Stimmung in Deutschland

Hallo Zusammen

Ich möchte was zur Stimmung in Deutschland schreiben. Ich bin Schweizer und war gerade für 2 Wochen in Deutschland in den Ferien. Seit ca. 10 Jahren verbringen wir immer wieder mal Ferien in Deutschland.

Als Familie mit kleinen Kindern ist man dabei natürlich auch immer wieder auf Deutsche Familien mit kleinen Kindern gestoßen. Bisher waren das immer sehr positive Begegnungen. Die Familien waren zuversichtlich und im Wesentlichen zufrieden.

Dieses Jahr nun war ich wirklich überrascht vom Stimmungsumschwung in Deutschland. Egal ob an den Supermarktkassen oder im Restaurant. Überall ist das Thema, dass ein grosser Wohlstandsverlust wahrgenommen wird.

Was mich aber geradezu schockiert hat, ist die weitverbreitete Mentalität: „Egal wie stark es mir selber schadet, Hauptsache es schadet „denen“.“ Egal was „denen“ ist.
Eltern unterstützen Ihre Kinder darin, öffentliche Spielplätze zu zerstören. Glasflaschen werden am Strand zerschlagen.

Ich weiss, als Tourist sind das alles anekdotische Einzelereignisse. Dennoch war ich schockiert ab der in Deutschland vorherrschenden Hoffnungslosigkeit. Um diese lethargisch Wut abzuleiten bleibt offensichtlich vielen nur, sich in zielloser Zerstörung abzulenken. Ich denke das ist auch einer der Gründe für den Erfolg der AFD. Niemand erwartet von der AFD, dass sie Probleme löst, oder etwas aufbaut. Die AFD ist einfach nur der grosse Hammer, mit dem in Deutschland am effizientesten Zerstört werden kann. Seien es die Sozialwerke, die Verkehrsnetze oder die Schulen.

Ich denke es ist flächendeckend nicht so negativ, aber sicher gibt es da starke Kräfte mit destruktivem Tenor.
Also Gruppen, die „ geteiltes Leid ist halbes Leid“ schon so interpretieren, das „wenn es mir gefühlt schlecht geht, soll es allen anderen auch schlecht gehen“.
Die gab es schon immer, sind jetzt vielleicht wahrnehmbarer oder mehr.

Was ich eher wahrnehme ist eine zunehmende Resignation und teils Lethargie.
Also die Erkenntnis, das Parteien und Regierung(en) der letzten Jahre keine Lösungen liefern wollen oder können für reale Probleme, dafür dann auf populistischen Themen rumreiten, auch ohne wirkliche Lösung, weil nicht Kern eines Problems.
Und auch das Gefühl, ob ich mich jetzt anstrenge oder nicht, ist eigentlich egal, dann mache ich halt nur das was von mir verlangt wird.
Also die klassischen deutschen „Tugenden“ wie Fleiß und Innovationskraft eher rückläufig sind.

Es fehlt aber wohl eher der berühmte Ruck, der durch Deutschland gehen muss.
Sehe da grad aber keinen wirklich „rücken“ , auch wenn es durchaus noch einige motivierte Menschen gibt

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Also die Erkenntnis, dass populistische Entgleisungen nicht zielführend sind, ist meiner Meinung nach nicht gerade gesellschaftlicher Konsens.
Im Gegenteil, ich glaube die Erkenntnis Vieler reicht oft nur bis zur Unzufriedenheit, welche dann in populistischen Reflexen resultiert (auch weil in der Wahrnehmung vieler die nicht-populistischen Inhalte nicht ankommen).

Ich bezweifle, dass Steinmeier oder Scholz auf dem Niveau der Ruck-Rede kommunizieren und für gesellschaftlichen Fortschritt kämpfen können. Insbesondere letzterer ist ja selbst auch eher Vertreter des Lagers „weiter so“.

Das hab ich ja auch nicht behauptet. Sondern das eher populistische Parolen ohne Lösung eher propagiert werden als wirkliche Lösungen.

Und ja, der „Ruck“ fehlt, weil offenbar niemand in der Lage ist voranzugehen.

Darf man fragen, wo in Deutschland ihr unterwegs wart?

Insgesamt betrachtet sah’s zuletzt so aus:

Allerdings gibt es auch folgendes Phänomen:

Womöglich handelt es sich also um eine Teilpopulation, die im Negativen immer aufgeputschter wird, wohingegen die Bevölkerungsmehrheit keineswegs destruktiv geworden ist.

