Terrorakt oder normale Verteidigung (auch LdN 398)

Dafür kenne ich mich mit der Verflechtung zwischen Hisbollah und libanesischem Staat zu wenig aus, daher habe ich das im Konjunktiv geschrieben.

Die Hisbollah hätte aber z.B. auch feststellen können, dass die Pager für sie untauglich sind (z.B. zu kurze Akkulaufzeit, schlechter Empfang, …) und sie beispielsweise an humanitäre Hilfsorganisationen weitergeben können. Selbst wenn Israel dann die Pager nicht aus der Entfernung gezündet hätte, wären tausende Hilfskräfte mit kleinen Bomben unterwegs gewesen. Hätte Israel in solch einem Fall den Libanon in Kenntnis gesetzt? Eher nicht, oder.

Deswegen sage ich ja: So wie die Aktion jetzt gelaufen ist, war sie mMn wohl völkerrechtlich „sauber“ aber aus den genannten Gründen (vor allem die Kontrolle über die verteilten Minibomben) mMn sehr riskant, wie gesagt, meine subjektive Meinung.

Es mag ja sein, dass das Riskieren von zivilen Opfern im Kriegsrecht keine relevante Dimension ist, dafür kenne ich das zu wenig. Aber ich würde mir auf jeden Fall wünschen, dass solche Methoden bei demokratischen Staaten keine Schule machen.

Und was die Risiken angeht, steht in der einen Quelle von @Christoph ja auch noch etwas:

Ein Erklärungsversuch besagt, dass die Manipulation der Geräte von langer Hand geplant war. Die Explosionen sollten eigentlich zum Auftakt einer israelischen Großoffensive gegen die Hisbollah eingesetzt werden. Die Aktion habe demnach aber offenbar kurz davor gestanden, aufgedeckt zu werden. Nach dem Motto „Jetzt oder nie“ seien die Pager dann vorzeitig zur Explosion gebracht worden, ansonsten wäre die ganze Aktion in Gefahr gewesen.

Ist natürlich aktuell rein spekulativ, aber Israel würde das wohl auch kaum zugeben, also werden wir das vermutlich nie genau wissen. Die NYT hat sich auch schon über den Zeitpunkt der Explosion gewundert:

Israel’s Pager Attack Was a Tactical Success Without a Strategic Goal, Analysts Say - New York Times

Damit will ich sagen, dass die ganze Operation schon in ihrer jetzigen Form eine Improvisation gewesen sein könnte und eben auch noch deutlich weiter ihr Ziel hätte verfehlen können.

Und sidenote: Ne Militäroperation war es ja nicht. Selbst wenn die Streitkräfte die pager frisiert haben, ist es doch ne geheimdienstliche Aktion oder was auch immer. Aber bei ner Militäroperation müsste meinem Verständnis nach das Militär eine „Operation“ durchführen, sprich irgendwelche Streitkräfte militärisch einsetzen. Das Besondere an dieser Aktion ist ja aber gerade, dass man es geschafft hat, der Hisbollah zu schaden, ohne das Militär dafür in Bewegung zu setzen und dadurch den Konflikt auf eine neue Eskalationsstufe (aktiver Einsatz der Streitkräfte) zu heben. (Die Aktion hat den Konflikt zwar auch eskaliert, aber wir sind damit eben unter der Stufe „IDF marschiert im Libanon ein / fliegt Luftangriffe etc“ geblieben)

