Tempolimit - Anfrage Sinnhaftigkeit und Antwort von FDP Bundestagsfraktion

Das hier ist die Antwort der FDP Bundestagsfraktion zur Nachfrage einer Sinnhaftigkeit des Tempolimits:

"Vielen Dank für Ihre Zuschrift zum Thema Tempolimit und entschuldigen Sie bitte die verspätete Rückmeldung. Als stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion betreut Frau Konrad u.a. den Themenbereich Verkehr und Umwelt. Sie bat mich Ihnen auf Ihre Anfragen zu antworten.

Die Diskussion über Tempolimits wird in Deutschland seit jeher sehr emotional geführt. Fakt ist aber, dass Autobahnen die mit Abstand sichersten Straßen in Deutschland sind. Dies liegt auch an den lokalen Tempolimits, die auf vielen Streckenabschnitten notwendig und gerade bei Gefahrenstellen unumgänglich sind.

Ein generelles Tempolimit für Autobahnen halten wir jedoch für Symbolpolitik. Länder wie Österreich oder die USA schneiden trotz Geschwindigkeitsbegrenzungen nicht besser ab als Deutschland und innerdeutsche Strecken mit Tempolimit nicht besser als Streckenabschnitte ohne Tempolimit. Fakt ist, dass die Autobahnen schon heute die sichersten Straßen sind. Jeder dritte Pkw-Kilometer wird auf ihnen zurückgelegt, aber nur 12,3 % aller Verkehrstoten und 6,9 % aller Unfälle mit Personenschaden überhaupt werden auf Autobahnen gezählt. Die gefährlichsten Straßen sind seit Jahren Landstraßen, auf denen rund 60 % der Verkehrstoten zu beklagen sind und auf denen es ja auch schon heute weitestgehend ein Tempolimit gibt. Bereits heute besteht auf vielen Streckenabschnitten aus Verkehrssicherheitsgründen ein Tempolimit. Eine höhere Unfallschwere lässt sich auf diesen Streckenabschnitten aber nicht feststellen. Auch der Blick in andere Länder mit Tempolimit kann die These nicht stützen. So lagen die Unfallzahlen beispielsweise in Frankreich mit 5,5 Unfalltoten und Österreich mit 5,2 Unfalltoten auf je 100.000 Einwohner höher als in Deutschland mit 4,1 je 100.000 Einwohnern. Ein großes Problem ist die Handynutzung. Am Beispiel Österreich zeigt sich hier eine ständige Zunahme, sodass dort inzwischen pro Tag knapp 200.000 Textnachrichten verschickt und knapp 900.000 Anrufe ohne Freisprecheinrichtung geführt werden. Alleine die Textnachrichten sind für ca. 14.000 km „Blindflug“ im Straßenverkehr verantwortlich.

Ein weiteres Argument ist immer, dass ein Tempolimit den Kraftstoffverbrauch und somit auch den CO2 Ausstoß signifikant reduzieren würde und somit gut für den Klimaschutz sei. Das Umweltbundesamt kam allerdings in einer Untersuchung bereits im Jahr 2009 zu dem Ergebnis, dass ein Tempolimit von 120 km/h für Pkw auf Autobahnen eine CO2 Einsparung von gerade mal 9 % erbringen würde. Bedenkt man, dass nur rund ein Drittel aller Pkw-Fahrstrecken auf Autobahnen zurückgelegt werden, so läge die tatsächliche Minderung bei nur lediglich 3 %, der Lkw-Verkehr ist hier noch nicht einmal berücksichtigt, der ja bereits heute einem Tempolimit unterliegt. Und wenn man den Blick über den nationalen Tellerrand wirft und eine globale Sichtweise einnimmt, so kommt man zu noch viel ernüchternden Ergebnissen. Deutschlands Kohlendioxidemissionen lagen in 2016 bei insgesamt 909 Mio. Tonnen. Bei einem weltweiten Ausstoß von jährlich rund 36 Milliarden Tonnen, macht das gerade mal 2,5 % Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen aus. Rund 20 % entstammen in Deutschland dem Verkehr. Dass sind gerade mal 0,5 % aller weltweiten CO2-Emissionen, von denen dann lediglich 3 % reduziert werden könnten. Das wären rund 0,015 % des weltweiten CO2 Ausstoßes. Eine verschwindend geringe Zahl. Will man wirklich etwas für den Klimaschutz unternehmen, so kommt man nicht umher, den Verkehr in das Europäische Emissionshandelssystem mit aufzunehmen. Nur so können durch Marktanreize Emissionen an der Stelle eingespart werden, wo es am effizientesten ist. Dem Klima ist es letztendlich egal, wo das CO2 eingespart wird. Das Tempolimit verliert auch dann automatisch an Wirkung, sobald in Zukunft mehr Autos mit Elektro- bzw. Wasserstoffantrieb oder synthetischen Kraftstoffen auf den Straßen unterwegs sind.

