Unterschiedliche Blickwinkel auf den Nahost-Konflikt

Das wäre ein Flächenbombardement gewesen, mit entsprechend deutlich höheren Opferzahlen. Die IDF geht absolut fokussiert gegen die Hamas und niemand anderen vor. Alle zivilen Opfer sind zu bedauern, aber die Mission, die Hamas auszuschalten, hätte sich unter diesen Umständen (dicht besiedeltes Gebiet, Zivilisten werden als Schutzschild missbraucht) nicht wirklich mit weniger Opfern durchführen lassen. Klar, die IDF hätte auch einfach die Hamas nicht bekämpfen können. Aber das kann doch niemand ernsthaft verlangen.

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Schwer zu glauben wenn man Bilder aus Gaza sieht, wie bspw. schon hier verlinkt.

Steht tatsächlich auf jedem zweiten Haus in einem Wohnviertel ein Hamas Kämpfer mit Raketenwerfer um die Hamaszentralen in den anderen 50 % der Häuser im Viertel zu verteidigen?

Bei einer systematischen Zerstörung von Wohnhäusern von nahezu 100% eines Viertels bedarf es schon sehr viel guten Willens um einen fokussierten, Zivilisten schonenden, Einsatz zu unterstellen.

Wäre es möglich, dass du ein wenig parteiisch bist?

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Ah, wenn du das eh behauptest… es gibt sehr viele Leute die das ernsthaft verlangten und verlangen.

Weil:

  • Hamas auf dieser Weise bekämpfen die Geiseln nicht zurück bringt und die nicht sicherer macht. Man muss mittlerweile dran zweifeln ob die noch zurückkommen.
  • Israel überhaupt kein Plan hätte am Anfang. Haben sie jetzt einen?
  • Das militärische Ziel weiterhin unklar ist. Wird Hamas zerstört? Wie weit? Besetzt Israel jetzt Gaza? Können die vertriebene Palästinenser wieder zurück zum Norden?
  • Dieser Konflikt kein Mensch in Deutschland sicherer macht sowohl nicht kurzfristig als auch nicht mittelfristig.
  • Dieser Konflikt Israel auch nicht unbedingt sicherer macht. Sie erzeugen jetzt eine Menge Leute die nichts zu verlieren haben und nicht unbedingt sympathisch Israel gegenüber stehen werden.
  • Dieser Konflikt dafür gesorgt hat dass fast überall auf der Welt Leute sich erneut mit dem Thema engagieren und sich mehrheitlich gegen Israel wenden.

Also das pathetische „Was sollte Israel sonst tun!?!?!!?“ was man hier in Deutschland sehr oft hören konnte ist nicht so schwierig zu beantworten: „Das was sie jetzt tun, das nicht.“

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Die Menschen werden doch davor mit Flugblättern zur Evakuierung aufgefordert.

Ich bin für das 2-Staaten-Modell, versteh mich nicht falsch - auch wenn das wohl kaum umsetzbar ist, weil beide Seiten das leider ablehnen. Ich möchte, dass alle Menschen in dieser Region sicher leben. Die Menschen im Kern-Israel, aber auch die Menschen in Gaza und im Westjordanland. Ich habe das Gefühl, dass die Leute oft nur über das Leid einer Seite reden und das Leid der jeweils anderen Seite vergessen.

Vermutlich wird jeder zu Empathie fähige Mensch die zivilen Opfer in Gaza betrauern. Aber das ändert nicht die Tatsache, dass Gaza bzw. die dortigen Herrscher diesen Krieg anfangen hat. Nach Israel einzudringen und gezielt Zivilisten zu töten, war eine freie Entscheidung von Gaza. Wie soll Israel anders reagieren, als die dortige Regierung auszuschalten? Und dass deren Kämpfer sich in Krankenhäusern und Kindergärten einquartiert, ist nicht Israels Verantwortung.