Ich frage mich also ob beim Begriff „Staatsterrorismus“ nicht schon wieder eine Täter-Opferumkehr stattfindet, weil ja eigentlich Israel gegen diejenigen vorgeht, die Terror (also die permanente wissentliche Inkaufnahme ziviler Opfer zur Verunsicherung der Bevölkerung) einsetzen. Israel hat mMn gute Karten, dass ganze als im Ausland ausgeführten Anti-Terroreinsatz zu framen - so haben die USA ihre Aktionen gegen nichtstaatliche Akteure ja auch betitelt und die internationale Gemeinschaft hat das - nicht ganz kritiklos - am Ende dennoch größtenteils mitgetragen.
„Staatsterrorismus“ vs „Anti-Terroraktion“ verraten also am Ende vermutlich am meisten darüber, wen die Menschen, die den jeweiligen Begriff benutzen, als Täter oder Opfer in diesem Konflikt ansehen. Zur Aufschlüsselung der Lage tragen sie vermutlich eher wenig bei, eben weil ihnen bereits ein gewisses framing zu Grunde liegt.
Von daher denke ich sollte man vor allem darauf abheben, dass es international durchaus anerkannt ist, dass man bei der Bekämpfung von militärischen Zielen verhältnismäßige Kollateralschäden in Kauf nehmen darf. Das war hier mMn gegeben, auch wenn man hier auf Grund des asymmetrischen Konflikts „militärische Ziele“ vielleicht in der ersten Ableitung denken muss. Aber ich denke der Konfliktlage angemessen war die Aktion am Ende doch.

Ich kann selbstverständlich auch keine definitiven Aussagen über die Situation treffen. Aber ich denke man darf schon annehmen, dass Israel die Pager ja nicht einfach manipuliert und weiter geschickt hat, sondern seinerseits ein Netzwerk von Informanten in der Hisbollah / im Libanon unterhält, die verifiziert haben, dass die Pager wie vorgesehen verwendet wurden. Ohne Menschen vor Ort können nämlich auch Geheimdienste im 21. Jahrhunder nicht operieren und deshalb würde ich zumindest Mal vermuten, dass so Szenarien wie „die Pager gehen an Hilfsorganisationen und keiner kriegt es mit“ durch Verifikation vor Ort vorgebeut worden ist.(Übrigens auch etwas was die Hisbollah jetzt extrem zurückwerfen wird, da der gute Informationsstand der Israelis ja nahe legt, dass sie gut über das Innenleben der Hisbollah informiert sind. Das sorgt für internes Misstrauen und lähmt die Organisation ebenfalls).

Also ich denke man sollte den Geheimdiensten erstmal unterstellen, dass sie ihre assets hier im Blick hatten, wofür ja auch spricht, dass sie offensichtlich darüber Bescheid wussten, dass die Sache auffliegen könnte. Sie aktualisieren das Lagebild permanent und wenn sie das gewissenhaft machen, dann ist das eben Teil der vertretbaren Risikokalkulation hinsichtlich der Kollateralschäden. Aber klar wenn sie hier total daneben hauen, dann sollten sie sich auch verantworten müssen.

Das alles schließt Fehler selbstverständlich nicht aus und es steht dir @Matder selbstverständlich auch absolut zu, zu einer anderen Auffassung zu kommen. Die Vorhersagen die ich und andere gemacht haben beziehen sich ja eher darauf, dass der Großteil der internationalen Gemeinschaft daran vermutlich keinen Anstoß nehmen wird, aber das heißt ja nicht, dass man das als Individuum nicht trotzdem anders bewerten kann und darf.

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In Folge 398 gibt es das Argument die Pager-Explosionen seien völkerrechtlich mindestens fragwürdig, weil nicht zielgenau. Sorry, aber dann gibt es keinerlei Handlung weltweit die diesem Maßstab des Völkerrechts genügt. Die Aktion dürfte mit den geringsten Kollateralschaden aller militärischen Auseinandersetzungen weltweit gehabt haben. Schon bei dem Kampf in Gaza ist die Quote besser als in den meisten Kriegen der letzten Jahrzehnte. Aber die Pager waren exklusiv für Fühungspersonal der Hisbollah beschafft wurden (…). Einen vergleichbaren Schaden mit herkömmlichen Methoden zu erreichen dürfte mindestens ein zwei- bis dreistelliges Vielfaches an Zivilen Opfern verursachen.

Auch was das militärische Ziel angeht scheint mir die Analyse etwas kurz zu greifen. Es ist gelungen einen großteil des Führungspersonals zumindest vorübergehend außer Gefecht zu setzen. Außerdem wurde die komplette Kommunikationsstruktur zerstört.

