Natürlich kann es gute Gründe geben und einer davon könnte sein, dass man tatsächlich lieber Putin an der Macht halten will als ein möglicherweise mit noch mehr Risiko behaftetes Chaos nach seinem Machtverlust. Ich könnte sogar verstehen, wenn man das ausnahmsweise mal nicht öffentlich hinausposaunt. Aber wenigstens gegenüber der Ukraine sollte der Westen dann mit offenen Karten spielen, was zumindest nach meinen Informationen nicht der Fall zu sein scheint. Ich glaube aber nach wie vor nicht, dass das der einzige Grund für die „zurückhaltende“ Unterstützung der Ukraine ist.
Woran machst du fest was im Hintergrund gesprochen wird? Also ich habe schon mehrfach gelesen, dass die Unterstützer der Ukraine diese auf eine perspektivisch nachlassende Unterstützung hinwiesen. Das kann man doch gar nicht anders verstehen als als Aufruf zur Verhandlung und damit als Zurückweisung der Sieger-Gewinner-Rhetorik.
Verhandlungen zum jetzigen Zeitpunkt bedeutet zumindest Gebietsverluste der Ukraine mit anschließender ungewisser Sicherheitslage und Zukunft, und Gebietsgewinne und eine innenpolitische Stärkung von Putins expansiver Politik.
Die Folgen daraus finde ich schwierig.
Dieser Konflikt endet nur durch eine Verhandlungslösung, keine Frage.
Nur fehlt mir aktuell die Phantasie wie eine Lösung aussieht, mit der beide Seiten leben können.
Beispiel durch Russland besetzte Gebiete. Bleiben die in russischer Hand? Werden die international als russisches Staatsgebiet anerkannt? Oder wären andere Länder bereit Friedenstruppen zu entsenden, wie in Somalia, Golan-Höhen? Oder wird es eine Lösung wie mit Nord- und Südkorea, als ein Waffenstillstand mit hochgerüsteten Parteien auf beiden Seiten in Erwartung des Zündfunkens?
Wer weiß, vielleicht macht der Papst ja nur den Anfang mit der Aufforderung an die Ukraine, zu kapitulieren.
Vielleicht noch zur Einordnung für alle:
Nur mal so zur Einordnung der Gefahr der Eskalation 2022:
Mag weiterhin ein Grund sein für die Zurückhaltung von Scholz, in Abstimmung mit den USA
Ich meinte damit nicht „Verhandlungen zum jetzigen Zeitpunkt“ sondern grundsätzliche Bereitschaft zur Verhandlung, die natürlich auch Gebietsverluste bedeuten werden. Russland wird wohl kaum Verhandlungen zustimmen, die sie zwingen sich auf die Grenzen von Februar 2022, respektive März 2014 zurückzuziehen.
Oder anders, natürlich würden sie das tun, aber dafür müsste der Erwartungswert für die Gebiete der Russen <= des Ist-Zustands zum jeweiligen Zeitpunkt sein. Das bedeutet, dass Russland befürchtet mehr Gebiet zu verlieren als es zum jeweiligen Referenzzeitpunkt besaß.
Das bedeutet aber, dass die Ukraine Gebiete erobert, die Russland als unverhandelbares Staatsgebiet ansieht, ein Szenario, dass der Westen bei jeder Waffenlieferung ausschließt, auch aus (berechtiger) Sorge vor Eskalationen oder russischer Instabilität.
Wenn Russland nun also davon ausgehen kann, nie auf die vorher geltenden Grenzen zurück zu fallen, gleichzeitig aber die Wahrscheinlichkeit von Gebietsgewinnen immer größer 0 ist, ergibt sich daraus, dass der Erwartungswert zum Zeitpunkt t immer größer ist als das IST von 2014 oder 2022.
Das wiederum bedeutet, sollte Russland nicht finanziell oder innenpolitisch kollabieren, gibt es Frieden nur zum Preis von
- ukrainischen Gebieten oder
- kleinen mittelbaren politischen Zugeständnissen des Westens an Russland oder
- der Inkaufnahme des Überschreitens roter Linien Russlands durch die NATO (Angriffe auf russisches Staatsgebiet)
Da letzteres (aktuell) sehr deutlich ausgeschlossen wird und die NATO jetzt wohl kaum vor Russland einknicken kann, wird es letztlich vor allem auf Gebiete als Verhandlungsmasse ankommen.
Als gesichtswahrenden weiteren Ausweg sehe ich nur „Ringtausch-Zugeständnisse“, in denen die NATO bspw. China etwas anbietet, damit China Russland mit Zugeständnissen zum Einlenken bewegt. Dann ist zumindest die NATO nicht vor Russland eingeknickt.
Bedeutet, das Russland auf jeden Fall mit einem Plus aus dem völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine herausgeht und somit quasi für die Aggression belohnt wird. Egal bei welchem Verhandlungsergebnis. Die Ukraine als der „Schwächere „ in diesem Konflikt kann also nur verlieren.