Und bevor wieder das Argument kommt, dass die Hamas nicht Gaza wäre: De jure nicht, de facto natürlich. Gaza ist kein international anerkannter Staat, aber ein De-Facto-Staat. Und die Hamas sind de facto die Regierung von Gaza.

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Du weichst aus. Die Frage ist doch warum nahezu 100% der Häuser - geschätzt basierend auf dem Bildern aus dem Panorama-Link. Das belegt objektiv natürlich nichts, aber die genaue Zahl halte ich auch für zweitrangig, da die Zerstörung vergleichbar ist mit den grausamen, kriegsverbrecherischen Flächenbombardements beider Seiten im zweiten Weltkrieg, die auch nur Tod, Hass und Verzweiflung hinterließen [Anmerkung: Einschub eingefügt, nachdem mehrere User per PN um Präzisierung der Zahl baten] - eines beliebigen Viertels bei „fokussierten“, die zivile Infrastruktur schonenden Attacken zerstört werden. Da ist es zweitrangig ob man die Leute vorher warnt, dass ihr Viertel zerstört werden wird oder nicht. Es ist grob unglaubwürdig, dass jedes zerstörte Haus ein militärisches Ziel gewesen sein soll.

Um nicht mehr geht es mir. Israel hat jedes Recht die Hamas auszuschalten, aber es muss zivile Opfer und Infrastruktur schonen. Und das tut man offensichtlich nicht. Das darf man auch nicht beschönigen.

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  1. Weder der Filmende noch Panorama behaupten, dass ein ganzes Viertel vollständig zerstört wurde. Auch die Satellitenaufnahmen zeigen das nicht.
  2. Natürlich ist es denkbar, dass auch ein ganzes Viertel militärisch genutzt wird. Ein Tunnelnetzwerk ist ja nicht der Keller eines einzelnen Gebäudes, sondern ein weitverzweigtes Netzwerk.
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Ich bin noch ziemlich neu hier und ehrlich gesagt etwas erstaunt darüber, wie hier zum Teil diskutiert wird. Da wird z. B. mal eben ohne Belege eine Zerstörung von „nahezu 100% der Häuser“ in einem Gebiet behauptet. [Edit: Formulierung präzisiert]

Auch die These, Israel soll den Kampf gegen die Hamas doch einfach lassen, finde ich sehr mekrwürdig. Natürlich mag es Menschen geben, die das so sehen, aber Diskussionsgrundlage sollte doch eher das internationale Recht sein, oder? Und danach hat ein Staat natürlich das Recht, sich gegen so etwas zu wehren, auch militärisch. Dabei sind unschuldige Zivilisten so weit wie möglich zu schonen - darüber besteht hier denke ich Einigkeit. Über die Frage ob Israel das ausreichend tut oder nicht, wird ja bereits fleißig diskutiert. Aber ich finde es schon merkwürdig, Israel dieses Recht de facto abzusprechen, nur weil es keinen hinreichenden „Plan“ für die Zukunft des Gazastreifens hat. Warum sollte das auch die alleinige Aufgabe Israels sein, so einen Plan zu haben? Da sind die internationale Gemeinschaft und vor allem die Anrainerstaaten gefragt.

