Türkeiwahl von in Deutschland lebenden Türken

Liebes Lage-Team,

mich interessiert sehr, warum es in Deutschland lebenden Türken gestattet ist, einen Präsidenten in einem Land zu wählen, in dem sie selbst nicht leben, von dessen Politik sie also allenfalls mittelbar betroffen sind. Die demokratiezersetzenden Folgen dieses Rechts in Anbetracht eines Wahlergebnisses von knapp 80% für Erdogan bei in Deutschland lebenden Türken liegen auf der Hand. Ich möchte schließlich auch nicht die politische Entscheidung eines Deutschen, der seit rund 50 Jahren in einem anderen Land lebt und etwa für die AfD in Deutschland stimmt, ausbaden müssen.

Eine kontroverse Debatte über die Frage, ob eine solche Auslandswahl weiterhin möglich sein sollte, halte ich für lohnenswert für eine eurer nächsten Folgen!

Viele Grüße

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Aber genau das musst und tust du. Auch Deutsche behalten ihr Wahlrecht, wenn sie im Ausland leben. (Mir wird aus der Formulierung nicht klar, ob du das weißt.)

Naja, als Staatsbürger eines Landes (egal ob Deutschland oder Türkei) können diese Menschen jederzeit problemlos in ihr Heimatland zurückkehren und leben dann unter den entsprechenden Verhältnissen.

Und natürlich können wir jetzt die Diskussion starten, wieso dann nicht z.B. auch weiterhin Steuern im Heimatland fällig werden.

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Ich wohne seit 23 Jahren in Frankreich und habe auch noch in Deutschland gewählt. Nach 25 Jahren darf man nur noch wählen, wenn man eine Verbindung zum Heimatland nachweisen kann.
Die habe ich aber auch (Familie, geplante Rückkehr).
https://www.bundeswahlleiterin.de/bundestagswahlen/2021/informationen-waehler/deutsche-im-ausland.html

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Hi, 3 Gedanken dazu

  1. Die Frage mag berechtigt sein, jedoch finde ich den Aufhänger „demokratiezersetzend“ schwierig. Zum einen ist das erst mal Sache der Türkinnen und Türken, ob sie überhaupt eine Demokratie wollen, zum anderen kann die Auslandswahl ja auch andersherum wirken. In meinem Umfeld habe ich sehr viele Bulgaren und dort ist es umgekehrt - die Auslandsstimmen gebieten dort regelmäßig den extremen Kräften von links und rechts Einhalt.

  2. Wenn „unmittelbare Betroffenheit“ das Kriterium für Wahlrecht ist, müsste man den Auslandstürken konsequenterweise Wahlrecht in Deutschland einräumen.

  3. Aus persönlicher Betroffenheit (Deutscher, seit 3 Jahren in Hongkong, grünes Wahlverhalten) stimme ich zu, dass große Teile der deutschen Politik nicht unmittelbar relevant für mich sind. Entsprechend habe ich ja auch nur Wahlrecht für den Bundestag, nicht für Landtags- oder Kommunalwahlen z.B. des letzten Wohnsitzes. Dennoch bin ich von Teilen betroffen (z.B. Regulation der Auslandsschulen, Verhältnis zu China, Klimapolitik) und habe ein Interesse daran, dass es in meiner Heimat in die richtige Richtung geht - in ein paar Jahren geht es ja zurück. Ein Entzug des Wahlrechtes würde rein emotional für mich die Botschaft senden: „wir wollen Dich nicht mehr“. Kann man machen, fände ich nicht gut

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Ich glaube, das Problem ist nicht das Wahlrecht, sondern die Frage

  • wie sich der Umgang der deutschen Bevölkerung mit den früheren Gastarbeitern:innen auswirkt und
  • wie viel Einfluss Erdogans in Deutschland zugelassen wird

Ich bin extrem betroffen von der Politik hier und zahle absurde Mengen an Steuern (die der deutsche Staat großteils verschwendet). Trotzdem darf ich nicht wählen. Zugleich kann ich mich auch nicht einbürgern weil der deutsche Staat das (mit meinem Steuergeld) nicht organisiert bekommt.

Ich habe gestern am türkischen Konsulat in Berlin abgestimmt und halte diese moralische Panik für sehr überzogen.