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Und wenn die andere Seite diese Methoden eingesetzt hätten würden wir alle zu Recht von Terrorismus reden.

geringsten Kollateralschaden
Klar, wegbomben aus der Luft wäre wohl noch schrecklicher, aber ist das mitlerweile das Niveau der Diskussion?

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Terrorismus unterscheidet sich in wichtigen Aspekten von Kriegshandlungen. Beide Begriffe beziehen sich auf die Anwendung von Gewalt, jedoch mit unterschiedlichen Zielen:

Das Hauptziel von Terrorismus ist es, Angst und Schrecken zu verbreiten, um politische Veränderungen zu erzwingen oder die öffentliche Meinung zu beeinflussen.

Die Kriegshandlungen von Israel dienen dagegen vor allem dem Ziel, seine Bevölkerung und staatliche Integrität von kriegerischen oder terroristischen Handlungen aus angrenzenden Gebieten zu schützen.

@WilliWuff So sehr die offensichtliche Unverhältnismäßigkeit der Kriegshandlungen Israels im Gaza-Streifen mit einer sehr hohen Inkaufnahme von Kollateralschäden einen erschüttert: Ich habe bislang auf die Frage, wie sich Israel denn anders effektiv seine Bevölkerung und staatliche Integrität keine gute Antwort gefunden. An der Seitenlinie zu stehen und zu kritisieren ist mir einfach zu einfach …

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Das ist doch kein Argument. Es war eine militärisch sinnvolle und zielgerichtete Aktion gegen einen Aggressor, der seit Beginn des Hamas Terrors letzten Jahres ohne Grund Israel attackiert. Zusätzlich wurden wirklich nur Hisboallah Terroristen angegriffen und die militärische Kommunikation mit minimalen Kollateralschäden. Terroristen greifen gezielt Zivilisten an. Ich finde diesen Beißrefelx gegen eine Demokratie wie Israel mittlerweile bedenklich, vor allem weil dabei immer die Terroristen außen vor gelassen werden.

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Ich halte die Aktion grundsätzlich aus den genannten Gründen für zulässig, gemessen an den aktuellen Regeln des Völkerrechts. Fraglich bleibt für mich, ob wir neue Regeln für derartige Methoden brauchen, weil der grundsätzliche Angriff via massenweise importierter „Dual-Use-Tools“ grundsätzlich problematisch ist. Wer stellt sicher, dass diese Pager / Walkie-Talkies wirklich nur von Terroristen genutzt werden? Bomben in Alltagsgeräte, deren Verbreitung nach Versand nicht mehr kontrollierbar ist, einzubauen, trägt zumindest ein erhebliches Risiko, dass auch die falschen getroffen werden könnten, mal ganz davon ab, dass zivile Transportunternehmen plötzlich ohne es zu wissen (und folglich ohne Vorkehrungen treffen zu können) größere Mengen Sprengstoff transportieren.

Also auch wenn ich das Resultat der Aktion für „innerhalb des Völkerrechts“ halte, halte ich die allgemeine Methode und ihre Risiken zumindest für fragwürdig, weil die Grenze zwischen „Zivil“ und „Militärisch“ hier einfach nicht sicher gestellt werden kann. Wie gesagt, hier braucht es möglicherweise neue Regeln im Völkerrecht, um derartige Angriffe in Zukunft klar auszuschließen. Abgesehen davon, dass so eine Art von Angriff vermutlich nie wieder funktionieren wird - ähnlich wie das „Flugzeuge entführen und in ein Hochhaus fliegen“ zu extremen Sicherheitsvorkehrungen im Flugverkehr führte (die auch heute, 23 Jahre später, noch anhalten) dürfte auch dieser Vorfall dazu führen, dass alle Länder im Krieg neues, im Ausland produziertes Material in Zukunft akribisch auf Sprengstoff testen werden.

