Da allein wird es doch schon spannend: Keimzellen produzieren Menschen nun einmal erst nach der Pubertät. Und, wie schon gesagt, manche produzieren nie welche. Dann müsste man auf den Genotyp rekurrieren, aber auch da gibt es eben Ausnahmen von der Regel. Und der Genotyp wiederum steht auch in keinem festen Zusammenhang mit dem Phänotyp oder anderen Eigenschaften.
Es wird hier die ganze Zeit darüber diskutiert, dass bei bestimmten Dingen das biologische Geschlecht aus irgendeinem Grund wichtig sei, etwa wegen der möglichen Erschleichung von Vorteilen. Wenn die einzige „sichere“ Methode die Bestimmung eines biologischen Geschlechts die Bestimmung der (eventuell vorhandenen) Keimzellen oder aber des Genotyps ist, das dann aber nur in losem Zusammenhang mit aus irgendeinem Grund gesellschaftlich relevanten Merkmalen stehen, führt sich das ad absurdum.
EIne solche Hanteilverteilung wie @Karl_Drogo sie darstellt, habe ich auch schon häufiger im Kopf gehabt, aber es ist wirklich schwierig, klar zu definieren, worauf die sich bezieht. Ich vermute, mit der Hantelverteilung war eher so etwas wie „Eindeutigkeit der Zuordenbarung“ gemeint. Es gibt eine knappe Hälfte Menschen mit XX-Chromosom, davon „scheinen“ die allermeisten relativ klar weiblich, also bekommen bei Geburt ein weibliches Geschlecht zugewiesen und leben ihr Leben als Frau (die eine Hantelseite). Dann gibt es eine knappe Hälfte mit XY, davon die meisten ebenso relativ eindeutig männlich (die andere Hantelseite). Auf dem Griff verteilen sich diejenigen, bei denen die Geschlechtszuordnung nicht so eindeutig ist, also welche die entweder weder XX noch XY haben (Turner-Syndrom, XXY etc.) oder aber solche, die zwar XX/XY tragen, aber dennoch andere Phänotypen zeigen, (XX-Männer, XY-Frauen).
Tatsächlich wird in der Gesellschaft relativ willkürlich ein Merkmal herausgenommen, an dem entschieden wird, ob jemand nun Mann ist oder Frau, häufig eben ein Teil des Phänotyps (z.B. sekundäre Geschlechtsmerkmale) und wenn der dem ein oder anderen nicht mehr „passt“ („Diese Transfrau ist ja gar keine „echte“ Frau!“), muss eben ein anderes Merkmal her („Hatte die Person mal einen Penis? Aha, wusste ich’s doch! Ab auf die Männertoilette!“).
Es wird aus meiner Sicht einfach klar, dass das „biologische“ Geschlecht gesellschaftlich einen sehr begrenzten Wert hat. @Kenny’s Beitrag weiter oben stellt das aus meiner Sicht genau passend dar: Es sollte jetzt einfach klar sein, dass unser Modell vom Geschlecht unterkomplex ist und die soziale Realität nicht mehr genügend abbildet. Das ist doch in anderen Lebensbereichen auch schon passiert. Es gibt nicht nur Geistes- und Naturwissenschaften. Es gibt nicht nur Deutsche und Ausländer. Es gibt - etwas näher am Thema - nicht nur lohnarbeitende Männer und heimarbeitende Frauen. In diesen Punkten hat sich die Gesellschaft und auch das Gesetz zunehmend differenziert. Das ist manchmal schwierig, aber eben nötig.