Was Deutschland tun könnte:

Wahllokale für Wahlen von anderen Ländern generell verbieten und Leute zur Briefwahl zwingen. Da hätte ich wirklich kein Problem damit. Für die Niederlande habe ich dieses Jahr per Brief abgestimmt.

Die Leute die schon Jahrzehnten in Deutschland leben und hier gearbeitet haben es ermöglichen einzubürgern.

Hier gibt es eine gute Folge von Deutschlandfunk die erklärt wie aus rassistischen Gründen diese Menschen von der deutschen Staatsbürgerschaft ausgeschlossen wurden und die FDP (jaja!) jetzt die Pläne der Koalition um es leichter zu machen blockiert.

Kritik kommt nicht nur von der Opposition, sondern auch von der FDP.

Das Problem löst sich jetzt von alleine weil die meiste Leute die es jetzt noch betrifft eh bald sterben. Die haben ein ganzes Leben hier verbracht als zweitrangiger Bürger und sind jetzt tot bevor es korrigiert wird. Das ist ein demokratischer Skandal aber darüber hört man Leute wie hier oben natürlich gar nicht.

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Wo genau kommt die Zahl 80% (bzw. 70-80%, wie Ulf es im Podcast gesagt hat) her?

Laut statista waren es 64,6% für das Wahlbündnis Volksallianz bei der Parlamentswahl und 65,4% für Erdoğan bei der Präsidentschaftswahl, das ganze bei einer Wahlbeteiligung von unter 50% (im Vergleich zu 87% Gesamtbeteiligung, wie in den statista Links angesprochen).

Von daher fand ich es auch etwas ironisch, dass Ulf erst kurz in einem Satz (eventuelle?) Falschinformationen gibt (und auch die sehr geringe Wahlbeteiligung unterschlägt), und dann im nächsten Satz die Empfindungen von Deutschtürken anmerkt, die sich manchmal durch deutsche Medien diskriminiert/beschämt fühlen.

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Beim Deutschlandfunk habe ich zwei Podcast zu dem Thema gefunden:
https://www.deutschlandfunk.de/autokraten-gegen-demokraten-die-schicksalswahl-in-der-tuerkei-dlf-8ed7682a-100.html ab 18:45
Die Türkei wählt, auch in Deutschland ab 47:00
Ich meine mich zu erinnern, dass in der Lage auf den Deutschlandfunk Bezug genommen wurde.

Ja, ich verstehe diese Gefühle sehr, und ganz besonders die Politikpodcast Folge hat das Thema „Wahlen in Türkei“ auch im Bezug zu deutschen Medien m. E. besser beleuchtet als die Lage.

Mein Punkt im letzten Absatz war eher, dass hier anscheinend keine Selbstreflexion stattfand, wenn zwar man die typische „Deutschtürken wählen alle für Erdoğan“ Meinung mit widergibt, hierfür aber falsche/unvollständige Zahlen benutzt. Ganz besonders die Thematik „geringe Wahlbeteiligung“ wurde in der Politikpodcast Folge ja auch gut diskutiert.

Danke für den Hinweis. Knapp zwei Drittel ist natürlich schon nochmal was anderes als drei viertel. Habe diese Info auch in deutschen Medienberichten bestätigt gefunden [1][2][3].
Denke da hatte Ulf einfach eine falsche Zahl im Kopf. Er hat ja selbst gesagt, dass er sie nicht mehr nachgeguckt hat.
[1]

[2]

[3]

Wieso sollte Deutschland anderen Ländern vorschreiben, wie die Ihre Staatsangehörigen wählen lassen? Das erscheint mir unsinnig.

In Amsterdam gab es im Wahlzentrum Ausschreitungen. In Deutschland sind deswegen Menschen erschossen worden.

Also es ist schon eine importierte Quelle von Problemen.

Für den Kontext:
Ich schätze, du beziehst dich auf diesen Fall:

Der Verdacht, dass die Wahl der Auslöser war, ist definitiv berechtigt und wird auch diskutiert, aber dennoch solltest du es bis zum Abschluss der Ermittlungen als Verdacht und nicht als Faktum darstellen. (z.B. indem du schreibst „vermutlich Menschen erschossen worden“).

Das ist ein Problem der Integration, nicht des Wahlrechts.