Btite nicht die Diskussion dieses Mittels mit der Diskussion, wer im Krieg Recht hat, vermischen. „Ohne Grund“ führt niemand Krieg - wie gut der Grund ist, hängt wiederum von der hoch-komplexen Situation in Nahost ab. Hier hat @WilliWuff dahingehend Recht, dass wir die Aktion Israels exakt so bewerten müssen, wie wir sie auch umgekehrt oder von gänzlich anderen Akteuren (Russland gegen Ukraine, Ukraine gegen Russland) begangen bewerten müssten. Dort würde ich zum gleichen Ergebnis kommen (grundsätzlich gefährliche Aktion, in diesem Fall aber „gut gegangen“, weil im Ergebnis ganz überwiegend legitime Ziele getroffen wurden).

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Dazu müsste man wissen ob diese Pager irgendwie extra spezifiziert waren oder ob es sich um Massenware handelte die so auch in den Handel gelangen könnte.

Hier nochmal ein paar Statements zur Frage der Völkerrechtsmäßigkeit (Quelle):

Clapham verwies auf einen internationalen Vertrag, der es verbietet, Sprengfallen - also an sich harmlose Objekte, die als Waffe präpariert sind - einzusetzen. Israel ist Mitglied des Vertrags „Protokoll über Verbote oder Beschränkungen des Einsatzes von Minen, Sprengfallen oder anderen Vorrichtungen“. Es handelt sich um das zweite Protokoll zur UN-Konvention über bestimmte konventionelle Waffen (CCW).

Weitere Einschätzung dazu (Quelle):

War die Manipulation von Pagern und Walkie-Talkies nach den Regeln der Genfer Konventionen erlaubt?
Stand jetzt würde ich sagen nein. Denn nach den Genfer Konventionen gilt das Prinzip der Unterscheidung. …

Weitere Stimme (Quelle):

Die Schäden für die Zivilbevölkerung dürfen nicht exzessiv sein. Das ist dann der Fall, wenn damit zu rechnen ist, dass die Verluste an Menschenleben unter der Zivilbevölkerung und die Verwundung von Zivilsten außer Verhältnis zum konkreten militärischen Vorteil stehen. Bei so vielen gleichzeitigen Explosionen, die man kaum überblicken kann, ist das zumindest problematisch.

Das deckt sich mMn sehr mit der Einschätzung, die in der Lage-Folge abgegeben wurde, auch wenn es nicht 100 % eindeutig ist.

edit: 1 Satz gelöscht, der nicht zur Diskussion passt.

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Aktuell gibt es da ja viele Gerüchte. Was mir am meisten zu denken gibt, ist die „Zuverlässigkeit“ mit der offenbar ausnahmslos alle Pager tatsächlich explodiert sind. Zumindest ich habe noch nirgendwo gelesen, dass die Hisbollah einen Pager oder Walkie-Talkie hätte, das ein Blindgänger gewesen war.
Dieses Maß an Präzision spricht sehr für eine hohe (und sehr teure) technische Expertise beim Mossad oder Hilfe durch „Resourcen“ des Herstellers der Pager.

In dem Fall dürfte es also eher keine Massenware gewesen sein. Aber die Dinger sehen halt von außen wie Massenware aus, das ist eher das Problem, sagen ja auch einige Experten zur Frage der Völkerrechtsmäßigkeit.

Der Iran zum Beispiel. Also der iranische Botschafter im Libanon zum Beispiel? Oder der Hamas Anführer im Iran?

Die juristische Einordnung des ganzen Gaza - Libanon - Iran Konflikts / Kriegs ist absolut egal. Es hält sich da absolut niemand an Völkerrecht.

Aber es geht doch nicht darum ob die Aktion „militärisch sinnvoll“ war. Wenn das unser Masstab ist dann kann man ja alles rechtfertigen.

Das kann, muss aber nicht so sein. Es gibt genügend andere Beispiele (die frühe RAF z.B.). Die Aktion sollte genau das auslösen, nämlich Terror. Sie soll verunsichern, Kommunikation in Chaos verwandeln, etc.

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In einer kriegerischen Auseinandersetzung (auch asymmetrischen) kann man diese Frage aber auch nicht komplett ignorieren.

Wenn wir jetzt sagen nur noch passive Verteidigung ist überhaupt akzeptabel, dann dürfte das in vielen Regionen ziemlich deutlich den Aggressoren in die Karten spielen.

