Das ist wohl eher eine theoretische Möglichkeit. Warum sollten Grüne und SPD ein Interesse an einem Einzug der Linken in den Bundestag haben? Im Zweifelsfall bedeutet das weniger Mandate für ihre eigene Partei und im ungünstigsten Fall vielleicht sogar den Wegfall des eigenen Mandats. Aufgrund der Verkleinerung des Bundestages sowie der relativen Verluste beider Parteien ist es alles andere als sicher, dass beide Parteien überhaupt über die Landesliste Thüringen ein Mandat erhalten.
Eine stärkere Basis für gemeinsame Ideen. Schließlich sind 4% weniger Stimmen für das linke Lager das Ergebnis, falls die Linken nicht einziehen.
Dann lieber den Einzug unterstützen.
Ich würde mal arg bezweifeln, dass die meisten SPD- und Grünen-Abgeordneten sich auf die Positionen der Linkspartei als „gemeinsame Ideen“ beziehen. Worauf gründest du diese Annahme?
Und warum sollte sie so stark sein, dass die die starken Eigeninteressen, etwa am eigenen Bundestagsmandat bzw. an mehr Mandaten für die eigene Partei aushebeln? Das klingt mir doch etwas nach Wunschdenken.
Ohne die Linke wäre das Merz-Gesetz am 31.1. durchgekommen, oder?
Außerdem wird es ohne die Linke keine linke Opposition geben, falls die CDU Grüne und SPD für eine Koalition braucht.
Ich glaube, wir sollten die Rolle der Ideologie für die praktische Politik und die Differenzen zwischen den mittigen Parteien nicht überschätzen.
Die praktische Politik wird von einem Haufen Pfadabhängigkeiten, politischen Institutionen, Interessensgruppen und Taktik geprägt. In der konsensualen Demokratie in D würde es selbst mit einer schwarz-gelben Regierung keine komplett andere Politik geben (Stichwort u.a. Bundesratv oder EU).
Ideologische Unterschiede sind eigentlich zwischen den BT-Parteien sehr gering ausgeprägt und eher für Sonntagsreden und Rhetorik relevant. Natürlich betonen die reißerischen Medien im Lande so etwas gern und manche Parteien wissen es gut für sich zu nutzen oder versuchen es.
Für das effektive und harmonische Regieren (bei dem mMn weiterhin die Ampel trotz ihrer Defizite völlig etwas zu schlecht geredet wird) ist es mE eher wichtig, wie viel Erfahrung die Beteiligten haben, wie professionell sie agieren und wie viel Vertrauen sie aufbauen können. Daran hat’s ja aich bei der Ampel letztlich gehapert, in der fast alle Minister:innen und Abgeordnete unerfahren waren. D.h. muss es nicht per se schlecht sein, wenn es drei Parteien sein müssen (oder 4 mit CSU), dürfte die Sache aber natürlich leicht erschweren, da die jeweilige Basis auch „mitgenommen“ werden muss.
In puncto Erfahrung und Professionalität sehe ich die SPD (besonders Heil und Pistorius) und die Grünen (besonders Habeck) übrigens deutlich im Vorteil ggü. der aktuellen Union, weswegen es mir vor der Union in der Regierung echt graut.
P.S.: Die Notwendigkeit einer Drei-Parteien-Koalition, die derzeit recht unwahrscheinlich ist (selbst mit Linken und BSW, aber ohne FDP im BT würde es wohl knapp für Schwarz-Grün und deutlich für Groko reichen), würde mir eher deshalb Sorgen machen, weil die Union sich in die Ecke gedrängt sehen könnte angesichts Verhandlungen mit zwei linkeren Parteien. Und wir wissen, wie unsouverän Merz und Co. dann agieren und wer in der rechten Ecke wartet.
Wobei auch die Union bereits aus zwei Parteien besteht.
