Umgang mit Zahlen und Statistiken bezüglich Covid 19

Kann ich gut verstehen. Ich bin zwar nicht der Meinung, dass wir den Boden der Sachlichkeit verlassen hätten auch wenn die Themen deutlich kontroverser geworden sind.

Ich denke aber auch, dass ich meine Punkte zur Genüge deutlich gemacht habe, weshalb ich mein Engagement in diesem Thread auch herunterfahren werde.

Ich bin weiterhin der Meinung, dass wissenschaftliche Fakten sehr rar gesäht sind, was Corona angeht, fast alles basiert auf Glauben und Angst vor Erkrankungen („better safe than sorry“). Ich habe diesen Thread hier in der kürzeren Vergangenheit genutzt um einige (zugegeben streitbare) Thesen zu testen. Dabei habe ich mich hier und da sehr weit vorgewagt und habe an vielen Stellen berechtigte Kritik erfahren. Allerdings, die Aussagen von Drosten und Co sind auch nicht mehr als streitbare Thesen, mit dem einzigen Unterschied, dass die Mehrheit der Bevölkerung sie noch als wissenschaftliche Fakten ansehen möchte, ohne sich näher mit ihnen auseinander zu setzen.
Ich hab in den Teil der Forschung, der meine Expertise berührt (numerische Modellierung und Simulation mathematisch/physikalischer Problemstellungen) intensiv reingeguckt und bin erschrocken, wie naiv die Ansätze sind, wie schlecht ihre Umsetzung. Das was da gemacht wird, ist vergleichbar mit wissenschaftlichen Ansätzen zur Beschreibung finanzmathematischer Vorgänge, wie z.B. die Black-Scholes-Formeln. Wer den Vorhersagen der Corona-Modellierer glaubt, der glaubt auch man könnte mit den Black-Scholes-Formel Aktienkurse vorhersagen. Auch hier wieder nicht falsch verstehen, Black-Scholes und Co haben natürlich ihre Berechtigung, nur kommt es hier darauf an, die Grenzen dieser mathematischen Systeme zu verstehen und daraufhin Anwendungsbereiche zu identifizieren, in denen man durch ihre Anwendung einen Vorteil erlangen kann.
Kaum etwas von dem was ich hier behauptet habe konnte wirklich widerlegt werden. Alles was getan wird ist dann mit Zahlen von Infektionen und R-Werten gemischt mit Aussagen aus Podcasts und einzelnen Studien um sich zu werfen, immer wieder vermischt mit dem Argument, dass es sich hierbei um „wissenschaftlichen Konsens“ handeln würde, ein Argument was sich bei genauerer Betrachtung aber keinesfalls halten lässt.

Eine streitbare These fällt mir aber gerade noch ein:
Die Forschung zu Corona hat erstaunlich viele Parallelitäten zu Forschung an veganer Ernährung:
Vegane Ernährung:
Man muss mit dem Mikroskop auf bestimmte Prozesse gucken um argumentieren zu können, dass vegane Ernährung Vorteile gegenüber einer ausgewogenen fleischarmen Ernährung hat (dieses Enzym ist besser, dieses Protein wird besser gespalten, usw), welche bereits auch die meisten unserer vornehmlichen Probleme lösen könnte (Übergewicht, gehäufte Krebsleiden, Umwelt). Trotzdem hat es sich durchgesetzt, dass vegane Ernährung überlegen ist, moralisch wie auch ernährungstechnisch. Mir kann aber im Moment kein Ernährungswissenschaftler garantieren, dass sollte ich und alle meine Nachfahren sich rein Vegan ernähren, dass wir dann in 5 Generationen noch reproduktionsfähig sind. Ein Blick in die Natur, in der es kein Beispiel einer sich Vegan ernährenden Menschengruppe gibt, die längere Zeit überlebt hätte, scheint dies auf Grundlage von Erfahrungen zumindest zweifelhaft zu machen. Sehen wir in die vergangenen zehntausend Jahre haben wir aber einen impliziten Beweis der Optimalität einer Ernährung mit gelegentlichen Fleischkonsum (exponentielles Wachstum der Bevölkerung).

