Taurus Lieferung

Wir haben das in der Lage schon erklärt, und ich hab’s auch schon ein paarmal hier im Forum geschrieben: In Wirklichkeit geht es Scholz darum, dass keine Seite gewinnt, weil er es politisch für opportun hält, den Krieg in der Ukraine am köcheln zu halten. Folglich liefert er zwar Waffen, aber eben nur so viele, dass die Ukraine nicht völlig zusammenbricht. Taurus könnte die Balance deutlich zugunsten der Ukraine verschieben, und das will er im Moment eben nicht. Sollte sich die militärische Lage der Ukraine drastisch verschlechtern, werden wir erleben, dass Scholz wieder mehr Gas gibt. Denn Russland soll eben auch nicht gewinnen.

Allerdings ist diese Strategie natürlich egoistisch und zynisch, insbesondere gegenüber den Menschen in der Ukraine. Deswegen sagt er das nicht laut, sondern erfindet immer wieder irgendwelche Vorwände, warum er nicht genug Waffen liefert, damit die Ukraine den Konflikt für sich entscheiden kann.

Ist das nun eine Vermutung eurerseits oder mit irgendetwas belegt?

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Er hat es sogar zwischen den Zeilen gesagt.
"Die Ukraine darf nicht verlieren. "
Er wurde oft kritisiert, dass er nicht "Die Ukraine muss gewinnen. " sagte.

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Würdest Du es für möglich halten, dass Scholz das so ausgedrückt hat um die Option von Verhandlungen zur Einstellung der kriegerischen Handlungen offen zu halten? Unabhängig davon ob das nun realistisch oder sinnvoll ist.

Ich weiß es nicht. Aber es war auffällig und entspricht Ulfs Analyse.

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Warum sollte die Möglichkeit irgendwelcher Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine davon abhängen, was Scholz mal irgendwann gesagt hat?
Zur Klarstellung worüber wir da reden bzw. was der „Verhandlungsspielraum“ ist, siehe diesen Thread: LDN 371 zu zwei Jahre Ukraine Krieg - #5 von Flixbus

Hallo allerseits,

die Diskussion hat mich jetzt doch mal dazu verleitet, hier einen Account zu machen. Mich wundert, dass hier die neuen Erkenntnisse aus der letzten Woche in Zusammenhang mit dem Luftwaffen-Leak scheinbar noch nicht eingeflossen sind.

Berichterstattung dazu z.B. hier vom RND: Russland hat Taurus-Gespräch der Bundeswehr abgehört

Ich weiß, der kommt aus einer russischen Quelle, aber die Echtheit der Aufzeichnung scheint ja niemand in Zweifel zu ziehen (im Gegenteil, die Briten zum Beispiel sind richtig sauer über den Leak).

Und für mich stellt sich das schon so da, als würden nicht nur der Kanzler, sondern zumindest auch die an dem Gespräch beteiligten Soldaten (darunter immerhin mit dem Inspekteur der Luftwaffe der ranghöchste Soldat der Teilstreitkraft) das Argument, das es einen qualitativen Unterschied zwischen der Lieferung von Taurus und den vorherigen Systemen gibt nicht für völlig abwegig halten.

Nach meinem Verständnis ist der hauptsächliche Unterschied (an dem sich im Endeffekt auch das Argument des Budneskanzlers aufhängt), folgender:

Bei bisherigen Systemen war es so, dass man den Ukrainern die Benutzung des Systems beigebracht hat, und ihnen dann das System überlassen hat. Die Ukrainer haben dann selber mit dem Wissen, was sie haben, das System zum Einsatz gebracht.
→ Das überschreitet nicht die Grenze zur ‚Kriegsbeteiligung‘.

Bei dem Taurus ist es so, dass die ‚Daten‘, die für einen effektiven Einsatz des Taurus gegen bestimmte Ziele benötigt werden, nicht von den Ukrainern gewonnen/bearbeitet werden können. Die Soldaten sagen, man könne denen ohne Probleme das Meiste beibringen, z.B. den Piloten den Abschuss der Waffe, das würde nur eine Woche dauern.

