Unterschiedliche Blickwinkel auf den Nahost-Konflikt

Die AWRAD-Umfrage [Link] ist in der Tat sehr interessant. Allerdings sollte man bei der Interpretation solcher Umfrageergebnisse immer etwas vorsichtig, da es mögliche Verzerrungen geben könnte, weil a) die Stichprobe nicht repräsentativ für die Bevölkerung ist b) bestimmte Leute häufiger und andere seltener überhaupt teilnehmen, c) Befragte dazu tendieren, so zu antworten wie sie denken, dass es von ihnen erwartet wird und d) Fragen unterschiedlich formuliert sein können, bis hin zu Suggestivfragen. All diese Punkte scheinen mir bei dieser Frage eine Rolle zu spielen.
Nichtsdestotrotz sind die Ergebnisse zum Teil überraschend und zum Teil einfach niederschmetternd. So wollen nur gut 17% der Befragten eine Zwei-Staaten-Lösung, sogar nur gut 5% einen Staat für beide Nationen (Israelis und Palästinenser), aber fast 75% einen „palästinensischen Staat vom Fluss bis zum Meer“ (Seite 23 im PDF) - also einen palästinensischen Staat, in dem es entweder keine Juden mehr gibt oder wo diese politisch keine Rolle spielen bzw. keine Rechte haben. Das bedeut de facto ein Ende Israels.
Über 91% der Befragten stimmen „etwas oder weitgehend“ der Aussage zu, dass „der Einfluss der Israel-Lobby“ in den USA und Ländern des Westens ein Grund (unter mehreren) dafür ist, dass diese relativ eindeutig Israel unterstützen (Seite 28).
Und nur 0,7 % nennen als Grund für die „Operation“ vom 7. Oktober einen „Stop der Siedlungen“. Die Gründe mit der häufigsten Zustimmung sind die „Befreiiungs Palästinas“ (knapp 29%), ein Ende der Blockade des Gazastreifenns (21%) und ein Ende der „Verletzungen von Aqsa“ (also einer vermeintlichen Schändung der Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem) mit 35% (S. 22).
Angesichts dieser Zahlen bin ich skeptisch, ob die Siedlungspolitik für die Palästinenser wirklich eine so große Rolle spielt (das scheint mir eher ein Thema in westlichen Gesellschaften zu sein) oder ob es nicht vielmehr um Israel an sich geht.

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Wie definierst Du Erfolg? Es gibt sicherlich Politiker:innen in Israel, die das probieren, aber zwischen 2015 und 2022 gab es doppelt so viele Resolutionen gegen Israel, wie gegen den Rest der Welt zusammen. Diejenigen Staaten, die Waffen und Raketen nach Gaza transportiert haben, wurden viel seltener von der UN kritisiert. Es wird auch nicht DEN Palästinensern die Schuld gegeben, sondern der Hamas und anderen Terrororganisationen in Gaza. Global betrachtet wird die israelische Regierung mindestens genauso oft kritisiert wie die Hamas. Es gibt ja auch viel mehr Demos gegen Israel als gegen die Hamas.

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Und dennoch gab es gegen Israel nie Sanktionen der UN, weil die USA alle blockieren.
Diese Zusammenhänge sollte man verstehen:
Israel bricht mit seiner Siedlungspolitik im Westjordanland und der illegalen Besiedlung der Golanhöhen nach jeder Definition das Völkerrecht. Die Palästinenser können nichts anderes dagegen tun, als sich mit Resolutionen an die UN zu wenden. Die UN gibt den Palästinensern immer und immer wieder Recht und sagt Israel immer wieder: „Hört mit der illegalen Siedlungspolitik auf!“, aber die USA blockieren jedes Mal Konsequenzen.

Kannst du es der arabischen Welt nun wirklich vorwerfen, diesen Sachverhalt immer und immer wieder bei der UN vorzubringen - in der Hoffnung, dass sich endlich etwas ändert?

Sorry, aber die vielen UN-Resolutionen gegen Israel sind kein Antisemitismus, sondern Ausdruck der Hilflosigkeit und der Versuch, Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass dort eine fortgesetzte Ungerechtigkeit stattfinden, gegen die niemand etwas ernsthaftes unternimmt.