Corona:
Auf Grundlage von Forschungen an Molekülen und mathematischer Hochrechnungen wird eine Pandemie herbeigeschworen, die nicht im Einklang mit unseren Erfahrungen ist, noch sich mit unseren Beobachtungen deckt. Bei einer „echten Pandemie“ gäbe es die Diskussionen die wir gerade erleben einfach nicht, da hier die Menschen wirklich aus Angst um ihr Leben nicht mehr freiwillig das Haus verlassen würden. Dann hätten wir ganz andere Probleme.
Gauben wir wirklich, es liegt an unseren Maßnahmen, dass wir keine signifikante Übersterblichkeit in 2020 beobachten konnten und das obwohl das Virus doch anscheinend ohne gebremst zu werden, die vulnerablen Gruppen erreicht hat?
Auf einmal tragen wir Masken im Freien, obwohl unsere Erfahrung uns sagt: es ist sicher an der frischen Luft und auch die Wissenschaft nicht belegen kann, dass im freien ohne Maske ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht.
Wissenschaft bringt normalerweise die kleinsten mit den größten zu beobachtenden Vorgängen in Einklang. Dieses passiert bei Corona (und bei veganer Ernährung) gerade nicht.

Und nochmal muss ich @Lukas3 recht geben, es scheint schwer hierüber sachliche Diskussionen zu führen, allerdings aus meiner Perspektive heraus aus dem Faktum, dass wirklich viele Personen in der Gesellschaft (und auch in diesem Forum) tatsächlich Angst um ihr Leben, ihre Gesundheit und das Leben ihrer Angehörigen haben. Angst ist aber leider nunmal nicht der beste Ratgeber.

Deswegen möchte ich schließen mit dem bekannten Zitat von Benjamin Franklin:

„Those who would give up essential Liberty, to purchase a little temporary Safety, deserve neither Liberty nor Safety.“

Ganz in diesem Sinne haben die Grünen im Bundestag jetzt einen Antrag formuliert für die Einrichtung eines Pandemierates und systematischere Forschung: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/205/1920565.pdf

2 „Gefällt mir“

Anbei ein kleines Update: Die Stimmen mehren sich derweil, die genau das kritisieren, was ich in diesem Thread seit einem halben Jahr versuche deutlich zu machen.

ZDF Moma: Ungereimtheiten bei den Corona-Zahlen

Statistik-Experte kritisiert Corona-Datenlage

ZDFheute: Kritik an „Unterlassungssünden“ der Politik

Youtube: Prof. Dr. Stephan Luckhaus zu seinem Austritt aus der ‚Leopoldina‘

Wir benötigen statistisch repräsentative Daten über die Ausbreitung und Folgen des Corona-Virus. Diese existieren bis heute nicht. Dies wird von Experten im ZDF als „Datenerhebungskatastrophe“ oder auch „Unterlassungssünde“ tituliert. Fast deckungsgleich habe ich hier vor ein paar Monaten ebenfalls argumentiert, mit dem Ergebnis, das ich hier im Forum als „Schwurbler“ tituliert wurde.

1 „Gefällt mir“

Ich glaube, das lag eher am damaligen Ton. Wenn Sie dem Gegenüber vorwerfen, der einen RND-Artikel teilte, dass er einen Artikel mit aus der Luft gegriffenen Zahlen hantiere, er also Fakenews verteile, dann dürfen Sie sich nicht über ein Feedback auf ähnlichem Niveau wundern.

Lieber Markus-1978,
Ich glaube ich habe mich ziemlich deutlich (eventuell hart im ton aber präzise in der sache) geäussert zu dem rnd-artikel. Ich habe gesagt, dass er für DIESE diskussion nicht taugt, da er keine quellenangaben liefert, welche ich überprüfen könnte. Ihn in die Nähe der sogenannten „fake-news“ zu rücken, das haben sie alleine getan. Für mich ist dieser Artikel eine reine Meinungsäußerung (erkennbar durch formulierungen wie „das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg geht davon aus…“) und somit für die Leser evtl interessant, als Diskussionsgrundlage aber ungeeignet.
Ich kann nichts dafür, dass viele Personen hier im Forum nicht in der Lage sind ihren Standpunkt nachvollziehbar zu belegen. Generell bin ich in einer Diskussion gerne sehr direkt und überspitze hier und da auch gerne. Dies geschieht aus dem Grund, wie ich hier bereits schrieb, um es meinem gegenüber einfacher zu machen meine Meinungsäußerungen zu widerlegen.
Ferner bin ich der meinung, dass es hier mehr um Inhalte denn um den ton gehen sollte (form follows function).
Grüsse max

