaue sich doch die Entwicklung vieler Demokratien an, gerade in der EU. Polen und Ungarn beides Länder die sich quasi aus einer Bürgerbewegung heraus in eine Demokratie verwandelt haben gleiten ab in tote Demokratien ganz ohne populistische Volksentscheide. Ist es besser einen Präsidenten zu wählen der am Ende austickt und dazu noch eine Armee kontrollieren kann? Ist es besser rein darauf zu vertrauen das die Regierung im Sinne der Bürgerentscheidet? (Stichwort Ausbau ÖV, Klima, Bürgerrechte etc)

Wer sich nicht wirklich gehört fühlt der wählt am ende Radikale Positionen einfach nur deswegen weil der Mensch sich veränderung wünscht.
Populistisch Entscheide entspringen nicht durch Volksentscheide sondern das etwas im Staat verkehrt läuft und das ist das Ergebnis einer Politik die nicht die Bürger im Auge hat sondern den reinen Machterhalt/besitz. Das ist doch noch viel schlimmer als Bürgerentscheide die vielleicht nicht so gut waren. Denn der Bürger kann diese Entscheidung ja auch wieder korrigieren. Ergo wenn eine rein Parlamentarische Demokratie genauso schlechte Entscheidungen trifft gibt es keinen Grund Bürgerentscheide zu verbieten. Im Zweifel würde ich behaupten es ist einfacher ein parlament zu steuern als 80Millionen Menschen, jedenfalls nicht ohne Massiv Grundrechte zu verletzen.

Im Gegenteil im Rahmen einer Einführung eines solchen Instrumentes könnte gar die politische Diskussion sachlicher werden in dem man Spielregeln aufstellt die eine Sachliche entscheidung unterstützen. Was dann dem ganzen Staat zu Gute käme da man dann endlich auch Einzelentscheidungen diskutieren kann. Wie z.B mehr staatliche Überwachung? Das möchte die Mehrheit in Deutschland nicht bekommt es aber trotzdem oder ein Tempolimit? Das will die Bevölkerung eigentlich bekommt es aber nie, weil eine kleine Lobby im Parlament das blockiert.

Man sollte einfache Regeln für nachhaltige Volksabstimmungen definieren:

  1. Neutrale und Unabhängige Medien stärken(Das sollte sowieso ein Eckfeiler sein der Demokratie
  2. Werbung für oder gegen eine Position darf nicht ohne Transparenz geschehen, wer und was genau da hinter steckt muss offen sein
  3. Das Parlament muss sich offen mit der Position auseinander setzen und seine Empfehlung dazu abgegeben
  4. Pro und contra Argumente sollten und müssen geprüft werden und in einer neutralen Art und Weise der Bürger darüber informiert werden. Dazu sollten unabhängige Experten offizielle Auswirkungen diskutieren und als Info Material veröffentlichen.

Ich würde gerne in einem Staat Bürger sein in dem jeder das Recht hat auf die faire Chance einen Gesetzesentwurf zu starten ohne dafür 20 Jahre in der CDU sein zu müssen

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Aus denselben Gründen + einiger vorsichtig gesagt „fragwürdiger“ Volksentscheide in der Schweiz (z.B. Minarettverbot, Verhinderung des Frauenwahlrechtes) sehe ich das auch so. Allerdings frage ich mich manchmal, ob mein Unbehagen nicht eigentlich ein schlechtes Zeichen ist. Denn wenn man die Herrschaft des Volkes vor der Einflussnahme des Volkes schützen muss, läuft doch etwas grundlegend verkehrt, oder?

Ich finde es ehrlich gesagt ebenso seltsam, nur darüber Einfluss auf die Politik nehmen zu können, indem ich alle 4 Jahre Parteien wähle, die bestimmte Versprechen geben, daran nach der Wahl aber rechtlich nicht im mindesten gebunden sind. So sehr traue ich dem Gewissen der meisten Volksvertreter*innen leider nicht…

Außerdem könnte man eigentlich argumentieren, dass die größten Verbrechen der Menschheit von den Repräsentanten von Staaten mit sagen wir „demokratischer Fassade“ ausgingen wie z.B. Parteien oder Staatsoberhäuptern… Ich fänd es klasse wenn ihr das mal diskutieren würdet, denn ich könnte mir vorstellen, dass viele mit ähnlichen Fragen ringen…

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Vielleicht als Empfehlung für Interessierte, eine Podcastfolge zu dem Thema:

Man findet den Podcast „Mal angenommen“ natürlich auch in den Podcasts-Apps :slight_smile:

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Ich finde nicht alle Punkte stichhaltig:

Niemand schließt die Bürger am politischen Prozess in Deutschland aus. Zunächst einmal beruht dieser Fehlschluss auf einer künstlichen Trennung von Bürger und Politiker, Du hast aber ein passives Wahlrecht, Du kannst Dich jederzeit in diesen Prozess einbringen bzw. für Deine Ideen werben und Dich zur Wahl stellen.