Was allerdings auch noch erwähnenswert ist, ist das Phänomen der emotionalen Ansteckung, welches in Psychologie heute ganz schlicht so beschrieben wird:

Negative Gefühle, so zeigt die Forschung, übertragen sich sogar leichter als positive, insbesondere wenn sie mit einer hohen Intensität ausgedrückt werden. Wenn man auf eine Person trifft, die übel gelaunt oder zornig ist, dann besteht die große Gefahr, dass man sich bei ihr „ansteckt“, fast so als würde man sich einen Grippevirus einfangen. Mehr noch: Die negativen Emotionen können auf die nächste und übernächste Person überspringen und Familien und Arbeitsteams „infizieren“. Oder auch virtuelle Gruppen: In der Onlinewelt, so scheint es, verbreiten sich negative Emotionen oft rasant; das macht das Phänomen momentan so relevant.

Wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang, dass es des tatsächlichen oder virtuellen Kontaktes bedarf, sodass solcherlei Gefühlsansteckungen v. a. in sozialen Clustern oder Netzwerken passieren.

Bezogen auf die AfD-Blase hieße das, dass sich negative Gefühle durch wechselseitige Ansteckung stabilisieren oder sogar verschärfen. Es könnte somit ein Teufelskreis wechselseitiger Bestärkung negativer Emotionen entstehen.

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Das kann und konnte man zu allen Zeiten beobachten, absolut keine neue Erkenntnis (krasseste Ausprägung NS). Dass die Dichte solcher Dynamiken zunimmt, nehme ich schon wahr. Soziale Medien sind sicher ein grosser Treiber, geradezu ideale Brutstätte, und die AfD reitet darauf. Zu viele Menschen haben nicht gelernt, Wahrnehmungen zu sortieren und zu relativieren.

Die technische Entwicklung (die ja nur von relativ wenigen hochspezialisierten Personen vorangetrieben wird) trifft auf mentale Zustände grosser Bevölkerungsteile auf dem Stand von vor zig Jahren. Das konnte so nicht gut gehen. Die technischen, politischen und wirtschaftlichen Eliten haben das ausgenutzt oder halt so „mitgenommen“ oder wirklich nicht bemerkt. Es wird aber in immer komplexeren gesellschaftlichen Zusammenhängen immer mehr zum Problem.

Lösung kann nur bestmögliche Bildung sein, dafür müssten viele Schulwochenstunden von den Berufsertüchtigungsfächern auf echte, mitreissende Sozialkunde-Stunden (Bildung von sozialer Intelligenz) umgeschichtet werden. Bin gespannt, wann unsere konservativen Betonköpfe das schnallen.

Der technische Fortschritt ist schon recht, wenn er wirklich den Menschen dient. Der eigentliche Fortschritt kann mE aber nur im Sozialen liegen. So gesehen ist degrowth (beim herkömmlichen Krempel) wunderbar möglich und wünschenswert bei gleichzeitig riesigem Wachstum von Lebenszufriedenheit.

Das sehen wir ja auch sehr schon im Bezug auf den Trumpismus in den USA.
Es ist generell so, dass in „revolutionären“ Kreisen, also unter Menschen, die gerne das System grundsätzlich „reformieren“ oder gar komplett „umstürzen“ wollen, diese „doom&gloom“-Erzählungen dominieren. Das ist in diesen Kreisen eben auch wichtig, denn so lange die Lage halbwegs erträglich ist, wird man niemanden zur Revolution anstacheln können. Oder, um mal den damaligen Pressesprecher der AfD, Christian Lüth, zu zitieren: „Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD“. Und dazu gehört eben auch, den Wählern in den Kopf zu setzen, wie schlecht es doch um Deutschland stünde.

Ich habe hier im Forum schon sehr oft zu verschiedenen Anlässen argumentiert, dass ich dieses ständige „Alles ist schlimm, alles wird immer schlimmer, Deutschland versinkt in der Bedeutungslosigkeit, und die Pisa-Ergebnisse erst…“ absolut nicht leiden kann. Leider bestärkt auch die demokratische Opposition in Form der CDU und der Linken diese Narrative, weil diese Narrative natürlich auch für sie geeignet sind, gegen die aktuelle Regierung zu agitieren. Dass sie damit vor allem der AfD helfen, wollen sie dabei nicht einsehen.