1 „Gefällt mir“

Wenn Sie sagen, dass die Zahlen für Sie „aus der Luft gegriffen“ seien, dann ist das eine eindeutige Wertung. Und in einem journalistischen Artikel ist nicht jede Zahl via Link nachprüfbar, weil das eben auch von den Quellen abhängt. (Sonst kann man jeden investigativen Artikel sogleich als "aus der Luft gegriffen bezeichnen). Allerdings ist in dem bemängelten Artikel an mehreren Stellen erkennbar, dass die Zahlen aus Presseanfragen den Landesgesundheitsämtern gegenüber entstammen.

Und eine Wertung als „nicht gründlich recherchiert“, weil die Zahlen nicht gegoogelt werden können das sagt wenig über den Artikel aus, sondern mehr über Ihre verhaltensoriginelle Form der Medienkritik.
Ansonsten sollten Sie schon genau begründen können, warum der Artikel, der die Erkenntnisse der einzelnen LGA weitergibt, journalistisch schlecht und nicht nutzbar sein soll. Wenn es Ihnen wirklich so einen Unbehagen bereitet, den Zahlen des Redaktionsnetzwerks Deutschland zu glauben, dann hätten Sie die sicherlich auch den jeweiligen Landesgesundheitsamt um Auskunft erbitten können, ob denn die Zahlen denn stimmen.

Dann dürfen Sie sich aber auch nicht beschweren, wenn Ihre „sehr direkten“ Thesen sehr direkte Reaktionen hervorrufen.

FFF ist vielleicht im Produktdesign ein pragmatischer Ansatz, aber nicht in der Kommunikation des Lageforums. Ulf und Philip legen in diesem Forum sehr großen Wert auf einen guten, insgesamt wertschätzenden Ton.

1 „Gefällt mir“

Ich erinnere mich zum Glück nicht mehr exakt an diese Diskussion und werde auch beileibe nicht noch mal reinlesen.
Aber ich habe hier vor allem eingefordert, dass außer nebulösem „Das ist unwissenschaftlich“, weil die Daten vermeintlich zu schlecht seien, auch konkret erklärt wird, wie wir denn unter der Unsicherheit, die unzureichende Daten eben mit sich bringen, agieren sollten.

Aber ich weiß schon, dass du das nicht so siehst, ich brauche hier keine Antwort.

Die Wendung „aus der Luft gegriffen“ scheint hier im Forum besonderen Umut erzeugt zu haben, wofür ich um Entschuldigung bitte; hier hätte ich leicht differenzierter formulieren können.
Trotzdem argumentieren sie hier anhand eines Pappkameraden. Investigativer Journalismus hat eine lange Tradition in der Offenlegung von Verschwörung und Skandalen (Watergate-Affäre). Beim Artikel des RND handelt es sich aber nicht um geheime Zahlen, die von Whistleblowern stammen, deren Sicherheit es zu schützen gilt.
Wenn wir als Gesellschaft konstruktiv strittige Themen diskutieren wollen, müssen wir das auf Basis von für alle nachprüfbare Fakten tun. Ansonsten kommen wir an einen Punkt, wo jeder alles aufgrund von einem Artikel oder einer einzelnen Studie sagen kann. Und genau das ist hier ja auch mit dem RND-Artikel passiert, der genutzt wurde um eine Aussage hier im Forum zu belegen. Sie legen mir jetzt die Aufgabe auf, möchte ich mich mit einer Gegenmeinung äußern, die Quellen des Artikels selbst zu recherchieren, was für mich in einem nicht vertretbaren Zeitaufwand geendet hätte. Alternativ hätte ich Artikel mit gegenläufiger Meinung als Fundament für meine Meinungsäußerung suchen können. Dann hätten wir uns in einer Situation befunden, in der wir anstatt aufgrund von Fakten zu diskutieren, die Leumünder unsere Quellen vergleichen (und das ist hier ansatzweise geschehen, hat man mir doch vorgeworfen ich könne nicht einfach einen RND-Artikel als ungeeignet als Diskussionsgrundlage deklarieren). In letzter Konsequenz müsste es dann eine übergeordnete Stelle geben, die Leute zur öffentlichen Meinungsäußerung, beispielweise über wissenschaftliche Themen akkreditiert, auf die sich dann Redaktionen wie das RND in ihren Artikeln stützt (ähnlich schon vorgeschlagen bei MaiLab).
Ich muss wahrscheinlich nicht extra betonen, dass dies eine schreckliche Idee ist und die viel bessere Alternative doch auf der Hand liegt:
Für eine öffentliche Diskussion z.B. über Wissenschaft oder Zahlen eignen sich nur solche Artikel in denen man die angeführten Zahlen nachvollziehen kann. Und das nicht nur mittels „das Landesamt sagt“ oder "stützt sich auf Zahlen des Gesundheitsamtes, sondern diese Zahlen müssen in einer Art vorliegen, dass die Methodik ihrer Erhebung sichtbar wird. Das Fertigzustellen ist nicht zu viel verlangt, wird von guten Journalisten standartmäßig gemacht und muss Mindeststandard sein bei einer öffentlichen Diskussion über wissenschaftliche Themen.