Botschaft für alle Staaten wäre somit, das Aggression sich in irgendeiner Form rentiert.
Macht mir schon etwas Angst vor der Zukunft.
Wenn der Westen, der für Demokratie, Freiheit und Völkerrecht steht, zum Erhalt des eigenen Wohlstandes vergleichsweise schnell einknickt und Zugeständnisse an den Aggressor macht.
Aus meiner Sicht alles irgendwie nichts wirklich Neues. Sowohl was die Gespräche zwischen Xi und Putin angeht als auch das nukleare Säbelrasseln des Kreml, bei dem sich die USA natürlich auf die 0,1% Wahrscheinlichkeit vorbereiten, dass es tatsächlich ernst gemeint ist. Selbiges bezüglich einer „Lösung“ des Konflikts: Es wird vielleicht Verhandlungen geben, eventuell auch einen Vertrag, aber mit diesem Russland bestimmt nichts, was die Bezeichnung Frieden verdient. Die Ansage Moskaus ist immer wieder ganz eindeutig: Wir wollen die gesamte Ukraine kontrollieren. Alles andere wäre aus Sicht des Kreml höchstens ein Etappensieg.
Man sollte sich auch ganz genau anschauen, was „Verhandlungen“ aus Sicht von Russland bedeuten. Mit Stand Frühjahr 2022 wurde das u. a. hier skizziert LDN 371 zu zwei Jahre Ukraine Krieg - #5 von Flixbus. Seitdem hat Russland vier weitere Regionen der Ukraine annektiert, die es laut Verfassung gar nicht wieder abgeben darf. Und eine bröckelnde oder ganz klar limitierte Unterstützung für die Ukraine wird bestimmt nicht zu weiteren Zugeständnissen von Putin führen. Und eine Strategie der NATO, geschweige denn Europas im Umgang mit dieser Situation ist nicht annähernd erkennbar.
Das ist zu pauschal. Die Botschaft lautet vielmehr, dass Aggression Land bringen kann, aber die Wirtschaft enorm schädigt und mehrere hunderttausend Soldatenleben kostet. Außerdem nur möglich ist, falls man Atommacht ist und über enorme Bodenresevern und Devisen verfügt.
Es gibt faktisch keinen Staat, der sich hier angesprochen fühlen könnte. Außer vielleicht China, aber hier ist die Situation schon klar gemacht. Die USA werden Taiwan zu 100% verteidigen. Daher spielt diese Situation keine Rolle. Ansonsten schaut doch kein Land auf die Ukraine und kriegt das Gefühl, dass sich ein Angriffskrieg „lohnt“.
Oouuhkay. Dann sollten wir das mit dem wählen auch nochmal überdenken?
Interessant, dass niemand auf die Frage von OP antwortet… Wie weit wollen wir denn nun gehen? Sehen wir uns als Kriegspartei bzw. Ist es unser Krieg? Dann ist es doch komisch, dass wir nicht kämpfen. Falls der Mittelweg, nachdem die Ukraine nur durch Waffenlieferungen gewinnen soll, scheitert, welche anderen Wege gibt es? All in oder all out?
Ich finde die Ambivalenz sehr schwierig auszuhalten. Ich verstehe auch nicht wieso über diese Elefanten im Raum in Deutschland nicht gesprochen wird. Die ganze Welt diskutiert. Papst will, dass die Ukraine aufgibt. Macron und Polen wolenn Kiev mit der Nato halten. Was ist denn unsere Position?
Wird eigentlich auch das Trägersystem für den Taurus diskutiert? Laut diesem Artikel der Tagesschau kann der Taurus mit «den Kampfflugzeugen „Tornado“ und „Eurofighter“ zum Einsatz gebracht werden.»
Keines davon haben die Ukraine meines Wissens.
Kann es sein, dass um den Taurus deswegen so ein Riesen Bohei gemacht wird, weil man danach die Kampfflugzeuge viel leichter liefern kann?
Denn die Notwendigkeit, warum die Ukraine jetzt Tornados oder Eurofighter brauchen ist ja der Öffentlichkeit dann hinlänglich bekannt…
Oder ist die Umrüstung simpel? Die Storm Shadows lassen sich zum Beispiel laut Wikipedia mit einer Suchoi Su-24 abfeuern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das von Anfang an so vorgesehen war?
Heißt, die Ukraine hat jetzt Pech gehabt.
Und ggf jedes andere Land, das Russland für sich beansprucht. Moldau? Georgien?
Muss uns ja dann nicht interessieren, weit weg keine NATO.
Damit wäre sowas wie Völkerrecht doch quasi überholt. Oder?
Technisch machbar ist alles, Frage von Zeit und Wille.
Hakt eher am Letzteren.
Das ist immer noch die offene Frage….
Wenn ein Diktator bereit ist, beides zu investieren? Auch ohne Atommacht zu sein?