„So nicht“ ist auch keine Antwort auf die Frage, was Israel denn in dieser Situation tatsächlich anders oder besser machen könnte.
Wenn man das militärische Vorgehen der Israelis gegen die Hamas versucht mit ähnlichen Fällen zu vergleichen, fällt natürlich immer sofort auf, dass überall anders die Zivilbevölkerung einfach fliehen würde. Am vergleichbarsten ist vielleicht noch die Rückeroberung Mossuls vom IS 2016/17. Vergleichbar, weil auch der IS sich in Krankenhäusern verschanzte, während da noch Patienten waren. Und die kurdischen Peschmerga haben damals trotzdem die US Air Force angefordert, die Krankenhäuser zu bombardieren - das macht die israelische Armee nicht. Ganz zu schweigen von Russland, das in Aleppo und anderswo in Syrien gezielt Krankenhäuser bombardierte - Ja, krieg ist immer grausam, aber ich denke, dass viele Menschen sich kein Bild davon machen, wie unterschiedlich grausam er sein kann und dass es durchaus einen Unterschied macht, wie Israel derzeit in Gaza vorgeht.
Nochmal zum Vergleich: Mossul ist eine Millionenstadt, die Kämpfe dauerten ein Dreivierteljahr, aber ein Großteil der Bevölkerung konnte einfach fliehen. Das geht in Gaza nicht. Dafür aber allein Israel die Schuld zu geben ist aus meiner Sicht einseitig. Nicht nur Ägypten, auch Jordanien und andere umgebende Staaten sind strikt gegen jegliche Evakuierung der Bevölkerung von Gaza - aber warum? Und die Hamas rechnet natürlich genau damit, ihre ganze Kriegstaktik basiert daraum, im Untergrund mit 2 Millionen „human shields“ zu agieren, so dass jede einzelne Granate dann wieder Bilder produziert, die ihrem Kampf nutzen. Warum gibt kaum jemand der Hamas die Schuld dafür und fast alle Israel?

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Daran besteht wohl kein Zweifel, einseitige Schuldzuweisungen sind in Anbetracht der Komplexität mMn immer falsch.

Weil diese Staaten befürchten, dass wenn die Bevölkerung auf ihr Staatsgebiet evakuiert werden würde (wobei hier allenfalls Ägypten realistisch wäre…), sie vermutlich nie wieder zurück könnte. Die arabische Welt befürchtet hier einfach eine zweite Nakba, daher: Wenn die Palästinenser das Gebiet räumen und Israel die verbleibenden Extremisten auslöscht, wer garantiert, dass Israel die Leute zurückkehren lässt? Das Wort Israels im Bezug auf Landbesitz ist nicht nur wegen des fortgesetzten Siedlungsbaus - auch rein objektiv betrachtet - wertlos, weil Israel hier offensichtlich das Völkerrecht zu ignorieren bereit ist. Und einige Extremisten in Israel fordern exakt das: Den Gaza-Streifen völlig zu räumen und dann selbst zu besiedeln.

Dazu kommt, dass auch kein arabischer Staat - vor allem nicht Ägypten - diese traumatisierten und oft extremisierten Flüchtlinge haben will. Diese Länder haben selbst schon massive Probleme mit Islamismus und haben - berechtigterweise - keinerlei Interesse daran, die Bevölkerung des Gaza aufzunehmen, zumal darunter auch viele Hamas-Kämpfer und Hamas-Unterstützer versteckt sein werden.

Du weist - mit Recht - darauf hin, dass Israel keine realistischen anderen Optionen hat, als jetzt die Hamas auszulöschen (was ich grundsätzlich auch richtig finde!), verlangst aber zugleich von arabischen Ländern, Optionen zu wählen, die für sie ebenso unrealistisch und offen staatsgefährdend wären. Wichtig ist hier immer, zu realisieren, dass die Situation nicht nur für Israel, sondern für alle Beteiligten zahlreiche Dilemmata enthält, in diesem Konflikt ist nichts „einfach“.

Jeder, wirklich absolut jeder, der halbwegs weiß, wovon er redet, gibt der Hamas einen großen Teil der Mitschuld an den zivilen Opfern. Das ist gar keine Frage. Aber die Hamas ist eben eine Terrororganisation, Moral-Appelle an den Staat Israel sind wohl erfolgversprechender als an eine Terrororganisation…

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Nein nein, praktisch jeder, auch hier im Forum, sieht die Schuld dafür bei der Hamas. …


, ABER…

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Es ist nicht korrekt, dass ich irgendetwas „verlangt“ habe, erst recht nicht einseitig von irgendwelchen arabischen Ländern. Ich habe nur dagegen argumentiert, dass die Verantwortung für die katastrophale Lage der Zivilbevölkerung in Gaza vor allem bei Israel liegt. Denn wie du richtig sagst: niemand will diese Menschen aufnehmen.
Was deine Befürchtung angeht, dass Israel nach der Zerschlagung der Hamas eine Rückkehr der Bevölkerung verhindern könnte: Ich kann nicht einschätzen, wie groß diese Gefahr wirklich wäre, aber ich denke, dass man ihr mit internationalen Abkommen durchaus entgegenwirken könnte - gerade auch mit einer entsprechenden Position der USA. Allein es fehlt aus meiner Sicht der politische Wille, auch andere Staaten bei der Lösung dieser Situation in die Pflicht zu nehmen.