1 „Gefällt mir“

Wir kommen da nicht auf einen Nenner. Wenn Sie eine Quelle mit so scharfen Worten in Zweifel ziehen (und wir reden hier nicht von einem Blog irgendeines Autodidakten), weil sie deren Zahlen nicht unmittelbar durch googlen verifizieren können, dann ist es Ihre Aufgabe, diese Zweifel zu belegen. Es ist nicht die Aufgabe von Redakteur*innen ihren kompletten Mailverkehr mit den Pressestellen offenzulegen, weil Sie sonst die Zahlen anzweifeln.

Aufgrund von mit Unsicherheit behafteter Daten Entscheidungen zu treffen, das machen Ingenieure tagtäglich. Man nennt das Ganze „safety assessment“ oder „uncertainty quantification“. Dafür bräuchten wir allerdings statistisch repräsentative Daten, welche wir bis heute weder haben noch angefangen haben sie zu erheben. Für sie sind meine Aussagen eventuell nebulös, sie müssen mir dann aber erklären, wieso sie dann Leuten glauben, die mit dem für sie zwangsläufig ebenso nebulösen Argument „das ist wissenschaftlicher Konsens“ kommen. Wunschdenken?

Hier mein Vorschlag:
In Anbetracht dieser Situation, dass die wissenschaftliche Evidenz eben nicht so in Stein gemeißelt ist, wie das hier gerne behauptet wird, sollten wir so ehrlich sein und eine Diskussion führen, die darauf abzielt den berechtigten Wunsch nach mehr Sicherheit vor einer Infektion mit Corona des einen (größeren) Teil der Gesellschaft gegen den ebenfalls berechtigten Wunsch des Schutzes ihrer verfassungsmäßigen Grundrechte einer Minderheit der Gesellschaft auszutarieren. Dabei dürfen in einer demokratischen Gesellschaft nie nur die Bedürfnisse der Mehrheit als alleinige Grundlage dienen; die Personen, die sich persönlich nicht von Corona gefährdet sehen genießen auf jeden Fall einen Minderheitenschutz und ein Recht gegen Diskriminierung aufgrund ihrer Minderheitsmeinung.
In so einer Diskussion, in der man nicht alles abbügeln kann mit dem Argument „die Wissenschaft zeigt uns ganz deutlich, dass es zwingend notwendig ist Grundrechte einzuschränken um der Ausbreitung des Coronavirus Herr zu werden“ (das tut sie nämlich tatsächlich nicht), sondern in der man zwei berechtige Anliegen zweier gesellschaftlicher Gruppen (mit dem Fokus darauf, dass beide(!) Anliegen berechtigt und gleichwertig sind) gegeneinander austariert, kann ein gesamtgesellschaftlicher Konsens erst erzielt werden.