Natürlich kostet ein Krieg immer - Geld und andere Ressourcen. Aber es muss ja nicht immer ein Nachbarland mit über 40 Millionen Einwohnern sein - das zu überfallen, können sich sicherlich nur wenige Staaten leisten. Aber wenn Russland mit seinem Angriff auf die Ukraine nach 2014 ein zweites Mal erfolgreich sein sollte, sendet das natürlich ein Signal, das andere Länder auf ganz unterschiedlichen Ebenen und in unterschiedlicher Größenordnung verstehen werden. Ganz abgesehen davon, dass auch Russland natürlich nicht sagen wird: wunderbar, dann belassen wir es jetzt dabei.
Die These, dass es kein Land auf der Welt interessiert, was in der Ukraine passiert, halte ich für ziemlich gewagt.
Dazu kannst du z.B. einiges bei augen-geradeaus finden. Der Storm Shadow der Briten wurde nachträglich an die ukrainischen Suchois angepasst, damit wurde sogar schon 2022 begonnen:
Da die Taurus vom gleichen Hersteller wie die storm shadow sind und ihnen äußerlich sehr ähnlich sind (Stichwort Aerodynamik), wird man sie vermutlich auch mit den SU-24 einsetzen. Das man mit der Tauruslieferung auch Flugzeuglieferungen koppeln könnte, dürfte daher sehr unwahrscheinlich sein.
Und apropos Flugzeuge, sowohl augen-geradeaus (Link), als auch der Podacst Strategien und Streitkräfte mit Fabian Hoffmann (vom 1.3.24) haben berichtet, dass der Taurus an den neuen Eurofightern noch gar nicht integriert ist. Lediglich die älteren Tornados können den Taurus aktuell tatsächlich abschießen. Laut Hoffmann liegt das schlicht am Geld. Der Tornado soll noch bis 2030 fliegen und solange würde sich die Luftwaffe auch Zeit lassen, um die Waffe an den Eurofighter anzupassen.
Wegen der Gefahr für die Kertsch-Brücke: Im Juni ’ 23 wurde mit vier Stormshadows die Tschonhar-Bücke beschoßen und die Fahrbahn durchschlagen:
Allerdings wurde die Brücke dabei offenbar nicht ausreichend beschädigt denn im August gab es einen weiteren Angriff auf die Brücke. Es ist also möglicherweise gar nicht so einfach eine Brücke mit diesen Raketen zu zerstören, auch wenn man sie treffen kann. Ob das mit den Taurus-Raketen besser klappt, wer weiß.
Es wird in Deutschland keine Mehrheit in der Bevölkerung für einen echten Krieg gegen Russland geben. In solch einer existentiellen Frage kann eine Regierung nicht gegen den Willen der Mehrheit handeln. Eine Mehrheit kann sich mMn nur finden, wenn Russland eine konkrete statt abstrakte Bedrohung darstellt. Macrons Bodentruppen Vorschlag lässt mich vermuten dass man vor Trump noch möglichst viel Rest-Ukraine bewahren will.
Frank Sauer hat hier
in Bezug auf das im Taurus-Leak gesagte davon gesprochen, dass es mindestens 10 Taurus für die Kertsch-Brücke benötigt. Denn man möchte nicht nur die Fahrbahn durchschlagen. Die sei schnell repariert.
Das Ziel seien die Brückenpfeiler, so dass die Brücke kippt und ins Meer stürzt. Realistisch seien aus seiner Sicht eher 20 benötigte Taurus, denn man könne nicht ausschließen, dass mal einer das Ziel verfehlt oder die Modellierung nicht akkurat genug war.
Also nein, das unterfangen ist auch mit Taurus technisch und logistisch sehr anspruchsvoll. Aber im Gegensatz zu Storm Shadow wäre es zumindest möglich.
Davon muss man ausgehen, will man Russland nicht direkt angreifen.
Das kommt darauf an wie eng man verlieren fasst. Die Ukraine ist jetzt viel enger an NATO und EU herangerückt als zuvor. Ich gehe fest davon aus, dass ein möglicher Friedensschluss zur Stationierung von NATO oder EU Truppen führt. Damit wäre die Sicherheit quasi garantiert. Sie verliert also Gebiete, gewinnt aber an militärischer Potenz. Auch Russland gewinnt nicht nur. Die NATO ist nun wieder in der Aufrüstung angekommen und hat neue Mitglieder, die ohne Krieg sicher weiter neutral geblieben wären. Die NATO-Russland Grenze ist im Norden deutlich gewachsen.
Kann man so pauschal nicht sagen. Dazu hat @lu279 ja schon einiges geschrieben.
In meiner Aussage ging es nicht um Zeitspannen, wobei ich zwei Jahre nicht wenig finde. Viel mehr ging es um eine nüchterne Betrachtung des Endstands. Völlig egal ob 2 oder 20 Jahre, Russland hat absehbar(!) keinen zu erwartenden Verlust in diesem Krieg. Warum sollte es sich also mit früheren Grenzen begnügen?