Auch die Verringerung russischer Erdölimporte ist kein zielführendes Argument. Bei einer Reduktion des Kraftstoffverbrauchs von 3 % und einem Importanteil russischen Erdöls in Höhe von rund 34 % im Jahr 2021 verringert das die Abhängigkeit von russischem Erdöl nicht mal um 1 %. Eine so geringe Menge, die schon allein durch die angepasste Fahrweise aufgrund höherer Kraftstoffpreise zustande kommt.

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BTW: ein Tempolimit wäre wirksamer als bisher gedacht.

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Wie soll die Vision Zero ansonsten erreicht werden?!
FDP: Technische Innovation, im Jahre 2050!

Widerspruch!
Die Untersuchung:
"dass ein Tempolimit von 120 km/h für Pkw auf Autobahnen "
FDP-Denkfehler:
„Bedenkt man, dass nur rund ein Drittel aller Pkw-Fahrstrecken auf Autobahnen zurückgelegt werden, so läge die tatsächliche Minderung bei nur lediglich 3 %“ - Die Untersuchung bezieht sich explizit auf die Autobahn, eine Drittelung der Einsparung ist schlicht falsch.

Quatsch!
Insbesondere bei Wasserstoffantrieben und mit synthetischen Kraftstoffen betriebenen Fahrzeugen ist aufgrund der niedrigen Wirkungsgraden zur Kraftstoffproduktion ein fehlendes Tempolimit reinste Verschwendung von dringend benötigtem grünem Strom. (Der für die Produktion benötigt wird)

Wow, was für eine Einstellung.
„Kleinvieh macht auch Mist“ - Das gilt nicht für die FDP.

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In Bezug auf das Schrumpfen der FDP Wählerschaft vielleicht auch „Kleinvieh macht nur Mist“. Mensch kann es drehen und wenden, leider blockiert die FDP jeden Fortschritt in der Energiewende.

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Moin,

danke fürs Posten. Leider werden da seit Jahren die gleichen unsachlichen Argumente angeführt. Auch wenn ich die Debatte wirklich nicht emotioinal führen möchte und das Tempolimit v.a. deshalb nötig finde, weil wirksamere Maßnahmen seit Jahren blockiert werden, macht es doch traurig, wie mit wissenschaftlichen Untersuchungen einer sachlich unabhängigen (klar, mit gesetzlichem Auftrag, aber sachlich unabhängig) Institution wie dem UBA umgegangen wird.

  1. Die Verkehrsunfälle: Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Straßen mit Tempolimit haben ein solches meist - na, warum? - genau, weil sie bereits gefährlicher sind. Aussagekraft für die Wirkung eines Tempolimits auf ein- und derselben Straße begrenzt. Natürlich sind überwiegend schnurgerade, breite und dreispurige Straßen ohne Kreuzungen und echte Einmündungen (stattdessen großzügige Be- und Entschleunigungsstreifen) sicherer als kurvige Landstraßen mit Ortsdurchfahrten und Kreuzungen. Es geht eigentlich um die Frage: Wäre Autobahn mit Tempolimit sicherer als ohne? Das scheint zunächst plausibel. Die aussagekräftigsten Untersuchungen sind solche, die die gleiche Strecke (ohne wesentliche Änderung des Verkehrsaufkommens) vor und nach Tempolimit betrachten. Ich meine, in den einschlägigen Publikationen stützt sich das UBA genau auf solche.

  2. Das Klima: Physik gilt auch für Elektroautos (zu Wasserstoff sage ich besser nichts…). Der Luftwiderstand steigt grob gesprochen im Quadrat zur Geschwindigkeit, d.h. jede Steigerung der Geschwindigkeit führt zu überproportional hohem Energieverbrauch. Wie man gleichzeitig zurecht die Kohle- und Gasverstromung kritisieren und abstreiten kann, dass ein Tempolimit auch für E-Autos Emissionen einspart, erschließt sich mir nicht.