Kein anderer demokratischer Staat bricht seit Jahrzehnten(!) konsequent das Völkerrecht und kommt damit durch, also entgeht jeder Sanktion. Die Konsequenz sind die UN-Resolutionen. Man sollte die israelische Regierung nicht damit durchkommen lassen, das als Antisemitismus zu framen.

Diese Staaten sind allgemein anerkannte Schurkenstaaten (Syrien, Iran, Nordkorea, Libyen), die allesamt massiv sanktioniert sind, größtenteils von der UN, aber auch von der EU und den USA.

Das ist genau der Punkt: Israel ist gerade kein Schurkenstaat, bei Israel gibt es noch die Hoffnung, dass UN-Resolutionen dazu führen, dass es mit den völkerrechtswidrigen Taten aufhört. An Israel wird noch über die UN appelliert, bei Syrien, dem Iran oder Nordkorea haben wir diese Hoffnung - aus gutem Grund - aufgegeben.

Muss die UN, ein Staat oder auch ein Diskutant wirklich jedes Mal betonen, dass Syrien, der Iran, Nordkorea und Libyen undemokratische Problemstaaten sind?!? Das ist doch wirklich common sense.

Das gilt auch hier:
Die Hamas mit einer Demo „anzugreifen“ ist sinnlos. Die Hamas ist eine blutrüstige Terrororganisation, die sich kein Stück dafür interessiert, wenn auf deutschen Straßen Menschen gegen sie demonstrieren würden. Das Mittel der Demonstration ist geeignet, um auf demokratische Systeme einzuwirken, vielleicht auch noch, um autokratische Systeme zu stürzen. Aber gegen Terrororganisationen wie die Hamas bringen Demonstrationen doch nun wirklich gar nichts.

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Der Menschrechtsrat hat gerade unter der Führung vom Iran Deutschland dafür kritisiert, dass die Versammlungsfreiheit hier eingeschränkt sei. Alles unterstützt von Ländern, in denen es gar keine Versammlungsfreiheit gibt. Wenn das Völkerrecht einem so heilig ist, dann müsste man doch genauso Luftschläge der USA in Syrien anprangern. Und natürlich ist es legitim Resolutionen zu verabschieden, wenn Palästinenser wie Bürger:innen zweiter Klasse behandelt werden. Aber das wirkt wenig glaubwürdig, wenn diese Staaten die Palästinenser in ihren Ländern ebenso wie Bürger:innen zweiter Klasse behandeln und der Flüchtlingsstatus von Generation zu Generation vererbt wird. Selbst unsere Verbündeten wie der türkische Präsident Erdogan loben die Hamas. Wenn sich dann auch auf der Straße kein Widerstand zeigt, dann wird das Verhalten der Hamas vom 7. Oktober schleichend normalisiert.

Quelle zum UN-Menschenrechtsrat:

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Ich finde deine Argumentation etwas widersprüchlich.
Der Einwand von @AlvySinger gegen dein ursprüngliches Argument war ja, dass man nicht von einem erfolgreichen israelischen Framing sprechen kann, die Palästinser als allein Schuldige zu benennen, wenn Israel etwa von den UN überproportionel häufig kritisiert wird. Auf diesen Widerspruch bist Du m. E. nicht eingegangen. Stattdessen definierst Du Erfolg auf einmal als „nicht mit internationalen Sanktionen belegt“ - was aber etwas völlig anderes ist und den genannten Widerspruch beim Framing nicht auflöst.
Dann argumentierst Du mit dem Völkerrecht. und suggeriert aus meiner Sicht, die hohe Anzahl der UN-Resolutionen korrespondiere mit der besonderen Schwere oder Häufigkeit von Völkerrechtsverletzungen durch Israel. Belegen tust Du das nicht. Aus meiner Sicht deutet vielmehr einiges darauf hin, dass die Häufigkeit von UN-Resolutionen gegen Israel eher auf einen Bias verweist (hier eine etwa ältere Übersicht). Es gibt auch noch weitere Indizien, etwa das Abstimmungsverhalten in der UN-Generalversammlung am 27.10. oder die Tatsache, dass palästinensische Flüchtlinge als einzige eine eigene UN-Organisation haben.
Später argumentierst Du dann mit den Kategorien „Demokratie“ und „Schurkenstaat“. Bei den einen „lohnen“ sich UN-Resolutionen gewissermaßen, bei den anderen sei eh alles verloren. Aber eine solche Unterscheidung widerspricht fundamental dem Gedanken eines universellen Völkerrechts, mit dem Du zuvor noch argumentiert hast: Entweder gilt das Völkerrecht für alle, dann müssten Staaten, die besonders stark dagegen verstoßen (und genau deshalb „Schurkenstaaten“ heißen), auch häufiger oder stärker kritisiert werden als demokratische Staaten (so zumindest mein Verständnis). Auch das Argument der Hoffnung einer Verhaltensänderung Israels durch UN-Resolutionen bleibt unbelegt. Vielmehr kann das Verhältnis zwischen Israel und den UN durchaus als „zerrüttet“ betrachtet werden - und zwar nicht erst seit Netanyahu. Da ist es schon sehr fraglich, woher diese Hoffnung kommen soll.
TL/DR: Die verschiedenen Argumente stimmen aus meiner Sicht in sich nicht und widersprechen sich zudem gegenseitig. Von einem „erfolgrechen“ Framing der Israelis in dem Sinne, dass alleine die Palästinenser Schuld seien kann aus meiner Sicht keine Rede sein.

