LdN 274 Thema Windkraft: ist der Wirkungsgrad von Windrädern irgendwie relevant?

Lieber Ulf, lieber Philipp,

herzlichen Dank, dass Ihr dem Thema Windkraft in der kommenden Lage ein Special widmet! Das freut mich sehr, als regelmäßiger Hörer hilft mir die Lage oft, in Diskussionen mit Freund:innen/Bekannten tiefer in die Debatte einzusteigen.

Ich habe eine Frage/Bitte/Wunsch für die Sonderlage Windkraft, und vielleicht geht ihr ja ohnehin darauf ein. In der Ankündigung dazu habt ihr auf die rechtlichen und verwaltungstechnischen Hürden abgezielt. Ich habe eine Frage zum Wirkungsgrad.
Ich bin in einer Dauerdebatte um das Thema Windkraft mit einem mir geschätzten Kollegen. Er kommt aus dem Allgäu, ist ein umweltbewusster, den Grünen nahestehender Mensch. Er ist viel in den Bergen unterwegs, Windkrafträder in Bayern, in einer ohnehin zersiedelten Landschaft, sieht er kritisch, es müsse auch Orte ohne Bebauung geben.

Ich selbst komme auch aus Bayern, mir gefallen rein ästhetisch Windmühlen. Aber von der Ästhetik abgesehen: sein Hauptargument gegen die Windkraft ist der geringe Wirkungsgrad. Wenn nur 50, im theoretisch günstigsten Fall 60% der Leistung in Strom umgewandelt werden können, dann ist für ihn die Ausbeute zu gering als dass es die Errichtung rechtfertigen könne.
Mein Argument, dass seit den ersten Windmühlen der maximale Energiebetrag pro Jahr um ein Tausendfaches gestiegen ist, überzeugt ihn nicht. Auch, dass Windräder diejenige Technik sind, deren Bau und Einsatz sich am schnellsten amortisiert haben.

Wenn ihr in der Sonderfolge also auch auf die Debatte „Wirkungsgrad“ eingehen könntet, wäre ich euch sehr dankbar!

Mit bestem Gruß und macht weiter so!
Johannes

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Das ist doch einfach nur ein Schmarrn. Dein Kollege hat kein Bock darauf, ein Windrad zu sehen. Das ist alles.

Was sagt denn Wirkungsgrad in diesem Zusammenhang überhaupt aus? Dass man von der kinetischen Energie der Luftbewegung maximal ca. 2/3 „ernten“ kann. Ist das nun gut oder schlecht? Vergleicht man es mit dem Wirkungsgrad von PV-Modulen, die um die 20% der einfallenden Energie in Strom konvertieren können, ist der Wirkungsgrad von Windkraftanlagen sogar ziemlich hoch. Aber wen interessiert das? Es ist ja nicht so, dass die im Wind oder im Sonnenlicht enthaltene Energie anderweitig mit besserem Wirkungsgrad nutzbar wäre. Die Alternative zu einer Windkraftanlage ist keine Windkraftanlage - also Wirkungsgrad null.

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Da gebe ich Guenter recht!

Kalle_Blomquist, evtl. kannst du deinen Bekannten ja in dem Zusammenhang darauf hinweisen, dass der Wirkungsgrad der Photosynthese sogar nur 0,5 - 1,5 % beträgt und trotzdem haben die Pflanzen sich dazu „entschieden zu wachsen und dazu, dass es für sie ausreicht“ :smile:

Trotzdem natürlich ein interessanter Aspekt für eine Windkraft-Sonderlage :slight_smile:

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Hi @Kalle_Blomquist,

Die Frage ist, was dein Kumpel mit „gerechtfertigt“ meint. Ich glaube der Wirkungsgrad spielt da weniger eine Rolle – auch wenn er gegenüber Gas- und Kohlekraftwerken ja sehr gut abschneidet.