  3. Die Einsparungen seien so klein. Was soll man dazu sagen? Die Vorposter haben es gut ausgedrückt. Ergänzt sei, dass der gezahlte Preis für diese Einsparungen (im ersten Schritt weniger Gasgebfreiheit, ggf. teilweise durch verbesserten Verkehrsfluss kompensiert) ebenfalls winzig ist. Gegen die Aufnahme des Verkehrs in den Emissionshandel habe ich nichts. Redet die FDP davon eigentlich nur oder handelt sie auch entsprechend? Man kann übrigens auch, wenn man sich auf EU-Ebene nicht einig wird, CO2 (oder Brennstoffe) national besteuern.

Aus meiner Sicht sorgt etwas anderes für Unsicherheiten bzgl. der Wirksamkeit: Die Umsetzung des Tempolimits. Meines Wissens schlägt das UBA hier umfassende elektronische Geschwindigkeitsmessungen vor, so etwas wie Section Control vielleicht? Ist das denn realistisch und steht der Aufwand im Verhältnis zum Ertrag, wenn ein ganzes Autobahnüberwachungssystem geschaffen werden müsste? Würde sehr gern mehr lernen, vielleicht hat ja jemand dazu Wissen.

LG

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Weiterhin gibt es bereits heute eine Vielzahl an Einschränkungen, die richtig sind und sich für die Sicherheit auf den Straßen seit Jahren bewährt haben. Dazu gehören z. B. die Auffahrverbote, Abstandskontrolle, Überholverbote sowie die Sonn- und Feiertagsfahrverbote für Lkw. Nach § 3 der Straßenverkehrsordnung gibt es, neben der Verordnung über eine allgemeine Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen und ähnlichen Straßen (Autobahn-Richtgeschwindigkeits-V) von 130 km/h, zusätzliche situative Geschwindigkeitsbegrenzungen: „Die Geschwindigkeit ist insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen. Beträgt die Sichtweite durch Nebel, Schneefall oder Regen weniger als 50 m, darf nicht schneller als 50 km/h gefahren werden, wenn nicht eine geringere Geschwindigkeit geboten ist.“ Es ist also bereits heute geregelt, dass die Geschwindigkeit den jeweiligen Verhältnissen Rechnung tragen muss. Wer dennoch auf der Autobahn drängelt und andere Teilnehmer im Straßenverkehr nötigt, muss mit einer Strafe nach § 240 StGB rechnen. Aber wenn es Verkehrsaufkommen und Wetter zulassen, sollte man auch in Zukunft schneller als 130 km/h fahren dürfen.

Anstelle starrer Tempolimits plädieren wir deshalb für eine dynamische Verkehrslenkung, die sich nach Gefahren wie Nässe oder Verkehrsaufkommen richtet. So lassen sich die Limits flexibel und digital steuern, um so für einen besseren und sicheren Verkehrsfluss zu sorgen.

Wir wünschen Ihnen eine geruhsame Vorweihnachtszeit, schöne Festtage und einen guten Rutsch in ein erfolgreiches und gesundes neues Jahr.

Mit freundlichen Grüßen

Ich finde seine Antwort schwach, weil er völlig die Co2 Emissionen im Verkehrssektor außen vor lässt. Noch dazu rechnet er vieles ins Verhältnis zu globalen Zahlen, was die Auswirkungen gering erscheinen lässt. Das mag rechnerisch alles richtig sein, aber hilft dem Verkehrssektor akut überhaupt nicht. Ebenfalls geht er nicht darauf ein, dass laut bast.de auf knapp über 70% der Autobahnen kein Tempolimit gilt.

Wie denkt ihr über seine Antwort?

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Anstelle starrer Tempolimits plädieren wir deshalb für eine dynamische Verkehrslenkung, die sich nach Gefahren wie Nässe oder Verkehrsaufkommen richtet. So lassen sich die Limits flexibel und digital steuern, um so für einen besseren und sicheren Verkehrsfluss zu sorgen.

Entschuldige, dass ich gleich drauf los gepostet habe. Hatte das 1/2 übersehen.
Dagegen sind meine Bedenken bzgl. der Umsetzung mittels Geschwindigkeitskontrollen ja fast schon lächerlich. Klar, klingt toll, wenn man etwas mit „digital“ reinschreibt. Muss aber auch jemand umsetzen und ehrlich gesagt verschiebt man aus meiner Sicht mit solchen Nebelkerzen nur den Fokus von einfachen, wenn auch unperfekten Lösungen hin zu einem in der unbestimmten Zukunft liegenden Lösungsmodell. Übrigens lassen sich allgemeines und gefahrbedingtes Tempolimit auch kombinieren. An intelligenter Verkehrssteuerung kann man gern arbeiten, aber in der Diskussion um ein Tempolimit ist das eine Nebelkerze.

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