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Ich denke hier berücksichtigt Du den Zweck von Demonstrationen zur Signalisierung von Meinung/Haltung nicht.
Es wäre für die ca 75% der Hamas positiv eingestellten Palästinenser in Gaza/Westbank (s. Umfrage oben) sicher ein deutliches Zeichen, wenn es explizite Contra Hamas Demos geben würde. Man kann sich also schon die Frage stellen, warum es solche Contra Hamas Demos so gut wie nicht gibt.
Ein Grund könnte sein, dass von einem nicht geringen Teil unserer Gesellschaft die Hamas eben genau nicht so eindeutig als Terrororganisation angesehen wird. Ein Beispiel hierfür wäre: „Die Hamas regiert autoritär ein wirtschaftlich äußerst schwaches, militärisch absolut unterlegenes Freiluftgefängnis. Sie führt dabei mit einem religiösen Programm den militärischen Widerstand einer unterdrückten Nation an.“ Quelle: Klasse Gegen Klasse - Herr Professor Nassehi, sind Sie „authentisch durchgeknallt“?

Ich will mir darüber kein Urteil erlauben.
Es gibt aber gravierende Unterschiede zwischen Südafrika und Israel. Der ICJ die UN sowie der Supreme Court of Israel sehen die die Palästinensischen Territorien weiterhin als Völkerrechtswidrig Besetzt an.
Ich verstehe auch nicht was die Situation sowie die Postion der UN gegenüber Syrien mit Gaza zu tun.
Man kann gerne mehr Kritik an anderen Staaten vordern, aber in wieweit beeinflusst es die Situation der Palästinenser?

Die Regionalen Unterschiede sind offensichtlich extrem, bezogen auf das vorherrschende Framing. Selbst in Israelischen Zeitschriften wie der Haaretz finden sich Artikel, die in Deutschland undenkbar wären. Wahrscheinlich vertritt die Deutsche und Englische Presse zu größeren Teilen die Regierungslinie als die Israelische.

Ein Beispiel Netanyahu Bears Responsibility for This Israel-Gaza War - Haaretz Editorial - Haaretz.com

Und eine Studie vom MIT welche. die einseitige Berichterstattung der NYT darstellt.

Weitet man ein wenig den Blick, sieht man schnell, dass „der Westen“ relativ alleine dasteht mit seiner Sichtweise. Organisation wie die UN repressiveren einfach eine Größere Menge, der oft Stark von unsere Erzählung abweichenden Meinungen.
Ich mein es ist relativ Offensichtlich das die UN ein Organisation ist, in der Staaten Politik betrieben und man sollte als eine Solche begreifen.

Soweit ich das Argument verstanden habe, bezog es sich explizit auf den Westen.

