Terrorismus vs. Femizide vs. Verkehrstote

In meinen Kommentaren habe ich mich in erster Linie nicht an Politiker gewandt sondern an diesen Podcast. Und gerade diese Einstellung von „wenn sich Leute über Solingen derart aufregen ist das eine Fehlwahrnehmung“ treibt Menschen ins rechte Lager. Zumal diese Art der Argumentation ja keineswegs einheitlich und rational angewandt wird. Oder habe ich verpasst, dass in diesem Podcast nach dem Bekanntwerden der NSU Morde erstmal minutenlang erklärt wurde, dass die Wahrscheinlichkeit durch Verkehrsunfälle umzukommen ja immer noch viel höher sei und dass man doch bitte keine Angst haben soll weil das genau das ist, was Terroristen wollen? Du kannst mir aber die entsprechende Folge gerne nennen, dann hör ich mir die Stelle nochmal an.

Der beste Weg einen Menschen zu verlieren ist, ihm auf seine Angst / Wut / Enttäuschung erstmal lang und breit zu erklären, dass seine Gefühle ja rational überhaupt nicht gerechtfertigt sind.
Und wie sagt man (angeblich von Einstein): Ein Zeichen des Wahnsinns ist es, etwas auf die immer gleiche Weise zu versuchen und dennoch andere Ergebnisse zu erwarten…

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Aber was ist bitte deine Antwort?

Um die „Menschen nicht zu verlieren“, ihre Fehlwahrnehmungen bestärken und zusammen mit der AfD gegen Ausländer, Muslime und co. hetzen?!? Sorry, aber das ist doch keine Lösung, das ist Teil des Problems.

Du argumentierst im Prinzip: „Mit Vernunft kann man die Menschen nicht erreichen, weil bestimmte psychologische Mechanismen wirken“. Das ist okay, so weit kann ich folgen, vielleicht sogar zustimmen. Aber was bitte ist die Konsequenz daraus? Diese psychologischen Mechanismen auch noch bestätigen, indem man dem Problem auch noch medial und politisch eine Bedeutung zumisst, die es rational nicht verdient hat?!? Damit lösen wir das Problem nicht, sondern fahren weiter in die Sackgasse, in der wir uns bereits befinden.

Eine Lösung wäre eben Aufklärung und Bildung. Die Leute müssen verstehen, dass ihre Ängste im Bezug auf Terrorismus (oder Fliegen, oder Messerstechereien) unrealistisch sind und kein Leitfaden für eine sinnvolle Politik sein können. Eine übertriebene Angst mag psychologisch erklärbar sein, aber das Resultat darf doch nicht sein, diese Ängste dann auch noch zu schüren, sondern es muss darum gehen, diese Ängst abzubauen.

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Ich finde so eine Argumentation schwierig. Frauen sind die Hälfte der Gesellschaft. Wenn es gegen Frauen gerichtete systemische Gewalt gibt, dann ist das für mich deutlich gesellschaftsgefährdender als extrem vereinzelte Anschläge durch Islamisten. Noch dazu, wo islamistische Gewalt aus sich selbst heraus praktisch keinerlei Chance hat, unsere freiheitliche Gesellschaft zu gefährden (dafür ist der islamistische Terrorismus auf die Reaktion der Gesellschaft selbst angewiesen). Gegen Frauen gerichtete Gewalt schränkt dagegen die Freiheit und die Rechte eines großen Teils unserer Gesellschaft fundamental ein.

Ich bin gerade mal die Liste aller Täter islamistischer Anschläge in Deutschland seit 2015 durchgegangen. Ich habe bei keinem Profil Anzeichen dafür gefunden, dass diese Menschen schon vor ihrer Einreise nach Europa/Deutschland gewaltbereite Islamisten waren, teilweise sind sie schon hier in Deutschland geboren. Bei vielen gibt es gute Belege dafür, dass die Radikalisierung erst hier stattgefunden hat.

Entsprechend stellt sich nicht die Frage, wie wir mit Menschen umgehen die mit feindlichen Absichten hierherkommen. Die gibt es scheinbar praktisch nicht. Das Problem sind Menschen, die hier leben und dabei eine der Gesellschaft feindliche Einstellung entwickeln. Wir müssen Wege finden, dass die Radikalisierung von hier Lebenden unwahrscheinlicher wird. Meiner Meinung nach gelingt uns das am besten, indem wir allen Menschen in diesem Land eine positive Lebensperspektive verschaffen.