Die Frage, wie sinnvoll oder wichtig eine Vertretung der Linken im Bundestag ist, kann man ja je nach politischem Standpunkt unterschiedlich beantworten - darum ging es hier aber gar nicht. Die Frage war ja viel spezifischer, warum SPD- und Grünen-Politiker sich für einen Einzug der LInken in den nächsten Bundestag stark machen sollten, auch wenn das weniger Mandate für ihre eigene Partei oder gar den Verlust ihres eigenen Mandates bedeutet kann.
Yep. Im Wahlkampf will natürlich jede Partei die Stimmen für sich. (Obwohl ich den Traum von rot-rot-grün noch nicht ganz aufgebe )
Aber gesamtgesellschaftlich fände ich es gut, wenn es wenigstens eine wirklich linke Partei gäbe.
Genauso wie ich mir eine richtig konservative Partei wünsche (also nicht die Merz-CDU).
Zum Thema des taktischen Wählens empfehle ich das Gespräch von Philipp Anft mit Prof. Dr. Frank Brettschneider / Uni Hohenheim in „politikum“ vom 06.02 im WDR. Der Kommunikations-Wissenschaftler rät ganz klar: Taktisch wählen? Lieber nicht!. Die Fragen von Philipp sind super und seine Antworten bieten eine gute Chance, sich eine eigene Strategie zu überlegen. Ich fragte zusätzlich noch zu Klein-Parteien, konkret VOLT nach. Hier seine Antwort, die er mir freigab, sie auch zu teilen:
"Was VOLT betrifft: Ja, die Chancen von VOLT, in den Bundestag einzuziehen, sind 2025 nicht groß. Aber es gibt Wählerinnen und Wähler, denen das egal ist. Sie unterstützen die junge Partei trotzdem,
a) weil sie die Ziele richtig finden,
b) weil VOLT bei höheren Stimmenanteilen (auch wenn sie unter 5% blieben) mehr Aufmerksamkeit erhalten würde - und
c) weil die staatliche Wahlkampfkostenerstattung eine bessere Grundlage für künftige Wahlen schafft.
Sie „investieren“ jetzt, damit VOLT in Zukunft möglicherweise zulegt. Der Preis: 2025 keine Einflußnahme auf die Sitzverteilung im Bundestag.
Und es gibt auch Wählerinnen und Wähler, die den Ideen von VOLT nahestehen, sie aber dieses Mal dennoch nicht wählen - sondern ihre zweitpräferierte Partei. Für sie ist es wichtiger, die Zusammensetzung des Bundestags jetzt bei dieser Bundestagswahl zu beeinflussen.
Aus meiner Sicht sind beide Anliegen legitim. Da gibt es kein RICHTIG oder FALSCH. Es kommt auf den eigenen Schwerpunkt und die eigene Perspektive an…"
Prof. Dr. Frank Brettschneider / Uni Hohenheim
Danke für die differenzierte Darstellung unterschiedlicher Positionen. Die Grundfrage lautet doch: Will ich lieber eine Partei wählen, die möglichst genau meinen eigenen politischen Überzeugungen entspricht, auch auf die Gefahr hin, dass diese Partei nicht im Parlament vertreten sein wird oder will ich von den Parteien, die sicher (oder zumindest sehr wahrscheinlich) im nächsten Bundestag vertreten sein werden, diejenige wählen, die mir am nächsten ist.
Das ist aber eine klassische Wahlentscheidung, die Menschen individuell für sich treffen und hat daher m. E. im engeren Sinne nichts „taktisches“.
Doch. Sobald du aus welchem Grund auch immer nicht mehr die Partei wählst, die am meisten deiner Meinung entspricht, wählst du taktisch.
Taktik heißt doch einfach nur: Schritte unternehmen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.
Welche Definition legst du deinem Einwand zugrunde, @riodoro , wenn du sagst, die Partei zu wählen, die am meisten der eigenen Meinung entspricht, sei keine Taktik?
