Vorausgestellt sei ich kann nichts über das Virus sagen oder den Umgang damit, noch könnte ich irgendetwas relevantes über die aktuellen Maßnahmen und deren Konsequenzen zum aktuellen Diskurs beitragen.
Mein Expertise bezieht sich auf die Anwendung physikalisch/mathematischer Modelle mit aus der Realität gewonnenen, mit Unsicherheit behafteten (Mess-)Daten und der Vorwärts-Propagation dieser Unsicherheiten durch diskretisierte Rechenmodelle (forward propagation of uncertainty).
Bei der aktuellen Berichterstattung um Covid 19 fällt mir immer wieder ein unzureichender bzw. unterkomplexer Umgang mit Zahlen und Statistiken in den Medien auf, bei dem klar wird, dass viele Journalisten, Politiker und noch schlimmer auch viele Wissenschaftler nicht sorgfältig genug mit Zahlen und Statistiken umgehen, bzw. selber nicht erkennen, dass sie die nötigen Fähigkeiten, die für diesen Zweck benötigt werden, nicht besitzen. Ich möchte hierzu ein Beispiel bringen (ist nicht ganz aktuell):
Es gibt zahlreiche Berichte darüber, dass nun festgestellt wurde, dass die Infizierten an und nicht mit Corona sterben. Siehe zum Beispiel:
COVID-19: Studien widerlegen falsche Annahmen bezüglich Vorerkrankungen und Todesursache
bzw. die dazu gehörige Pressemappe:
https://www.pathologie.de/fileadmin/user_upload/Aktuelles/corona/Pressemappe_PK_20.08.2020.pdf
Hier wurden 154 klinische Obduktionen untersucht mit dem Ergebnis, dass „bei 86 Prozent der verstorbenen COVID-19-Patientinnen und Patienten in Deutschland COVID-19 die wesentliche oder alleinige Todesursache war“. Dass diese Schlussfolgerung einer 154 Obduktionen umfassenden Stichprobe auf die Gesamtmenge aller Covid-Toten unzulässig ist, liefert der Artikel selber:
"Zwar lag das durchschnittliche Alter der untersuchten Patientinnen und -Patienten bei 72 Jahren. Aber immerhin waren 24 Prozent der Erkrankten nur zwischen 18 und 59 Jahre alt. Der Anteil der über 80 Jährigen betrug 23 Prozent.
„Auch diese Untersuchung belegt, dass Vorerkrankungen und ein höheres Alter zwar das Sterberisiko erhöhen, dass aber keineswegs nur Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen an COVID-19 sterben“, resümiert Prof. Hasibeder."
Wenn diese Stichprobe repräsentativ wäre, dann wäre es zwingend so, dass das Durchschnittsalter aller Personen in der Stichprobe, dem der Gesamtmenge entspricht. Wir wissen aber nun, dass das Durchschnittsalter der an Covid verstorbenen Personen bei ca 84 Jahren liegt, eine Differenz von 12 Jahren im Vergleich zur Stichprobe. Da Statistisch die Anzahl der Vorerkrankungen mit den Lebensjahren steigt, kann man zeigen, dass wenn wir uns eine Stichprobe angucken, die ein im Vergleich zur Gesamtmenge niedrigeres Durchschnittsalter besitzt, die relative Auftrittswahrscheinlichkeit der Personen, die ohne Vorerkrankungen an Covid sterben überschätzt wird.
Wenn man in die Pressemappe guckt findet man eine Stellungnahme der Pathologen:
„Nach dem Ergebnis einer aktuellen Umfrage des BDP haben bis zum 29.6.2020 nur 26 von 450 deutschen Pathologie- und Neuropathologieinstituten die Durchführung von Obduktionen bei leta-
len Corona-Erkrankungen gemeldet. Sie berichten über 154 durchgeführte Obduktionen. Das Umfrageergebnis zeigt: zwar sind die strukturellen Voraussetzungen zur Durchführung dieser Obduktionen noch vorhanden, aber 154 Obduktionen bei bisher mehr als 9.000 Todesfällen in Deutschland infolge der COVID-19-Pandemie ist mit ca. 2 % eine völlig unzureichende Quote.“
Diese Stellungnahme scheint schon viel kritischer, allerdings ist es nicht unbedingt so dass ein Stichprobenumfang von 2% der Gesamtmenge an sich ein Problem darstellt (klar ist für scharfe Aussage ist es besser je größer der Stichprobenumfang ist), das eigentliche Problem, dass die Stichprobe nicht repräsentativ ist, wird aber auch hier außer acht gelassen. Das einzige was wir hier ohne Einschränkungen Schlussfolgern können ist, dass Menschen definitiv an und nicht ausschließlich mit Corona sterben.
Egal woher man seine Informationen bezieht, findet man, wenn man genauer hinguckt, überall grobe technische Fehler im Umgang mit Zahlen und Statistiken und dann sind wir noch garnicht dabei was passiert, wenn man Rechenmodelle mit von grossen Unsicherheiten behafteten Zahlen füttert. Ein gewissenhafter Umgang mit Statistik/Stochastik macht leichte „wenn A dann B“ Aussagen nicht mehr möglich. Es entsteht ein größerer Zustandsraum in denen mehrere Handlungsoptionen/Möglichkeiten mit verschiedenen Wahrscheinlichkeiten bestehen. Ich habe jetzt mal nur ein Beispiel hier angeführt, man findet aber im Internet unabhängig von der Seriosität der Medien unzählige andere Beispiele.
Mein Schlussfolgerung ist, dass niemand von Politiker und Journalisten einen verantwortungsvollen Umgang mit Zahlen und Statistiken verlangen kann, wenn nicht mal wir Wissenschaftler dieses tun. Meiner Meinung nach brauchen wir hier eine Anstrengung aus der Community der Mathematiker und Ingenieure, deren tägliches Brot es ist verantwortungsvoll mit Zahlen umzugehen. Dies wollte ich an dieser Stelle mal zum Diskurs stellen.
Grüße Max