Ich stimme dir zu, ich glaube aber auch, dass man schon noch ein paar mehr Dinge tun kann. Einem fehlenden Sicherheitsgefühl kann man zum Beispiel durch eine stärkere gut sichtbare und nicht bedrohlich wirkende Präsenz von Polizei entgegenwirken. Eine ausreichende Ausstattung von Schulen und Kitas, saubere Straßen und Plätze, weniger wahrgenommene Präsenz von Drogenproblemen durch entsprechende Hilfsangebote an Süchtige und ähnliche Maßnahmen können ebenfalls zu einem besseren Gefühl beitragen.

Viele dieser Maßnahmen haben den Vorteil, dass sie auch zur Lösung real existierende Probleme beitragen.

Aber leider sind sie teuer und brauchen echte Aktivität und nicht nur aufgeregte Sonntagsreden. Und damit ist ein guter Teil des politischen Spektrums schon nicht mehr interessiert.

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Da gebe ich dir vollkommen recht. Nur sind die meisten Femizide (zumindest so weit ich als nicht Expertin informiert bin) eben Beziehungstaten wie insgesamt die allermeisten Morde im Deutschland. Das bedeutet für mich das der Täter (meist männlich) sich eben nicht gegen alle Frauen richtet sondern zumindest aus seiner subjektiven Wahrnehmung geben eine Person die ihm in der Regel nahe steht. Überhaupt keine Rechtfertigung, absolut schrecklich und sicherlich durch patriarchale Strukturen gefördert aber trotzdem für mich als Einzeltaten und nicht als politische Morde zu betrachten.

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Genau das ist ja das Dilemma- wie können wir uns weiter an unsere Werte halten trotzdem radikale Ideologien bekämpfen? Natürlich nicht in dem man Menschen mit Migrationshibtergrund im Allgemeinen irgendwo ausschließt oder den Kontrollstaat einführt. Aber eine Demokratie muss auch wehrhaft sein.

Ich würde da zwei Ebenen unterscheiden. Einmal die strafrechtliche: dort gibt es sowas wie das „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ und verwandte Delikte. Dazu gehören die meisten Femizide mit Sicherheit nicht. Und da das Strafrecht gegenüber spezifischen Straftaten abschreckend wirken und den Sicherheitsbehörden Möglichkeiten zur Ermittlung geben soll, finde ich die Differenzierung nach Motiv hier auch grundsätzlich in Ordnung.

Aber aus gesellschaftlicher Sicht empfinde ich die Motivation der Täter ehrlich gesagt als irrelevant. Da geht es mir eher um den Effekt. Und der ist bei 139 Morden im Jahr an Frauen durch ihre Ex-Partner und unzähligen anderen spezifisch gegen Frauen wegen ihrer Weiblichkeit gerichteten Straftaten erheblich drastischer, als bei der kleinen Zahl explizit politischer Gewalttaten (die sich zudem teilweise auch explizit gegen Frauen richten).

Für mich wird das deutlich, wenn man sich die Abwesenheit dieser Straftaten vorstellt. Wenn wir keinerlei terroistischen Gewalttaten mehr hätten, würde sich im Leben von Näherungsweise 100% der Menschen in Deutschland rein gar nichts ändern (wodurch ich das individuelle Leid und Trauma der tatsächlich von terroristischen Straftaten betroffenen nicht Kleinreden will). Oder hast du z.B. das Jahr 2022, in dem es in Deutschland keinerlei Tote und Verletzte durch Terrorismus gab und nur 4 (rechtsradikale) Anschläge grundsätzlich anders empfunden als das Jahr 2021 oder 2023?

Wenn wir dagegen die systemische Gewalt gegen Frauen auch nur deutlich reduzieren würden, wäre das für Millionen von Bürger lebensverändernd und würde enorme Zugewinne an Freiheit bringen.

Für mich wird an solchen Punkten immer der gesellschaftliche Bias gegenüber der empfundenen „Normalität“ deutlich. Terroristische Anschläge werden von den Menschen als „besonders“ und „außergewöhnlich“ eingeordnet. Praktisch nur daraus speist sich das Gefühl der Unsicherheit, dass diese Straftaten erzeugen. Gewalt gegen Frauen ist dagegen (wie auch z.B. die vielen Verkehrstoten) ein „normales“ Hintergrundrauschen, das von praktisch allen Menschen sehr gekonnt ausgeblendet wird.