Die Rechtfertigung für die Windenergieanlage wäre zum einen, dass sie günstig Strom produziert und zum anderen, dass sie eine top CO2-Bilanz hat.

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Hallo @Kalle_Blomquist,

da reiht dein Bekannter sich in eine illustre Gruppe ein: :slight_smile:

Das sah ein gewissen Chef-Redaktuer des Spiegels z.B. mal ähnlich. Und hat daraufhin Jahrelang mit dem Spiegel gegen die Windenergie geschrieben (Quelle: Wikipedia):

Außerdem hatte Aust einen Artikel der Redakteure Harald Schumann und Gerd Rosenkranz abgelehnt, in dem vergleichsweise positiv über die Windenergie berichtet wurde. Kurze Zeit später wurde Windenergienutzung in einer Titelgeschichte scharf kritisiert („Der Windmühlen-Wahn“, Spiegel 14/2004).

Das sah damals dann unter Anderem, so aus (Quelle):

Es stelle sich dann irgendwann heraus, dass der Mann schlicht keinen Bock hatte, von seinem Pferdgestüt aus, Windräder zu sehen. Und hat deswegen allen anderen eingeredet, dass Windkraft Mist ist.

Lange Rede, kurzer Sinn: Es gibt bis heute Leute, die einfach nicht wahr haben wollen, dass Kohle- und Atomstrom genau die Landschaft dauerhaft und unwiderbringlich zerstören, in deren Idylle sie nicht mal ein Windrad sehen wollen.
Und die meisten von denen wissen genau, so lange sie selbst leben, würde es gerade noch ohne Erneuerbare Energien gehen. Getreu dem Motto: „Nach mir die Sinnflut“.

Das halte ich eigentlich nicht für sinnvoll. Damit erweckt man nur den falschen Eindruck, Energieeffizienz wäre bei Windrädern ein Problem. Das stimmt aber nicht.
Kohle-Kraftwerke haben, genau wie Verbrenner auch, eine furchtbare Energie-Effizienz. Die konnte man ein wenig mindern, indem man einen gewissen Teil der gewaltigen Verlustwärme zum Heizen nutzt, aber mehr auch nicht.
Oder schau dir mal Atomkraftwerke mit ihren riesigen Kühltürmen an. Was da weggekühlt wird, ist ungenutzte Wärmeenergie. Oder die Wärme wird in nahegelegene Flüsse geleitet:
Flusswasser zu warm: Warum Kernkraftwerke im Sommer abgeschaltet werden
Das alles hat uns aber nie abgehalten diese Techniken zu nutzen und das obwohl sie noch viel schlimmere Probleme haben.

Tut mir leid, aber das Energie-Effizienz-Argument ist das Musterbeispiel einer Ausrede.

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Der Wirkungsgrad würde im Falle einer Windkraftanlage beschreiben, wie viel der Windenergie in elektrische Energie umgesetzt wird. Diese Angabe ist aus meiner Sicht von akademischem Interesse, aber für die Windenergie nicht von Belang, denn wir haben Wind im Überfluss (Sonne auch) und er ist kostenlos vorhanden. Daher spielt der Wirkungsgrad keine so große Rolle. Vereinfacht interessiert nur, was an elektrischer Leistung aus dem Windrad rauskommt.

Da setzt vermutlich das an, was Du mit Wirkungsgrad meinst. Ein Windrad mit 1 MW Leistung liefert 1 MW nur, wenn ausreichend Wind weht und es betriebsbereit ist (z. B. keine Wartung ansteht). Im Jahresmittel liefert ein solches Windrad weniger als 1 MW. Ist diese Minderung das, was Du unter Wirkungsgrad verstehst?

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Danke euch allen für die schnellen und kompeten Antworten und Einordnungen. Das hilft mir schon mal in der Diskussion weiter.

Genau deswegen wollte ich das Thema ja anbringen: ich sehe die „Wirkungsgrad“-Rückfrage auch als eine Ausrede, um nicht bekennen zu müssen, dass einen die Ästhetik stört.