John Mearsheimers „The Israel Lobby and U.S. Foreign Policy“ ist ein auf der einen Seite kontrovers, aber auch faszinierendes Buch zu dem Thema.
PS: Die Israel Lobby heißt explizit nicht „Jüdische Lobby“, da sie nicht primär aus Jüdischen Menschen besteht. Eine bestimmte Protestantische Interpretation der Bibel z.B. war, ein Faktor für den Erfolg des Zionismus. In den USA kann man den Zusammenhang noch immer von Umfragen ablesen

@sereksim hatte mich verlesen

Wenn das das Argument sein soll, lässt sich hier ganz klar sagen: Es geht um den öffentlichen Diskurs, nicht um den diplomatischen Diskurs in der UN, beides ist i.d.R. nicht identisch. Ich habe andere Faktoren erklärt, die dazu beitragen, dass es in der UN zu so vielen Resolutionen gegen Israel kommt, eben u.a. die Tatsache, dass Israel das Völkerrecht seit Jahrzehnten mit Füßen tritt, trotz ständiger Verwarnungen. Was ist hier überhaupt „überproportional“ - natürlich hängt das Proporz vom Umfang und Ausmaß der völkerrechtswidrigen Taten ab. Jemand, der ständig Straftaten begeht, wird auch „überproportional“ häufig vor Gericht und im Gefängnis sein. Was ist also der Vergleichsmaßstab?`

Hier zeigt sich doch schon, dass hier jeder Vergleich anhand eines Proporzes fehlgehen muss, weil es einfach keinen vergleichbaren Fall von jahrzehntelangen, schwerwiegenden Völkerrechtsverstößen gibt, die so beharrlich ignoriert werden.

Die USA schirmen Israel schon gegen die meisten Sanktionen ab. Die Tatsache, dass trotzdem so viele Resolutionen durchkommen, sagt viel darüber aus, dass diese Resolutionen nicht völlig aus der Luft gegriffen sind. Was das „Belegen“ angeht sind unsere Möglichkeiten hier begrenzt - sorry, aber wir führen hier eine Foren-Diskussionen, du kannst hier für das Belegen einer Meinung keine Hürden setzen, die dem Umfang nach einer wissenschaftlichen Arbeit nahe kommen würden. Dass es so viele erfolgreiche Resolutionen gegen Israel gibt hat doch wohl zumindest etwas damit zu tun, dass Israel mit dem Siedlungsbau konsequent und andauernd völkerrechtswidrig agiert. Würdest du das bestreiten? Also müssen wir selbst in diesem Punkt eine Grundsatzdiskussion führen?!?

Die UN ist ein politisches Gremium. Die Palästinenser haben nach dem Oslo-Abkommen eigentlich ein Recht auf einen eigenen Staat, die Palästinenser werden von 138 UN-Staaten als Staat anerkannt. Auch hier wieder: Nenne doch mal einen vergleichbaren Tatbestand, also eine andere Volksgruppe, die eigentlich nach einer UN-Resolution einen eigenen Staat haben sollte, aber faktisch keinen hat, die aber dennoch von mehr als 2/3 der UN-Staaten anerkannt werden?

Wenn du mindestens einen vergleichbaren Fall nennen kannst, in dem die UN sich rigoros weigert, die betroffene Bevölkerung zumindest - wie bei den Palästinensern - als Beobachter zuzulassen, dann hättest du Recht. So jedoch vergleichst du Äpfel mit Birnen…

Nochmal:
Du musst realisieren, dass die UN ein politisches Gremium ist. Damit es zu einer Resolution kommt, muss es zuerst einmal einen Akteur geben, der bereit ist, Zeit und internationales Standing zu investieren, um auf einen Missstand hinzuweisen. Bei vielen Schurkenstaaten gibt es hier keinen Akteur, der dazu Willens ist, weil es eben auch nichts bringt. Natürlich kann man immer wieder den moralischen Zeigefinger gegenüber Syrien, Nordkorea oder dem Iran schwenken - aber jeder Akteur weiß, dass das nichts bringt. Niemand profitiert davon, das offensichtliche wieder und wieder zu benennen, deshalb tut es niemand.

