Taktisch wählen nach Wahlrechtsreform: wann sinnvoll?

Die Idee der Aktion Silberlocke ist ja, dass die Linke über drei gewonnene Direktmandate in den Bundestag einzieht, wenn sie die 5 Prozent nicht erreicht. Wenn die Partei die 5-Prozent-Hürde schafft, ist die Zahl der Direktmandate ja egal. Das wäre zweifelsohne ein riesiger politischer Erfolgt für die Partei, hat dann aber erst mal nichts mit der Aktion zu tun. Und was die angeht, ist laut den aktuellen Umfragen 1 Mandat sicher (Gysi in Berlin), ein weiteres wahrscheinlich (Pellmann in Leipzig) und alle anderen mehr oder weniger aussichtslos.

Die Umfragewerte der Linken steigen aktuell in den Umfragen vöillg zurecht. Außerdem treten viele Menschen gerade ein.
Folge mal Ines Schwerdtner oder Cansin Köktürk oder Lea Reisner oder Heidi Reichinnek oder Caren Lay oder Clara Bünger mal auf Instagram oder so. Fast alle von ihnen kommen aus dem sozialen Berufsbereich. Geballte junge Frauenpower mit sozialem Engagement.
Außerdem geht die Linke gerade in einem außerordentlichen Haustürwahlkampf und mit hilfreichen Apps und Sozial-Beratungen auf die schwächsten Glieder der Gesellschaft zu.

Wie gesagt: Zweifelsfrei ein großer politischer Erfolg aus Sicht der Linken. Hat aber mit der Aktion Silberlocke nicht viel zu tun. Und auch Schwerdtners Chancen, ihren Wahlkreis zu gewinnen, liegen nach aktuellen Umfragen noch unter 50% - es könnte sogar sein, dass er - und damit erstmals ein Berliner Wahlkreis - an die AfD geht und zwar ausgerechnet an Beatrix von Storch. Für mich ein gutes Beispiel für ein Szenario, in dem das taktische Moment gerade fehlt.

Dann noch Ramelow und sie haben ihre drei Mandate.

Und Ramelows Chancen, das zu kriegen stehen derzeit bei 38 Prozent (Wahrscheinlichkeit, nicht Stimmenanteil) = nahezu aussichtslos.

Und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit für jeden einzelnen seiner Gegenkandidaten, das Mandat in diesem Wahlkreis zu gewinnen? Bei der Landtagswahl war er der einzige Parteichef, der ein Direktmandat gewinnen konnte. Da war der Wahlkreis zugegebenermaßen kleiner. Ich sehe aber nicht, warum es für ihn aussichtslos sein sollte, das bei der Bundestagswahl zu wiederholen.

In diesem Fall hat der AfD-Kandidat eine Chance von 61 Prozent.

Bei der Landtagswahl gab es viel kleinere Wahlkreise - das ist überhaupt nicht vergleichbar. Umgerechnet auf den Bundestagswahlkreis hätte Ramelow da vermutlich auch keine Erststimmenmehrheit gehabt (habe ich aber nicht ausgerechnet). In dem Bundestagswahlkreis liegt die AfD mit großem Abstand vorn - sprich: Es müssten Leute, die mit Zweitstimme AfD Wählen, sich mit ihrer Erststimme für Ramelow entscheiden. Das halte ich für nicht sehr wahrscheinlich.

Die Zahlen für die einzelnen Wahlkreise sind hier einsehbar: Wahlkreis-Prognose

Und der CDU-Kandidat hat weniger als 1% Chance? Wirklich?

Nein. Es müssten nur genug Leute, die sonst für SPD und Grüne stimmen würden, ihre Erststimme strategisch an Herrn Ramelow verleihen. Dann könnte er genug sammeln, um die AFD- und CDU-Kandidaten zu schlagen. Er muss ja keine >50% erreichen, >30% sollten reichen.

Willst du jetzt mit dir darüber diskutieren, ob die Zahlen in der Umfrage valide sind? Wirklich?

Die Frage ist nur, woher „genug Leute“ kommen sollen. Für das Direktmandat braucht es die meisten Erststimmen. Wenn die AfD bei den Zweitstimmen die stärkste Partei ist, bedeutet das, dass es zumindest einen Teil von deren Stimmen braucht, damit ein Nicht-AfD-Kandidat das Direktmandat erringen kann.

Da habe ich wohl was verpasst. Welche Umfrage? Quelle? Und hattest Du nicht was von „Wahrscheinlichkeit, nicht Stimmenanteil“ geschrieben? Umfragen geben in der Regel den zu erwartenden Stimmanteil an, oder?

Etwas über 5% mehr als bei der Landtagswahl sollten reichen. Das ist nicht so wahnsinnig viel.

Hab ich doch extra verlinkt.

Das sagt aber nichts über den Vorsprung des AFD-Kandidaten aus. Laut Bundeswahlleiterin hat der SPD-Kandidat bei der letzten Wahl ein Viertel der Stimmen geholt. Aber du hast recht. Die Konkurrenz von SPD und Grün ist geeignet Ramelow wichtige Stimmen abzunehmen.