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Es sollte kein Zweifel daran bestehen, dass der Nahost-Konflikt einer der komplexesten Konflikte unserer Zeit ist. Jeder Versuch, mit monokausalen Erklärungen und absoluten Schuldzuweisungen zu arbeiten, daher die alleinige Schuld einer der Seiten zu geben, wird dieser Komplexität offensichtlich nicht gerecht.

Es stört mich extrem, wie erfolgreich vor allem die israelische Seite mit der Strategie ist, nur die volle Schuldzuweisung an die Palästinenser als akzeptabel zu framen und alles andere als „Relativismus“ zu deuten. Genau so offensichtlich falsch ist es natürlich, wenn pro-palästinensische Gruppen die Schuld alleine bei Israel sehen, aber das ist so offensichtlich falsch, dass es keiner Diskussion bedarf.

Wer einfache Antworten auf komplexe Schuldfragen gibt, indem er aktuelle Ereignisse aus ihrem historischen Kontext löst, um dadurch zu einseitigen, absoluten Schuldzuweisungen zu kommen, wird der Komplexität der Situation nicht gerecht. Und jeder Seite, die versucht, eine differenzierte Betrachtung des Konflikt als „gegen sie gerichtet“ zu framen, zeigt nur, dass sie nicht in der Lage ist, auch das Leid der Gegenseite zu sehen bzw. hinreichend zu bewerten.

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Bei der „Schuldzuweisung“ (ich mag das Wort ehrlich gesagt nicht besonders und würde eher von Verantwortung sprechen) ist doch die Frage: wofür genau. Wenn es um den Nahost-Konflikts insgesamt geht, gibt es sicherlich auch eine Verantwortung auf israelischer Seite. Aber es gibt ja auch viele Israelis, die genau das thematisieren. Daher verstehe ich nicht ganz, wer oder was mit „der israelischen Seite“ gemeint ist und welche „Strategie“ Du meinst. Wenn es allerdings konkret um den Terror der Hamas gegen Israel geht, finde ich es allerdings richtig, die Verantwortung hierfür bei den Terroristen zu suchen und nicht bei irgendwem anders. Nach den Anschlägen 9/11 oder im Bataclan ist ja auch niemand auf die Idee gekommen, die USA oder Frankreich hauptsächlich dafür verantwotlich zu machen (außer den bekannten Verschwörungsanhängern natürlich - aber das ist ein anderes Thema).

Ich bin immer wieder überrascht, wieso die EU jeden Kriegsflüchtling der an seine Grenze klopft reinlassen muss, man aber GLEICHZEITIG Ägypten damit durchkommen lässt, Kriegsflüchtlinge unter Vorwänden an der Grenze aufzuhalten. Das ist kein Apell dafür, das die EU die Grenzen dicht machen soll, im Gegenteil.

„Die bleiben eventuell Jahrzehnte oder für immer und außerdem könnten sich unter echten Flüchtlingen auch Terroristen verstecken.“ ist eine Aussage, die ich weder der AfD noch Ägypten durchgehen lassen. Naja, Doppelstandards…

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Dazu muss ich wieder auf die Trennung zwischen Letztverantwortung und Zustandsverantwortung hinweisen, die ich hier schon öfter erklärt habe.