Was ich mit „Wirkungsgrad“ meine, ist das, was von den Windradbetreibern, aber auch vom Forum Erneuerbare Energien oder von www.weltderphysik.de definiert wird: „Um die kinetische Energie des Windes so effektiv wie möglich in Rotationsenergie umzusetzen, wird für die Windkraftanlage ein maximaler Wirkungsgrad angestrebt. Für ihn gilt das sogenannte Betzsche Gesetz. Danach hängt der Wirkungsgrad nur vom Verhältnis der beiden Windgeschwindigkeiten vor und hinter dem Rotor ab. Er ist maximal, wenn die austretende Windgeschwindigkeit nur noch zwei Drittel der eintretenden beträgt. Aus dem Verhältnis von entnommener Windleistung zu angebotener Leistung lässt sich ein maximaler Wirkungsgrad von etwa 59,3 Prozent bestimmen“ (Quelle: Welt der Physik: Physik der Windenergie)

Mir ist wichtig, dass Konterargumente ausgehebelt werden, weil es um viel mehr geht als die Wirkungsgrad-Debatte. Und dafür suche ich nach Munition :wink: Danke für Eure Mithilfe!

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Vielleicht nochmal zur Ergänzung:
Der Wirkungsgrad ist völlig egal, wenn der „Brennstoff“ kostenlos ist.
Interessanter ist die CO2-Bilanz der Techniken. Stellt sich raus: PV-Anlagen holen ihren CO2-Rucksack in maximal 2 Jahren wieder rein, Windräder nach ca. 11 Monaten.
Studie des Umweltbundesamtes: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/5750/publikationen/2021-05-06_cc_35-2021_oekobilanzen_windenergie_photovoltaik.pdf

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Zumal fossile Braunkohlekraftwerke einen Wirkungsgrad vom max. 45% haben.

Zu der Aussage (und auch sonst) kann ich dir und deinem Bekannten die aktuelle Folge Jung und Naiv 550 mit Volker Quasching empfehlen.

Dort heißt es, dass man Prinzip-bedingt nur ca. 60 % der Windenergie (korrigiert, danke @Dsonda), die durch den Rotor strömt überhaupt nutzen kann.
Um die Netto-Ausbeute eines Windrades zu erhöhen, kann man, laut Prof. Quaschning, allerdings das Windrad einfach höher bauen, da in höheren Luftschichten ja höhere Windgeschwindigkeiten herrschen.

Moin,

meine kleine Einschätzung dazu wie du das ganze angehen kannst.

Der Betz’sche Faktor mit 16/27 =0,593 entspricht dem Faktor mit welchem man dem Wind das maximum an Energie entnimmt.
Sprich man entnimmt dem Wind im Idealfall ( nicht möglich) 59,3% der enthaltenen Energie.
In der Praxis liegen Werte guter Anlagen im Bereich zwischen 0,4 und 0,5.
Das sind dann also 40% bis 50% der im Wind enthaltenen Energie.
Da 0.593 aber das physikalische Maximum darstellt (also 100% des möglichen) sollte man also den realen Leistungsbeiwert einer Anlage im Verhältnis dazu sehen.

Am Beispiel Oben:

0,4/0,593 = 0,675 und 0,5/0,593 = 0,84

Das bedeutet, der Wirkungsgrad wäre bei guten Anlagen zwischen 67% und 84% ( minus Anlageninterne Verluste)

Das verkauft sich doch schon deutlich besser und ist auch viel sinniger mMn.