Aber eben nicht die ‚zentrale Missionsplanung‘, die wohl auf ‚Tagesdaten‘ etc. beruht. Diese müssten von der Budneswehr im Haus gemacht werden. Eine ‚mögliche Lösung‘ wäre, die entsprechenden Bundeswehrsoldaten an die Produktionsfirma auszuleihen, die dann die Daten liefert, sozusagen als Feigenblatt. Und ob man die Daten halt evtl. im Auto nach Polen fährt und übergibt statt eine ‚Datenleitung‘ zwischen der Budneswehr und der ukrainischen Armee zu haben war auch eine Idee.

Aber im Endeffekt bleibt der Punkt, das im Endeffekt Bundeswehrsoldaten von der Ukraine Hinweise bekommen würden, welche Ziele angegriffen werden, dann Vorarbeit (eben die Erstellung dieser ‚datensätze‘) leisten, die dann den Ukrainern die Durchführung der Operation erlauben.
→ Und das könnte, zumindest nach Einschätzung einiger Personen, das ‚Kriegskriterium‘ überschreiten.

Insofern finde ich schon, dass man hier schon verstehen kann, warum der Kanzler hier vielleicht eine Grenze erreicht sieht, wenn das der Informationsstand ist, den er aus der Bundeswehr bekommt. Zumindest scheint es mir naheliegender als ihm eine komplexe Agenda zu unterstellen, bei der er konkrete Zweifel nur vorschützt.

Beste Grüße
EM

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Nur dass ihr das in der Lage wesentlich (!) defensiver formuliert habt. Hier stellt ihr es wiederholt als Tatsache dar, ohne jedoch Belege zu liefern, die über die Hinweise hinaus gehen, die bereits in der Lage genannt wurden.
Ich finde das schwierig. Natürlich könnt ihr Recht haben, aber bevor ich eine Aussage dieser Tragweite glaube, brauche ich schon etwas Belastbareres. Unabhängig davon wer mir das erzählt und für wie glaubwürdig ich ihn halte. Bis dahin bleibt es für mich Spekulation.

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Es gibt ja auch noch eine Menge Spielraum zwischen einer „belegten Tatsache“ auf der einen Seite und völlig grundloser „Spekulation“ auf der anderen. Es geht natürlich um eine Interpretation, die man durch bestimmte Beobachtungen und Tatsachen untermauern und plausibilisieren kann. Genau das wurde in der Lage gemacht und genau das passiert auch hier im Forum in unterschiedlichen Threads seit Tagen. Dadurch wird ja niemand gezwungen, dass genau so zu sehen. Die nun schon mehrfach wiederholte Aussage „wenn es keinen Beweis gibt, glaube ich das nicht“ trägt allerdings aus meiner Sicht nicht wirklich etwas zu der Diskussion bei.

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kommt jedenfalls nicht von mir. Schon klar dass es dazu vmtl nie einen Beweis geben wird. Es gibt bisher aber nicht mal besonders überzeugende Hinweise.

Darum geht es aber gerade nicht, sondern darum, dass etwas das in der Lage als Vermutung kommuniziert wurde hier als Tatsache dargestellt wird und ich gerne wissen möchten warum (auf Basis welcher neuen Erkenntnisse).

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Hallo Flixbus,

ich probiere mich mal an einer etwas ausführlicheren Gegenposition als „es gibt keinen Beweis“. Die Frage, die sich mir stellt ist, was ich für wahrscheinlicher halte:

  1. Das der Kanzler seine (in der letzten Woche nachgelieferte) Begründung ernst meint oder
  2. Das diese Begründung vorgeschoben ist und ein anderes, echtes Motiv dahinter steht.

Da ich prinzipiell ein gewisses Vertrauen in unsere Institutionen habe, ist also die Frage, ob die gelieferte Begründung mir deutlich unrealistisch erscheint. (Die Suche der Lage nach einem alternativen, echten Motiv beginnt ja auch mit der Annahme, dass die Begründung widerlegt sei.)