Wenn ich eine Partei wähle, weil ich mit ihren Zielen übereinstimme, mir ansonsten aber keine Gedanken darüber mache, ob sie a) diese auch nach der Wahl verfolgen wollen und/oder b) überhaupt in der Position sein werden, sie verfolgen zu können ist das in meinem Augen kein taktisches Wählen, sondern höchstens ein Statement.
Dann auch an dich die Frage: Wie definierst du Taktik?
Meine Stimme so abzusetzen, dass eine mir gewollte Parteikonstellation am wahrscheinlichsten wird.
Eigentlich stehe ich der ÖDP am nächsten. Die hat bei Bundestagswahlen aber keine Chance, die Stimme würde also im Bundestag nicht abgebildet. Ich kann also grün wählen und damit den linksgrünen Flügel stärken. Ich kann auch die Linke wählen in der Hoffnung, dass wenn das genug aus taktischen Gründen tun, sie die Fünf-Prozent schafft. Allerdings wird die Linke mit Sicherheit nicht in Regierungsverantwortung kommen. Ich schwäche damit also die Verhandlungsposition der Grünen in der Koalitionsfrage. Auf der anderen Seite wäre natürlich wünschenswert, dass die Linke weiterhin im Bundestag sitzt, kleine Anfragen stellen kann und nicht im schlimmsten Fall die AFD für einzige Oppositionspartei wäre.
Solche Überlegungen machen in meinen Augen taktisches Wählen aus.
Sorry, ich meinte ganz allgemein: Was verstehst du unter Taktik? Ich verstehe darunter
Ich sehe taktisches wählen als festen Begriff so dass sich die Frage erübrigt.
Edit: warum ich es unpassend finde, im anderen Fall von Taktik zu sprechen: es werden eben keine Schritte unternommen das Ziel zu erreichen. Es wird eine Partei gewählt mit der man sympathisiert. Ob es dem Ziel etwas bringt steht absolut in den Sternen. In der Opposition ist die Partei machtlos, außerparlamentarisch ist meine Stimme nicht mal irgendwo abgebildet.
Ich finde die „Definition“ von wahlrecht.de ziemlich schwammig. Danach ist ja jede Wahlentscheidung für eine Partei, die sicher die 5-Prozent-Hürde schafft, „taktisch“ - es muss ja nur die Möglichkeit geben, dass ich mich eventuell auch für eine andere Partei hätte entscheiden können.
Ich würde unter „taktisch“ eher verstehen, dass es eine spezifische Situation gibt, in der z. B. ein paar Tausend Stimmen in einem Wahlkreis über den Einzug einer Partei oder über die Sitzverteilung im Parlament entscheiden können und sich deshalb eine größere Gruppe von Wählern entscheidet, eine bestimmte Partei zu wählen. Es muss also nach meinem Verständnis über eine rein individuelle Wahlentscheidung hinausgehen.
Im Gegensatz zum aufrichtigen Wählen wird beim taktischen Wählen versucht, durch die Wahl eines weniger bevorzugten Wahlvorschlages und der Nichtwahl des eigentlich bevorzugten Wahlvorschlages den Erfolgswert der Stimme(n) bei einer Wahl zu erhöhen.
Demnach wäre jede Entscheidung eine andere als die präferierte Partei zu wählen taktisches Wählen. Finde ich sehr treffend.
Edit: da du nicht weißt, wie die anderen abstimmen ist es immer eine individuelle Entscheidung.
Aber es wird ja trotzdem eine präferierte Partei gewählt - nur eben eine die über 5 Prozent schaft. Es wird ja nicht abweichend von der eigenen Präferenz gewählt, um ein bestimmtes taktisches Ziel zu erreichen.
Egal welche Definition man zugrunde legt: Das Ganze basiert immer auf Umfragen und damit auf dem angenommenen Wahlverhalten anderer. Sonst gäbe es ja auch keine Grundlage zu sagen „die Grünen sind sicher, Volt aber nicht“.