Im Falle Israel hingegen gibt es in der arabischen Welt eine Menge Akteure, die - aus den verschiedensten Interessenlagen heraus - gegen Israel agitieren. Teilweise tatsächlich, weil sie das Unrecht, das die Palästinenser erfahren, kritisieren wollen, teilweise, um von inneren Problemen abzulenken, indem ein Feindbild aufgebaut wird (da sind wir dann beim „nützlichen“ Antisemitismus für diese Staaten), teilweise aber auch, weil man damit einer Forderung der Bevölkerung nachkommt (ebenso wie die Exil-Kubaner in den USA Einfluss auf die US-Regierung im Umgang mit Kuba nehmen, nehmen Exil-Palästinenser, die in allen arabischen Staaten leben, Einfluss auf die arabischen Regierungen, ihre Interessen zu vertreten…).

Naja, erstmal könnte man hinterfragen, welche Nachrichten aus Deutschland überhaupt in Gaza ankommen. Strom ist Mangelware, internationale Medien werden kaum konsumiert. Ich glaube, was hier in Deutschland demonstriert wird, hat tatsächlich keinen Einfluss auf die Gedankenwelt der Menschen in Gaza, wobei man das natürlich auch anders sehen kann.

Grundsätzlich gilt aber auch das gleiche wie für die UN:
Anti-Hamas-Demonstrationen würden erfordern, dass Akteure bereit sind, ihre Zeit darauf zu verwenden. Und das sehe ich ehrlich gesagt nicht. Für pro-palästinensische Demonstrationen gibt es eine starke Motivationslage, daher: Es gibt viele Menschen, die emotional direkt betroffen sind, weil sie Verwandte in dem Gebiet haben oder sich mit den Opfern sonst wie identifizieren (oder sie tatsächlich die Chance nutzen, ihren Antisemitismus äußern zu können, die gibt’s natürlich auch…).

Aber wer soll gegen die Hamas demonstrieren? Die arabische Bevölkerung wird eben vor allem gegen denjenigen demonstrieren, der aktuell Bomben wirft - und das ist Israel. Natürlich kann man sagen: „Aber Schuld ist doch die Hamas“, aber damit wird man nicht durchdringen. Und der Rest der Bevölkerung ist nicht involviert genug, um gegen die Hamas zu demonstrieren - die meisten Menschen sind schon nicht für Demonstrationen zu gewinnen, die direkt ihren Interessen entsprechen… es ist eben immer noch eine kleine Minderheit der Gesellschaft (etwa 10%), die überhaupt Demonstrieren geht.

Versteht mich nicht falsch, ich würde mir wünschen, dass es mehr Anti-Hamas-Demonstrationen geben würde, gerade aus der muslimischen Bevölkerung, aber so lange Israel weiter den Siedlungsbau vorantreibt (ja, das gehört zusammen!) ist es sehr einfach, das Feindbild: Israel aufrecht zu erhalten und den Menschen Glauben zu machen, die Hamas wäre „notwendig“. (eine Meinung, die ich explizit nicht teile, die Hamas macht definitiv alles nur wesentlich schlimmer! Aber wie gesagt, in Ermangelung effektiver Rechtsschutzmöglichkeiten erblühen extreme Antworten, leider.)