Kurzum:
Meiner Meinung nach sind es weltweit vor allem die Rechtspopulisten, die diese negative Stimmung an die Wand malen, weil sie das brauchen, um die Notwendigkeit erheblicher Systemänderungen zu rechtfertigen.

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Eine Bevölkerungsmehrheit von über vier Fünfteln wird durch zumal schulische Bildungsanstrengungen nicht mehr erreicht. Nur 18,8 Prozent sind überhaupt unter zwanzig Jahre alt und da sind alle Säuglinge und ausländische Menschen, von denen es anteilig mehr Minderjährige gibt (15,6 % waren 2022 unter 15 Jahre alt), schon mitgezählt. Vorrangig auf (Schul-)Bildung zu setzen hilft also wenig.

Natürlich gibt es Beschränkungen. Aber, würde diese Bildungswende halbwegs verwirklicht, hätte das nicht nur Wirkung auf die derart beschulten Kinder, sondern auch auf deren Eltern, und in zwar abgeschwächten „Wellenringen“ in die übrige Gesellschaft hinein. Es brächte eine Dynamik in Gang, die eben in der gegenseitigen Beeinflussung von Akteuren viel mehr wäre als die isoliert betrachtete Arbeit in den Schulen.

Und selbst wenn nur die 20% erreichbar wären, würdest du diese Option deshalb sausen lassen? Natürlich gibt es viele Ansatzpunkte für eine Gegenwehr, aber mE keine mit annähernd dieser Wirkung, nachhaltig auch noch.

Nein, natürlich nicht. Im Bildungssektor muss natürlich alles Notwendige getan werden, aber - und darauf verwies ich - das wird bei Weitem nicht ausreichen.

Es muss also über andere Mittel nachgedacht werden, selbst wenn der von dir prognostizierte Ausbreitungseffekt eintreten sollte.

Ist jetzt nur ein persönlicher Eindruck ohne Belege auf Anhieb, aber subjektiv scheint sich der Schwerpunkt immer mehr auf schnelle „Lösungen“ zu verlagern, die schnelle Erfolge bringen sollen.
Für nachhaltige und langfristige Lösungen und Anstrengungen scheinen wir keine Zeit mehr zu haben.
Das macht manche Menschen anscheinend unzufrieden bis aggressiv.
Entweder weil die schnellen Lösungen irgendwie doch keine Probleme lösen oder weil man feststellt, das sich keiner wirklich traut, mal langfristig und fokussiert zu agieren.

Wie gesagt, rein subjektiv und evt etwas überspitzt, aber durchaus im nahen Umfeld zu beobachten

Lösungen von was?

Eine Analyse würde ja bei der Frage ansetzen, ob es ein Problem gibt und wenn ja, welches.

Wenn du unterschiedliche Leute fragst, wirst du sicher auch sehr verschiedene Antworten erhalten.

Wenn du Rassistinnen und Rassisten fragst, werden sie dir was von Migration erzählen. Wenn du Nicht-Rassistinnen/-en fragst, werden sie den Rassismus als Problem beschreiben usw.

Die ausgesprochene Übellaunigkeit einer im Wesentlichen rechtsextremen Teilpopulation würde ich jetzt nicht unbedingt per se als Problem sehen, sofern nicht andere durch Alltagsrassismus u. dgl. davon in Mitleidenschaft gezogen werden. Dann besteht natürlich ein erhebliches Gefahrenpotenzial.

Wenn eine Mehrheit, wie es der Fall ist, eine relativ hohe persönliche Lebenszufriedenheit empfindet, dann kann man höchstens in empathischer Absicht fragen, welche Motive bei der Minderheit für ihre Unzufriedenheit vorliegen.

Und dann kann man entscheiden, welche der Unzufriedenheiten man denn als begründet akzeptieren möchte.

Für mich ist z. B. eine Unzufriedenheit aus rassistischen Motiven kein legitimer Grund.

Ich fand, am Anfang der Ampelregierung Ende 2021 ging ein deutlicher Stimmungsruck durch meine Peergruppen. Da war viel Hoffnung, nach den vielen Merkeljahren und unter Corona, dass mal ein spürbar anderer Kurs angegangen wird. Am Anfang war wohl die Stimmung auch innerhalb der Regierung entsprechend euphorisch und optimistisch. Dann kam die Ukraine-Invasion mit seinen neuen Krisen, und seitdem kommt das Land nicht mehr so recht aus dem Feuerlösch-Modus raus. Seitdem konzentrieren wir uns irgendwie nur noch darauf, was alles nicht geht und was die Ampel alles doof macht. Verwalten statt gestalten. Das Einigeln ins Private hat deutlich zugenommen.