Schaue ich mir die also genauer an. Meinem Verständnis nach besteht die Begründung aus folgenden Elementen:

  1. Ziel/Wertaussage: Deutschland soll nicht Kriegspartei werden.
  2. Argument: Für den Einsatz des Taurus ist die operative Unterstützung von Soldaten der Bundeswehr notwendig.
  3. Argument: Die operative Unterstützung von Soldaten der Bundeswehr erfüllt die rechtlichen Voraussetzungen für die Wertung Deutschlands als Kriegspartei.
  4. Schlussfolgerung: Der Einsatz von Taurus ist mit unseren Zielen nicht vereinbar.

Ich denke, das Ziel (0) ist prinzipiell unstrittig. Ich denke auch, es geht hier um den Eigenbefund des Status als Kriegspartei (da es ja in der Diskussion z.B. um das Bundestagsmandat ging), nicht um die russische Wahrnehmung.

Die Schlussfolgerung (3) ist auch unstrittig, wenn man die Argumente für zutreffend hält.

Das heißt also, die Frage ist für mich: Sind die Argumente eins und zwei glaubwürdig?

Bei Argument (1) scheint es mir auf Grundlage des Luftwaffen-Leaks so zu sein, als hätten zumindest einige führende Soldaten der Bundesregierung die Auskunft erteilt, dass direkte Unterstützung bei der Zuführung von Daten zumindest für bestimmte Operationen notwendig sei.
→ Das Argument scheint mir prinzipiell erstmal zutreffend, bin aber natürlich offen dafür, anderweitig überzeugt zu werden.

Bei Argument (2) setzen viele Kritiker argumentativ an und sagen „Selbst wenn Soldaten der Budneswehr unterstützend tätig sind, bedeutet das keinen Kriegseintritt.“
→ Ich finde das schwerer zu bewerten, weil ich nun kein Jurist bin. Aber es scheint mir auch nicht völlig abwegig, dass manche Juristen zu der Auffassung kommen, das dies der Fall wäre, wenn z.B. die Bundeswehr von der Ukraine ein Ziel genannt bekommt und ihre konkrete Zuarbeit dazu führt, dass dieses Ziel zerstört wird.

In der Gesamtschau ist es für mich jedenfalls so, dass ich es für wahrscheinlicher halte, das Scholz auf Grundlage der Ratschläge, die er vermutlich bekommen hat, zumindest erhebliche Zweifel daran hat, dass der Einsatz des Taurus mit seiner Zielsetzung übereinstimmt und die von ihm gelieferte Begründung also die Wahrheit ist, als dass er die Begründung für objektiv wiederlegt hält und nur vorschiebt um ein anderes Motiv zu verschleiern.

Beste Grüße
EM

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Danke für die ausführliche Begründung, @EuropeanMind! In der Hauptsache geht es wohl wirklich vor allem darum, ob man Scholz seine Argumentation glaubt oder ob man da (wie ich) sehr viel skeptischer ist.
Zur Frage der Kriegsbeteiligung gab es schon im März 2022 eine Stellungnahme vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages (https://www.bundestag.de/resource/blob/892384/d9b4c174ae0e0af275b8f42b143b2308/WD-2-019-22-pdf-data.pdf) Ich versuche mal ein paar Kernpunkte zusammenzufassen:
Neutralität in dem Sinne kennt das internationale Recht nicht mehr, sondern nur den Status „Nichtkriegsführung“ (non-belligerency). Will sagen: Länder müssen nicht komplett unbeteiligt sein, sind aber dennoch nicht Konfliktpartei. Das gelte auch, wenn sie Waffen an ein anderes Land liefern. Eine Grauzone wäre allerdings mit der Ausbildung an diesen Waffen erreicht.
Eindeutung Konfliktpartei (co-belligerency) wären Drittstaaten bei einem „Eingreifen mit eigenen Streitkräften“. Das sei nicht erst bei „boots on the ground“ der Fall, sondern schon etwas wenn NATO-Flugzeuge eine Flugverbotszone durchsetzen.
Das Gutachten beschreibt eine ziemlich große Grauzone zwischen non-belligerency und co-belligerency, was vor allem an unterschiedlichen juristischen Einschätzungen liegt. Diskutiert werden etwa deutsche Militärflughäfen als Flugbasen für ukrainische Kampfflugzeugen oder Waffenlieferungen, aber auch die Übermittlung von Geheimdienstinformationen.
Allerdings, habe die Ukraine nach Artikel 51 der UN-Charta das Recht auf kollektive Verteidigung. Ganz grob gesagt: kann sich die Ukraine hilfe holen, wo und wie viel sie will. Auch ein direktes Eingreifen von NATO-Truppen wäre damit völkerrechtlich zulässig.