Das wir hier minderwertig und am Thema vorbei diskutieren, kann man doch klar am Verlauf der Diskussion sehen: flatten-the-curve, R-Wert, Inzidenzzählung, Lockdown: kurz und hart oder lang und weich?, Long-Covid, Schutz der vulnerablen Gruppen, Auslastung der Intensivbetten, Pflegepersonal, 100er-,50er, oder 35er-Inzidenz.
Immer wieder hat sich die Grundlage der Diskussion, bzw. das Ziel oder das Maß für die Corona-Bekämpfung verschoben. Zu jeder Zeit wurde behautet, dies wäre wissenschaftlicher Konsens. Wenn sich das Ziel geändert hat, dann wird eben behauptet: Naja, die Wissenschaft ändert halt ihren Standpunkt wenn neue Informationen verfügbar sind. Was ist dann aber ein wissenschaftliche Konsens wert, der nicht einmal einige Wochen oder Monate hält?
Dies zeigt doch ganz deutlich, dass wir hier ein Jahr am Thema vorbei geredet haben.

3 „Gefällt mir“

Ohne dass ich mir diese Titulierung zu eigen machen möchte, war die Kritik an deinen Beiträgen sicherlich nicht primär auf deine Forderung nach einer besseren Datengrundlage bezogen. Letzteres würden wohl die meisten hier unterschreiben.

Dass hier minderwertig und am Thema vorbei diskutiert wurde, kann ich nicht teilen (zumindest für eine relevante Anzahl an Diskussionen). Natürlich muss man immer bedenken, dass wir uns hier in einem Forum und keinem wissenschaftlichen Journal austauschen, aber es gab schon einige Diskussionen, wo z.B. der von dir angesprochene Mangel an Zieldefinition - und kommunikation der Politik, die Inkonistenz der Corona-Bewältigungsstrategie, schwankende Grenzwerte, die Fokussierung auf den Inzidenzwert etc. bemängelt wurden.

Das Abbügeln von Diskussion mit dem Verweis auf den wissenschaftlichen Konsens hat (auch hier im Forum) zum Teil zu stark oder unpassend stattgefunden und hat manche fruchtbaren Diskussion vermieden; da stimme ich dir teilweise zu. Ohne meine eigenen Beiträge jetzt nochmal gelesen zu haben, kann es gut sein, dass ich mir da auch an die eigene Nase packen muss. Aber es war bei weitem nicht so, dass hier jede Diskussion mit dem Buzzword „wissenschaftl. Konsens“ (o.ä.) beerdigt wurde.

4 „Gefällt mir“

Ich habe den Thread nicht verfolgt (offenbar zu spät entdeckt), daher habe ich auch nicht alles gelesen.

Dass sich das Ziel verschoben hat oder zumindest nie wirklich klar (stringent, kohärent, konistent) kommuniziert worden ist, da würde ich noch mitgehen, mir scheint allerdings, dass hier ‚Politik‘ und ‚Wissenschaft‘ verwechselt wird.

Dass es eine politische und keine wissenschaftliche Entscheidung ist, welche (Grenz-)Werte zu verbindlichen Indikatoren für staatliche Maßnahmen werden, liegt ja auf der Hand. Aber inzwischen sollte auch klar sein, dass es gerade bei Corona keine „unpolitische“ Wissenschaft gab und gibt. Einerseits haben sich Politiker:innen unterschiedlicher Coleur bei anstehenden Entscheidungen je nach Facon auf bestimmte Wissenschaftler:innen bezogen. Andererseits haben sich Wissenschaftler:innen immer wieder auch politisch positioniert, sei durch die Themen und das Design ihrer Forschung, sei es durch die Hervorhebung bestimmter Ergebnisse oder gar durch explizite politische Stellungnahmen.
Zur (Selbst-)Politisierung der Wissenschaft gehört m. E. auch die Strategie, aus einer hegemonialen Diskursposition heraus andere, abweichende wissenschaftliche Meinungen mit pauschalen Vorwürfen wie PLURV oder False Balance zu delegitimieren, ohne auf bestehende inhaltliche Differenzen einzugehen.

1 „Gefällt mir“

Ich halte die False Balance und PLURV-Vorwürfe gewiss nicht als Delegitimierung. Viel mehr ist das eine Kritik an Prioritätensetzung in Politik und insbesondere Medien, die durch eine künstliche Überhöhung von Mindermeinungen zu manchen Fehlentscheidungen geführt haben, die man dann mit enorm steigenden Infektionszahlen bezahlt werden mussten.