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Man muss bei diesem Vergleich bedenken: Das Risiko migrantifizierter Personen, zu Opfern (rechter) Gewalt zu werden ist wesentlich höher als im Bevölkerungsdurchschnitt. Und eine allgemeine Sorge scheint es darum außerhalb von migrantischen und linken bubbles nicht zu geben. Im Gegenteil wurde einen Tag nach Hanau schön gefeiert. Und die Rechtsterroristen wollen auch nicht die ganze Gesellschaft in Angst versetzen sondern nur Migranten. Und die Ignoranz der Mehrheitsgesellschaft wird eher als Zustimmung zu der ersehnten Spaltung der Gesellschaft gewertet. Es ist also eine ganz andere Lage.

mmh, spannend dass du immer nur auf einen Teil meiner Antwort Stellung nimmst. Aber ich versuche mal direkt auf deine Fragen einzugehen:

Was ist denn „rational“? Bevor du festlegen kannst was rational ist und was nicht, musst du erstmal festlegen auf welche Ziele du deine rationale Argumentation aufbaust. In Deutschland sollte die Basis das GG bilden, aber auch das bietet noch Spielraum für Interpretationen in der Politik und es muss eine Priorisierung und Definition (was genau ist „drin und was draußen“ in meiner Definition) in den wertebasierten Zielen erfolgen. Beides benötigst du, weil sowohl Aufmerksamkeitsspanne als auch personelle und finanzielle Ressourcen nicht in unendlicher Menge vorhanden sind.
Beispiel: Wenn man den Podcast hört könnte man meinen, der Grundwert „Die Politik muss für die Menschen das Risiko sein Leben zu verlieren minimieren“ sei die Maxime, und entsprechend solle auch die Berichterstattung sein. Dann brauche ich aber auch nicht über die NSU Morde berichten, bei der es, Moment, 10 Fälle auf 21,2 Mio (Anzahl der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland, Quelle google) gab. Oder wo genau ist jetzt die Rationalität genau, wenn das eine gefordert wird, das andere aber nicht? Ich kann es dir beantworten: In dieser Diskrepanz steckt genau 0 Rationalität.

Was ich von der Politik erwarte: dass z.B. verstärkt Prävention typische Risikofaktoren wie Geschlecht, Alter, vorhandene familiäre Bindung, soziale Einbindung (Vereine, Arbeit, etc.), vorhandene ggf. unbehandelte Traumata berücksichtigt werden. Und ja, dann gibt es eine (rationale) Diskriminierung in der ein syrischer Flüchtling ohne Familie anders behandelt wird als ein indischer SW Entwickler der mit seiner ganzen Familie hergekommen ist. Und da wie oben geschrieben, die Ressourcen begrenzt sind, sollte man dafür sorgen, dass schon bei der Einreise sehr, sehr zügig konsequent eingeschätzt wird, welche Risikofaktoren vorhanden sind und wie man mit dem Einreisewilligen umgeht. Denn sonst ist das politische Ziel „gesellschaftlichen Frieden und Stabilität“ wahren komplett über Bord (und ich kann weiter recherchieren in welches Land man emigrieren kann bevor die AfD die Macht übernimmt).

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Kommt auf die Perspektive an.

Der Unterschied ist natürlich schonmal, dass jeder Bürger ein ähnlich großes Risiko hat Opfer eines Terroranschlags zu werden (korreliert wohl am ehesten mit der Anzahl besuchter Veranstaltungen) während es bei Femiziden sehr individuelle Unterschiede gibt.
Bei Terror hat man also selbst wenig individuellen Einfluss.

Laut Expertinnen ist auch in fast allen Fällen von Tötungen im Kontext Partnerschaft ein oder meist sogar mehrere Risikofaktoren und Warnsignale gegeben. Es gibt also Ansatzpunkte für die Prävention die man selbst aber auch das direkte Umfeld nutzen können, ggf. mit Behörden (die in Deutschland hier noch Nachholbedarf haben)

Des Weiteren kann man gesellschaftlich gegensteuern und zwar schon ab der Erziehung kleinerer Kinder um die Basis auf der Gewalt in Partnerschaften gedeihen kann wegzunehmen.