Mein persönliches Fazit: Der Punkt mit Art. 51 UN-Charta zeigt, dass es eigentlich nicht um eine rechtliche Beurteilung geht, sondern um eine politische Grenzziehung: (Fast) alle NATO-Länder haben gesagt: Wir gehen da nicht selber rein. Das ist wahrscheinlich auch klug, Aber rechtlich gesehen dürften sie, wenn sie Ukraine sie darum bittet. Damit ist aber auch die Frage „Kriegspartei“ werden letztlich eine politische Frage und keine rechtliche. Die beschriebene Grauzone hat Deutschland mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten u. a. an Kampfpanzern und Flugabwehrsystemen eh schon längst erreicht. Da wäre dann meine Frage, was rechtlich gesehen an einer Übermittlung von Taurus-Daten „schlimmer“ sein soll.

@Flixbus (Danke schonmal fürs Aufzeigen der neuen Funktion)

Wenn ich mir die Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes anschaue, denke ich, dass wir hier in der Tat insbesondere über die Bewertung der Datenverarbeitung im Falle konkreter Taurus-Ziele reden.

Also die Frage:
Wenn die Ukraine ein Ziel mit dem Taurus angreifen möchte, dafür dann die Bundeswehr konkrete Zuarbeit leistet, beispielsweise indem sie den Taurus programmiert (also, die notwendige Datenverarbeitung macht, damit das Geschoss dann selbstständig mit Präzision ins Ziel fliegt) und der so programmierte Taurus dann eingesetzt und das Ziel vernichtet wird, ist das eine Kriegsbeteiligung?

Wenn wir hier in das von Ihnen verlinkte Gutachten schauen, dürfte folgender Absatz relevant sein:
„Rechtlich weitgehend unumstritten erscheint […] auch der Bereich der Konfliktteilnahme durch Drittstaaten (co-belligerency): Das Eingreifen mit eigenen Streitkräften, d.h. die unmittelbare Beteiligung an den Konflikthandlungen mit militärischer „Man-Power“, machen einen unterstützenden Staat zweifelsohne zur kriegsführenden Konfliktpartei („co-belligerent“). Rechtsfiguren, die das Überschreiten der „Schwelle“ zur kriegsführenden Partei beschreiben, finden sich etwa […]“

Also ist die Frage, wäre eine solche ‚Zuarbeit‘ als z.B. „Einbeziehung in bewaffnete Unternehmungen im Sinne des § 2 Parlamentsbeteiligungsgesetz." zu bewerten? - Dazu fehlt es mir an juristischem Sachverstand, aber zumindest die Luftwaffen-Offiziere im Luftwaffen-Leak-Transkript scheinen das zumindest für eine legitime Sorge zu halten (Quelle beispielsweise hier: Das Kriegskriterium - GERMAN-FOREIGN-POLICY.com)

Ich hoffe der Verfassungsblog o.ä. wird da auch nochmal was zu schreiben. Eine endgültige Klärung würde vermutlich so oder so nur ein Gerichtsurteil bringen.

Was ich aber festhalten möchte ist, dass die Idee, dass die Taurus-Datenarbeit tiefer in der Grauzone ist als die Dinge, die wir bisher machen, und potentiell auf der falschen Seite aus der Grauzone herausragt, zumindest für mich als Laien nicht einfach von der Hand zu weisen scheint.

Das wir völkerrechtlich unterstützen dürfen (und völkerrechtlich auch als Kriegspartei unterstützen dürfen) steht außer Frage. Der Anspruch, keine Kriegspartei sein zu wollen, ist ein politisches Ziel.