Das ist keine Umfrage, sondern eine aus bisherigen Wahlergebnissen und irgendwie ermittelten Beliebtheitswerten der Kandidaten berechnete Prognose. Wie die Beliebtheit ermittelt wird, konnte ich nirgends finden. Allerdings geben sie Wahrscheinlichkeit, dass ihre Prognose für Wahlkreise wie diesen auch eintrifft, mit lediglich 2/3 an. Oder anders gesagt: Für die letzte Wahl lag das Model für Wahlkreise, in denen es einem Kandidaten lediglich einen „Vorsprung“ attestierte, in jedem dritten Fall falsch.

Wenn die Linke und BSW reinkommen und die CDU noch etwas schwächer wird, reicht es weder für schwarz-rot noch für schwarz-grün alleine. Dann gibt es Kenia.
Finde ich eine gute Aussicht. Schwarz Rot alleine macht mit Angst.

Ich tendiere anstatt Grün diesmal Links zu wählen. Damit mehr Parteien im Bundestag sind und vor allem eine Partei mit sozialem Konzept.

Ich glaube Kenia wäre ein sehr schlimmes Szenario. Die kommende Regierung wird wieder ideologisch nicht geeint und zerstritten sein. Die Regierung wird also kaum Erfolge verzeichnen können, was die Wähler weiter enttäuschen wird. Wenn SPD und Grüne wieder Teil der Regierung sind, werden sie wie schon bei der Ampel Mitschuld von den Wählern bekommen. Da es dann keine große Opposition mehr gibt, wird vor allem die AFD profitieren.

Daher wären die Grünen in der Opposition besser, da sie eine Alternative anbieten können, zu dem Murks den die „GroKo“ anbieten wird. Am besten wäre vermutlich Schwarz-Gelb, aber dazu wird es wohl nicht kommen.

Warum? Aus meiner Sicht wäre das die Katastrophe schlechthin. Die FDP ist nicht mehr weit weg von der AFD, die Union völlig auf dem Trumptrip. Könnte mir außer AFD direkt nichts schlimmeres vorstellen, insbesondere für die „untere“ Hälfte der Gesellschaft.
Lasse mich aber gerne überzeugen, also bitte: warum?

Dann nimmt die Union die Rolle der FDP ein. Nur das die größer ist in der Koalition. Aber ich gebe dir Recht - mit Merz, Spahn, Linnemann, Glöckner, Dobrindt würde ich ungern in einer Regierung sein. Zusätzlich noch mit der Bayern-CDU an der Außenlinie. :face_with_peeking_eye:

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Also ich halte nach den aktuellen Umfragen Schwarz-Gelb für etwas realistischer als Rot-Rot-Grün. Der einzige Weg den ich aktuell sehe, wie die AFD wieder klein zu kriegen ist, sind meiner Meinung nach ideologisch konsistente Regierungen. Ich gebe dir Recht auf kurze Sicht gesehen wäre Schwarz-Gelb sehr schlecht. Aber dann wären Grüne und SPD in der Opposition und könnten linke Politik als eine Alternative aufweisen und somit die AFD mit ihrem Monopol auf Alternativpolitik untergraben. So lange wir ideologisch inkonsistente Regierungen haben wird die AFD die Schuld auf die linken „Erfolge“ schieben und damit es schwer machen, die Wähler von Linker Politik zu überzeugen, weil die Wähler sehen, dass es nicht läuft im Land und einen schuldigen brauchen.

Oder anders gesagt, ideologisch konsistente Regierungen führen zu einem Wettbewerb der Ideen.

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Mit dieser Grundlage kann ich dir folgen. Es wäre hilfreich keine Opposition in der Regierung zu haben.
Schwarz-grün hätte funktionieren können ( wahrscheinlich reicht es dafür nicht mehr), wenn im Vorfeld nicht solche Hürden aufgestellt worden wären. So bleibt nach Umfragen nur noch die Groko über :sob:

Entschuldige bitte, ich hätte „Prognose“ schreiben sollen, nicht Umfrage - my bad.
Abgesehen davon kannst du die Zahlen und ihre Validität natürlich infragestellen. Mit mir musst du das Hühnchen aber nicht rupfen - ich bin für diese nicht verantwortlich. Ich habe lediglich bei den letzten 2.4 Bundestagswahlen den Eindruck gewonnen, dass diese Wahlkreisprognosen der Realität relativ nahe kommen, daher führe ich sie als Indiz an. Wenn du bessere oder genauere Zahlen hast - gerne her damit.
Einfach ohne Zahlengrundlage zu behaupten, dass Ramelows Chancen auf ein Direktmandat sehr viel besser sind, als die sie Prognose sieht, finde ich jetzt allerdings ehrlich gesagt auch nicht wirklich überzeugend.

Hier zeigen sich aber die taktischen Möglichkeiten der Parteien. Göring-Eckert (Grüne) und Schneider (SPD) sind beide auf Listenplatz 1. Sie ziehen also auf jeden Fall in den Bundestag ein. Sie könnten also ihren potentiellen Wählern empfehlen mit der Erststimme Ramelow zu wählen. Auf jeden Fall haben Sie ihm ein gutes Argument gegeben, damit für sich zu werben.
Wären sie gar nicht erst angetreten, wäre es noch besser gewesen. CDU, FDP und AFD hätten sich um die rechten Stimmen gezofft und links wäre der Weg frei gewesen.