Es ging um einen Vergleich, wie häufig die UN welche Staaten kritisiert. Natürlich kann und soll die UN Menschenrechtsverletzungen möglichst überall gleichermaßen anprangern. In der Realität kann man allerdings schon den Eindruck gewinnen, dass das nicht passiert, sondern dass Israel besonders häufig kritisiert wird. So richteten sich alleine 2022 15 Resolutionen der UN-Generalvesammlung gegen Israel, aber nur 13 gegen alle anderen Staaten der Welt (Quelle). Von 2015 bis 2022 waren es 140 gegen Israel und nur 68 gegen alle anderen Staaten (Quelle).
Und was soll man von einem „Menschrenrechtsrat“ halten, in dem Länder wie der Iran den Vorsitz haben und der nicht einmal die Massaker der Hamas vom 7. Oktober verurteilen will (Quelle)?
Oder nehmen wir die jüngste Aussage von UN-Generealsekretär Gueterres. Dieser sagte „Wir sind Zeugen einer Tötung von Zivilisten, die beispiellos ist und die es in keinem anderen Konflikt gegeben hat, seit ich Generalsekretär bin.“ (UN-Quelle).
Dabei übernimmt die UN mit der Zahl von 13.000 Toten expllizit die Angaben der Gesundheitsbehörde in Gaza, die von der Hamas kontrolliert wird und erklärt diese für „verlässlich“ - ungeachtet der Tatsache, dass die Hamas natürlich nicht zwischen toten Kämpfern und Zivilisten unterscheidet und so automatisch alle Toten als Zivilisten gelten. Bei anderen Konflikten übernimmt die UN solche Angaben einer Konfliktpartei nicht ohne Weiteres.
Nur zur Einordnung: In Äthiopien kamen nach UN-Angaben 385.000 bis 600.000 Zivilisten infolge des anhaltenden Bürgerkriegs um (UN-Quelle), im Jemen etwa 233.000 (UN-Quelle). Ja, das bezieht auch „indirekte“ Kriegsopfer (also Tote durch Hunger, Durst, fehlendes Gesundheitssystem etc.), aber die Ursache ist jeweils eindeutig der Krieg. Noch ein Beispiel: Allein bei der Eroberung Mariopols durch die Russen starben nach UN-Angaben „Tausende“ Zivilisten (UN-Quelle), nach ukrainischen Angaben wurden 87.000 getötete Zivilisten dokumentiert (Quelle).
Anhand dieser Zahlen kann sich denke ich jeder selbst ein Bild davon machen, wie „neutral“ die UN auf Israel blickt.

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Da würde ich Dir absolut zustimmen. Dass in weiten Teilen der Welt ein geldinde gesagt „israelkrtisches“ Framing dominiert, zeigen ja schon die beschriebenen Abstimmungen in der UN.
Dass es auch im „Westen“ jede Menge Kritik an Israel gibt - und zwar sowohl an der konkreten Politik einer bestimmten Regierung als auch am Staat an sich - ist aus meiner Sicht ebenso offensichtlich.
Das beides widerlegt m. E. schon die These eines angeblich erfolgreichen Framings durch „die israelische Seite“ das Daniel behauptet hat.
Wenn nun - wie Du richtig sagst - die Politik der derzeitigen israelischen Regierung sogar in Israel selbst massiv kritisiert wird, zeigt das für mich deutlich, dass es die israelische Seite nicht gibt - es sei denn man wirft alle unterschiedlichen Gruppen, Interessen und politischen Positionen in dieser sehr lebhaften Demokratie in einen Topf.

Sorry, aber so lange z.B. der UN-Generalsekretär dafür kritisiert wird, dass er nur darauf verweist, dass Massaker wie das der Hamas nicht im luftleeren Raum entstehen oder Leuten wie Judith Butler Antisemitismus vorgeworfen wird, weil sie versuchen, den Konflikt weniger emotional zu beschreiben, liegt hier ein mMn ein mehr oder weniger erfolgreiches Framing vor.

Wenn wir auf die Mikro-Ebene gehen gibt es natürlich in jeder Gruppe von mehr als x (wobei x eher 5 als 500 Leute sind) unterschiedliche Meinungen zu einem Thema, gerade in unseren „postfaktischen“ Zeiten. Es ist daher klar, dass keine Meinung existiert, die von jedem einzelnen Israeli oder jedem einzelnen Palästinenser oder jedem einzelnen Deutschen geteilt wird.

Wenn wir im Hinblick auf den aktuellen Ausbruch des Nahost-Konflikts von „der israelischen Seite“ oder „der palästinensischen Seite“ sprechen, sprechend wir selbstverständlich von einer „Partei“ in einem „Konflikt“. „Die israelische Seite“ ist daher die Seite des Konfliktes, die in dem Konflikt sehr einseitig auf Seiten Israels steht, „die palästinensische Seite“ die Seite, die auf der Gegenseite steht.