Aber wenn wir davon ausgehen, dass das Argument der Regierung in gutem Glauben gemacht wird, dann sollten wir auch davon ausgehen, dass sie ernsthaft darüber nachdenkt, was uns zu einer Kriegspartei macht und entsprechende Handlungen vermeiden möchte (auch im binnenrechtlichen Verhältnis - Thema Bundestagsmandat), und nicht einfach aus „Zweckdienlichkeit“ entscheidet, dass die Datenhilfe uns schon nicht zur Kriegspartei machen wird.

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Erstmal Danke für die ausführlichen und auch anschaulichen Herleitungen, speziell zum Völkerrecht.

Eine Frage stellt sich dann doch noch: was interessiert das Putin?

Soll heißen: inwiefern hat Scholz Bedenken, das wir Kriegspartei werden?

  1. Gegenüber den westlichen Staaten und der UN? Also das man uns vorwirft, „jetzt seid ihr aber zu weit gegangen, ihr seid jetzt Kriegspartei, das müssen wir jetzt völkerrechtlich ahnden und verurteilen?

  2. Gegenüber Russland? Interessiert sich Putin für das Völkerrecht? Wo wäre für Russland der Unterschied zur Lieferung von der Panzerhaubitze 2000, deren Munition und ggf Aufklärungsdaten aus Deutschland kommt und deren ukrainische Besatzungen in Deutschland ausgebildet werden, gegenüber Taurus?

Also aus russischer Sicht (!)sieht man sich ja im Recht. Russland ist ja nicht im Krieg, sondern führt laut eigener Aussage eine militärische Spezialoperation auf historisch russischen Gebiet durch, um russische Staatsbürger vor einem Nazi-Regime zu schützen und dabei russische Sicherheitsinteressen zu schützen. Der Westen, speziell die NATO ist ja dabei, aus russischer Sicht der Aggressor, der in imperialistischer Absicht an russische Grenzen heranrückt um Russland zu vernichten. Glaub Medwedew sagte ja, das man sich mit dem Westen im Krieg befinde.
Aus dieser russischen Sicht heraus: was interessiert Putin unsere Interpretation des Völkerrechts?
Wann Deutschland „formal“ Kriegspartei wird, entscheidet allein Putin nach eigenem Ermessen.

Denke es wäre eher Punkt 2, der Scholz umtreibt.

Zudem: was passiert wenn Putin sagt, ihr liefert Taurus, ihr seid Kriegspartei? Briten und Franzosen liefern auch Marschflugkörper, Zieldaten, und programmieren die Dinger auch (ggf in der Ukraine?), aber sind Atommächte und daher keine Kriegspartei?
Also wäre die Befürchtung, das Putin dann deutsche Städte angreift mit Raketen und Drohnen?
Ist das eine reale Gefahr?
Und die NATO Beistandspflicht greift dann nicht, weil Deutschland ja dann Kriegspartei ist?

Also mir ist noch nicht klar, was Scholz konkrete Befürchtungen sind hinsichtlich „Kriegspartei werden“.

Freue mich da auf Aufklärung, ggf kann man mir das erklären.

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Das dürfte das Hauptproblem sein. Die Beistandspflicht greift nur im Verteidigungsfall. Der ist nicht gegeben, wenn sich Deutschland durch eigenes Handeln zur Kriegspartei macht.

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Welche Definition von Kriegspartei gilt dann? Die des Völkerrechts oder Putins?

Wenn Russland nun Großbritannien oder Frankreich angreift, weil die schon Marschflugkörper liefern, würde die Beistandspflicht auch nicht gelten?
Was ist sie dann noch wert?

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Ich kenne den NATO-Vertrag nicht so genau und bin auch kein Jurist, aber erst mal muss man glaube ich das Wort „Beistandspflicht“ etwas relativieren, da jeder NATO-Staat in einem Bündnisfall selber einschätzen kann wie und wie stark er unterstützt. Das viel Wichtigere ist aber aus meiner Sicht das Recht für eine solche Unterstützung. Und da stimmt es m. E. einfach nicht, dass es keinen Verteidigungsfall geben kann, wenn Deutschland durch die Unterstützung der Ukraine völkerrechtlich gesehen Konfliktpartei geworden ist.
Zumindest das zitierte Bundestags-Gutachten sagt etwas anderes: Bei einer kollektiven Verteidigung nach Art. 51 UN-Charta wäre auch jeder kriegerische Akt Russland gegen ein Land, das die Ukraine unterstützt (also hier Deutschland) eindeutig völkerrechtswidrig. Damit hätte auch dieses angegriffene Land (Deutschland) das Recht auf kollektive Selbstverteidigung nach Art. 51. Und das schließt eine Bündnisverteidigung im Rahmen der NATO mit ein.