Aber um nicht zu weit vom Thema anzukommen: ich finde es echt interessant, die Einschätzung von Ausländern zu Deutschland zu hören. Insbesondere auch von unseren direkten Nachbarn, weil da durch die kulturelle Nähe wertvolle Perspektiven auch für uns entstehen können. Z.B. merke ich, wie beim Thema Bahn und ÖPNV in Deutschland in meinem Umfeld nur noch mit Galgenhumor umgegangen wird. Wenn man dann die Grenze von Bayern nach Süden übertritt merkt man aber schnell, dass Bus und Bahn auch geil sein können.

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Da du die Bahn erwähnst, will ich mal eine etwas andere Perspektive aufmachen. Über Jahrzehnte wurde auf Verschleiß gefahren und das Allernötigste geflickt.

Jetzt wird mal ansatzweise generalsaniert, was u. a. zur Folge hat, dass es viele Streckensperrungen gibt, was zu deutlich mehr Verspätungen und mithin Ausfällen führt, weil das verbleibende Streckennetz überlastet ist.

Aber irgendwann muss man das lange Versäumte eben nachholen. Da führt kein Weg dran vorbei.

Ähnlich sieht es in anderen Politikfeldern aus (z. B. bei der notwendigen Transformation). Langes Nichtstun hat immer unangenehme Nebenwirkungen, wenn sich Probleme bis zum Get No aufgehäuft haben.

Die Alternative kann aber ja nicht sein, noch länger zu prokrastinieren, bis uns die Decke auf den Kopf fällt.

Und zur jahrzehntelangen Vernachlässigung nach der Methode „Augen zu und durch!“ kommt nun noch eine Reihe zusätzlicher Problem wie der von dir angesprochene Krieg und eine auch finanzpolitisch nicht vorausschauende Politik nach Art der „schwäbischen Hausfrau“, die zu enormen Restriktionen führt (Stichwort „Schuldenbremse“).

Was jetzt auch noch psychisches Unbehagen bereiten kann, ist, dass etwa die Veränderungen im Bereich der Klimapolitik erst langfristig sichtbar sein werden. Ob z. B. die Erleichterungen im Bereich Windkraft greifen werden und hinreichend sind, wird man erst weit jenseits dieser Legislaturperiode wissen können. Und Unwissen verunsichert tendenziell.

Na ja, und dann kommt natürlich noch das Querschießen der kleinsten Koalitionspartnerin hinzu.

Ob und inwiefern das die persönlich empfundene Lebensqualität beeinträchtigt, ist dann noch mal wieder eine ganz andere Frage.

Dabei bestreite ich gar nicht, dass Anlass zu Unmut besteht, aber ich plädiere dafür, sozusagen die Spreu vom Weizen zu trennen.

Deutschland hat so gewählt, dass diese Konstellation entstanden ist. Dennoch sehe ich die Ampel-Koalition immer noch - trotz mancher Bauchschmerzen - als kleineres Übel an.

Was ich dann doch enervierend finde, ist, dass in Deutschland, wie ich hier andernorts schon schrieb, so manches im Zuge einer in extenso betriebenen Güter- und Folgenabwägung dergestalt zerredet wird, dass der Eindruck entsteht, jeder Schritt im Sinne des Vorankommens wäre ein Schritt in die falsche Richtung, weil Bedenken überbetont werden. So tritt man eben auf der Stelle oder verliert sich in perfektionistischen Detaildiskussionen, anstatt fehlertolerant Fortschritt zu organisieren. Risikoscheu ist da noch arg untertrieben.

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In Summe scheinen die Deutschen glücklicher geworden zu sein. Leider gehen die Daten nur bis 2021:

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Der langfristige Trend ist jedenfalls positiv:

2020 begann die COVID-19-Pandemie, sodass der leichte durchschnittliche Rückgang im Folgejahr auch damit zusammenhängen könnte.

