Was mich als Nicht-Betriebswirt mal interessiert, ist die oft postulierte Aussage, das wir stetiges Wirtschaftswachstum brauchen, damit unser Wohlstand nicht stagniert. Also das unsere Unternehmen möglichst jedes Jahr eine Gewinnsteigerung vorweise können. Ich gehe mal davon aus, das es hier primär um Produktionsbetriebe geht, nicht um den kleinen Handwerksbetrieb.
Wachstum entsteht ja, so vermute ich, durch steigende Gewinne. Diese resultieren in der Regel ja durch höhere Verkäufe in Verbindung mit höheren Produktionszahlen.
Falls ich hier schon völlig daneben liege, freue ich mich auf eine Korrektur.
Höhere Verkäufe ergeben sich ja demnach, wenn wir als Kunden mehr konsumieren, also die produzierten Produkte in höherem Maß oder kürzeren Zyklen kaufen.
So stelle ich mir laienhaft unser marktwirtschaftliches System vor.
Jetzt nehmen wir mal an, im Sinne des Klimaschutzes entdecken wir als Kunden die Nachhaltigkeit. Wir sparen Strom, Wasser und Heizenergie, verzichten ggf auf das Auto komplett, verzichten zudem auf weite Urlaubsreisen, unnötige Anschaffungen. Der Tv muss dann mal länger halten, das Handy auch, und wenn nötig, kaufen wir nur noch gebrauchte Artikel.
Geben unser durch Arbeit verdientes Geld nicht wahllos aus, sondern sparen es bzw geben es nur noch sehr reduziert und gezielt aus.
Was jetzt im Sinne des Klimaschutzes sinnvoll wäre, müsste dann doch gleichzeitig sehr nachteilig für das Wirtschaftswachstum sein, vorausgesetzt, die Kunden reagieren in Massen wie beschrieben.
Sind aus dieser Sichtweise eine nachhaltige und sparsame Lebensweise und stetiges Wirtschaftswachstum vereinbar?
Wenn ich die sehr gut erläuterten Antworten lese, gibt es also Grenzen des Wachstums, soweit verstanden.
Also müsste sich das Wachstum sehr ressourcenschonend und kreislauforientiert abspielen, um nachhaltigen Konsum zu befördern.
Ich befürchte, soweit sind wir als Gesellschaft noch nicht.
Auf der Ebene des einzelnen Unternehmens kann (Gewinn-)Wachstum natürlich auch durch Produktivitätsgewinne erreicht werden. Also z.B. indem ich meine Produktionslinie effizienter strukturiere, weniger Ausschuss, Verschnitt, u.ä. erzeuge, neue Verfahren einsetze, weniger Verwaltungsaufwand habe, etc.
Stimmt, die Einsparung von Kosten kann auch den Gewinn vergrößern.
Aber zur Kernfrage: Die Forderung nach stetigem Wachstum und damit steigendem Konsum als Zeichen von Wohlstand kann man dann ja angesichts des Klimawandels und sozialen Ungleichgewichts in der Welt ja im Grunde verneinen.
Die Frage für mich wäre halt, wie müsste ein zukunftsfähiges Wirtschaftssystem aussehen und wäre eine Veränderung realistisch?
Hier ist schon eine Grundannahme falsch. Wachstum entsteht nicht durch Gewinne, zumindest nicht wenn wir vom Wachstum des BIP sprechen, was in vielerlei Hinsicht mangelhaft ist, aber eben der Standardindikator, den wir für Wohlstand verwenden.
Es gibt verschiedene Arten, das BIP zu berechnen, aber wenn wir es einfach gesprochen als den Gesamtwert der in einem Jahr produzierten Güter annehmen, dann sollte klar sein, dass der Gewinn der Unternehmen keine Rolle spielt. Kosten einzusparen, ist in dem Bild nicht relevant.
In meinen Augen, betrachtest Du das Bild hier von der falschen Seite. Wenn ich ein qualitativ sehr hochwertige Jacke kaufe, weil da eine „gut“ bezahlte Näherin sehr viele Stunden Arbeit reingesteckt hat, dann ist da im Sinne der Nachhaltigkeit erstmal wenig gegen einzuwenden. Ist mit Sicherheit besser als wenn ich jeden Herbst bei irgendeinem Billig-Modeanbieter eine schicke, Wegwerfjacke kaufe. Warum? Letztlich geht es bei der Nachhaltigkeit doch um den Ressourceneinsatz. Was entnehmen wir unserer Umgebung zur Befriedigung unserer Bedürfnisse?
Es ist ein Problem des Wachstums-Begriffs, das er ziemlich schwammig verwendet wird. Wenn wir uns damit auf die Ausbeutung von Ressourcen beziehen, dann ist trivial, dass wir das auf der Erde nicht beliebig steigern können, sondern im Gegenteil zusehen müssen, den zu reduzieren. Aus diesem Blickwinkel sind Wachstum und Nachhaltigkeit tatsächlich nicht nur unvereinbar, sondern Gegenpole.