Bei Terrorismus dagegen ist es ja so, dass die Opfer die Täter meist nicht kennen und auch nicht einschätzen können. Es ist zwar für das persönliche Umfeld unter Umständen möglich Warnsignale zu erkennen, was oft ja auch eine Vereitelung von Taten zur Folge hat, viele Täter sind aber eher zurückgezogen oder in einem Umfeld welches die Tat unterstütz.

Wenn es also vor allem auch um den Aspekt Prävention geht, dann ist die Motivation des Täters schon einer der Kernpunkte wo man ansetzen muss um es gar nicht erst zur Tat kommen zu lassen.

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Auf die gleiche Weise, wie man anderweitigen Rechtsextremismus auch bekämpft: Bildung, Integration und so gute Lebensbedingungen schaffen, dass es weniger Anlässe gibt sich zu radikalisieren. Der von Rassismus geprägte Aktionismus, den wir in Deutschland gerade von fast allen Parteien sehen wird meiner Meinung nach den gegenteiligen Effekt haben und darüber hinaus nur der AfD nützen.

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Mir macht dieser Terror keine Angst.

Angst habe ich davor, dass die Demokratie sich auf Basis solcher Ereignisse selbst abschafft und zu einem Überwachungsstaat oder inhumanem Regime entwickelt.

Volle Zustimmung - und vielleicht zwei Stimmen, die etwas mehr Vernunft in die Diskussion einbringen.

Nicht bei allen Punkten bin ich 100% dabei, aber es sind wohltuende Beiträge.

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Ich möchte hier noch ergänzen, dass ein Femizid sich meist nur gegen eine einzelne Frau richtet und meistens eine persönliche Beziehung vorausgeht. Es ist in unserer patriarchalen Gesellschaft leider üblich, weiblichen Opfern mindestens eine Mitschuld zu geben („wenn er doch gewalttätig war, warum ist sie dann nicht gegangen“, was vernachlässigt, dass viele Femizide bei oder nach einer Trennung seitens der Frau passieren).

Opfer von Terrorismus sind von dieser Mitschuld-Vermutung grundsätzlich befreit. Auch deswegen schockieren uns terroristische Morde vermutlich mehr als eine weitere „Beziehungstat“. Die Hintergründe jedes Mordes eines Mannes zu hinterleuchten, der mit der Anspruchshaltung durch die Welt läuft, dass ihm die Aufmerksamkeit, Liebe und Zeit einer Frau seiner Wahl zusteht, wäre sehr viel anspruchsvoller (und würde nebenbei ein schmerzhaftes Licht auf so manche männliche Einstellung in unseren eigenen Reihen werfen) als das Sezieren der Einwanderungs- und Radikalisierungsgeschichte eines einzelnen Attentäters, von dem sich die meisten leicht distanzieren können.

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Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Es ist genau das Ziel des Terrorismus, Angst und darauffolgend die Selbstzerstörung der freiheitlichen Demokratie zu bewirken. Sich von dem Terror Angst machen zu lassen, ist zwar verständlich, aber am Ende ein Erfolg für den Terrorismus.

Die krassen Reaktionen von AfD und Teilen von CDU & Co und eine weitere Verschärfung der Debatte sind genau das, was der Terrorismus provozieren wollte. Je schlechter zb Menschen mit sichtbarem Migrationshintergrund behandelt werden, desto besser lassen sich einzelne für weiteren Terror rekrutieren.

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Die Prämisse halte ich für fraglich. Warum jemand terroristische Anschläge verübt weißt du nicht. Soziale oder ökonomische Verhältnisse können ebenso die individuelle Tat erklären, wie ideologische. Ich glaube nicht, dass man das trennen kann. Vielmehr bin ich überzeugt, dass es sich stärker bedingt. Ein Terrorist ist kein Marionette, sondern auch ein Mensch mit individuellen Beweggründen.