Nach dem Glücksatlas (s. o.) hat sich die Lebenszufriedenheit zumindest einigermaßen stabilisiert:

Das gemessene landesweite Glücksniveau steigt 2023 auf 6,92 Punkte. Das ist ein leichtes Plus von 0,06 Punkten gegenüber dem Vorjahr (6,86 Punkte). Im Vergleich zum Tiefpunkt im Jahr 2021 mit 6,58 Punkten beträgt der Unterschied insgesamt 0,34 Punkte. Jedoch befindet sich der diesjährige Wert von 6,92 Punkten um 0,22 Punkte unterhalb des Vor-Corona-Niveaus von 2019 (7,14 Punkte). „Die Erholung von den Glückseinbußen der Corona-Zeit verläuft schleppend. Der bescheidene Glückszuwachs zeigt, dass bestimmte Beeinträchtigungen durch die Pandemie immer noch nachwirken und dass neue Krisenfaktoren den Erholungsprozess dämpfen“, sagt Raffelhüschen. […]

„Die Nachwirkungen der Corona-Zeit zeigen sich am deutlichsten bei den Jugendlichen“, stellt Raffelhüschen fest. Bei diesen zeigt sich eine Zunahme diffuser Ängste, sei es vor Verlusten des Wohlstands, des Friedens, der Gesundheit oder den Auswirkungen der Klimaerwärmung.

Kleinere Schwankungen sind ohnehin normal, es gibt zudem stets eine gewisse statistische Unschärfe.

@Heinz: Ich habe letzte Woche auch Urlaub im eigenen Bundesland (Bayern) gemacht und hatte einige Erlebnisse, die mich sprachlos gemacht haben. Da wurden ganz schön die Ellenbogen rausgeholt, egal ob an der Supermarktkasse oder am See. Tenor scheint zu sein, „zuallererst komme ich und dabei kann ich mich noch aufführen wie ich will.“ Glücklicherweise gibt es dann auch die freundlichen Menschen mit denen man ins Gespräch kommt. Im Gespräch würden sich die meisten Dinge ja auch gut lösen lassen, aber da haben viele kein Interesse dran. Aber das ist nur meine subjektive Wahrnehmung. Ich finde auch, dass sich da in letzter Zeit einiges gändert hat.

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Hallo, also wir waren in Ostholstein. Aber ich denke das ist ja nicht so relevant, da es da viele andere Touristen aus der ganzen Bundesrepublik handelte. Ich habe mir auch überlegt, ob das vielleicht einfach eine „nordische Mentalität“ sein könnte, da es sich so sehr von unseren früheren Erfahrungen in Süddeutschland unterschied. Aber die Erfahrungen von denen ich so irritiert war, waren ja nicht die Kontakte mit den Ansässigen, sondern mit einem bunten Gemisch aus der ganzen BRD. Die meisten konnten wir gar nicht zuordnen, aber wir hatten Brandenburger und Berliner die sich vernünftig benahmen, und es gab Münsteraner, Stuttgarter, Hamburger und Bayern die sich durch das oben beschriebene Verhalten eingebrannt haben.

Zudem wirkt sich dann das Verhalten solcher Personen nicht nur innerhalb der Gruppe, sondern auch gegen aussen. Wer in der Gewissheit lebt, permanent übers Ohr gehauen zu werden, und zum eigenen Nachteil behandelt zu werden, geht so agressiv und missmutig in die Welt hinaus, dass er oder sie zwangsläufig mit Misstrauen behandelt werden. Womit das ganze auch noch zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung wird.

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Ein paar grundsätzliche Überlegungen angesichts anekdotischer Evidenzen:

Zunächst einmal ist es möglich, dass es sich um eine Art Wahrnehmungsverzerrung im Sinne eines Primings handelt. Vermehrte Medienberichte über aggressive, motzende, rücksichtslose usw. Mitbürger:innen, eine angebliche Spaltung/Polarisierung der Gesellschaft usf. highlighten bestimmte Verhaltensweisen so sehr, dass es zu einer höheren Sensibilisierung und somit stärkeren Wahrnehmung kommt. Die Brille, durch die man auf die Welt sieht, verändert also ihre Farbe, sodass man die gleiche Welt anders sieht. Auch bekannt ist die Tendenz, die Vergangenheit zu idyllisieren. Der bekannte Effekt ist der Eindruck, es würde immer schlechter.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, falls im o. g. Sinne problematisches Verhalten tatsächlich sichtbarer geworden sein sollte, ob mehr Menschen solches Verhalten zeigen oder ob nicht vielmehr jene Leute, die solches Verhalten zeigen, dies nur deutlicher zeigen, sodass es auffälliger ist. Wenn die „Knalltüten“ von der Anzahl oder dem Anteil her gleichbleiben, aber mehr aggressives Verhalten oder aber aggressiveres Verhalten zeigen, hat sich diese Aggressivität ja nicht in der Gesellschaft ausgebreitet.