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Ich stimme dir zu das alle von Terrorismus reden würden, ich stimme dir nicht zu, dass es „zu recht“ wäre.

Der Begriff Terrorismus wird leider extrem inflationär benutzt. Das funktioniert deshalb, weil Terrorismus keine international allgemein anerkannte Definition hat, und sich alle irgendwie einig sind das Terrorismus ein böses Wort ist. Daher wird jeder Angriff den man irgendwie doof findet als Terrorismus bezeichnet.

Aber ich glaube das hier Terrorismus nicht das richtige Framework ist um das ganze zu analysieren. In der aktuellen Situation haben wir es de-facto mit einem bewaffneten Konflikt zu tun. Dafür gibt im humanitären Völkerrecht Regeln, die sind international anerkannt und daher sind sie besser als Analysemittel geeignet. Damit ist die Frage nicht ob irgendeine Aktion „Terrorismus“ war, sondern ob sie ein Kriegsverbrechen darstellt.

Warum man im Fall der Pager-Explosion nicht von einem Kriegsverbrechen ausgehen kann habe ich oben schon ausführlich erläutert.

Daher bin ich dagegen in der aktuellen Situation von Terrorismus zu sprechen. Aber ja, das heißt auch im Umkehrschluss, dass ich Angriffe der Hisbollah und der der Hamas im Zuge des aktuelle Konflikts NICHT als Terrorismus bezeichnen würde. Wenn sich diese Aktionen gegen israelische Soldaten richten, dann sind sie legitime Kampfhandlungen und wenn sie sich gezielt gegen Zivilisten richten eben Kriegsverbrechen. Das ist übrigens auch der Ansatz den der IStGH bei der Anklage gegen Hamas-Funktionäre gewählt hat.

Es war nicht nur die Lieferkette betroffen, sondern Israel hat mutmaßlich direkt Kontaktmitglieder, also Mitglieder der Hezbollah kompromitiert, die den Deal eingefädelt haben. Die Pager wurden dadurch von der Terrororganisation selbst an seine Mitglieder verteilt. Zivilisten hatten also gar nicht die Möglichkeit, diese Pager zu erhalten.

Bei der BBC lief ein Interview mit dem Chefarzt eines Beiruter Krankenhauses der bestätigt hat, dass kein medizinisches Personal betroffen war und das (soweit er weiß) auch in keinem anderen anderen Krankenhaus der Fall war.

Das Interview beginnt ab ~6:40 und ab ~8:35 geht es um das Thema.

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Gibt es dafür eine Quelle?

Man sollte vielleicht betonen, dass nicht nur die Lage und der darin zitierte Professor zu dem Schluss kommen, dass die Aktion Israels (inzwischen scheint die Verantwortlichkeit aufgrund der Recherchen diverser gut vernetzter Journalisten gesichert zu sein) zu wenig zielgerichtet war, um noch vom Völkerrecht gedeckt zu sein.

Auch einige US-Experten, z.B. in diesem Podcast, kommen zu diesem Ergebnis: Rational Security: The “Ms. Jackson, if You’re Nastya” Edition | Lawfare

Hintergrund ist die Rolle von Hisbollah. Die Organisation ist keine reine bewaffnete Miliz, sondern nimmt in großen Teilen Libanons auch erhebliche soziale und staatliche Funktionen war. Ob wirklich nur Mitglieder des bewaffneten Arms der Hisbollah mit den betroffenen Pagern und Funkgeräten ausgestattet waren ist zumindest fraglich. Ein Angriff auf die zivilen Mitglieder der Organisation ist aber auch unter Kriegsrecht nicht zulässig.

Unstrittig scheint zu sein, dass sich viele der Opfer nicht in militärischen Installationen, sondern in einer häuslichen Umgebung aufgehalten haben, was wohl auch an der Tageszeit des ersten Angriffs lag. Der zweite Angriff kam wiederum zu einem Zeitpunkt, als Opfer des Vortages beerdigt wurden. Beide Angriffe sind also bewusst das hohe Risiko ziviler Opfer eingegangen.