Welche Anreize gibt es nochmal sich zu „integrieren“? Ganz nüchtern, Menschen die nach Deutschland kommen wollen ihr Leben verbessern. Das heißt noch lange nicht, dass sie System unterstützen. Das machen ja alle Migranten. Auch Deutsche die Auswandern versprechen sich einen Überhang von Vorteilen im Land ihrer Wahl. Sonst würde man das ja nicht machen.

Mmmmm, tja, irgendwie schon, aber ganz praktisch war es bei mir einfach die Arbeitsstelle meines Mannes.
Integrieren möchte man sich, weil Leben mehr ist als nur Arbeit. Soziale Kontakte, Wohlfühlen, Sympathie, die Kultur verstehen lernen… Eigentlich ein völlig selbstverständlicher Prozess.
Gleichzeitig ist es aber wohltuend, sich (auch) mit Menschen zu treffen, die aus demselben Land kommen, wie man selbst, da es viele unbewusste, sich ähnelnde „Gefühlsmuster“, gemeinsame kulturelle Erfahrungen gibt, die verbinden, die man nicht erklären muss. Wozu auch der erhebliche Faktor Muttersprache gehört, der eine sehr starke Verbindung erzeugt.
Nach meinen eigenen Erfahrungen kann ich sehr gut verstehen, warum sich Einwanderer gern in der Nähe ihrer Bekannten/Landsleute niederlassen. Das schließt aber nicht aus, dass man sich auch zusätzlich integrieren möchte, was auch immer genau damit gemeint ist.
Man kann sich schon fragen, ob der Haken nicht in einer fehlenden Willkommenskultur liegen könnte. Wenn ich mich nicht erwünscht fühle, nimmt der Wunsch nach Integration ab.

Ja, dem kann ich nur zustimmen. Ich habe in den letzten 9 Jahren 8 Jahre im Ausland gelebt (Afrika und Asien). Aber, eine Willkommenskultur habe ich den Ländern nie erfahren. Allerdings habe ich das auch nicht erwartet, da meine Aufenthalte immer zeitlich befristet waren.
Dennoch tue ich mich damit schwer die Frage der Integration schwerpunktmäßig in der Verantwortung Deutschlands zu sehen. Unabhängig davon muss natürlich die Bürokratie abgebaut werden, Verfahren digitalisiert und beschleunigt werden, usw. Vieles wird hier im Forum immer wieder diskutiert. Aber, wenn sich Menschen dazu entscheiden in ein Land dauerhaft zu migrieren, dann würde ich von diesen Menschen erwarten, dass sie alles tun was notwendig ist, um sich in dem Land zu integrieren. Und die Hürde ist für Deutschland eigentlich nicht so wirklich hoch. Kern ist das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung in Deutschland. Das spiegelt sich auch im § 10 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 Staatsangehörigkeitsgesetz: „Ich bekenne feierlich, dass ich das Grundgesetz und die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland achten und alles unterlassen werde, was ihr schaden könnte.“ Mehr braucht es erst einmal nicht. Aber das ist in diesem Thema auch gerade die Frage. Warum wählen Menschen aus eine Demokratie heraus einen Autokraten?

Es sind Tuerken. Und sie bleiben auch Tuerken, wenn sie in Deutschland leben und auch dann, wenn sie ausser der tuerkischen auch die deutsche Staatsangehoerigkeit haben. Fraglich ist allenfalls, inwieweit tuerkische Politiker in Deutschland Wahlkampf machen koennen sollten.

Gehoert vielleicht zu guten Beziehungen dazu.

Ansonsten finde ich den Diskussionsvorschlag etwas schraeg. Genauso schraegt wie den Vorwurf, die Mehrheit derer, die abgestimmt haben, haette Erdogan gewaehlt. Die Tuerkei ist ein anderes Land und was die Leute dort waehlen, wo immer sie auch wohnen moegen, geht uns absolut nichts an.

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Das gleiche Problem, wenn es eines waere, wie im Falle doppelter Staatsbuergerschaften. Gespaltene Loyalitaeten. Kann man drueber lachen, ist aber nur die logische Konsequenz. Lernt man bei Josef Isensee.

Hier zur Abwechslung mal die Sichtweise eines Experten zum Thema:

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