Von Internettrollen weiß man z. B., dass die ihr Verhalten teils bis zur „Hyperaktivität“ steigern, aber das Trolling doch oft nur von wenigen ausgeht. Dennoch setzt sich häufig der Eindruck fest, dass es mehr Trolle gäbe.

Was ich damit sagen will, ist, dass man ohne solide repräsentative Studien zunächst einmal keinerlei Aussage über tatsächliche Zunahmen treffen kann, sowenig wie man von ein paar Pappnasen aus Hamburg, die sich daneben benehmen, auf Hamburger:innen als solche schließen kann. (War gerade erst dort und war über die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft derselben überrascht.)

Was ich auch noch anmerken möchte, ist, dass noch nicht einmal Lebenszufriedenheit mit friedlich-freundlichem Verhalten in Zusammenhang stehen muss. Vielmehr kann es - zumindest teilweise - auch so sein, dass aggressives Verhalten auch zu einer gewissen Zufriedenheit führen kann. Das Ausüben von Gewalt kann sogar euphorisierend sein.

Kurzum: Das Stochern im Nebel hilft nicht weiter, solange keine einigermaßen validen Daten vorliegen.

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Da muss ich dir vollkommen recht geben. Ich habe auch lange mit mir gerungen, ob ich dieses Thema starten soll. Ich habe den Disclaimer im ersten Post ja auch schon drin. Dennoch wollte ich einfach mal checken, ob viele andere ähnliche Erfahrungen gemacht haben, oder ob das eine reine Einzelerfahrung meinerseits war. Und momentan is Alba der/die einzige, mit ähnlichen Erfahrungen. Es scheint also doch nicht ganz so schlimm zu sein.

Natürlich wäre valide Daten super. Aber wie soll man so was im Verlauf der Jahre eruieren. Zufriedenheit wird stellt ja jeder Mensch immer basierend auf einem Ist-Zustand in Relation zu eine Soll-Zustand her. Und typischerweise wird wohl der Soll-Zustand über die Jahre volatiler sein, als der Ist-Zustand.

Also zum Beispiel der Einfluss von Corona auf die Lebenszufriedenheit. Ein selbständiger Coiffeurmeister, der sein Einkommen verloren hat, kann zum Beispiel trotz Corona zufriedener sein, weil er wahrnimmt, dass diverse Hilfsmassnahmen ihn durch die Krise tragen. Und dass er darum die Angestellten halten konnte, und dass es danach wieder aufwärts gehen wird.
Ein anderer Coiffeuermeister in derselben Situation könnte aber auch total unzufrieden sein, weil sein geplanter Maledivenurlaub geplatzt ist.

Bei beiden hat sich an der realen Lebensqualität (Essen, Schlafen, Familie, Gesundheit) auch trotz Corona nur sehr wenig geändert. Dennoch ist der eine recht zufrieden, weil es ihm im Vergleich zu nicht unterstützten Coiffeuer sehr gut geht. Und der andere ist unglücklich weil es Ihm im Verhältnis zu den erhofften Gewinnen sehr schlecht geht.

Darum halte ich es für ungeheuer schwer, die Lebenszufriedenheit über grosse Zeiträume (> 10 Jahre) zu vergleichen. Ich kann ja nicht mal für mich beantworten, ob ich heute zufriedener als vor 15 Jahren bin. Und selbst wenn ich das könnte. Bin ich zufriedener weil mit Zunehmendem Alter die Zufriedenheit eh immer steigt. Oder weill wirklich die Bedingungen besser wurden.

Ich glaube der Effekt basiert halt wirklich auf der Sichtbarkeit einer kleinen Gruppe misepetriger Agitatoren. Früher gab es die auch, aber man ist ihnen ausgewichen, oder hat sie ignoriert. Aber heute sind diese in den sozialen Netzwerken unterwegs. Und weil sie so heftige Reaktionen hervorrufen werden sie durch die Algorithmen gepusht. Und diese Aufmerksamkeit wollen sie dann auch im echten Leben erhalten, und setzen sich darum über alle Anstandsregeln hinweg. Es sind als wahrscheinlich wirklich nicht mehr, aber sie sind offensiver.

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