Ich sage ja nicht, dass es PLURV und False Balance nicht gibt. Aber es ist m. E. unbestreitbar, dass Sie im Umgang mit Corona auch als pauschaler Vorwurf gegen renommierte Wissenschaftler:innen gebraucht wurden, um diese zu delegitimieren. Etwa bei der suggestiven Frage des Spiegel an Drosten, ob Streek und Schmidt-Chanasit nicht eigentlich schlimmer seien, als die Querdenker…
Gerade bei einem so politisierten Thema wie Corona ist ja die Frage, was denn jetzt eine „Mindermeinung“ und was „die Wissenschaft“ ist, selbst politisiert. Objektive Kriterien hierfür sind nicht immer leicht zu finden und selbst wenn, spielen sie nicht unbedingt eine Rolle.
Ein gutes Beispiel hierfür ist m. E. Drostens Haltung zur Frage der Infektiösität von Kindern. Er hält letztlich an seiner Behauptung vom März 2020 fest, wonach die Unterschiede in der Viruslast zwischen Kindern und Erwachsenen unerheblich seien. Und er behauptet, dass sich daraus Aussagen über die Ansteckungsgefahr durch Kinder sagen ließe. Aber die zahlreichen Kontaktstudien, die Frage der Infektiösität von Kindern direkt untersuchen und nicht über den „Umweg“ der Viruslast, stellt Drosten in seinem Podcast selektiv dar, wie diese Rekonstruktion nahelegt. Gemessen am internationalen Forschungsstand ist es an diesem Punkt also Drosten, der eine „Mindermeinung“ vertritt - aber natürlich ohne dies auch so zu benennen.

Das stimmt, die allermeiste Kritik hatte ich für andere Aussagen kassiert. Die Relevanz, die diese „Unterlassung“ hat wurde mir aber generell abgesprochen.

Ganz so einfach sehe ich das nicht. Es war bei allem, sei es nun Diskussionen über Corona in Politik, Medien oder auch in der Lage, immer folgendes Narrativ präsent: Die Wissenschaft ist sich einig (in Form eines wissenschaftlichen Konsens), dass das Corona-Virus und seine Ausbreitung so verheerende Folgen haben wird, dass der Staat freiheitsbeschränkende Maßnahmen ergreifen muss und dieses auch seine Pflicht sei. Unter diesem Narrativ wurde alles mögliche kritisiert und diskutiert, meistens mit der Forderung nach härteren Maßnahmen verbunden. Ich lehne dieses Narrativ aber ab, da es dafür keine Evidenz gibt.

Danke für die Zustimmung und auch die Selbstkritik.
Wie gesagt nicht primär das Buzzword „wiss. Konsens“ hat zur Beerdigung vieler Diskussion geführt, sondern das von mir oben beschriebene vorherrschende Narrativ.

1 „Gefällt mir“

Natürlich gibt es False-Balance aber bei wissenschaftlichen Themen sollte man hier sehr vorsichtig argumentieren. Wenn öffentlich der Eindruck entsteht dass einer Minderheitenmeinung zu viel Raum gegeben wird, dann kann das mehrere Gründe haben und False-Balance ist nur einer davon.
Ein Merkmal guter wissenschaftlicher Arbeit ist, dass die daraus entstandenen Theorien gut verständlich und leicht transportierbar beschrieben sind und sich klar gegen andere Forschung abgrenzen. Das ist ein wesentliches Qualitätsmerkmal von guter Forschung! Wenn also öffentlich der Eindruck von False-Balancing entsteht, ist das für mich eher als Aufforderung an den Wissenschaftler zu verstehen, wieder weg von den Talk-Shows und zurück an den Schreibtisch zu gehen und seine wiss. Theorie noch einmal nachzuschärfen. Wer glaubt denn wirklich, dass im hypothetischen Scenario in dem Albert Einstein mit 10 Flat-Earthern in einer Runde sitzt ein Eindruck von False-Balance enstehen würde?

Diese Aussage können sie auf keinen Fall belegen oder auch nur quantifizieren. Sie können mich gerne vom Gegenteil überzeugen.