Die Letztverantwortung hat derjenige, der entscheidet, ob er eine bestimmte Aktion - wie z.B. die Massaker am 07.10. - durchführt. Also derjenige, der alle Hebel in der Hand hat, die Aktion entweder durchzuführen oder eben nicht. Diese liegt beim Terrorismus der der Hamas immer alleine bei der Hamas, weil die Hamas jede dieser Aktionen auch unterlassen könnte. Die Letztverantwortung entscheidet, wer strafrechtlich (oder hier: durch Kriegshandlungen) zu bestrafen ist. Da die Letztverantwortlichkeit bei der Hamas lag, hat Israel jedes Recht, nun die Hamas auszulöschen.

Die Zustandsverantwortung ist immer eine gesamtgesellschaftliche Betrachtung, hier ist nie etwas monokausal, es ist nie eine Person oder Gruppe alleine „Schuld“. Die Zustandsverantwortung von Kriminalität im Ghetto einer Metropole hat immer auch die Gesellschaft, welche die Entstehung dieses Ghettos ermöglicht hat, die Zustandsverantwortung der Existenz von organisierter Kriminalität liegt immer auch - in unterschiedlichen Ausprägungen - beim Staat, der die Voraussetzungen schuf, unter denen die organisierte Kriminalität erblühen konnte (z.B. Prohibition, mangelnde Geldwäschegesetze…). Wenn es um die Taten der Hamas geht ist das Ziel der Zustandsverantwortung, aufzuzeigen, wo die Fehler Israels lagen, die dazu geführt haben, dass eine Gruppe wie die Hamas so stark und so extrem werden konnte. Natürlich kann man auch die Zustandsverantwortung vom Iran, von Katar und anderen Staaten betrachten, aber Israel von dieser Betrachtung auszunehmen würde bedeuten, ausgerechnet Israel jede direkte, eigene Handlungsmöglichkeit, derartige Situationen in Zukunft zu vermeiden, zu nehmen. Es geht letztlich dabei um die langfristige Prävention, nicht um Schuldzuweisungen. Und Israel sollte ein großes Interesse daran haben, zu hinterfragen, was es selbst tun kann, damit langfristig die Zustände im Gaza-Streifen ein Erstarken einer terroristischen Organisation wie der Hamas nicht mehr zulassen werden.

Das hat viel mit der Frage der Leistungsfähigkeit zu tun. Klar, wir jammern auch, dass wir von der Migration überfordert seien, aber wenn man Deutschland nun mit Ägypten vergleicht wird man wohl zwangsläufig zu dem Ergebnis kommen, dass wir hier über ganz andere Magnituden von Überforderung sprechen.

Niemand würde von Deutschland die Aufnahme weiterer Migranten fordern, wenn es tatsächlich die realistische Gefahr geben würde, dass der Staat dadurch ernsthaft kollabiert. Diese Gefahr besteht bei Ägypten aber.

Für Asyl gilt daher das gleiche wie für die „Unterlassene Hilfeleistung“ - es kann nur das gefordert werden, was ohne erhebliche Gefahr geleistet werden kann. Von einem mäßigen Schwimmer kannst du nicht fordern, einen Ertrinkenden aus der Strömung zu retten, von einem Rettungsschwimmer schon. Und Ägypten ist selbst kaum in der Lage, den Kopf über Wasser zu halten…

Wie gesagt, die Konservativen malen bei der Migration deshalb natürlich den Teufel an die Wand und bauschen die (natürlich tatsächlich existenten) Belastungen durch die Migration maßgeblich auf, um eine Einschränkung zu rechtfertigen. Aber im Vergleich zu Ländern wie Ägypten ist Europa halt immer noch tausendfach leistungsfähiger.