Und dann ist da die falsche Annahme, dass sich politische Prozesse auf das Handeln gewählter Vertreter beschränken. Wenn Du dich nicht wählen lassen möchtest, hast Du aber andere Möglichkeiten der politischen Teilhabe. Du kannst Deine Freunde im Gespräch versuchen zu überzeugen oder auch versuchen über andere Plattformen ein größeres Publikum anzusprechen. Fridays for Future zeigt ganz gut, dass man auch heute noch zum Beispiel mit Demonstrationen Einfluss nehmen kann. Darüber hinaus könntest Du versuchen, den Vertreter Deines Wahlkreises von Deinem Standpunkt zu überzeugen.

Dass Volksentscheide automatisch zu breiter Beteiligung, politischer Diskussion usw. führen ist auch einfach nicht wahr. Schau Dir mal an wie es in der Schweiz läuft. Wieviel öffentliche politische Diskussion es da gibt, kann ich nicht bemessen, aber mein Eindruck ist, dass die meisten Menschen sind genau so politisch uninteressiert wie die Menschen in Deutschland. Da ist zumindest kein derartig qualitativer Unterschied, dass man sagen könnte, direkte Demokratie führt automatisch zu mehr Politikinteresse.

Was man allerdings bemessen kann ist die Stimmbeteiligung und die liegt bei Volksentscheiden auf Bundeseben da meist bei 40-50%. Bei einer so geringen Beteiligung geht es aber nicht mehr notwendigerweise darum, einen echten Mehrheitsstandpunkt zu vergesetzlichen, sondern primär um Mobilisierung, durchaus auch mit dem Ziel zur Durchsetzung von Partikularinteressen (20% können reichen).

Ich finde auch problematisch, dass niemand Verantwortung für die so gemachten Gesetze übernehmen muss. Wenn bei uns ein „schlechtes Gesetz“ erlassen wird, müssen die Parteien sich dafür rechtfertigen. In einer direkten Demokratie war das Gesetz aber Volkes Wille. Da muss sich im Nachhinein niemand rechtfertigen, sogar im Gegenteil, das Gesetz besitzt diese endgültige Legitimation des Bürgervotums, obwohl diese aufgrund niedriger Stimmbeteiligung eine Scheinlegitimation ist.

Und auch wenn die Stimmbeteiligung hier höher war, das Resultat bzw. die Mechanismen dessen kannst Du Dir beim Brexit in allen Details anschauen. Die Entscheidung ist katastrophal, wurde mit Lug und Trug herbeigeführt, aber niemandem wird das ernsthaft vorgehalten. Die Tories regieren immer noch unangefochten. Auch der ganze Brexit Prozess war eine Farce, aber das ist kein Problem, denn Boris Johnson setzt ja Volkes Willen um.

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Ich halte ehrlich gesagt die Idee von Bürgerräten (LdN 257: Bürgerrat: Zufalls-Gremium legt Klimabericht vor ), die eine beratende Funktion für die Repräsentanten haben gut… Vielleicht könnte das ein Kompromiss sein, um zumindest in der politischen Debatte eine Meinung der breiten aber gut informierten Bevölkerung abzubilden?

Das würde zumindest dagegen helfen, dass Politiker*innen eine kleine aber laute Minderheit versehentlich mit dem „Volkswillen“ verwechseln und auch innerhalb der Partei Munition liefern, um Korruption und Politik für kleine Interessengruppen entgegenzuwirken. Denn am Ende wollen ja die meisten Parteien bei möglichst vielen Menschen gut ankommen… Gleichzeitig würde es den „Filter“ nicht angreifen und wäre vergleichsweise einfach umzusetzen.

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Ja, in Bürgerräten kann man einer guten Informiertheit kaum „entkommen“. Und schlechte Informiertheit macht eine Volksabstimmung zu wichtigen Themen zu einem Glücksspiel. Dass man in einen Bürgerrat gelost wird, ist aber wenig wahrscheinlich. Wenn es aber Bürgerräte auf breiter Front gäbe, wäre das trotzdem eine Ermutigung, ein demokratischer Aufbruch.