Natürlich ist Terrorismus politsche Gewalt, sonst ist es kein Terrorismus. Hier ein paar Definitionen von Terrorismmus:

„Der Terrorismus (T.), nach dem lateinischen Begriff „terror“ = „Schrecken“, ist eine Form des politischen Extremismus.“ Terrorismus | bpb.de

„ist Terrorismus nicht Ausdruck einer spezifischen Kultur, er ist zunächst ein extremes politisches Kampfmittel“ https://www.bundestag.de/resource/blob/414600/88ba85eb1357681569fdea159edc1f3d/WD-3-417-09-pdf-data.pdf

Ein Terrorist will eine politische Ideologie durch die Nutzung von Gewalt und die Verbreitung von Angst und Schrecken durchsetzen. Natürlich kann die Änderung der „Soziale[n] oder ökonomische[n] Verhältnisse“ Teil dieser politischen Ideologie sein, aber dass macht es nicht weniger politisch. Genauso, macht einen die Unzufriedenheit mit den eigenen ökonomischen Verhältnissen nachweislich anfälliger für Radikalisierung und Extremismus, aber auch das macht den daraus folgenden Terrorismus nicht weniger politisch.

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Wäre das dann nicht eher ein Amoklauf oder ggf. ein erweiterter Suizid?

Danke, die Definitionen kenne ich. Das sind aber Zuschreibungen, die auch konstruiert sind. Das lässt sich zB beobachten, wenn Gruppen Taten für sich beanspruchen, ohne dass sie einen Täter tatsächlich „ausgebildet“ haben (stochastisch). Oder auch in der politischen Einordnung, die zu Versicherheitlichungen führt (Partei X bezeichnet Y als Terror damit Z legitimiert wird). Das sieht man gut in München mit der Tat vor ein paar Tagen und dem Anschlag auf das OEZ vor ein paar Jahren. Eine Tat lässt sich natürlich als Terror verstehen. Das sagt aber nichts über die Beweggründe der Täter aus, bzw. was sie dazu anleitet. Das können ebenso persönliche Gründe sein oder auch soziale, quasi als Nährboden für letztlich ideologische Beweggründe (das gilt natürlich wechselseitig).

Letztlich warne ich nur vor allzu klaren Abgrenzungen.

Ich fühle mich durch deine Posts angesprochen. Für meinen Teil mag ich zwar feststellen, dass dein Vorwurf ich würde in dieser Debatte deine Anforderungen an Aufklärung und Bildung nicht erfüllen und man müsse mich nur besser informieren, erheitert zur Kenntnis nehme. Ich für meinen Teil habe entschieden, dass ich die Thematik unter Berücksichtigung aller Fakten anders beurteile als hier Konsens ist. Da überzeugt mich auch keine „aber wir haben eine Todesursache gefunden, die noch x mal häufiger vorkommt, wieso ignorierst du das Problem deswegen nicht einfach“?-Argumentation.

Aber es soll eigentlich gar nicht um mich gehen, mich würde stattdessen interessieren, ob du es für eine ratsame Strategie hältst (z.B. für politische Vertreter oder Medien) den Menschen, die andere Meinungen vertreten (und dabei sehr klar auf dem Boden von Recht und Grundgesetz stehen), einfach pauschal mangelnde Bildung und Aufklärung anzudichten? Mir wirkt das, als käme „agree to disagree“ in deiner Denkweise überhaupt nicht vor und alle, die nicht deiner Meinung sind, liegen prinzipiell falsch.

Ich lese hier ja auch mit, weil mich interessiert, was der linke Teil der demokratischen Mitte so denkt. Aber überzeugend ist das nicht. Die Diagnose hier ist größtenteils „Wer nicht denkt wie wir, ist einfach (noch) zu dumm und wir müssen es einfach besser erklären.“

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Du bestreitest also, dass es die von @DasgrosseA genannten psychologischen Gründe gibt, aus denen Terrorismus schwerwiegender beurteilt wird als andere Lebensgefahren? Also du bestreitest, dass es hier Verzerrungen in der Wahrnehmung gibt?

Das Leben ist nun einmal komparativ. Wenn wir bestimmen wollen, wie groß eine Gefahr im alltäglichen Leben ist, müssen wir dies anhand von Fakten tun, nicht anhand von „gefühlten Bedrohungen“. Wenn die objektive, messbare Bedrohung durch Sachverhalt 1 signifikant höher ist als durch Sachverhalt 2, aber dennoch die Wahrnehmung ist, dass man ständig mit Angst vor Sachverhalt 2 durch’s Leben geht, während man Sachverhalt 1 ignoriert, ist das per Definition eine Fehlwahrnehmung. Das kannst du gerne bestreiten, aber das ist m.E. ein unumstößlicher Fakt.