Wenn wir Wachstum auf das BIP beziehen, scheint es mir jedoch schon weniger klar, dass unbegrenztes Wachstum nicht möglich ist. Das geht in meinen Augen aber am eigentlichen Problem vorbei. Warum ist das BIP die alles überstrahlende Kennzahl und warum spielen andere Faktoren kaum eine Rolle?
Das erklärte Ziel ist ja schon ein stetiges Wirtschaftswachstum, soweit ich das als Laie verstehe. Kein Wachstum ist Stillstand und somit Stagnation.
Andererseits ergibt sich da ja eine gewisse Erwartungshaltung an uns als Konsumenten, dieses Wachstum durch entsprechenden Konsum zu unterstützen.
Also Produkte in kürzeren Zyklen auszutauschen durch neue Produkte, z. B. Handys.
Eine langfristige und nachhaltige Nutzung von Produkten wäre aus dieser Sicht doch kontraproduktiv, oder?
Wenn die Nutzer das iPhone 11 so toll finden, das sie es 5-6 Jahre halten, dann wäre das doch eher ungünstig für Apple und den Verkauf neuer Modelle.
Alles mal etwas naiv und laienhaft formuliert.
Ich bin mir nicht sicher, ob Wirtschaftswachstum zwangsläufig unvereinbar mit Nachhaltigkeit ist. Zum einen kann ich durch Innovationen in der Konstruktion Material einsparen oder wo es geht auf nachhaltige Materialien umstellen.
Daraus ergibt sich die Möglichkeit mit der gleichen Menge Ressourcen mehr Produkte herzustellen. Ob das wünschenswert ist, steht erstmal auf einem anderen Blatt.
Zum anderen gilt die Ressourcenlimitierung nicht für Dienstleistungen. Würde man also Haushaltsgeräte eher vermieten, könnte man Wachstum schon aus einer Erhöhung des Mietpreises „erzeugen“.
Man könnte die Gedanken auch kombinieren. Was wäre wenn wir beispielsweise auf Waschmaschinen verzichten und stattdessen unsere Wäsche im Waschsalon mit viel effizienteren Großmaschinen waschen lassen.
Dann sparen wir, in meiner naiven Vorstellung, enorm Ressourcen und der Dienstleistungsbereich kann trotzdem wachsen. Was meinst du?
Die Idee wäre nicht schlecht, würde aber wohl gegen die Bequemlichkeit sprechen. Mit Autos kann ich mir das vorstellen, da muss man kein eigenes besitzen
Stell dir vor die Post brächte nicht nur Briefe und Pakete, sondern nähme auch Dreckwäsche an und brächte saubere mit (vielleicht mit großer Postbox pro Straße, um die letzte Meile effizient zu halten).
Gehen würde das schon sicher. Und bei Berufskleidung oder in der Hotellerie wird es ja schon so gemacht. Es wäre für den Endkunden nur ungewohnt. Und man müsste als Unternehmer natürlich eine kritische Größe an Kunden erreichen, damit sich das lohnt. Das kann dauern, denn aktuell haben ja alle eine Waschmaschine und würden diese nicht verschrotten.
Grundsätzlich ist das natürlich auch nur ein Beispiel. Analog könnten wir an ganz vielen Stellen in eine Shareconomy übergehen. Meinen Mixer brauche ich zum Beispiel nur einmal pro Woche für 5 Minuten. Ein Küchengeräteverleih pro Straße (natürlich als Automat) oder klassische Nachbarschaftshilfe wäre da sicher sinnvoller.
Ist das wirklich so? Primär würde es den Kunden langfristig binden und damit das Geschäftsmodell so eher absichern. Sonst müsste ich in jeder Gerätegeneration um die Kundschaft buhlen.
Aber auch sonst, stell dir vor, die wichtigen Waschmaschinenhersteller schließen sich in einem Joint Venture zusammen. Die könnten nach einer initialen Phase theoretisch jeden Preis verlangen (Kartellamt mal außen vor gelassen).
Ich hab mal kurz in einer Firma gearbeitet, die Duschkabinen verkauft.
Kauft man ja nicht jeden Tag siwas.
Aber Ziel war halt immer, viele Duschkabinen zu verkaufen, um den Unternehmensumsatz zu gewährleisten, der auch Expansion sicherte.
Daher hab ich zumindest Zweifel, ob unsere aktuell auf Umsatz geeichte Unternehmen auf nachhaltige Geschäftsmodelle umzubiegen.
Kann in einzelnen Bereichen aber eine Perspektive sein wie Mobilität oder nur gelegentlich gebrauchte Produkte