Dagegen ist, wie @FlorianKoch ja schon sagte, vielfache demokratische Mitwirkung für Alle jederzeit möglich. Ist halt etwas mühsamer als hinter dem Ofen vorzukrähen was alles nicht richtig läuft. Wer sich nicht zu einem Mindestmass an Engagement aufraffen kann, darf sich nicht beschweren. Das müsste auch so kommuniziert werden - anstatt sich z.B. an der Wahlbeteiligung aufzuhängen, die zwar einfach zu kommentieren ist, aber überbewertet wird mE. Man darf auch nicht vergessen, dass viele Personen einfach keine „Begabung“ für Politik haben. Sie können in ihrer unmittelbaren Umgebung gute Gemeinschaftsmenschen sein, aber die abstrakte Vorstellung eines funktionierenden Staates ist ihnen nicht wirklich zugänglich.

Volksentscheide bei dem jetzigen Stand der politischen Bildung wären in höchster Gefahr, von Populisten gekapert zu werden.

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Ist es nicht etwas kurz gegriffen, denn Brexit als generelles Gegenargument kontra Volksentscheide zu nehmen?

Das Brexit-Referendum war ja eine freiwillige Entscheidung der damaligen Regierung unter Cameron und entstand ja teilweise auf innerparteilichen Druck auf Camaron. Damals hatte Cameron versucht bei der EU bessere Konditionen rauszuhandeln und die EU war ihm auch entgegengekommen. Nur bei größerem Einfluß auf den Euro (den die Briten gar nicht haben) wollten Sie nicht mitspielen. Und das warfen ihm seine Kritiker vor. Das habt ihr ja auch in der LDN 015 analysiert.

Dann wurde das Referendum beschlossen und es war eigentlich nur bekannt, was passiert, wenn man in der EU bleibt. Es war aber überhaupt nicht klar, was im Falle eines EU-Austritts auf die Briten zukommen würde. Dadurch waren Populisten Tür und Tor geöffnet für die wildesten Spekulationen (350 Mill. Pfund pro Woche für das NHS usw.).

Daher ist für der Brexit für mich eher ein Versagen der damaligen Regierung als ein Versagen des Konzeptes der Volksentscheide.

Als minimale Anforderung an einen ordentlichen Volksentscheid sollte eine ordentliche Ausarbeitung auf Gesetzes- bzw. Vertrags-Ebene erfolgen. Das hat Cameron damals mMn nicht getan. Ich vermute er war sich so sicher, dass er damit durch kommt, das er das nicht für notwendig hält.

Als zusätzliches Werkzeug kann man bei Volksentscheiden eine automatische Evaluierung nach X Jahren einführen. Dann wird das Gesetz nochmal kritisch auf seinen Nutzen geprüft und ggf. zurückgenommen. Das wird im Bereich von IT-Sicherheitsgesetzen auch häufig gefordert, meine ich.

Mfg
Matder

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Es mag sein, dass die damalige britische Regierung ihre Kommunikation nicht im Griff hatte. Aber es gibt einfach keine Garantie, dass das bei einem anderen Volksentscheid besser liefe. Wir erleben doch heute schon, wie viel Irrsinn und Fake News „das Internet“ den Menschen ins Hirn pflanzen kann. Schau dir einfach an, dass runde 20 % der Menschen in Deutschland glauben, es sei eine dumme Idee, sich gegen Corona impfen zu lassen … und diese Irrationalität nimmt immer mehr zu. Umso glücklicher bin ich darüber, dass die repräsentative Demokratie einen guten Filter gegen Populismus und Schwurblereien bietet. Natürlich hat sie ihre eigenen Probleme, beispielsweise Korruption, aber der Deal scheint mir ehrlich gesagt von Jahr zu Jahr besser zu werden.

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Ich teile ja deine Skepsis gegenüber Volksentscheiden aber meinst du wirklich, dass das so ein guter Filter ist?

Ich sehe keinen richtigen Filter, sondern eher dieselben bullshit Argumente, die auch durch die Medien und Öffentlichkeit geistern in der politischen Debatte gespiegelt (Corona und der Klimawandel z.B… Rhetorik bei beiden „die Bevölkerung trägt das nicht mit“ - in Umfragen sieht es genau umgekehrt aus… ).