Und niemand hier sagt, dass man „das Problem ignorieren“ sollte, das ist deine falsche Interpretation. Wir sollten das Problem mit angemessenen Mitteln, die so wenig Kollateralschäden wie möglich erzeugen, angehen. Die Gegenseite in der Diskussion will das Problem hingegen mit maximalen Mitteln angehen und nimmt dabei beliebige Kollateralschäden (im Hinblick auf die Freiheit der Migranten und Muslime) in Kauf, weil es sie selbst ja nicht trifft (sie sind halt keine Migranten oder Muslime). Und das macht es für mich zu einem im Kern rassistischen Diskurs.

Wenn Fakten ignoriert werden, ja, dann muss man das auch so benennen. Wenn unverhältnismäßige, diskriminierende politische Maßnahmen daher nicht auf Grundlage messbarer Bedrohungen, sondern rein auf Grundlage der gefühlten Bedrohung gefordert werden, muss man das entweder als Rassismus oder - wohlwollend interpretiert - als mangelnde Bildung oder Aufklärung benennen. Such dir aus, welcher Schuh dir besser passt.

Ich bin bei kontroversen Themen durchaus bereit, eine gut argumentierte Gegenmeinung als gleichwertig zu akzeptieren, aber eben nicht, wenn an den Fakten vorbei rein emotional argumentiert wird. In diesem Fall sind die Fakten meines Erachtens sehr deutlich, eben weil wir unzählige psychologische Studien haben, die gut begründen können, warum wir bestimmte Gefahren stärker wahrnehmen als andere. Wer dennoch darauf beharrt, dass die wahrgenommene Gefahr Maßstab politischer Maßnahmen sein sollte, dem werde ich widersprechen.

Was übrigens einem „Agree to Disagree“ nicht entgegen steht. Was bedeutet „Agree to Disagree“ für dich eigentlich, wenn nicht gerade, dass man die Position der Gegenseite vollständig ablehnt und keinen Weg sieht, einen Kompromiss zu finden?!? An dieser Position sind wir hier. „Agree to Disagree“ setzt nicht voraus, dass man die Argumentation der Gegenseite als gleichwertig oder überhaupt schlüssig akzeptiert, sondern kommt im Gegenteil eigentlich nur zur Anwendung, wenn es unüberbrückbare Differenzen gibt…

Das ist zu erwarten, wenn ich als Linker mir durchlese, was Konservative in manchen Foren diskutieren, finde ich das auch alles andere als überzeugend.

Und jetzt willst du mir wohl noch erklären, dass Konservative nicht auch denken würden, dass „die Linken es einfach nicht verstehen“… Menschen vertreten Meinungen öffentlich, weil sie davon überzeugt sind, dass diese Meinungen richtig sind. Das gilt für Linke, Konservative, Nazis, Islamisten und alle anderen auch… die Reaktion, anderen die eigene Meinung besser erklären zu müssen, ist noch der humanistischste Weg, mit dieser Situation umzugehen.

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Du machst halt deine Wahrnehmung zum Maßstab für alle. Es geht hier um Gefühle die durch verschiedene Ereignisse hervorgerufen werden. Wenn das gleichgeschlechtliche Paar angst hat händchenhaltend durch die Nacht zu laufen, Juden nicht mehr die Kippa tragen wollen, Frauen in der Nacht den ÖPNV meiden usw., dann kann ich natürlich mit irgendwelchen Statistiken kommen, aber das wird die Angst doch nicht reduzieren. Die Einschätzung einer Situation als Bedrohung ist individuell sehr unterschiedlich.
Natürlich kann nicht auf jedes individuelle Gefühl Rücksicht genommen werden, auch abgegrenzt von einer psychischen Angststörung. Aber wenn man von einem kollektiven Gefühl sprechen kann, dass sich zum Beispiel durch Wahlen ausdrückt, und dort eine Angst vor Terrorismus zum Ausdruck kommt, dann muss die Politik darauf reagieren. Es wird doch genau auch so durch die Grünen im Zusammenhang mit dem Klimawandel regiert. Klimawandel → Ängste → Politik. Wenn allerdings eine immer noch recht abstrakte Angst durch konkretere Ängste ersetzt wird (Angst vor Wohlstandsverlust, Sorgen vor Unsicherheit und Kontrollverlust, usw.), dann haben Regierungsparteien die ihren Stiefel durchziehen auch keine Mehrheiten mehr.

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