Also bei derartigen Interpretationen von Argumentationen ist es schon zwingend notwendig, ein Minimum von „Goodwill“ anzunehmen, daher nicht davon auszugehen, dass die Gegenseite eine offensichtlich unsinnige Meinung vertreten würde…

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Ganz unabhängig von deiner m. E. etwas eigenwilligen Interpretation von Butlers Aussage heißt das also: Wenn irgendwer auf der Welt von irgendwem anders auf der Welt für seine Aussagen mit Bezug zum Nahostkonflikt kritisiert wird, ist Israel mit seinem Framing „mehr oder weniger erfolgreich“. Heißt im Umkehrschluss: Nur wenn niemand mehr für seine Art der Kritik an Israel kritisiert wird, ist Israel nicht erfolgreich mit seinem angeblichen Framing. Das ist in meinen Augen schon ein sehr merkwürdiger Maßstab, insbesondere angesichts der Tatsache, dass Israel überall in der Welt sehr häufig und aus verschiedensten Richtungen kritisiert wird und dabei nicht selten Stereotype des israelbezogenen Antisemitismus zum Tragen kommen.

Du magst das als Spitzfindigkeit abtun, aber ich finde es wichtig anzuerkennen, dass es in Israel eine starke Opposition gibt, die zwar gegen den Hamas-Terror ist und zu großen Teilen auch ein militärisches Vorgehen gegen die Hamas befürwortet, aber gleichzeitig auch sehr scharfe Kritik an der gegenwärtigen Regierung übt und sie zu Teilen auch mitverantwortlich macht für die Katastrophe vom 7. Oktober. Und gerade wenn es darum geht, Kritik an Israel zu bewerten, ist es dann eben nicht egal, auf welche Psoitionen aus Israel sich das bezieht.

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Zum Beispiel diese Menschen hier im Süden des Gazastreifens
https://x.com/Jewtastic/status/1727441878948417574?s=20

Wie soll man die Echtheit dieses Videos überprüfen?

Das heißt ja nichts anderes, als dass es bei Israel offensichtlich immer wieder Akteure finden, die bereit sind, dieses „Investment“ zu tätigen, denen es also wichtig genug ist, dass Israel verurteilt wird. Das würde ja einem antiisraelischen Bias nicht widersprechen - ganz im Gegenteil. Diese Begründung beißt sich aber mit deiner mehrmals vorgetragenen Behauptung, die vielen Resolutionen gegen Israel seien ausschließlich dadurch begründet, dass Israel beispiellos häufig gegen das Völkerrecht verstößt. Die dritte Argumentation ist die, dass Resolutionen gegen „Schurkenstaaten“ ja nichts bringen würden. Das wäre aber wieder eine komplett andere Begründung, die zudem nicht stichhaltig ist, wenn man sich das ohnehin schwierige Verhältnis zwischen UN und Israel anschaut.

Und was der UN-Status Palästinas nun mit der Frage zu tun hat, warum es für palästinensische Flüchtlinge eine eigene UN-Organisation gibt, während für alle anderen Flüchtlinge weltweit der UNHCR zuständig ist, habe ich ganz ehrlich nicht verstanden.

Meine Schlussfolgerung aus der oben erwähnten Umfrage ist: Die Unterstützung der Hamas ist breiter als angenommen und nur sehr bedingt vom Verhalten Israels abhängig.

Ansonsten entnehme ich aus Deinen Ausführungen auch eine gewisse Ratlosigkeit bzgl der Fragestellung „warum so wenig Contra Hamas Demos“, speziell von Seiten der Palästinenser.
Wie oben erwähnt ist für mich eine plausible Erklärung, dass eine Teil die Hamas eben als legitime Befreiungsorganisation begreift. Mit dieser Auffassung beteiligt man sich natürlich nicht an einer Contra Hamas Demo.

Wie erklärst Du dir dann, dass die Hamas im Westjordanland anders als in Gaza die PLO nicht verdrängen konnte? Für die Menschen in Gaza ist doch der Siedlungsbau absolut kein Problem. Es gibt seit 2005 keinen einzigen Juden mehr in Gaza, alle Synagogen wurden zerstört. Von den Kibbuzen ging keinerlei Gefahr für die Menschen in Gaza aus. Die Situation war ganz anders als im Westjordanland.

Israel war seit dem Tag der Gründung ein Feindbild für die umliegenden Staaten. Mohammed Amin al-Husseini, der 1921 Führer der Palästinenser wurde, lebte von 1941 bis 1945 in Deutschland und half dabei Fluchtwege für Juden aus Osteuropa zu blockieren. Danach bekam er Asyl in Ägypten und starb 1974 im Libanon. Von der PLO wird er bis heute als Held verehrt.