Ich würde es weniger als „Filter“ als als „Haftreibung“ bezeichnen… man braucht schon gewaltigen Druck bis irgendwas ins Rollen kommt egal ob es ein sinnvolles oder schädliches Vorhaben ist. Nur leider verhindert das eben auch Reformen…

Ich denke Volksentscheide für recht einfache Fragen, besonders solche die Gewissensfragen sind, völlig ok. Beispiel wäre Tempolimit, gleichgeschlchtrige Ehe und MIndestwahlalter. Extrem kritisch stehe ich zu Fragen zu komplexen Themen wie dem Pariser Abkommen oder eben dem Brexit. Der Bürger kann und will die Komplexität seiner Entscheidung gar nicht vollends durchdenken, deswegen wählen wir Menschen die das hauptberuflich für uns machen.

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Unabhängig von meiner grundsätzlichen Position zu Volksentscheiden, ich würde die Möglichkeit eines Volksentscheides nicht an der Komplexität der Frage festmachen wollen. Insbesondere habe ich bei Deinen Beispielen direkt ein sehr schlechtes Gefühl. Bürger- und Menschenrechtsfragen sollte in meinen Augen nicht per Volksentscheid beschlossen werden können. Die sollten sich eigentlich direkt aus unserem Verständnis unserer Verfassung ergeben. Dieses gesellschaftliche Verständnis verändert sich zwar im Laufe der Zeit, was man ja auch konkret bei Deinen Beispielen beobachten konnte, aber zu einem konkreten Zeitpunkt sollte da wenig bis kein Raum sein, derartige Fragen beliebig mit ja oder nein zu entscheiden.

Brexit hingegen finde ich ist eine legitime Frage für einen Volksentscheid, auch wenn die Durchführung die Probleme des Verfahrens offen aufzeigt. Bei der Erwähnung des Brexits in diesem Kontext sollte man aber berücksichtigen, dass es eben kein von der Bevölkerung angestoßener Volksentscheid war, sondern ein von der Regierung angestoßenes Referendum. Der Regierung wäre hier eigentlich die Filter-Funktion zugekommen, so ein Referendum nicht durchzuführen, zumal Cameron klar die Position hatte, keinen Brexit zu wollen. In einer repräsentativen Demokratie sollte er da in meinen Augen für seine Überzeugung eintreten, anstatt Spielchen zu spielen, um eine bessere Verhandlungsposition der EU gegenüber zu haben.

Und auch wenn es mit Trump und Brexit zwei ganz eklatante Fälle in den letzten Jahren gab, wo Parteien ihrer Filter-Funktion nicht gerecht geworden sind, ich würde das nicht auf Deutschland übertragen. Die Parteien in der BRD haben da einen recht guten Track Record finde ich und letztlich funktionieren Parteien in Demokratien mit Mehrheitswahlrecht einfach zu anders im Vergleich zu unseren.

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Ich sehe ein großes Problem bei der Frage, was man überhaupt zum Entscheid vorlegt. Ist es schon ein ausgearbeitetes Gesetz? Oder ist es eine Grundsatzentscheidung? Im ersten Fall übersteigt die Komplexität ziemlich sicher die Möglichkeiten des größten Teils der Gesellschaft (nicht kognitiv, sondern eher vom zeitlichen Rahmen). Wie kann denn eine Person, die nicht tief in dem Thema drinsteckt, auch nur annähernd abschätzen, was sowas wie beim Brexit rauskommt(, wenn das überhaupt jemand kann)? Da kommt die schon besprochene Meinungsmache und Fake News noch zusätzlich ins Spiel.
Im Falle einer Grundsatzentscheidung hat das Parlament dann die Aufgabe, das in ein Gesetz zu gießen. Das funktioniert aber oft mehr schlecht als recht. Z.B. im Falle der dritten Startbahn des Münchner Flughafens versucht die Regierung, den Volksentscheid zu umgehen: BR, 2020. Man denke auch an die Vorgaben des BVerfG zu diversen Gesetzen wie dem BND-Gesetz, die sicher nicht so umgesetzt werden/wurden, wie man sich das vorgestellt hat. Das sehe ich bei Grundsatz-Volksentscheiden auch als Gefahr.

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Die allgemeine Skepsis gegenüber Volksentscheiden hier teile ich unterm Strich.

Die von Ulf angesprochenen 20% lassen sich aber auch aus umgekehrter Perspektive betrachten: Sie sind ja nicht überskeptisch/paranoid/egoistisch zur Welt gekommen. Ich möchte wetten, dass ein Gutteil davon über die Jahre schlicht das Vertrauen in unser politisches System verloren hat, womöglich halt auch wegen diesem Filter. Denn gelegentlich filtert ja unser Parlament den eigentlichen Bürgerwillen gleich mit.