Ich finde diese Unterscheidung zwischen „Letzt-“ und „Zustandsverantwortung“ etwas akademisch. Natürlich sollten sich alle in der Welt fragen - und vor allem Gesellschaften, die sich dem internationalen Recht verpflichtet fühlen und die finanzielle und ökonomische Ressourcen dazu haben - fragen, was sie dazu beitragen können, dass es möglichst wenig Krieg und Terrorismus gibt. Ich habe nur den Eindruck, dass dies von Israel derzeit ein einem sehr viel größeren Maß eingefordert wird, als von anderen Staaten in vergleichbaren Situationen.
Leider hast Du aus meiner Sicht noch nicht erklärt, auf wen und auf was deine Rede von der „Strategie“ einer einseitigen „Schuldzuweisung“ in deinem letzten Beitrag bezog.

Auch für Ägypten ist die „Das Boot ist voll!“ Rhetorik in meinen Augen nicht angebracht.

BIP Deutschland: 3.843.335
BIP Ägypten: 363.245
BIP Türkei: 719.919
BIP Iran: 835.351

Flüchtlinge Deutschland: ~2,8 Millionen
Flüchtlinge Ägypten: ~0,4 Millionen
Flüchtlinge Türkei: ~3,6 Millionen
Flüchtlinge Iran: ~3,4 Millionen

Außerdem: Es sagt ja niemand, dass Ägypten das alleine bezahlen und stemmen müsste. Wir haben schließlich internationale Organisationen, die bei solchen Dingen unterstützen könnten. Und die arabischen Staaten sind ja auch voller Solidarität mit Gaza, die können Geld geben oder Flüchtlinge aufnehmen.

In meinen Augen lässt man den Ländern (die nicht Israel sind) viele Ausreden durchgehen, warum sie nichts wesentliches zur Entspannung der Situation beitragen können.

Wie @Daniel_K schon richtig ausgeführt hat, liegt das innenpolitische Risiko Ägyptens weniger an der finanziellen und sozialen Belastung durch Kriegsflüchtlinge. Die große Gefahr ist die Reaktion der Bevölkerung auf eine gewaltsam durch Israel (in Reaktion auf grausame, ekelhafte Taten der Hamas) herbeigeführte Nakba.

Und noch mehr hätte das potenziell außenpolitische Konsequenzen. Die übrigen arabischen Verbündeten, vor allem solche mit hohem Anteil an palästinensischen Flüchtlingen, dürften Ägypten als Verräter ansehen und politische Konsequenzen für denjenigen verhängen, der die Vertreibung der Palästinenser und damit die letztlich endgültige Aufgabe der Zweistaatenlösung, zu verantworten hat.

Wir dürfen nicht vergessen, dass für arabische Welt die Nakba ähnlich einschneidend wahrgenommen wird wie für uns oder jüdische Menschen der Holocaust.

Diskutiert wurde hier die Frage, inwieweit Ägypten in der Lage wäre, Kriegsflüchtlinge aus dem Gazastreifen aufzunehmen. Dabei sind unterschiedliche Szenarien möglich, unter anderem eine zeitlich begrenzte und international koordinierte Evakuierung aus humanitären Gründen. Ich finde es merkwürdig, dass Du all diese Möglichkeiten auf den worst case reduzierst, nämlich eine „gewaltsam durch Israel herbeigeführte“ Vertreibung - die du dann auch noch mit dem (wie du selbst sagst) politisch und emotional enorm aufgeladenen Begriff „Nakba“ bezeichnest.
Die Sichtweisen die Du beschreibst, gibt es in arabischen Ländern sicherlich, aber auch hier wäre es doch eher Aufgabe der internationalen Gemeinschaft und der Regierungen dieser Länder, diesen durch entsprechende politische Maßnahmen entgegenzuwirken und nicht quasi im vorauseilenden Gehorsam vor ihnen zu kapitulieren - das würde ich jedenfalls unter einer gemeinsamen Verantwortung verstehen.

Dazu hat dir @Daniel_K bereits geschrieben.

Ich wäre dankbar wenn wir nicht im Kreis diskutieren würden.

Wie die politisch rechtsextreme Regierung Israels den palästinensische Staat sieht, hat sie bekanntlich erst im September auf der UN Vollversammlung demonstriert. Für den palästinensische Staat ist da kein Platz (oder keine Farbe auf der Karte).

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