Grüße

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Mein Bekannter sagte einmal, er wäre für Windräder, aber er würde z.B. keines auf der Herreninsel (Chiemsee) haben wollen. Ich sage, genau dort würde ich eines oder 2 hinbauen, auch um zu zeigen, dass diese seltsame Vorstellung von Idylle anachronistisch und daher tot ist. Die chronischen Verhinderer (vor allem CSU) hätten gerne viele Postkartenmotive, während sie Zersiedelung und hässlich gestaltete Gewerbgebiete und Verkaufskomplexe weit draussen fördern. An denen kann man ja vorbeifotografieren für die Postkarten. Was einen überragenden Nutzen hat, hat naturgemäss auch einen ästhetischen Wert!

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Vielleicht zum Thema Technik von Windrädern ein Podcastyp:
Omega Tau

Es gibt auch noch eine zur Rotorauslegung.

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Das folgende ist nicht als Kritik gedacht, sondern eher als Anregung diesem Derailing nicht auf den Leim zu gehen.
Ich störe mich irgendwie an der Formulierung, dass sich das besser verkauft. Man muss hier doch eigentlich nichts verkaufen, weil uns der Wirkungsgrad einer Anlage im nicht-akademischen Kontext nur sagen soll, welchen Anteil einer Resource wir für uns nutzen können. Da aber niemanden interessiert, wie viel Energie im Wind war, macht die Überlegung mMn keinen Sinn.
Wenn überhaupt etwas relevant ist, abgesehen von der CO2-Bilanz, dann doch der Energiegewinn pro genutzter Fläche, also die Flächeneffizienz, wenn man so will. :wink:

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Hallo Kalle,

der Volksmund sagt schon: „Einem geschenktem Gaul, schaut man nichts ins Maul.“

Da bei Windkraft (und das gilt so auch für die Solarenergie) außer für die Errichtung so gut wie keine Energie ins System reingesteckt werden muss, ist das WIrkungsgradarument nicht relevant.

Anders sieht es über all dort aus, wo erst mit großem Aufwand Energie in System riengesteckt werden muss, um später Energie wieder rauszu bekommen. Beispiel Benzin: Es müssen Olförderanlagen errichtet und mit großem Energieaufwand betrieben werden. In Raffenierien wird Energie aufgewendet, um Benzin zu erzeugen. Die Zwischen- und Endprodukte müssen unter Energieaufwand letztendlich zu den Tankstellen gebracht werden. Hier spielt der Wirkungsgard tatsächlich eine Rolle. Und der liegt dann wahrscheinlich nicht einmal bei den 50%, die Ihr Kollege angibt, den die meiste Energie in einem Verbrennungmotor wird in Wärme umgewandelt.

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Ja kannst du dich gerne dran stören.

Der Postersteller hat aber quasi nach „Argumentationsgrundlage“ gefragt, welche ich ihm geliefert habe.

Deswegen beziehe ich mich ja auch extra nicht darauf :slight_smile:

Absolut. Dazu ein Beispiel.

Jahr 1980 2008
Nennleistung 30kW 6000MW
Jahresenergieertrag 35.000kWh 20.000.000 kWh
→ ca. 570fach höherer Energieertrag und diese Entwicklung hat ja 2008 nicht aufgehört sondern ist nur langsamer geworden Klar die Anlagen werden größer und brauchen mehr Platz aber trotzdem keine schlechte Entwicklung

Oh und wie der relevant ist, je höher der Wirkungsgrad ist desto weniger Anlagen muss man errichten.

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Die maximal 60% Wirkungsgrad kommen daher, dass der Wind hinter dem Windrad noch weiterwehen muss, sonst würde die Luft durch das Windrad so stark abgebremst werden, dass sie stehen bleibt und sich am Windrad staut. Der Wirkungsgrad bezieht sich also auf die Energie, die der Wind hat.
Wie viel Energie hat die Sonne? Und wie viel davon schickt sie an der Erde vorbei? Trotzdem lohnt es sich, sie zu nutzen.
Wer Windräder wegen des „schlechten“ Wirkungsgrades ablehnt, hat andere Gründe und sucht nur eine Ausrede…

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1367 W/m² außerhalb der Atmosphäre