Womöglich ließe sich mit einigen zaghaften Elementen direkter Demokratie dieses Vertrauen zurückgewinnen. Vielleicht nur in einer Art Veto-Funktion gegen den Bundestag, ohne eigenes Initiativrecht? „Der Bundestag hat XY beschlossen, stimmen Sie zu J/N.“ Damit wäre zumindest das Problem der unklaren Faktenlage ein wenig umschifft.

Der Bundestag hat uns immerhin die Schuldenbremse beschert. Sehe ich in etwa als genauso unüberlegt und langfristig auch schädlich wie den Brexit an.

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Ja - mit 2/3-Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat. So war der Zeitgeist damals. Ein Volksentscheid wäre sicher nichts anders ausgefallen. Abgesehen davon kann man über die Schuldenbremse lange streiten, über den Brexit eher nicht.

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Für mich sind Volksentscheide und Volksbegehren einfach Teile des demokratischen Instrumentariums. Das sieht ja auch unsere Verfassung so vor. Natürlich ist eine parlamentarische Demokratie mit Berufspolitikern schon aus praktischen Gründen (Komplexität von Gesetzestexten usw.) absolut sinnvoll. Ich bin aber eben auch der Meinung, dass man die parlamentarische Demokratie durchaus sinnvoll durch bindende Volksentscheide bereichern kann.

So sehe ich zum Beispiel bei der anstehenden Reform des Wahlrechts, dass quasi alle Partei Nachteile haben, wenn der Bundestag kleiner wird, da dann weniger Leute aus ihren Reihen ein begehrtes Bundestagsmandat bekommen. Hier liegt also meiner Meinung nach ein Interessenkonflikt vor, den man von außerhalb des Parteien-politischen Spektrums aus angehen könnte, vielleicht sogar müsste.

Gutes Beispiel. Aber meines Erachtens gerade in die andere Richtung.

Wenn man daran festhalten will, dass es i) direkt gewählte Abgeordnete gibt, die an einen Wahlkreis gebunden sind, und ii) das Parlament in seiner Zusammensetzung die bundesweite Parteienpräferenz widerspiegeln soll, dann gibt keine einfachen Lösungen, um ein Riesenparlament zu verhindern. Denn die beiden genannten Features lassen sich nur dann gut verbinden, wenn der Anteil der gewonnen Wahlkreise ungefähr mit dem Anteil an Zweistimmen übereinstimmt. Das war in der Bundesrepublik lange der Fall, ist es nun aber auf absehbare Zeit nicht mehr.

Daher muss man sich entweder für einen Systemwechsel entscheiden oder aber am bestehenden System mit komplizierten Anpassungen herumdoktern. Letzteres kann kein Normalbürger nachvollziehen und bewerten (vor allem aus Mangel an Zeit und Interesse, nicht weil das Volk „blöd“ ist). Und ersteres, sozusagen ein Sprung ins Ungewisse, erscheint mir als Thema für eine Volksabstimmung sehr, sehr ungeeignet zu sein.

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Einige Argumentationsketten gehen eher in die Richtung einer Aristokratie, oder einer Technokratie als einer Demos-kratie.
Wenn man der breiten Bevölkerung oder auch nur dem einzelnen Vorwirft schlicht zu faul zu sein sich einzubringen dann spricht das von einem Staatsverständnis in dem die Aristokraten regieren sollen, man darf gerne Aristrokrat werden dafür musst du aber Job und Familie an die zweite Stelle stellen um bei Parteien dich nach oben zu kämpfen bis du irgendwann einmal im Gemeinderat sitzen darfst. Also die Argumentation Faulheit kann doch nicht ernsthaft die Begründung sein den Menschen ihr Stimmrecht zu versagen.

Die Idee hinter Demokratie ist ja schon das die Gesetzgebung mehr oder weniger widerspiegelt was die Menschen wollen und nicht nur was ein paar geschickte Berufspolitiker entscheiden.

Das ist eine fundamentale Frage möchte ich das Mennschen unmittelbar über ihre Ausgestaltung ihrer Zukunft entscheiden dürfen? Oder sehe ich den Menschen perse als Unfähig an Entscheidungen zu treffen?

Beim letzteren muss man dann aber auch konsequent sein und sagen dann lieber Mensch darfst du auch keine Partei wählen (die eine Überraschungsbox an Entscheidungen darstellt)quasi ein kafkaesker Bürgerentscheid in dem niemand weiss was dabei heraus kommt. Das hat doch nichts mit Demo-kratie, zu tun.

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Vielleicht sehe ich das ein bisschen anders aber diese Formulierung finde ich klasse… Schönen Tag!