Dann können wir uns ja darauf schon mal einigen :slight_smile:

Wenn die Formel „nicht Kriegspartei sein sollen“ eine politische ist, heißt aber m. E. auch, dass es eben vor allem um entsprechende politische Einschätzungen, Ziele und Strategien geht. Die Fragen, ob Scholz es ernst meint, ob er selber dran glaubt, ob seine Argumentation konsistent ist etc. werden dann m. E. zweitrangig. Die primäre Frage lautete stattdessen: Warum ist dieses Credo „nicht Kriegspartei werden“ für ihn so zentral? Und darauf würde ich antworten: Es spielt gerade eine wichtige Rolle in Scholz’ Selbstinszenierung als einer der wenigen Politiker, die verantwortungsvoll und behutsam eine Balance halten zwischen der notwendigen Unterstützung für die Ukraine und der Vermeidung einer unnötigen und vielleicht gefährlichen Eskalation. Das mag man ihm abkaufen oder nicht. Aber wie bei jedem politischen Narrativ finde ich es auch in diesem Fall legitim & sogar notwendig, zu hinterfragen, woher es kommt und welche Ziele und Interessen damit verfolgt werden.
Und wenn Scholz explizit sagt, dass Deutschland nicht tun wird, was andere Länder schon tun, ist m. E. spätestens klar, dass es ums Wollen geht, nicht ums Können oder Dürfen.

Das ist eine sehr gute Frage und ich denke wir kennen die Antwort: Ob irgendwer in Deutschland zu der Einschätzung kommt, dass Deutschland durch eine Handlung zur Kriegspartei wird, ist ihm vollkommen egal. Dass aber das halbe Land darüber diskutiert, ob Deutschland vielleicht Kriegspartei werden könnte und was das wiederum für Reaktionen aus Russland auslössen könnte, mit der wahrscheinlichen Folge, dass Deutschland nicht die Unterstützung für die Ukraine leistet, die es leisten könnte - das interessiert ihn sehr und deshalb zielt auch seine hybride Kriegsführung (etwa durch den Bundeswehr-Leak) genau darauf ab, solche Debatten am Köcheln zu halten.

Das Frage ich mich seit zwei Jahren immer wieder, wenn bestimmte Leute Wörter wie „Eskalationsdominanz“ benutzen. Russland eskaliert eh schon so doll es kann und dass der Einsatz von Atomwaffen äußerst unwahrscheinlich ist, da sind sich von Wagenknecht bis Strack-Zimmermann mal ausnahmsweise alle sehr einig.

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Das Problem ist nur, dass der Kanzler schon ein gefühltes Dutzend an roten Linien erst aufgestellt und dann eingerissen hat. Die Begründungen für die roten Linien waren in jedem einzelnen Fall an den Haaren herbei gezogen, deswegen halte ich es nur für begrenzt hilfreich, jetzt gleichsam anstelle von Scholz plausible Begründungen zu erfinden.

Die plausibelste Begründung ist einfach, dass Scholz in der Ukraine den Schwebezustand möchte. Wenn sich die militärische Lage der Ukraine deutlich verschärfen sollte, werdet ihr erleben, dass auch der Taurus geliefert wird.

Es denkt doch heute niemand mehr ernsthaft, dass Waffenlieferungen für einen Sieg der Ukraine reichen könnten. Macron hat die Diskussion doch auch längst entsprechend angepasst. Boots on the ground oder Teilung der Ukraine in West und Ost. Das sind die realistischen Szenarien. Wer gegen den Einsatz der Nato ist, nimmt billigend in Kauf, dass die Ukraine verliert. Sich hinter irgendwelchen Wunderwaffen zu verstecken ist intellektuell unlauter.

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