Das ist nicht das wesentliche Kriterium zur rechtlichen Bewertung solcher Angriffe. Entscheidend ist, ob der realistisch erwartbare Effekt im Verhältnis zur realistisch erwartbaren Opferzahl unter Zivilisten steht. Wenn wir von mehreren tausend Verletzten und wohl mindestens 2 Dutzend Todesopfern sprechen, dann kann der Effekt noch so toll sein – wenn ein großer Teil der Opfer Zivilsten sind (was wir bisher nicht mit Sicherheit wissen), dann dürfte es da zumindest rechtliche Fragen geben.

Beides wissen wir nicht.

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Würde man der Logik folgen, dürfte man keinen Bus, der Soldaten transportiert, mit einer Sprengladung zerstören. Es wurden ja nicht einfach Pager mit Sprengstoff versehen und dann hat man gehofft, dass auch Hisbollah-Kämpfer einen kaufen. Aber ich bin mir sicher, man kann in beide Richtungen Rechtsgutachten schreiben.

Laut BBC sind die Hälfte der durch die Pager-Attacke getöteten Menschen entweder Kinder oder Gesundheitspersonal. Klingt für mich ehrlich gesagt nicht nach minimalen Kollateralschäden.

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Um die Angemessenheit hinsichtlich der Kollateralschäden zu bewerten müsste man den militärischen Nutzen der Aktion besser bewerten können. Ich habe oben vermutet, dass er nicht so klein (wenigstens nicht nur rein psychologisch) ist. Vielleicht sind sie minimal verglichen mit Aktionen die eine ähnliche Wirkung erzielt hätten.

Seit ~30 Jahren werden via Drohnen und Raketen im Nahen Osten/Afghasitan/Irak/Libyen/Somalia ständig Häuser und Fahrzeuge beschossen, in denen hochrangige Mitglieder irgendwelcher Terrororganisationen vermutet werden. Laut der NGO Bureau of Investigative Journalism liegt die Anzahl ziviler Opfer dabei etwa zwischen 7 und 15%. (Civilian casualties from the United States drone strikes - Wikipedia) Auch das sagt jetzt als benchmark erstmal immer nichts aus, weil man ja jeden Angriff nach seiner eigenen Verhältnismäßigkeit bewerten muss. Gegenüber dieser Art der asymmetrischen Kriegsführung aus der Luft - die neben den menschlichen Kollateralschäden den Menschen vor Ort ja meist auch noch durch infrastrukturelle Schäden erheblich schadet - sind die allermeisten allerdings ziemlich abgestumpft. Zumindest war es nie ein Aufreger die letzten Jahre, wenn es hieß, dass Israel Angriffe gegen mutmaßliche militärische Einrichtungen der Hisbollah im Libanon geflogen ist.
Ich glaube die Empörung ist jetzt vor allem deshalb größer, weil es hier gute Videoaufnahmen von den Explosionen gibt (im Sinne von: nicht Nachtsicht grün-weiß Bombe fällt auf Zelt). Rein vom Kalkül der Kriegsführung stellt das hier aber keineswegs irgendeine neue Eskalationsstufe dar, sondern könnte sich durchaus als verhältnismäßige Aktion mit vertretbarer ziviler Opferzahl herausstellen. Denn bei guter Informationslage war das hier gegebenfalls deutlich zielgerichteter als Bomben abzuwerfen.

Wie gesagt es steht jedem frei das anders zu bewerten. Aber eine wirksame „saubere“ Maßnahme scheint es in asymmetrischen Konflikten (und vermutliuch vielleicht in allen bewaffneten Konflikten) einfach nicht zu geben.

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Untergeordnete Rolle? Das ist eine ziemlich üble Unterstellung. Kannst du mir irgendein Land nennen, dass im Krieg soviel Aufwand betrieben hat zivile Opfer so gering wie möglich zu halten wie es Israel tut? Also zumindest bei den Kriegen die der Westen die letzten Jahrzehnte geführt hat, war der Anteil ziviler Opfer wohl höher als derzeit in Gaza. Ganz zu schweigen von der Pager-Aktion. Wie hoch war denn da der Anteil? Dazu gibts doch noch gar keine verlässlichen Informationen. 1%?

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